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Die Tretjakow-Galerie

wichtigsten Entwicklungsetappen der multinationalen sowjetischen Kunst.

Vor der Revolution zählte die Tretjakow-Galerie 150.000 bis 200.000 Besucher jährlich, heute ist die Zahl auf 1.300.000 gestiegen, jene Hunderttausende nicht mitgerechnet, die Werke aus der Galerie auf Ausstellungen in anderen Städten der Sowjetunion und im Ausland kennenlernen.

Allein im Jahre 1967 fanden in der Tretjakow-Galerie 13.887 Führungen statt. Die einen machten die Besucher mit allen Beständen des Museums bekannt, andere waren einzelnen Problemen der Kunstgeschichte oder bestimmten Kunstepochen gewidmet, wieder andere beleuchteten das Schaffen einzelner Meister.

Die Führer berücksichtigen stets das Bildungsniveau und das Alter der Besucher, von denen in der Regel die Hälfte Jugendliche sind. Oberschüler beteiligen sich an Zirkeln für Kunstwissenschaft. Insgesamt gibt es etwa 100 solcher Arbeitsgemeinschaften mit je 15 bis 20 Teilnehmern. Sehr beliebt ist der Jugendklub „Malerei — Musik — Leben". Beim Unterricht, der in den Sälen des Museums vor den Werken großer Künstler stattfindet, erzählen Kunstwissenschaftler vom Leben und Wirken der Maler, die Musikforsrlior machen Jugendliche mit dem Musikschaffen der entsprechenden Epoche bekannt, hier treten auch Instrumentalisten, Sänger und Rezitatoren auf. Vor den Hörern entsteht ein geschlossenes Bild einer bestimmten Periode.

Arbeiter, Angestellte, Studenten, Lehrer, Militärangehörige können neben Führungen und Vorlesungen auch Unterrichtsstunden zu verschiedensten Themen besuchen sowie an Treffen mit Künstlern teilnehmen.

Die Tretjakow-Galerie veranstaltet zahlreiche Ausstellungen, die die Beschauer mit den Beständen des Museums, mit neuerworbenen Werken und mit dem Schaffen großer Meister und aktuellen Problemen der Kunstwissenschaft bekannt machen sowie maßgeblich das moderne Kunstgeschehen beeinflussen.

Als z. B. Anfang der 60er Jahre die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Museums beim Studium moderner Ausstellungen erkannten, daß ein Teil der Künstler auf der Suche nach neuen koloristischen Lösungen die Bedeutung der Zeichnung unterschätzte, wurde eine Reihe von Ausstellungen der Grafik aus verschiedenen Epochen organisiert. Wir glauben, daß dies den Künstlern in ihrer künstlerischen Praxis geholfen hat.

Die Galerie beteiligt sich auch aktiv an der Propagierung der russischen und sowjetischen Kunst im Ausland: Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 500 Werke aus unserer Galerie in elf Ländern — in Bulgarien, Großbritannien, der DDR, Italien, Kanada, Polen, Rumänien, Frankreich, der Tschechoslowakei, der Schweiz und Japan — gezeigt.

Die Hauptaufgabe ihrer Tätigkeit erblicken unsere Mitarbeiter darin, die ihnen anvertrauten Schätze des menschlichen Genies zu bewahren, sie dem Volk zugänglich zu machen, die schöpferischen, künstlerischen Anlagen der Menschen zu entwickeln und sie zu Kennern des Schönen zu erziehen, damit ihnen die Kunst zu einem Lebensbedürfnis wird.

Ein russischer Apoll Karl Brüllow, Maler der Gegensätze und einzigartiger Porträtist

Die Tretjakow-Galerie zeigt gegenwärtig eine Ausstellung von Werken des russischen romantischen Malers Karl Brüllow. Der Maler selbst, genauer sein nach einer langen Krankheil gemaltes „Selbstbildnis", empfängt die Besucher am Eingang, umgeben von heißblütigen Italienerinnen und von Heldinnen antiker Mythen.

Ein müdes Gesicht, eine kraftlose Hand auf der Lehne, der Blick eines Todgeweihten stehen in einem auffallenden Kontrast zu den blühenden südlichen Schönheiten und den mächtigen Gestalten der stolzen Griechinnen. Solche Kontraste, gehörten zum Leben Karl Brüllows, der ein Mensch der Extreme war. Eine Figur a la Byron, ein großer Verehrer der Frauenschönheit, und von so mancher Dame der Welt angehimmelt, war er stets Gegenstand der unwahrscheinlichsten, widersprüchlichsten Gerüchte und unglaublichen Geschichten, von denen sich die meisten, sonderbar genug, als Wahrheit entpuppten.

Ein Altersgenosse Alexander Puschkins wurde Brüllow ebenfalls in Petersburg geboren. Seine Ahnen stammten aus Frankreich: Da sie protestantisch waren, flohen sie noch während der Bartholomäusnacht vor religiösen Verfolgungen nach Deutschland, siedelten jedoch in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts nach Russland um. Es war eine Künstlerfamilie in vielen Generationen: Karl Brüllows Urgroßvater war Modelleur in der Russischen Kaiserlichen Porzellanmanufaktur, der Großvater ein Bildhauer, der Vater für seine Holzschnitzereien und Glasmalereien mit Gold und Silber berühmt. Der eine von Karls älteren Brüdern wurde Ikonenmaler, der andere Architekt.

Entsprechend war auch die Erziehung in dieser Familie: Klein-Karl bekam kein Frühstück, solange er nicht schon früh am Morgen die festgelegte Anzahl von Männchen oder Pferdchen gezeichnet oder nicht die vom Vater aufgegebene Kopie eines Stiches gemacht hatte. Zudem hatte der kränkliche und wenig bewegliche Junge keine Möglichkeit, mit anderen Kindern zu spielen, und die Eltern ließen ihn allein in einem Haufen von warmem Sand sitzen und gaben ihm Papier und bunte Stifte zum Zeitvertreib. Diese Schule zeitigte denn auch schöne Früchte. Als Brüllow später an der Petersburger Akademie der Künste studierte, verblüffte er alle durch seine enorme Arbeitsfähigkeit. So zeichnete er die vielfigürige Laokoon-Komposition vierzigmal nach, so dass er die Skulptur schließlich in allen Einzelheiten aus dem Gedächtnis darstellen konnte.

Neben seiner Malerei war Brüllow bei den Zeitgenossen für seine phänomenale Verwegenheit bekannt. Man erzählte zum Beispiel folgende wahrheitsgemäße Geschichte: Brüllow war als Porträtist unerreicht. Er maite viele hervorragende Menschen seiner Zeit. Auch Zar Nikolaus I. wollte gern ein von Brüllow gemaltes Bildnis haben, und als er den Maler einmal im Sommergarten von Sankt Petersburg traf, gab er ihm schließlich den Auftrag. Brüllow war nicht gerade begeistert. Er hielt auf seinen Ruf als freier Künstler und wünschte aus prinzipiellen Gründen nicht, den Monarchen für die Nachweit zu verewigen, der die Dekabristen hingerichtet hatte, Puschkin und Lermontow verfolgte und die Dritte Abteilung der Kaiserlichen Kanzlei mit einem eigenen Gendarmeriekorps faktisch zum wichtigsten Staatsorgan erhob.

Andererseits konnte er dem Zaren nicht einfach absagen. Also ließ sich Brüllow etwas anderes einfallen. An dem Tag, da der Zar hätte zu ihm ins Studio kommen sollen, wartete er eine Weile und ging dann einfach weg. Auf seine Bitte hin teilte der junge Portier Nikolaus mit, der Maler sei von der Pünktlichkeit des Zaren so überzeugt gewesen, dass er nach einer zwanzigminütigen Verspätung habe denken müssen, die Sitzung werde nicht stattfinden, und sei in seinen Angelegenheiten weggegangen. Nikolaus war schwer beleidigt und entzog Brüllow den Auftrag.

Aber nicht solche Extravaganzen brachten Brüllow Weltruhm. Mittelpunkt der Ausstellung ist das bekannteste Werk des Malers: das monumentale historische Gemälde „Der letzte Tag von Pompeji“, das erstmalig in Moskau ausgestellt wird. Brüllow schuf es in Italien, unter dem Eindruck eines Besuchs in den Ruinen von Pompeji. Bei seiner Wanderung durch die vor Jahrhunderten leergefegten engen Straßen der alten Stadt, beim Berühren der Mauern von unter der Vulkanasche erhalten gebliebenen Häusern, beim Studium der ungewöhnlich „lebendigen“ Abdrücke von Menschenkörpern, die vom Lavastrom eingeholt und verbrannt worden waren, beschloss der Maler, die verhängnisvollen Ereignisse des letzten Tages der römischen Stadt und ihrer 2000 Bürger nachzuschaffen.

Brüllow ging gründlich an die Sache heran. Neben den persönlichen Eindrücken legte er seinem Gemälde die Beschreibungen des altrömischen Historikers Plinius d.J. und Angaben der archäologischen Ausgrabungen zu Grunde. Alle Hausrat- und Kultgegenstände auf dem Gemälde hatte er im Neapolitanischen Museum gesehen, in dem die Funde aus Pompeji untergebracht waren. Die historischen Ruinen bildeten die Grundlage für die Stadtansicht, die Kleidung der Menschen entlehnte er den Kostümen der Sänger von Giuseppe Pacinis Oper „Der letzte Tag von Pompeji". Die Gesichter sämtlicher Frauengestalten des Gemäldes ähneln der russischen Gräfin Julia Samojlowa in die Brüllow bis an sein Lebensende verliebt war, die er jedoch nie hatte heiraten können. Die Arbeit dauerte drei Jahre, und gleich nach ihrem Abschluss eroberte das Gemälde Rom, Mailand und Paris. Nach Russland kehrte Brüllow, den die Zeitgenossen den Apoll vom Belvedere nannten, als Berühmtheit zurück.

Das Interieur eines weiteren Saals, der vom Hauptteil der Ausstellung getrennt und etwas verdunkelt ist, erinnert an das einer Hauskirche. Darin sind ein riesiges Kruzifix, das für die lutherische St.-Peter-Kirche in Petersburg geschaffen wurde, und Skizzen für die Bemalung der Isaaks-Kathedrale ausgestellt. Bei der Arbeit an der Innengestaltung der berühmtesten Petersburger Kathedrale erkrankte Brüllow, reiste zur Behandlung nach Italien und verstarb dort.