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Der Maler - König mit den fünf Häuten
Hundertwasser wurde am 15. Dezember 1928 in Wien geboren. Heute ist er gewiss der bekannteste österreichische Künstler. Sein weltweites Renommee hatte sich bereits Ende der 60er Jahre gefestigt, nach einer bewegten Laufbahn, die mit einem langen und entscheidenden Aufenthalt in Paris begonnen hatte und in einer langen Reihe von Ausstellungen, demonstrativen Reden und Aktionen fortgesetzt wurde. Hundertwassers Ruf erreichte seine größte Ausdehnung mit der Wanderausstellung seiner Werke in den Museen von fünf Kontinenten, die sein Impresario Joram Harel mit Meisterhand zusammengestellt hatte und die zwischen 1975 und 1983 unterwegs war: "Österreich zeigt den Kontinenten Hundertwasser".
Für Hundertwasser hat der Mensch drei Häute: seine natürliche Haut, seine Kleidung, sein Haus. Als der Künstler 1967/68 seine Nacktreden hält, um das Recht des Menschen auf seine dritte Haut geltend zu machen, bringt er den Verlauf der Spirale zum rituellen Abschluss: Er findet seine erste Haut wieder, die Haut seiner ursprünglichen Wahrheit, seine Nacktheit als Mensch und Maler, indem er die zweite Haut abstreift, um sein Recht auf die dritte Haut zu proklamieren. Seit 1972 wird seine Sensibilität für das Dasein durch neue Fragestellungen bereichert, die neue Antworten fordern und neues Engagement auslösen. Damit kommen neue Häute zur konzentrischen Einhüllung der drei erstgenannten hinzu. Die vierte Haut des Menschen ist sein soziales Umfeld (von der Familie bis zur Nation über die Wahlverwandschaft des Freundeskreides). Die fünfte Haut ist die globale. Auf sie wirkt unmittelbar das Schicksal der Biosphäre, die Qualität der Luft, die wir atmen, der Zustand der Erdkruste, die uns beherbergt und ernährt.
Die Kunst der Malerei ist seine Lebenskunst. Im Dezember 1981 verfasste Hundertwasser seine Rede über die Farbe in der Architektur: "Die Natur hat hauptsächlich zwei Farben. Das ist Grün der Vegetation und das Schwarz oder Dunkelbraun der Erde und der Schatten". Für das Bemalen eines Gebäudes liefert er zwei wesentliche Grundsätze: Der Vorzug muss den natürlichen Farben eingeräumt werden (Erde, Ton, Kalk, Holzkohle), und der Putz muss ungleichmäßig auf die Oberfläche aufgetragen werden. Er äußert den Wunsch: "Wenn wir die Natur die Wände bemalen lassen, dann werden die Wände natürlich und menschlich - wir können ein neues Leben beginnen". Die Wiener Volksvertreter bieten Hundertwasser die Gelegenheit, seine Utopie zu verwirklichen. Die politische Macht wendet sich an Hundertwasser, weil sie entschlossen ist, auf die Macht der Kunst zu setzen. Die Akt des Bauens a la Hundertwasser sollte den individuellen Stempel seiner Kreativität auf das ihm anvertraute Areal in der Stadt setzen, auf die physische und menschliche Dimension der Umgebung.
Es ist leicht, in Hundertwassers Malerei Bilder zu finden, die den Aufbau und die Details des Hauses vorwegnehmen: die unregelmäßige Fensteranordnung, die räumliche Integration der Bäume, das bunte Durcheinander und die wellige Linienführung seiner Stadtplanung, die Zwiebeltürme und barocken Säulengänge. In Wirklichkeit ist das Haus aus der Gesamtheit der Motive geschöpft, die das lange Nachdenken des Künstlers über das Wohnen hervorgebracht hat. Das Haus präsentiert sich als ein vertikales Dorf. Jede Wohnung ist durch eine eigene Farbe und die äußere Behandlung der Fenster individualisiert. Der Haupteingang ist eine Säulenhalle, die ein weites Gewölbe stützt. Eine riesige Fontäne mit einem kreisförmigen Becken aus Ziegelsteinen und Keramik mit unregelmäßigem Profil nimmt die Mitte des Raumes ein. Die Gänge sind innere Verbindungswege, die durch den unebenen Fußboden und die wellig verputzten Wände belebt sind. Die Planung erstreckte sich sogar auf Gemeinschaftseinrichtungen: Es gibt eine Arztpraxis, einen Wintergarten, eine Waschküche, einen Abenteuerraum mit konvexem Boden, einen Kinderspielraum, mehrere öffentliche Waldterrassen, ein Cafe, ein Restaurant und Geschäfte. Das wellige Auf und Ab der Dachlinie erinnert an Gaudis Casa Mila. Die bauchigen Säulen, Scheiben aus polychromen Zylindern, die immer wieder im Wiener Haus zu finden sind, werden zu echten Markenzeichen des Hundertwasser-Stils, ähnlich wie die Bäume auf dem Dach, Fensterbärte, Baummieter oder Zwiebeltürme und wellige Fußbodenbeläge aus zerbrochenen Fliesen.
Die 50 Wohnungen des Hauses lassen sich in 5 Gruppen einteilen: acht haben eine Wohnfläche von 40 m2, vierzehn von 60 m2, 25 von 80 m2. Zwei sind 117 m2 groß, während die größte genau 148 m2 misst. Darüber hinaus wurden 37 Stellplätze für Autos vorgesehen.
Das Hundertwasser-Haus ist jedoch ein Opfer des eigenen Erfolgs. Es ist zum Wahrzeichen der Wiener Postmoderne geworden, und das ganze Jahr über klagen die Bewohner lediglich über eine Sache: die Invasion der Touristen, die busweise über sie herfallen. In einem Zeitraum von 15 Jahren hat Hundertwasser etwa 50 Bauprojekte entworfen und die Hälfte davon ausgeführt. z.B. Die großartigste Leistung im Bereich der monumentalen Außengestaltung bleibt das Fernwärmewerk der Gemeinde Wien in Spittelau. Hier ist es Hundertwasser gelungen, eine unglückliche Anhäufung industriell genutzter Räume mit zahllosen Rohren und Metallstreben in einen Moscheenpalast aus Tausendundeiner Nacht zu verwandeln. Es ist das Werk, das sich am meisten den Märchen nähert, die der Phantasie des Kindes so lieb und teuer sind, indem es sich als die Ali-Baba-Version einer Walt-Disney-Phantasie präsentiert. Außerdem hat Hundertwasser viele Umgestaltungsprojekte. Sie erstrecken sich von einem Volkskundemuseum über eine Autobahnraststätte (Bad Fischau), das Martin-Luther-Gymnasium in Wittenberg oder das „Village beim Hundertwasser-Haus" bis zur Sankt-Barbara-Kirche in Вärnbach, Steiermark oder dem KunstHausWien, der Krebsstation der Grazer Universitätsklinik. Unter den jüngsten Projekten lässt sich eine Gemeinsamkeit ausmachen: Hundertwassers Klienten denken in einem immer größeren Maßstab, sie verlangen einen Wohnkomplex auf den Kanarischen Inseln, einen Kinderpark in Japan oder eine Wald-Spirale in Darmstadt.
Der König: Wer weiß, ob die monarchische Metapher Hundertwasser gefällt? Sie kommt in seinen Schriften oft vor, und wenn die heilige Verzückung ihn vor einem Bild, einer Idee, einer Aktion in Besitz nimmt, fühlt er sich wie ein König. Er sagt: „Jedermann kann eine Krone tragen und sich wie einen König bewundern lassen. Das geht einen Abend lang, und wer sich wie ein Usurpator fühlt, wird nachher davonrennen. Wer sich aber in der Haut des Königs wohlfühlt, wird weiterhin die königlichen Attribute tragen. Die Menschen werden ihn für einen Narren halten und sich über ihn lustig machen. Aber wenn er stark ist, wird er dem in diesem Augenblick irgend etwas entgegensetzen, das genauso stark ist wie die Menge, die ihn verhöhnt. Er wird zum König".
In Wirklichkeit hängt die monarchische Sichtweise Hundertwassers vor allem vom ästhetischen Rang ab. Er fühlt sich als König in seiner Kunst und durch seine Kunst. Der Erfolg seiner Malerei hat ihm königliche Attribute verliehen: die Majestät seines enormen Talents, die Humanität seiner globalen Sicht.
Zusammengestellt von Marenina N.