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Koch_Mathematik fur das Ingenieurstudium.pdf
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12 Gewöhnliche Di erenzialgleichungen

In manchen Fällen ist es kompliziert oder sogar unmöglich, die allgemeine Lösung einer Di erenzialgleichung zu bestimmen. Dann ist man auf andere Lösungsmethoden für Anfangsund Randwertprobleme angewiesen. Oft verwendet man in solchen Fällen numerische Verfahren zur Bestimmung einer Näherungslösung. Diese Verfahren betrachten wir in Abschnitt 12.6.

Während eine Di erenzialgleichung der Ordnung n zusammen mit n Anfangswerten in aller Regel eindeutig lösbar ist, ist dies bei n Randwerten oftmals nicht der Fall.

Beispiel 12.8 (Randwertprobleme ohne eindeutige Lösung)

a) Die Di erenzialgleichung des Randwertproblems

y′′ + 9y = 0, y(0) = 1, y(π) = 0

hat die allgemeine Lösung y(x) = C1 sin (3x) + C2 cos (3x). Aus dem ersten Randwert ergibt sich C2 = 1. Damit ist y(π) = −1, unabhängig von der Konstanten C2. Die zweite Randbedingung ist nicht erfüllbar. Dieses Randwertproblem besitzt also keine Lösung.

b) Betrachtet man dagegen das Randwertproblem

y′′

9y 0, y 0 1, y

π

1,

 

 

 

 

 

so sind+alle=Funktionen( ) =der Form(

)y=x

C1 sin

3x

cos

3x

Lösungen. Dieses Randwert-

problem besitzt also unendlich

viele Lösungen.

( ) +

(

)

Ì

 

( ) =

 

Definition 12.7 (Partikuläre Lösung)

Eine einzelne Lösungsfunktion einer gewöhnlichen Di erenzialgleichung nennt man spezielle Lösung oder partikuläre Lösung.

In der Theorie der Di erenzialgleichungen gibt es Sätze, die darüber Auskunft geben, unter welchen Bedingungen ein Anfangswertoder Randwertproblem überhaupt lösbar ist und ob es im Falle der Lösbarkeit eine eindeutige Lösung gibt. Dazu wird neben der üblichen Stetigkeit von Funktionen die nach Rudolf Otto Sigismund Lipschitz benannte Lipschitz-Stetigkeit verwendet, siehe [Heuser:DGL].

12.1.3 Richtungsfeld und Orthogonaltrajektorie

Wir betrachten in diesem Abschnitt Di erenzialgleichungen erster Ordnung in expliziter Form

y= f(x, y).

An jeder Stelle (x, y), an der die rechte Seite der Di erenzialgleichung definiert ist, wird durch die Di erenzialgleichung eine Steigung festgelegt. Wenn wir nun in entsprechend vielen Punkten diese Tangentenrichtungen grafisch veranschaulichen, dann lässt sich der Verlauf der Lösungen erkennen. Lösungsfunktionen verlaufen nämlich immer tangential zu diesen Richtungen. Besonders elegant kann man diese sogenannten Richtungsfelder mit Computerprogrammen erzeugen.

12.1 Einführung

461

Definition 12.8 (Linienelement und Richtungsfeld)

Eine Di erenzialgleichung erster Ordnung in expliziter Form

y= f(x, y)

ordnet jedem Punkt in der Ebene eine Steigung zu. Den zu einer Steigung gehörenden Richtungsvektor nennt man auch Linienelement. Die Menge aller Linienelemente heißt Richtungsfeld der Di erenzialgleichung.

y

x

Beispiel 12.9 (Richtungsfeld)

a) Das Richtungsfeld der Di erenzialgleichung

y= y

ist für alle Punkte in der (x, y)-Ebene definiert. Es ist symmetrisch zur x-Achse. Alle Linienelemente durch Punkte mit demselben y-Wert haben dieselbe Steigung. Die Lösungsfunktionen y(x) = C ex verlaufen tangential zum Richtungsfeld.

b) Das Richtungsfeld der Di erenzialgleichung

y= y x

besteht aus Linienelementen, die in Richtung der Ursprungsgeraden verlaufen. Auf der y-Achse, also für x = 0, sind formal keine Linienelemente definiert. Abgesehen vom Ursprung besitzen die Linienelemente auf der y-Achse im Grenzwert die Steigung ±∞. Im Ursprung ist keine Steigung definiert. Man bezeichnet diesen Punkt als Singularität der Di erenzialgleichung. Dem Richtungsfeld kann man entnehmen, dass die Lösungsfunktionen Halbgeraden bis zum Ursprung sind.

y

 

1

 

1

x

y

 

1

 

1

x

Ì

Lösungen im Richtungsfeld, Singularitäten

Die Lösungen einer Di erenzialgleichung verlaufen tangential zum Richtungsfeld. Durch Punkte, in denen das Richtungsfeld eindeutig definiert ist, verläuft genau eine Lösung. Verschiedene Lösungen der Di erenzialgleichung können sich nur in Punkten schneiden, in denen das Richtungsfeld nicht eindeutig definiert ist. Solche Punkte bezeichnet man als Singularitäten oder Gleichgewichtspunkte.

462

12 Gewöhnliche Di erenzialgleichungen

Bei Stabilitätsuntersuchungen in Abschnitt 12.5.5 werden wir Gleichgewichtspunkte nochmals genauer betrachten.

Nun kann man an jeder Stelle die zur Steigung der Di erenzialgleichung senkrechte Steigung betrachten. So gelangt man zur Di erenzialgleichung der Orthogonaltrajektorien.

Definition 12.9 (Di erenzialgleichung der Orthogonaltrajektorien)

Ersetzt man in einer Di erenzialgleichung erster Ordnung die Steigung durch den negativen Kehrwert, so bezeichnet man diese neue Di erenzialgleichung als Di erenzialgleichung der Orthogonaltrajektorien.

Beispiel 12.10 (Orthogonaltrajektorie)

 

 

 

Die Linienelemente der Di erenzialgleichung

y

 

 

 

x

 

 

 

 

 

 

 

 

y= − y

 

 

 

 

1

 

stehen senkrecht auf den Linienelementen der Di e-

 

 

renzialgleichung y

 

y

. Das Richtungsfeld

besteht

1

x

 

x

aus

Linienelementen,

die orthogonal zu

den Ur-

 

 

 

=

 

 

 

 

 

sprungsgeraden verlaufen. Auf der x-Achse, also für

 

 

y

=

0, sind formal

keine Linienelemente definiert.

 

 

Dem Richtungsfeld kann man entnehmen, dass die

 

Ì

Lösungsfunktionen Kreise um den Ursprung sind.

 

Orthogonaltrajektorien

Alle Lösungsfunktionen der ursprünglichen Di erenzialgleichung und der zugehörigen Di erenzialgleichung der Orthogonaltrajektorien stehen überall senkrecht zueinander.

12.1.4 Di erenzialgleichung und Funktionenschar

Die allgemeine Lösung einer Di erenzialgleichung besteht in der Regel aus unendlich vielen Lösungsfunktionen, die mehr oder weniger ähnliches Verhalten aufweisen. Solche Funktionen lassen sich oftmals als Funktionenschar beschreiben. Nun kann man sich umgekehrt die Frage stellen, wie man zu einer gegebenen Funktionenschar eine Di erenzialgleichung herleiten kann, die diese Funktionenschar als Lösung hat.

Beispiel 12.11 (Di erenzialgleichung der Exponentialfunktion)

Die Exponentialfunktionen

y

x

) =

C e−2 x, C

 

R

(

 

 

 

beschreiben eine Funktionenschar mit dem Scharparameter C. Wir suchen eine Di erenzialgleichung, die genau diese Funktionen als allgemeine Lösung besitzt. Die Ableitung

y(x) = −2 C e−2 x

12.2 Di erenzialgleichungen erster Ordnung

463

ist noch nicht unsere gesuchte Di erenzialgleichung, denn diese Gleichung enthält immer noch den Parameter C. Diese Gleichung stellt eine Schar von Di erenzialgleichungen dar und nicht eine einzige Di erenzialgleichung. Wenn wir jedoch die Gleichung von y(x) und von y(x) nach C auflösen und gleichsetzen

C

 

y

 

x

 

e2 x

, C

1

 

 

x

 

e2 x

 

y

x

 

e2 x

1

x e2 x

,

 

 

 

 

2 y

 

 

 

 

 

2 y

 

=

 

(

 

)

 

 

= −

 

 

(

 

)

 

Ô

y(

 

)

 

y

= −

 

 

( )

Ì

dann ergibt sich die gesuchte Di erenzialgleichung

= −2

 

.

 

 

 

Mit der Vorgehensweise aus Beispiel 12.11 lässt sich in der Regel zu einer gegebenen Funktionenschar eine Di erenzialgleichung bestimmen, die genau diese Funktionenschar als allgemeine Lösung besitzt.

Di erenzialgleichung einer Funktionenschar

Wenn man diejenige Di erenzialgleichung bestimmen möchte, die eine bestimmte Funktionenschar als Lösung hat, dann kann man folgendermaßen vorgehen:

(1)Bestimme die Ableitung der Funktionsgleichung der Funktionenschar.

(2)Eliminiere den Scharparameter.

Beispiel 12.12 (Di erenzialgleichung der Ursprungskreise)

Die Ursprungskreise

x2 + y2 = r2, r > 0

beschreiben eine Funktionenschar mit dem Scharparameter r. Mithilfe der Methode des impliziten Di erenzierens, siehe Abschnitt 6.2.4,

2 x + 2 y y= 0

Ô y

= −

x

y

 

erhalten wir eine Di erenzialgleichung, deren allgemeine Lösung aus den Ursprungskreisen besteht, vergleiche Beispiel 12.10. Ì

12.2 Di erenzialgleichungen erster Ordnung

Bei den meisten Di erenzialgleichungen erster Ordnung kann man die allgemeine Lösung durch Separation ermitteln. Separation der Variablen ist ein Lösungsverfahren, das sich direkt anwenden lässt oder manchmal nach einer geeigneten Substitution zum Erfolg führt. Wir werden zwei unterschiedliche Substitutionen, nämlich die lineare Substitution und die Ähnlichkeitssubstitution, in Betracht ziehen. Es gibt noch zahlreiche weitere Verfahren zur Lösung spezieller Typen von Di erenzialgleichungen, die alleine ein Buch füllen würden. Trotzdem sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bis heute für viele Di erenzialgleichungen keine expliziten Lösungen bekannt sind.

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