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II. Text 1

Energiesicherheit

Wir leben in einem Zeitalter, in dem die Außenpolitik zunehmend von Fragen der Energiesicherheit bestimmt wird. Die USA, Russland, die EU und die Aufsteiger China und Indien sind die vier Hauptakteure, die sich im Großen Spiel des 21. Jahrhunderts gegenüberstehen, um Spielregeln auf den Energiemärkten in der Welt von morgen auszuarbeiten. Sie haben heute erkannt, dass Erdöl und Erdgas von existentieller strategischer Bedeutung sind, und geben ihrer Ressourcen-Sicherheit politische Priorität Nummer eins.

Die aktuellen Probleme und künftigen Entwicklungen im Energiesektor werden durch sehr negative globale Risiko-Szenarien beschrieben. Ausgangsprobleme sind die Erschöpfung der Energieressourcen und der gleichzeitig steigende Energieverbrauch. Dadurch sind die Ressourcen der Treibstoff der kommenden Konflikte. Die Fragen von Energiesicherheit haben in den letzten Jahren zu einem immer verschärfteren Wettlauf um die energetischen Rohstoffe geführt. Die Mächtigen der Welt stecken überall dort, wo überlebenswichtige Rohstoffreserven liegen, mit Waffengewalt oder aggressiver Diplomatie ihre Claims ab. Angestrengt versuchen sie, ein Netz von Pipelines durch Wüsten, Steppen und auch unter den Meeren zu ziehen.

Jedes Jahr stehen 4 Milliarden Tonnen flüssiger (Erdöl), 4,6 Milliarden fester (Kohle) und 3.000 Milliarden Kubikmeter gasförmiger Energieträger zur Verfügung. Die Gesamtnachfrage nach Primärenergie besteht zu einem Drittel aus Öl, zu einem Viertel aus Kohle, zu einem Fünftel aus Gas. Hinzu kommen 15% erneuerbare Energien (2% Wasserkraft mitrechnet) sowie 6% Kernenergie. Rohöl, Schmierstoff der Weltwirtschaft, wird aber knapper, das Ölzeitalter geht unwiderruflich seinem Ende entgegen, obwohl die aktuellen Schätzungen davon ausgehen, dass heute noch zwei der insgesamt drei Billionen Barrel Öl zur Verfügung stehen.

Nach dem Referenzszenario der Internationalen Energieagentur (IEA) dürften aber im Jahr 2030 annähernd 50% mehr Energie als heute benötigt werden. Dabei werden den zusätzlichen Verbrauch zu über 70% die Länder außerhalb der OECD verursachen. Das IEA-Trendszenario lässt bei steigendem Verbrauch eine größere Abhängigkeit von fossilen Energienträgern, eine Zunahme der Importabhängigkeit und der Abhängigkeit von Exportstaaten erwarten. Dabei wächst die Bedeutung der Regionen der „strategischen Ellipse“, vom Persischen Golf über das Kaspische Meer bis Nordwestsibirien, für die Versorgung der Welt mit Öl und Gas, weil die Produktion in den OECD-Ländern zurückgeht. Im Jahr 2020 wird die Hälfte der Öl- und Gasproduktion aus Ländern kommen, die derzeit als Hochrisikozonen gelten.

Mit Fragen zukünftiger Energiesicherheit unter globalen Gesichtspunkten hat sich die Agenda des G8-Gipfels im Juni 2007 (in Sankt-Petersburg) befasst. Die sieben führenden Industriestaaten und Russland haben erstmals einen "Aktionsplan" für globale Energiesicherheit verabschiedet. Es wurden dabei die hohen und stark schwankenden Ölpreise als eine der ernsten Herausforderungen genannt.

Die Steigerung von Ölpreisen ist im wesentlichen aus fünf Faktoren zu erklären:

  1. die vehemente Nachfrage diverser Schwellenländer (vor allem China und Indien) und Entwicklungsländer nach Energie und insbesondere nach Öl und Gas. In Schwellenländern mit rasantem Wirtschaftswachstum führt der "Energiehunger" zu einem enormen Ressourcenverbrauch.

  2. Kaum noch freie globale Produktionskapazitäten, die kurzfristig beim Ausfall der Rohölförderung in bestimmten Ländern weltweit mobilisiert werden können.

  3. Begrenzte Raffinerie- und Transportkapazitäten.

  4. politische Krisen in Öl- und Gasexportstaaten sowie Hurrikans, Havarien, Attentate, Unruhen, Bürgerkriege und Spannungen zwischen Ländern, die zu Produktions- und Exportausfällen und damit zu globalen Engpässen führen. So wurden im Oktober 2005 durch Hurrikans erhebliche Preissprünge auslöst, weil ein Drittel der Verlade- und Raffineriekapazitäten der USA ausfiel.

  5. Wachstum der Weltbevölkerung. Im Jahre 2030 werden rund acht Milliarden Menschen auf der Erde leben, fast ein Drittel mehr als heute.

Das politische Kernproblem lautet: wie könnte eine für die Produktions- und die Importländer gleichermaßen akzeptable Governance-Struktur des internationalen Energiesystems aussehen, die den Interessen beider Lager gerecht wird? Ist ein Konzept überhaupt konsensfähig? Deswegen wurde die Schaffung eines verbindlichen internationalen Ordnungsrahmens für die Beziehungen zwischen den Verbraucher-, Produzenten- und Transitländern zu einem der wichtigen Themen der modernen Energieaußenpolitik. Energiesicherheitspolitik zielt darauf ab, Engpässe bei der Energieversorgung oder gar Versorgungsunterbrechungen zu verhindern. Durch Energiepolitik soll Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit erreicht werden. Die Bemühungen in dieser Richtung konzentrieren sich auf die Implementierung des Energiechartavertrags (Energy Charter Treaty, beschlossen 1991, unterzeichnet 1994, teilweise in Kraft seit 1998), der ein Abkommen zwischen 53 europäischen und asiatischen Staaten sowie Australien darstellt.

Was ist Energiesicherheit? Die Antwort verschiebt sich entlang der Frage, wer Energieressourcen besitzt oder kontrolliert und wer die importiert. Dabei stehen sich zwei Philosophien gegenüber. In wichtigen Abnehmerländern schreitet die Politisierung, in einigen Fällen sogar die Militarisierung der Energiebeziehungen voran. Das droht mit einem „kalten Krieg“ um Energie und mit Gefahr von heißen „Rohstoffkriegen“. Die amerikanische Energiesicherheitspolitik äußert sich im unmittelbaren politischen und wirtschaftlichen Diktat den Lieferländern gegenüber. Die USA betreiben durch die militärische und politische Neuordnung des Nahen Ostens eine neue Großmachtpolitik. Die EU fordert von Exportländern ihrerseits eine gemeinsame Erschließung und Förderung von Rohstoffen auf deren Territorien, ohne eigene wirtschaftliche Grenzen offen zu machen.

Darum ist es nicht zufällig, dass Fragen der Energiesicherheit immer stärker nicht in der Kompetenz der Wirtschafts- und Umweltministerien, sondern in der der Außen- und Verteidigungsministerien liegen. Es ist unübersehbar, dass viele Länder auf die direkte wirtschaftliche, politische, diplomatische und auch militärische „Beeinflussung“ energiereicher Regionen setzen. Energiesicherheit ist eine der Gründe für militärische Interventionen aus nationalen Sicherheitsinteressen, gerne auch versteckt hinter Formulierungen, dass der freie Handel und Zugang zu den Märkten gesichert werden muss. Sowohl die NATO als auch die EU haben in ihren Sicherheitskonzepten Wirtschaftsinteressen erwähnt, die zu Interventionen führen können, wozu schnelle Eingreiftruppen aufgebaut wurden. Auch im Sicherheitskonzept des deutschen Verteidigungsministers ist dies enthalten. Energiesicherheit ist inzwischen integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU, hat in die Europäische Sicherheitsstrategie vom Dezember 2003 Eingang gefunden.

Gleichzeitig stärkt Russland, das über ein Viertel der Weltgas- und Steinkohle-, sowie sechs Prozent der Erdölreserven verfügt und eine Schlüsselstellung für die zukünftige Energieversorgung Europas und Asiens hat, über Gasprom und andere Energiekonzerne seine strategische Position in vielen Nachfolgestaaten der UdSSR und den EU-Mitgliedsstaaten durch Aufkäufe energiewirtschaftlicher Unternehmen, Pipelines, Raffinerien und Infrastruktur erheblich. Zukünftig sucht Gasprom direkten Zugang zu Abnehmern und Endkunden in der EU, um so seinen Marktanteil zu erhöhen. In Russland wird die Energiesicherheit als Bestandteil der nationalen Sicherheit, als ein System von Maßnahmen für volle, reibungslose und qualitativ hohe Sicherung von Bedürfnissen des Volkswirtschaft und der Bevölkerung in Energieträgern nach akzepteblen Preisen sowie als gegenseitige Verantwortlichkeit zwischen Verbrauchern und Lieferanten von Energieressourcen betrachtet.

Alle auf Import von Energieträgern angewiesenen Regierungen verstehen unter Energiesicherheit die Bereitstellung von preisgünstiger, verlässlicher und umweltfreundlicher Energie zur Aufrechterhaltung der politischen Stabilität in ihren Ländern. Mittelfristig geht es bei der Energiesicherheit um die Gestaltung der Regeln und der Governance-Struktur des internationalen Energiesystems. Langfristig hängt Energiesicherheit vom Umgang mit dem Klimawandel, von den Vorkehrungen für die drohende Erschöpfung der Öl- und Gasreserven sowie von den Fortschritten beim technologischen Umbau des Energiesystems ab, ist aber vor allem mit Minimierung des Risikos von Energiekrisen mit den Mitteln der Politik verbunden.