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Klassizismus und Romantik

«Wir gehen jetzt in den nächsten Saal, in dem wir die Klassizisten und die Romantiker gegenübergehängt haben. Darin setzt sich gewissermaßen der Antagonismus zwischen Rubens und Rembrandt fort: Die Rubens-Nachfahren werden klassizistisch, vor allem in Frankreich, und die Rembrandt-Nachfahren werden romantisch, und das betrifft England und Deutschland.» Plötzlich unterbrach unser Führer sich. «Wo sind denn die anderen?» Tatsächlich bemerkten wir jetzt, daß die Mehrzahl der Männer im Rokoko-Saal zurückgeblieben war und sich voll kunsthistorischer Anteilnahme in die erotischen Darstellungen versenkt hatte. Erst als unser Führer mehrmals in die Hände klatschte, trotteten sie widerwillig zu uns herüber. «Wie ich schon sagte, die Teilung der Kunst setzt sich in der Zeit um die Französische Revolution und im 19. Jahrhundert fort. Während in England und Deutschland eine romantische Malerei entsteht, unterwirft sich Frankreich der Strenge des Klassizismus. Der Begründer der klassizistischen Malerei ist ein Protege des Rokoko-Malers Boucher: Jacques Louis David (1748-1825). Sein Bruch mit dem Rokoko erfolgt kurz vor der Französischen Revolution. Mit dem vom König in Auftrag gegebenen Bild Der Schwur der Horatier von 1785 führt David die kompositorische Strenge der klassischen Bildgestaltung wieder ein und signalisiert damit, daß es nun Schluß ist mit den Schäferspielen im Grünen; der Ernst des Lebens fängt wieder an. Deshalb finden wir ihn auch 1789 auf den Barrikaden der Revolution. 1792 wird er Abgeordneter im Nationalkonvent, 1793 Präsident des Jakobinerclubs und 1794 Vorsitzender des Konvents und macht Politik. Seine Bilder geben das wieder; sie sind auf den moralisch-pathetischen Ausdruck des politischen Handelns ausgerichtet. Sein berühmtestes Bild wird das Gemälde des ermordeten Marat im Bade. Später wird er zum Hofmaler und Verherrlicher Napoleons. Durch die Wirkung seines Schülers Jean Dominique Ingres befestigt er die Herrschaft des Klassizismus in Frankreich bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus.

Ebenfalls ein politischer Maler ist der Spanier Francisco Goya (1746-1828), dessen Lebensdaten mit denen Davids fast zusammenfallen. In der Zeit der Französischen Revolution wird er Hofmaler am spanischen Hof, malt aber die Mitglieder der Königsfamilie als eine Versammlung bornierter Idioten.»

Ich möchte fragen, wie er damit durchkommen konnte, lasse es aber lieber bleiben. Sicher handelt es sich da um ein Rätsel der Forschung.

«Durch seinen Verkehr mit liberalen Intellektuellen wird seine Malerei zur politischen Kritik. In den Desastres de la Guerra stellt er die Scheußlichkeiten während des Krieges gegen Napoleon dar. Dann wird er durch eine Krankheit fast taub und beginnt, auch ohne Auftraggeber Bilder zu malen. Sie behandeln Themen am Rande des Irrsinns: gespenstische Visionen, düstere Halluzinationen und grelle Fieberträume. Goya ist der erste, der seine eigenen Phantasien für bildwürdig hält. Das ist der Prolog zum Abschied von der Abbildungskunst. In dieser Hinsicht ist Goya der erste Moderne. Er ergründet das Alptraumhafte und Visionäre. Alptraumhaft und visionär sind auch die Bilder, mit denen er den Horror des Krieges darstellt. Indem er die klassischen Kompositionsregeln mißachtet und die Figuren aus dem Zusammenhang isoliert, weist er der Malerei den Weg zum Surrealismus.

Blicken wir nun auf die gegenüberliegende Wand. Da sehen wir England und Deutschland. In England wird der Romantiker William Turner (1775-1851) zum Impressionisten, bevor es diese Stilrichtung gibt. Malten die Maler bisher nur Landschaften, wenn sie Geld brauchten, macht Turner die Landschaft zum malerischen Sujet schlechthin. Damit trifft er mitten ins Herz der Romantik. Ihr zentrales Thema ist der Resonanzbezug (Widerhall) zwischen dem einsamen Bewußtsein und der ungezügelten Natur. Dieser Bezug wird >Stimmung< genannt; das Diffuse wird nun poetisch. Entsprechend verblüfft Turner die Zeitgenossen dadurch, daß er die Linie als Mittel der Konturierung der Gegenstände aufgibt und die Formen in Farben auflöst. Die Natur verwandelt sich bei ihm in einen dynamischen Wirbel aus Licht, Wolken und Wasser, der die menschlichen Gestalten ebenso verschlingt wie alle festen Konturen, die dem Dasein sonst Halt verleihen. Nach einer Reise durch die Niederlande und das Rheinland, die seine mittlere Periode prägt, macht Turner 1819 seine erste Italienreise, die seinen malerischen Stil noch einmal revolutioniert. Von nun an konzentriert er sich auf die Wiedergabe des Lichts. In Venedig hat ihn besonders die Fähigkeit des Lichts in Verbindung mit den atmosphärischen Erscheinungen des Wetters, die Formen der Dinge zu verändern, fasziniert. Nun reizt ihn nicht mehr die Wiedergabe der Objekte selbst, sondern die Impression, das visuelle Ergebnis der Verbindung von Objekt und Licht. Entsprechend tragen die Bilder seiner letzten, sogenannten >transzendentalen< Phase Titel wie Licht und Farbe oder Schatten und Dunkel. Er malte nicht mehr nur Objekte, sondern den Glanz, die Dunkelheit, die Schatten, den Sturm, und wenn es Gegenstände waren, so waren es Schiffe in Seenot oder ein Zug, wie in dem Bild, dem er den Titel Regen, Dampf und Geschwindigkeit gab. In seiner Malerei entdeckte die Wahrnehmung sich selbst und erschrak über die Unkonturiertheit des Bewußtseins, wenn es nicht von Gegenständen geordnet wird.

Ähnlich interessiert den deutschen Romantiker Caspar David Friedrich (1774-1840) nicht die naturgetreue Wiedergabe einer Landschaft, sondern die Empfindung, die sie selbst bei dem Maler und ihr Bild beim Betrachter hervorrufen. Deshalb malte er Menschen beim Betrachten der Landschaft, in denen der Betrachter sich selbst beim Betrachten des Bildes betrachten kann.

So, wenn wir jetzt in den nächsten Saal gehen, kommen wir zum Übergangsstil der Moderne, dem Impressionismus.»