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буд 5 часть нем.doc
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Von Lampen und Kerzen etwa zwanzig Damen, die in dem Alter standen, wo

es an der Zeit ist, sich nach einem guten Platze im Himmel umzusehen,

tranken Tee oder Bischof, aßen fein belegtes Butterbrot und Pudding,

lasen sich geistliche Lieder und Abhandlungen vor und fertigten

Handarbeiten an, die am Ende des Jahres in einem Basar verkauft wurden

und deren Erlös zu Missionszwecken nach Jerusalem geschickt ward.

Der fromme Verein ward in der Hauptsache von Damen aus der

Gesellschaftssphäre der Konsulin gebildet, und die Senatorin Langhals,

die Konsulin Möllendorpf und die alte Konsulin Kistenmaker gehörten ihm

an, während andere alte Damen, die weltlicher und profaner angelegt

waren, wie Madame Köppen, sich über ihre Freundin Bethsy mokierten. Auch

die Predigersgattinnen der Stadt sowie die verwitwete Konsulin

Buddenbrook, geborene Stüwing, und Sesemi Weichbrodt nebst ihrer

ungelehrten Schwester waren Mitglieder. Vor Jesu jedoch ist kein Rang

und kein Unterschied, und so nahmen am Jerusalemsabend auch armseligere

und seltsamere Gestalten teil, wie zum Beispiel ein kleines, runzeliges

Geschöpf, reich an Gottgefälligkeit und Häkelmustern, das im

Heiligen-Geist-Hospitale wohnte, Himmelsbürger hieß und die Letzte ihres

Geschlechtes war ... »Die letzte Himmelsbürgern« nannte sie sich

wehmütig, und dabei fuhr sie mit der Stricknadel unter ihre Haube, um

sich zu krauen.

Weit bemerkenswerter aber waren zwei andere Mitglieder, ein

Zwillingspaar, zwei sonderbare alte Mädchen, die mit Schäferhüten aus

dem achtzehnten Jahrhundert und seit manchem Jahr schon verblichenen

Kleidern Hand in Hand in der Stadt umhergingen und Gutes taten. Sie

hießen Gerhardt und beteuerten, in gerader Linie von Paul Gerhardt

abzustammen. Man sagte, daß sie durchaus nicht mittellos seien; aber sie

lebten aufs jämmerlichste und gaben alles den Armen ... »Liebe!«

bemerkte die Konsulin Buddenbrook, die sich ihrer zuweilen ein bißchen

schämte, »Gott sieht ins Herze, aber Ihre Kleider sind wenig adrett ...

Man muß auf sich halten ...« Aber dann küßten sie ihre elegante

Freundin, welche die Weltdame nicht verleugnen konnte, nur auf die Stirn

... mit der ganzen nachsichtigen, liebevollen und mitleidigen

Überlegenheit des Geringen über den Vornehmen, der das Heil sucht. Es

waren keineswegs dumme Geschöpfe, und in ihren kleinen, häßlichen,

Verschrumpften Papageiköpfen saßen blanke, sanft verschleierte braune

Augen, die mit einem seltsamen Ausdruck von Milde und Wissen in die Welt

schauten ... Ihre Herzen waren voll von wunderbaren und geheimnisvollen

Kenntnissen. Sie wußten, daß in unserer letzten Stunde all unsere zu

Gott vorangegangenen Lieben in Sang und Seligkeit kommen, uns abzuholen.

Sie sprachen das Wort »der Herr« mit der Leichtigkeit und

Ursprünglichkeit von ersten Christen, die aus des Meisters eigenem Munde

noch das »Über ein Kleines, so werdet ihr mich sehen« vernommen haben.

Sie besaßen die merkwürdigsten Theorien über innere Lichter und

Ahnungen, über Gedankenübertragung und -wanderungen ... denn Lea, die

eine von ihnen, war taub und wußte gleichwohl fast immer, wovon die Rede

war.

Da Lea Gerhardt taub war, war sie es gewöhnlich, die an den

Jerusalemsabenden vorlas; auch fanden die Damen, daß sie schön und

ergreifend läse. Sie nahm aus ihrem Beutel ein uraltes Buch, welches

lächerlich und unverhältnismäßig viel höher als breit war und vorn, in

Kupfer gestochen, das übermenschlich pausbäckige Bildnis ihres Ahnherrn

enthielt, nahm es in beide Hände und las, damit sie selbst sich ein

wenig hören konnte, mit fürchterlicher Stimme, die klang, wie wenn der

Wind sich im Ofenrohre verfängt:

»Will Satan mich verschlingen ...«

Nun! dachte Tony Grünlich. Welcher Satan möchte die wohl verschlingen!

Aber sie sagte nichts, hielt sich ihrerseits an den Pudding und dachte

darüber nach, ob sie wohl auch dermaleinst so häßlich sein werde wie die

beiden Fräulein Gerhardt.

Sie war nicht glücklich, sie empfand Langeweile und ärgerte sich über

die Pastoren und Missionare, deren Besuche nach dem Tode des Konsuls

sich vielleicht noch vermehrt hatten und die nach Tonys Meinung im Hause

allzusehr das Regiment führten und allzuviel Geld bekamen. Der letztere

Punkt ging Thomas an; aber er schwieg darüber, während seine Schwester

hie und da etwas von Leuten vor sich hin murmelte, die der Witwen Häuser

fressen und lange Gebete vorwenden.

Sie haßte diese schwarzen Herren aufs bitterlichste. Als gereifte Frau,

die das Leben kennengelernt hatte und kein dummes Ding mehr war, sah sie

sich nicht in der Lage, an ihre unbedingte Heiligkeit zu glauben.

»Mutter!« sagte sie; »o Gott, man soll seinem Nächsten nichts Übles

nachsagen ... gut, ich weiß es! Aber das eine muß ich denn doch

aussprechen, und ich würde mich wundern, wenn das Leben dich das nicht

gelehrt hätte, nämlich, daß nicht alle, die einen langen Rock tragen und

`Herr, Herr!´ sagen, immer ganz makellos sind!«

Es blieb unaufgeklärt, wie Thomas sich zu solchen Wahrheiten verhielt,

die seine Schwester mit ungeheurem Nachdruck vertrat. Christian aber

hatte gar keine Meinung; er beschränkte sich darauf, die Herren mit

krauser Nase zu beobachten, um hernach im Klub oder in der Familie ihre

Kopie zu liefern ...

Aber es ist wahr, daß Tony am meisten von den geistlichen Gästen zu

leiden hatte. Eines Tages geschah es wahr und wahrhaftig, daß ein

Missionar namens Jonathan, der sowohl in Syrien als auch in Arabien

gewesen war, ein Mann mit großen, vorwurfsvollen Augen und betrübt

herniederhängenden Wangen, vor sie hintrat und sie mit trauriger Strenge

zur Entscheidung der Frage aufforderte, ob ihre gebrannten Stirnlocken

sich eigentlich mit der wahren christlichen Demut vereinbaren ließen ...

Ach! er hatte nicht mit Tony Grünlichs spitzig sarkastischer

Redegewandtheit gerechnet. Sie schwieg während einiger Augenblicke, und

man sah, wie ihr Hirn arbeitete. Dann aber kam es: »=Darf ich Sie

bitten, mein Herr Pastor, sich um Ihre eigenen Locken zu bekümmern?!=«

... Und hinaus rauschte sie, indem sie die Schultern ein wenig emporzog,

den Kopf zurückwarf und trotzdem das Kinn auf die Brust zu drücken

suchte. -- Und Pastor Jonathan besaß äußerst wenig Haupthaar, ja, sein

Schädel war nackt zu nennen!

Einst aber wurde ihr ein noch größerer Triumph zuteil. Pastor Trieschke

nämlich, Tränen-Trieschke aus Berlin, der diesen Beinamen führte, weil

er allsonntäglich einmal inmitten seiner Predigt an geeigneter Stelle zu

weinen begann ... Tränen-Trieschke, der sich durch ein bleiches Gesicht,

rote Augen und wahre Pferdekinnbacken auszeichnete und acht oder zehn

Tage lang bei Buddenbrooks wechselweise mit der armen Klothilde um die

Wette aß und Andachten abhielt, verliebte sich bei dieser Gelegenheit in

Tony ... nicht etwa in ihre unsterbliche Seele, o nein, sondern in ihre

Oberlippe, ihr starkes Haar, ihre hübschen Augen und ihre blühende

Gestalt! Und dieser Gottesmann, der zu Berlin ein Weib und viele Kinder

besaß, entblödete sich nicht, durch den Bedienten Anton in Madame

Grünlichs Schlafzimmer im zweiten Stock einen Brief niederlegen zu

lassen, der aus Bibelextrakten und einer sonderbar anschmiegsamen

Zärtlichkeit wirksam gemischt war ... Sie fand ihn beim Zubettegehen,

sie las ihn und ging festen Schrittes die Treppen hinunter ins

Zwischengeschoß und ins Schlafzimmer der Konsulin, woselbst sie ihrer

Mutter beim Kerzenscheine das Schreiben des Seelsorgers völlig ungeniert

und mit lauter Stimme vortrug, so daß Tränen-Trieschke fortan in der

Mengstraße unmöglich war.

»So sind sie alle!« sagte Madame Grünlich ... »Ha! so sind sie alle! O

Gott, ich war eine Gans früher, ein dummes Ding, Mama, aber das Leben

hat mir das Vertrauen zu den Menschen genommen. Die meisten sind Filous

... ja, das ist leider wahr. =Grünlich -- --!=« Und der Name klang wie

eine Fanfare, wie ein kleiner Trompetenstoß, den sie mit etwas erhobenen

Schultern und emporgerichteten Augen in die Luft hinein ertönen ließ.

Sechstes Kapitel

Sievert Tiburtius war ein kleiner schmaler Mann mit großem Kopfe und

trug einen dünnen, aber langen blonden Backenbart, der geteilt war und

dessen Enden er manchmal, der Bequemlichkeit halber, nach beiden Seiten

hin über die Schultern legte. Seinen runden Schädel bedeckte eine Unzahl

ganz kleiner wolliger Ringellöckchen. Seine Ohrmuscheln waren groß,

äußerst abstehend, an den Rändern weit nach innen zusammengerollt und

oben so spitz, wie die eines Fuchses. Seine Nase saß wie ein kleiner

platter Knopf in seinem Gesicht, seine Wangenknochen standen hervor, und

seine grauen Augen, die gemeinhin eng zusammengekniffen ein wenig blöde

umherblinzelten, konnten in gewissen Momenten sich in ungeahnter Weise

erweitern, größer und größer werden, hervorquellen, beinahe

herausspringen ...

Dies war der Pastor Tiburtius, welcher aus Riga stammte, einige Jahre in

Mitteldeutschland amtiert hatte und nun, auf der Reise nach seiner

Heimat, wo eine Predigersstelle ihm zugefallen war, die Stadt berührte.

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