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Koch_Mathematik fur das Ingenieurstudium.pdf
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6.1 Steigung und Ableitungsfunktion

249

6.1.2 Di erenzial

Mit der Tangente kann man das Änderungsverhalten einer Funktion näherungsweise bestimmen. Die Abschätzung ist um so besser, je näher man sich an der Stelle x0 befindet, an der man die Tangente berechnet hat. Je weiter man sich von der Stelle x0 entfernt, um so größer wird in der Regel der Unterschied zwischen Funktion und Tangente. Die Tangente hat eine konstante Steigung. Entlang der Tangente sind Änderungen in x-Richtung und in y-Richtung proportional zueinander. Wenn sich die x-Werte von x0 nach x1 um

x verändern, dann ergibt sich entlang der Tangente eine Änderung um f(x0) x in y-Richtung. Diese Veränderung bezeichnet man als Di erenzial der Funktion f an der Stelle x0.

Definition 6.4 (Di erenzial)

Das Di erenzial einer Funktion f an der Stelle x0 ist definiert durch

dfSx0 = f(x0) dx.

Es beschreibt die Veränderung des y-Wertes entlang der Tangente an der Stelle x0, wenn sich die Variable x um den Wert dx ändert.

y

f(x)

 

f(x1)

 

 

f

f(x0)

df

x=dx

 

x

 

0

x

 

1 x

 

 

In Definition 6.4 fungiert dx als Platzhalter für die Veränderung der Variablen x. Es ist sowohl die Schreibweise mit dx als auch die mit x gebräuchlich.

Das Di erenzial wird oft dazu verwendet, die tatsächliche Änderung des Funktionswerts f = f(x0 + x) − f(x0) näherungsweise zu berechnen. Dabei generiert man natürlich keine hundertprozentig exakte Aussage. Das Di erenzial liefert lediglich einen Näherungswert für die tatsächliche Änderung des Funktionswerts. In der Praxis betrachtet man

deshalb nur kleine Änderungen x und nimmt dabei einen Fehler in Kauf.

Di erenzial

Das Di erenzial der Funktion f an der Stelle x0 liefert für kleine Änderungen x eine gute Näherung für die tatsächliche Änderung des Funktionswerts:

dfSx0 = f(x0) x f = f(x0 + x) − f(x0).

6.1.3 Ableitungsfunktion

Die Ableitung einer Funktion an einer Stelle x0 haben wir als Grenzwert des Di erenzenquotienten definiert. Nun kann es vorkommen, dass bei einer Funktion an gewissen Stellen

250

6 Di erenzialrechnung

der Grenzwert des Di erenzenquotienten gar nicht existiert. Solche Funktionen bezeichnet man als nicht di erenzierbar. Umgekehrt bezeichnet man eine Funktion als di erenzierbar, falls der Grenzwert existiert. Funktionen ohne Ableitungsfunktion sind im Gebrauch oftmals schwierig. Charles Hermite soll einmal gesagt haben: „Mit Furcht und Schrecken wende ich mich ab von diesem beklagenswerten Übel der Funktionen ohne Ableitungen.“

Definition 6.5 (Di erenzierbare Funktion)

Ist die Funktion f an jeder einzelnen Stelle eines Intervalls I di erenzierbar, so heißt die Funktion f di erenzierbar auf dem gesamten Intervall I.

Ähnlich wie bei der Stetigkeit werden wir sehen, dass die meisten Funktionen überall di erenzierbar sind. Anhand von Beispielen betrachten wir nun ein paar Situationen, bei denen die Funktion tatsächlich an einzelnen Stellen nicht di erenzierbar ist.

Beispiel 6.3 (Nicht überall di erenzierbare Funktion)

Die Betragsfunktion f(x) = SxS hat für negative x-Werte die Steigung −1 und für positive x-Werte die Steigung 1. Der linksseitige Grenzwert des Di e- renzenquotienten an der Stelle x0 = 0 hat den Wert −1 und der rechtsseitige Grenzwert hat den Wert 1. Der Grenzwert des Di erenzenquotienten an der Stelle x0 = 0 existiert deshalb nicht. An der Stelle x0 = 0 ist die Betragfunktion nicht di erenzierbar. Für alle anderen x-Werte ist die Betragfunktion di erenzierbar.

 

 

y

 

 

 

 

f (x) = |x|

 

 

 

2

 

 

 

 

1

 

 

−2

−1

1

2

x

 

 

 

 

 

Ì

In Beispiel 6.3 verursacht die fehlende Di erenzierbarkeit einen Knick im Schaubild der Funktion. Eine weitere Ursache für fehlende Di erenzierbarkeit sind Stellen, an denen die Steigung über alle Grenzen wächst. Solche Stellen treten typischerweise am Rand des Definitionsbereichs auf.

Beispiel 6.4 (Nicht di erenzierbare Funktion am Rand)

Bei der Wurzelfunktion f x

 

x versuchen wir die

y

 

 

 

 

 

Ableitung an der Stelle

x0

 

0 mithilfe des Grenzwer-

 

 

 

 

 

 

( ) =

 

 

 

 

3

 

 

f (x) =

x

 

tes des Di

 

 

 

=

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

erenzenquotienten zu berechnen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

( )=

x→0

+

x

= x→0

x =∞

 

1

 

 

 

 

 

f

0

0

 

x

0

1

 

 

.

2

 

 

 

 

 

lim

 

 

 

lim

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Steigung geht für x gegen 0 also gegen unendlich.

 

 

 

 

 

 

Die Funktion ist an dieser Stelle nicht di erenzierbar.

 

 

 

 

 

 

Das Schaubild der Funktion hat an der Stelle x0

=

0

1

2

3

4

5

x

eine senkrechte Tangente.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ì

x x0

6.1 Steigung und Ableitungsfunktion

251

Durch einen kleinen Trick beweisen wir nun, dass jede di erenzierbare Funktion stetig

sein muss. Stetigkeit an der Stelle x0 ist gegeben, falls der Grenzwert lim f(x) den

xx0

Funktionswert f(x0) ergibt. Das erkennen wir, indem wir auf die geschickte Äquivalenz

f(x) = f(x) − f(x0)(x x0) + f(x0) x x0

den Grenzwert loslassen

lim f(x) = lim

xx0 xx0

f(x) − f(x0) (x x0) +f(x0) = f(x0).

´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶ ´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶ → 0

f(x0)

Man erkennt, dass aus der Di erenzierbarkeit stets die Stetigkeit folgt.

Satz 6.1 (Di erenzierbarkeit und Stetigkeit)

Jede di erenzierbare Funktion ist auch stetig und hat an allen Stellen eine eindeutige Steigung. Das Schaubild einer di erenzierbaren Funktion hat weder Sprünge noch Knicke.

Bei einer di erenzierbaren Funktion kann man die Ableitung überall berechnen. Unsere bisherige lokale Betrachtung, die sich auf die Ableitung an einzelnen Stellen beschränkt hat, können wir nun zu einer globalen Betrachtung der kompletten Funktion erweitern.

Definition 6.6 (Ableitungsfunktion)

Ist eine Funktion f di erenzierbar, so kann man eine neue Funktion fdadurch definieren, dass man jedem Wert x die Steigung der Tangente an der Stelle x zuordnet:

x ( f(x).

Ableitungsfunktionen werden oft einfach auch als Ableitungen bezeichnet. In den folgenden Beispielen berechnen wir die Ableitungen ausgewählter Funktionen mithilfe der Grenzwertdefinition.

Beispiel 6.5 (Ableitungsfunktionen)

 

 

 

 

 

 

 

 

) =

 

 

 

Wir berechnen die Ableitungsfunktion der Potenzfunktion f x

xn

für natürliche Zahlen

a)

n mithilfe des Grenzwertes des Di erenzenquotienten

(

 

 

 

f

 

x

lim

 

 

x

 

x

n

xn

.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(

 

+

)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

( ) =

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

x 0

 

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Den Ausdruck in der Klammer können wir mithilfe der binomischen Formel umformen

 

f

 

x

lim

xn

 

n xn−1

x

. . .

 

x

 

n

 

xn

.

 

 

 

 

 

 

 

 

+

 

+x

+ (

 

)

 

 

 

 

 

 

 

( ) =

x→0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

252

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6 Di erenzialrechnung

In dem verbleibenden Ausdruck

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

f

 

x

lim

n xn−1

 

x

. . .

 

 

x

 

n

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

+x

+ (

 

 

)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

( ) =

x→0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

lässt sich

x kürzen. Alle Ausdrücke, die dann noch

x enthalten, fallen nach dem Grenz-

übergang weg und es ergibt sich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

f

x

lim n xn 1

+

 

n

n

1

xn

2

 

x 2

+

. . .

+ (

x

)

n

1

=

n xn

1.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

( ) =

x→0

 

 

( 2− )

 

 

( )

 

 

 

 

 

 

Die Ableitung der Potenzfunktion f(x) = xn existiert für alle x-Werte und ist f(x) = n xn−1. Somit ist die Potenzfunktion für alle reellen Zahlen di erenzierbar. In Beispiel 6.15 werden wir sehen, dass auch die allgemeine Potenz xa für beliebige reelle Zahlen a ableitbar ist und die Ableitung axa−1 besitzt.

b) Wir berechnen die Ableitungsfunktion von f(x) = sin x nach der Grenzwertmethode

f

 

x

lim

sin

 

x

 

x

sin x

.

 

(

 

+

x) −

 

 

( ) =

x→0

 

 

 

 

Der Ausdruck sin (x + x) lässt sich mithilfe des Additionstheorems in Satz 5.11 umformen zu

f

 

x

lim

 

sin x cos

 

x

 

cos x sin

x

 

sin x

.

(

 

 

 

 

 

 

 

+

x

 

 

 

 

) =

x→0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für x gegen 0 geht cos

x gegen 1 und es ergibt sich

f

(

x

lim

 

sin

x

 

x

= cos

x.

 

 

 

 

 

 

x

 

cos

 

 

 

 

 

) =

x→0

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der letzten Umformung haben wir

 

 

 

 

lim

sin

x

=

1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

x→0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

verwendet, siehe Beispiel 6.2. Somit existiert die Ableitung von f(x) = sin x für alle x-Werte und ist f(x) = cos x. Der Sinus ist für alle reellen Zahlen di erenzierbar.

c)Der Kosinus f(x) = cos x ist für alle reellen Zahlen di erenzierbar und die Ableitungsfunktion ist f(x) = −sin x. Der Nachweis erfolgt wieder mit dem Di erenzenquotienten und einem

Additionstheorem:

f

(

) =

x→0

 

 

x

lim

 

 

 

=

lim

 

 

 

x→0

cos

(

x

+

x

) −

cos x

 

 

 

cos

 

 

sin x sin

x

 

cos x

 

x cos

xx

 

 

 

 

 

 

x

 

= −sin x.

d) Die Grenzwertmethode angewandt auf die Funktion f(x) = ex ergibt

f

 

x

lim

ex+ x

 

ex

 

lim

ex e

x

 

ex

 

lim ex

e x

 

1

 

ex.

 

 

=

 

 

 

=

 

 

=

 

( ) =

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

x 0

x

 

 

x

 

0

 

x

 

 

x

 

0

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

An dieser Stelle setzen wir ein, dass die e-Funktion an der Stelle x0 = 0 die Steigung 1 hat:

lim e x − 1 = 1,

x→0 x

siehe Beispiel 6.2. Die e-Funktion ist also für alle reellen Zahlen di erenzierbar und die Ableitung der e-Funktion ist wieder die e-Funktion. Ì

6.1 Steigung und Ableitungsfunktion

253

Die Berechnungen von Ableitungen mithilfe des Grenzwertes wie in Beispiel 6.5 dienen hauptsächlich der Illustration der Ableitungsdefinition. Die Berechnung von Ableitungen werden wir zukünftig einfacher mithilfe geeigneter Ableitungstechniken durchführen, siehe

Abschnitt 6.2.

Beim Ableiten ändern sich die Symmetrieeigenschaften. Die Ableitung einer ungeraden Funktion ist immer eine gerade Funktion. Man kann sich diesen Sachverhalt anhand der Grenzwertdefinition der Ableitung klar machen. Bei einer ungeraden Funktion f gilt die

Beziehung f

(−

x

) = −

f

(

x

)

. Für die Ableitung dieser ungeraden Funktion f erhalten wir

 

 

 

 

 

 

 

 

(−

 

+

 

 

) −

 

 

(−

 

)

 

 

lim

 

 

(

 

 

 

 

 

 

 

 

 

f

x

 

 

 

lim

 

f

x

 

x

f

x

 

 

 

f

x

x

f

 

x

 

 

 

 

 

(− ) =

 

 

0

 

 

 

 

 

 

 

 

 

=

 

f

 

 

− ) +

 

( )

 

 

 

 

 

 

 

 

f x

 

 

x f x

 

 

 

x

 

 

x f x

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

x

0

 

 

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

lim

 

 

 

( − )x− ( )

 

 

 

 

lim

 

 

( + ) − ( )

 

f

x .

 

 

 

 

 

=

 

 

 

 

 

haben wir

 

 

 

=

 

 

 

 

 

 

 

 

 

=

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

( )

Aufgrund von f

 

x

x

 

 

0

(

x

)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

x

 

0

 

 

 

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

f

 

 

 

 

 

 

 

gezeigt, dass die Ableitung f eine gerade Funk-

 

 

 

 

 

 

(− ) =

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

tion ist. Entsprechend ist die Ableitung einer geraden Funktion eine ungerade Funktion.

Satz 6.2 (Ableitungen symmetrischer Funktionen)

Die Ableitungsfunktion einer geraden Funktion ist eine ungerade Funktion und die Ableitungsfunktion einer ungeraden Funktion ist eine gerade Funktion.

Beispiel 6.6 (Ableitungen symmetrischer Funktionen)

a)Bei der Funktion f(x) = x4 handelt es sich um eine gerade Funktion. Die Ableitungsfunktion f(x) = 4 x3 ist eine ungerade Funktion.

b) Die ungerade Funktion f(x) = sin x besitzt die gerade Ableitungsfunktion f(x) = cos x.

Ì

6.1.4 Mittelwertsatz der Di erenzialrechnung

Wenn wir eine Funktion f über ein komplettes Intervall [a, b] betrachten, dann legt die Sekante durch die Punkte (a S f(a)) und (b S f(b)) eine Art mittlere Steigung fest. Die Tangente beschreibt die Steigung in jedem einzelnen Punkt. Der sogenannte Mittelwertsatz der Di erenzialrechnung garantiert, dass es mindestens eine Stelle zwischen a und b gibt, an dem die Tangente gerade diese mittlere Steigung besitzt.

Satz 6.3 (Mittelwertsatz der Di erenzialrechnung)

Bei einer Funktion f, die auf dem Intervall [a, b] di erenzierbar ist, gibt es mindestens eine Stelle x0 (a, b) mit

f(x0) = f(b) − f(a). b a

Die Steigung der Sekante durch die Punkte (a S f(a)) und (b S f(b)) stimmt mit der Steigung der Tangente an der Stelle x0 überein.

y

 

 

 

 

 

f(x)

 

f(b)

 

 

 

f(a)

 

 

 

a

x0

x1

b x

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