Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
искусство-1.doc
Скачиваний:
89
Добавлен:
01.05.2015
Размер:
1.9 Mб
Скачать

Kunstwerk und Kunstbetrachtung

Das Kunstwerk ist ein ursprüngliches und ganzheitliches Werk, das sich von anderen gemachten Gegenständen und von den Werken der Natur abhebt. Es ist ein besonderes selbständiges Gestaltphänomen. Das Kunstwerk ist zunächst nicht historisch, nicht abhängig, nicht in Entwicklungslinien zu sehen, die es im Grunde nicht hervorbringen, nicht konstituieren, sondern es ist vorweg «einzigartig, unwiederholbar original» (Kurt Badt).

Aber das Kunstwerk ist nicht nur reine Kunst. Es ist auch geschichtlich, sozial und örtlich gebunden und vom Material abhängig. Man kann es unter formalen, inhaltlichen, praktischen, historischen, gesellschaftlichen, nationalen oder stammverwandtschaftlichen Gesichtspunkten betrachten. «Ein Kunstwerk birgt nicht nur künstlerische Werte. Es ist der Schnittpunkt vieler Lebenslinien, es sendet Kraftwellen aus nach allen Richtungen. Seine Beurteilung unter ästhetischen Gesichtspunkten ist daher weder die ursprüngliche noch die einzig mögliche, ja sie ist sogar eine verhältnismäßig junge geschichtliche Tatsache. Magische und materielle Werte, politische und gefühlsmäßige Werte gehen den ästhetischen voran, ja sie laufen stets neben ihnen her» (Wilhelm Waetzold). Aber: All diese Faktoren berühren nicht das «Für-sich-selbst-Gelten» des Kunstwerks, geschichtliche Bedingungen (im weitesten Sinne) erklären das Werk nur mit.

Kunstbetrachten heißt: in der Anschauung begreifen, daß die formalen und inhaltlichen Faktoren, die das Kunstwerk bedingen, sich in der Ganzheit des Werks gegenseitig durchdringen und unter der Vorherrschaft eines Gedankens gebunden und gestuft sind. Analysieren wir ein Kunstwerk, dann ist die gedankliche Zergliederung «nicht nur Analyse, sondern Analyse und Synthese zugleich. Wie überall dort, wo man es mit echten Ganzheiten zu tun hat, muß das Ganze aus den Teilen, müssen die Teile aus dem Ganzen verstanden werden» (Sedlmayr).

Nicht zu allen Zeiten waren alle Werke gegenwärtig oder dem vollen und richtigen Verstehen zugänglich. Es gibt auch einen Wechsel der allgemeinen Ansicht über Kunst. Der große Ruhm Raffaels war an bestimmte Zeiten gebunden; und die Bedeutung von Rembrandts Malerei wurde erst um 1890 wiedererkannt. Noch Jacob Burckhardt beurteilte sie abschätzig. Mit diesem Wechsel hängt die Wertfrage zusammen. Der äußere Wert eines Kunstwerks ist relativ, nicht so sein eigentlicher. Dieser - der objektive künstlerische Wert (der Rang) - ist unabhängig von der Zeitansicht.

Wie sich zwei Werke qualitativ unterscheiden, sei mit einem Vergleich erläutert. Stellen wir einmal die beiden inhaltsgleichen Holzschnitte - die apokalyptischen Reiter aus der Kölner Bibel von 1478 und die Dürerschen von 1498 - nebeneinander. So ist wohl anschaulich zu erfassen, daß Dürer den gewiß tüchtigen Zeichner des Buchholzschnitts weit übertrifft. Dürer ist nicht nur in technischer Hinsicht fortgeschrittener, in der Beherrschung der Körperform weiter, sondern er besitzt einfach mehr künstlerische Phantasie als der ältere Zeichner, mehr Einfühlungsvermögen in das Dramatische des Vorgangs, mehr Kraft der Formenbindung. Das Ganze ist in einem höheren Grad von Dichte erfaßt und besitzt so auch einen höheren Rang.

Die Kunstbetrachtung setzt ein kritisches Vermögen voraus: das Kunstwerk vom Machwerk zu scheiden. Zur Kunst gehört die Wahrheit des Erlebens und die «erfüllte Form» (Lützeler). Verlogenheit der Empfindung, Ehrfurchtslosigkeit gegenüber großen Stoffen, Gewolltheit, äußere Gekonntheit und Leere der Form machen den Kitsch.

Allgemeine orientierende Fragen können innerhalb des Betrachtungsverlaufs oder vorweg gestellt werden; sie sind dem größeren Zusammenhang unterzuordnen.

  1. Wer ist der Urheber? - Läßt sich der Künstler nicht nennen - die meisten Werke sind anonym -, dann vieleicht eine Werkstatt oder der geistige Urheber.

  2. Wo ist das Werk entstanden? - Entstehungsort, Kunstlandschaft, Nation.

  3. Wann ist es entstanden? - Die Jahreszahl ist nur ein äußerer Festpunkt. Oft wird sie fehlen. Stile sind räumlich und zeitlich begrenzt Nationale, stammesmäßige, stadtlandschaftliche und persönliche Stile überschneiden sich.

  4. Der Zweck. - Die Frage nach der Zweckbestimmung ist keine Randfrage. Sie führt in den Wirkungskreis des Kunstwerks hinein und kann seinen Sinn mit aufdecken.

5. Technik. - Technik ist das überlegte und zielstrebige Verfahren mit den Mitteln. Auch die äußeren Beschaffenheiten sind der Werkeinheit einbeschlossen. Man kann das Technische ebensowenig abziehn wie das Formale oder Inhaitliche. «Die künstleriche Sinnlichkeit beginnt bei der Technik. Das Material, das der Künstler sich wählt, ist schon ein Ausdruck seiner Formempfmdung» (Wölfflin).

Zu den großen Gebieten der Kunst zählen wir die Baukunst, die Plastik, die Bildkünste, die Gebrauchskunst (das Kunsthandwerk). Das Ornament unterliegt eigenen Gesetzlichkeiten, tritt aber als zeichnerisches, plastisches, farbiges Ornament auf.

Aus: Pawlik / Straßner Bildende Kunst - Begriffe und Reallexikon. Köln 1969