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буд 5 часть нем.doc
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Fünfter Teil

Erstes Kapitel

»Guten Abend, Justus«, sagte die Konsulin. »Geht es dir gut? Nimm

Platz.«

Konsul Kröger umarmte sie zart und flüchtig und schüttelte seiner

ältesten Nichte die Hand, die gleichfalls im Eßsaale zugegen war. Er

zählte nun ungefähr fünfundfünfzig Jahre und hatte sich zu seinem

kleinen Schnurrbart einen starken runden Backenbart wachsen lassen, der

das Kinn frei ließ und ganz grau war. Über seine breite und rosige

Glatze waren sorgfältig ein paar spärliche Haarstreifen frisiert. Ein

breiter Trauerflor saß an dem Ärmel seines eleganten Leibrockes.

»Weißt du das Neueste, Bethsy?« fragte er. »Ja, Tony, dich wird es

besonders interessieren. Kurz, unser Grundstück vorm Burgtor ist nun

verkauft ... an wen? Nicht etwa an =einen= Mann, sondern an zwei, denn

es wird geteilt, das Haus wird abgebrochen, ein Zaun quer

hindurchgezogen, und dann baut sich rechts Kaufmann Benthien und links

Kaufmann Sörenson eine Hundehütte ... nun, Gott befohlen.«

»Unerhört«, sagte Frau Grünlich, indem sie die Hände im Schoße faltete

und zum Plafond emporblickte ... »Großvaters Grundstück! Gut, damit ist

das Besitztum verpfuscht. Der Reiz bestand gerade in der Weitläufigkeit

... die eigentlich überflüssig war ... aber das war das Vornehme. Der

große Garten ... bis zur Trave hinunter ... und das zurückliegende Haus

mit der Auffahrt, der Kastanienallee ... Nun wird es also geteilt.

Benthien wird vor der einen Tür stehen und seine Pfeife rauchen, und

Sörenson vor der anderen. Ja, ich sage auch `Gott befohlen´, Onkel

Justus. Es ist wohl niemand mehr vornehm genug, um das Ganze zu

bewohnen. Gut, daß Großpapa es nicht mehr zu sehen bekommt ...«

Die Trauerstimmung lag noch zu schwer und ernst in der Luft, als daß

Tony ihrer Entrüstung in lauteren und stärkeren Worten hätte Ausdruck

geben mögen. Es war am Tage der Testamentseröffnung, zwei Wochen nach

des Konsuls Ableben, nachmittags halb sechs Uhr. Die Konsulin

Buddenbrook hatte ihren Bruder in die Mengstraße gebeten, damit er sich

mit Thomas und Herrn Marcus, dem Prokuristen, an einer Unterredung über

die Verfügungen des Verstorbenen und die Vermögensverhältnisse

beteilige, und Tony hatte den Entschluß kundgetan, gleichfalls an den

Auseinandersetzungen teilzunehmen. Dieses Interesse, hatte sie gesagt,

sei sie der Firma sowohl wie der Familie schuldig, und sie trug Sorge,

dieser Zusammenkunft den Charakter einer Sitzung, eines Familienrates zu

verleihen. Sie hatte die Fenstervorhänge geschlossen und trotz der

beiden Paraffinlampen, die auf dem ausgezogenen, grüngedeckten

Speisetisch brannten, zum Überfluß sämtliche Kerzen auf den großen

vergoldeten Kandelabern entzündet. Außerdem hatte sie auf der Tafel eine

Menge Schreibpapiers und gespitzter Bleistifte verteilt, von denen

niemand wußte, wozu sie eigentlich gebraucht werden sollten.

Das schwarze Kleid gab ihrer Gestalt eine mädchenhafte Schlankheit, und

obgleich sie den Tod des Konsuls, dem sie während der letzten Zeit so

herzlich nahegestanden, vielleicht von allen am schmerzlichsten empfand,

obgleich sie noch heute bei dem Gedanken an ihn zweimal in bittere

Tränen ausgebrochen war, vermochte die Aussicht auf diesen kleinen

Familienrat, diese kleine ernsthafte Unterredung, an der sie mit Würde

teilzunehmen gedachte, ihre hübschen Wangen zu röten, ihren Blick zu

beleben, ihren Bewegungen Freude und Wichtigkeit zu geben ... Die

Konsulin dagegen, ermattet vom Schrecken, vom Schmerz, von tausend

Trauerformalitäten und den Begräbnisfeierlichkeiten, sah leidend aus.

Ihr Gesicht, von den schwarzen Spitzen der Haubenbänder umrahmt,

erschien noch bleicher dadurch, und ihre hellblauen Augen blickten matt.

In ihrem glattgescheitelten, rotblonden Haar aber war noch immer kein

einziges weißes Fädchen zu sehen ... War auch dies noch die Pariser

Tinktur oder schon die Perücke? Das wußte Mamsell Jungmann allein, und

sie würde es nicht einmal den Damen des Hauses verraten haben.

Man saß am Ende des Speisetisches und wartete, daß Thomas und Herr

Marcus aus dem Kontor kämen. Weiß und stolz hoben sich die gemalten

Götterbilder auf ihren Sockeln von dem himmelblauen Hintergrunde ab.

Die Konsulin sagte: »Die Sache ist diese, mein lieber Justus ... ich

habe dich bitten lassen ... kurz zu sein, es handelt sich um Klara, das

Kind. Mein lieber seliger Jean hat die Wahl eines Vormundes, dessen die

Dirn noch während dreier Jahre bedarf, mir überlassen ... Ich weiß, du

liebst es nicht, mit Verpflichtungen überhäuft zu werden; du hast

Pflichten gegen deine Frau, gegen deine Söhne ...«

»Gegen meinen Sohn, Bethsy.«

»Gut, gut, wir sollen christlich und barmherzig sein, Justus. Wie wir

vergeben unseren Schuldigern, heißt es. Gedenke unseres gnädigen Vaters

im Himmel.«

Ihr Bruder sah sie ein wenig verwundert an. Man hatte bisher nur aus des

verstorbenen Konsuls Munde solche Redewendungen vernommen ...

»Genug!« fuhr sie fort, »es sind so gut wie keine Mühseligkeiten mit

diesem Liebesamte verbunden ... Ich möchte dich bitten, die

Vormundschaft zu übernehmen.«

»Gern, Bethsy, wahrhaftig, das tu ich gern. Darf ich mein Mündel nicht

sehen? Ein bißchen zu ernst das gute Kind ...«

Klara ward gerufen. Schwarz und bleich erschien sie langsam, mit traurig

zurückhaltenden Bewegungen. Sie hatte die Zeit nach ihres Vaters Tode

fast unaufhörlich mit Beten auf ihrem Zimmer verbracht. Ihre dunklen

Augen waren unbeweglich; sie schien erstarrt in Schmerz und

Gottesfurcht.

Onkel Justus, galant wie er war, schritt ihr entgegen und verbeugte sich

beinahe, als er ihr die Hand drückte; dann richtete er einige

wohlgesetzte Worte an sie, und sie ging wieder, nachdem sie von der

Konsulin einen Kuß auf ihre unbeweglichen Lippen entgegengenommen hatte.

»Wie geht es dem guten Jürgen?« begann die Konsulin aufs neue. »Wie

fühlt er sich in Wismar?«

»Gut«, antwortete Justus Kröger, indem er sich mit einem Achselzucken

wieder niedersetzte ... »Ich glaube, er hat nun seinen Platz gefunden.

Er ist ein braver Junge, Bethsy, ein Junge von Ehre; aber ... nachdem

ihm das Examen zweimal mißglückt, war es das beste ... Die Jurisprudenz

machte ihm selbst keinen Spaß, und die Position an der Post in Wismar

ist ganz akzeptabel ... Sage mal, ich höre, dein Christian kommt?«

»Ja, Justus, er wird kommen, und Gott behüte ihn auf der See! Ach, es

dauert so fürchterlich lange! Obgleich ich ihm am nächsten Tage nach

Jeans Tode geschrieben habe, hat er den Brief noch lange nicht, und dann

braucht er mit dem Segelschiff noch ungefähr zwei Monate. Aber er muß

kommen, ich habe so sehr das Bedürfnis, Justus! Tom sagte zwar, Jean

würde es niemals zugegeben haben, daß er seine Stelle in Valparaiso

fahren läßt ... aber ich bitte dich: acht Jahre beinahe, daß ich ihn

nicht gesehen habe! Und dann unter diesen Umständen! Nein, ich will sie

alle um mich haben in dieser schweren Zeit ... das ist natürlich für

eine Mutter ...«

»Sicherlich, sicherlich!« sagte Konsul Kröger, denn ihr kamen die

Tränen.

»Jetzt ist auch Thomas einverstanden«, fuhr sie fort, »denn wo ist

Christian besser aufgehoben als in dem Geschäft seines seligen Vaters,

in Toms Geschäft? Er kann hierbleiben, hier arbeiten ... ach, ich bin

auch beständig in Angst, daß ihm dort drüben das Klima ein Übel tut ...«

Nun kam, begleitet von Herrn Marcus, Thomas Buddenbrook in den Saal.

Friedrich Wilhelm Marcus, des verstorbenen Konsuls langjähriger

Prokurist, war ein hochgewachsener Mann in braunem Schoßrock mit

Trauerflor. Er sprach sehr leise, zögernd, ein wenig stotternd, jedes

Wort eine Sekunde lang überlegend, und pflegte mit dem gerade

ausgestreckten Zeige- und Mittelfinger seiner Linken langsam und

vorsichtig über seinen rotbraunen, ungepflegt den Mund bedeckenden

Schnurrbart zu streichen oder sich mit Sorgfalt die Hände zu reiben,

wobei er seine runden, braunen Augen so bedächtig zur Seite wandern

ließ, daß er den Eindruck völliger Konfusion und Abwesenheit machte,

obgleich er stets aufmerksam prüfend bei der Sache war.

Thomas Buddenbrook, in so jungen Jahren bereits der Chef des großen

Handelshauses, legte in Miene und Haltung ein ernstes Würdegefühl an

den Tag; aber er war bleich, und seine Hände im besonderen, an deren

einer nun der große Erbsiegelring mit grünem Steine glänzte, waren weiß

wie die Manschetten, die aus den schwarzen Tuchärmeln hervorsahen, von

einer frostigen Blässe, die erkennen ließ, daß sie vollkommen trocken

und kalt waren. Diese Hände, deren schön gepflegte ovale Fingernägel

dazu neigten, eine bläuliche Färbung zu zeigen, konnten in gewissen

Augenblicken, in gewissen, ein wenig krampfhaften und unbewußten

Stellungen einen unbeschreiblichen Ausdruck von abweisender

Empfindsamkeit und einer beinahe ängstlichen Zurückhaltung annehmen,

einen Ausdruck, der den ziemlich breiten und bürgerlichen, wenn auch

fein gegliederten Händen der Buddenbrooks bis dahin fremd gewesen war

und wenig zu ihnen paßte ... Toms erste Sorge war, die Flügeltür zum

Landschaftszimmer zu öffnen, um die Wärme des Ofens, der dort hinter dem

schmiedeeisernen Gitter brannte, dem Saale zugute kommen zu lassen.

Dann wechselte er einen Händedruck mit Konsul Kröger und nahm, Herrn

Marcus gegenüber, Platz an der Tafel, wobei er seine Schwester Tony mit

erhobener Augenbraue ziemlich verwundert ansah. Aber sie legte in einer

Weise den Kopf zurück und das Kinn auf die Brust, daß er jede Bemerkung

über ihre Gegenwart unterdrückte.

»Also man darf noch nicht `Herr Konsul´ sagen?« fragte Justus Kröger ...

»Die Niederlande hoffen vergebens auf deine Vertretung, alter Tom?«

»Ja, Onkel Justus; ich habe es für besser gehalten ... sieh mal, ich

hätte das Konsulat sofort übernehmen können, mit so manch anderer

Verpflichtung; aber erstens bin ich noch ein bißchen jung ... Und dann

habe ich mit Onkel Gotthold gesprochen; er freute sich und akzeptierte.«

»Sehr vernünftig, mein Junge. Sehr politisch ... Vollkommen

_gentlemanlike_.«

»Herr Marcus«, sagte die Konsulin, »mein lieber Herr Marcus!« Und sie

reichte ihm die Hand, deren Fläche sie ganz weit herumdrehte, und die er

langsam, mit einem bedächtigen und verbindlichen Seitenblick

entgegennahm. »Ich habe Sie heraufgebeten ... Sie wissen, um was es

sich handelt, und ich weiß, daß Sie einig mit uns sind. Mein seliger

Mann hat in seinen letztwilligen Verfügungen den Wunsch ausgesprochen,

Sie möchten nach seinem Heimgang Ihre treue, bewährte Kraft nicht länger

als fremder Mitarbeiter, sondern als Teilhaber in den Dienst der Firma

stellen ...«

»Gewiß, allerdings Frau Konsulin«, sprach Herr Marcus. »Ich bitte

ergebenst, überzeugt zu sein, daß ich die Ehrung meiner Person, welche

in diesem Anerbieten liegt, mit Dankbarkeit zu schätzen weiß, denn die

Mittel, welche ich der Firma entgegenzubringen vermag, sind nur allzu

geringe. Ich weiß vor Gott und den Menschen nichts Besseres zu tun, als

Ihre und Ihres Herrn Sohnes Offerte dankbarst zu akzeptieren.«

»Ja, Marcus, dann danke ich Ihnen herzlich für Ihre Bereitwilligkeit,

einen Teil der großen Verantwortlichkeit zu übernehmen, die für mich

vielleicht zu schwer wäre.« Dies sprach Thomas schnell und leichthin,

indem er seinem Associé über den Tisch hinüber die Hand reichte, denn

die beiden waren längst einig, und dies alles war Formalität.

»Kumpanie is Lumperie ... na, Sie beide werden den Schnack ja wohl

zuschanden machen!« sagte Konsul Kröger. »Und nun wollen wir die

Verhältnisse mal durchgehen, Kinder. Ich habe hier bloß auf die Mitgift

meines Mündels zu achten; das übrige ist mir egal. Hast du eine Kopie

des Testamentes da, Bethsy? Und du, Tom, einen kleinen Überschlag?«

»Den habe ich im Kopf«, sagte Thomas und begann, während er sein goldnes

Crayon auf der Tischplatte hin und her bewegte und, zurückgelehnt,

ins Landschaftszimmer hinüberblickte, den Stand der Dinge

auseinanderzusetzen ...

Die Sache war die, daß des Konsuls hinterlassenes Vermögen

beträchtlicher war, als irgendein Mensch geglaubt hatte. Die Mitgift

seiner ältesten Tochter freilich war verlorengegangen, die Einbuße, die

die Firma gelegentlich des Bremer Konkurses im Jahre 51 erlitten, war

ein schwerer Schlag gewesen. Und auch das Jahr 48 sowie das gegenwärtige

Jahr 55 mit ihren Unruhen und Kriegsläuften hatten Verluste gebracht.

Aber der Buddenbrooksche Anteil an der Krögerschen Hinterlassenschaft

von 400000 Kurantmark hatte, da Justus eine Menge im voraus verbraucht,

volle 300000 betragen, und obgleich Johann Buddenbrook nach Kaufmannsart

beständig geklagt hatte, war den Verlusten doch durch einen etwa

fünfzehnjährigen Verdienst von 30000 Talern Kurant die Waage gehalten

worden. Das Vermögen also betrug, abgesehen von jedem Grundbesitz, in

runder Zahl 750000 Mark Kurant.

Selbst Thomas war, bei aller Einsicht in den Geschäftsgang, von seinem

Vater über diese Höhe im unklaren gelassen worden, und während die

Konsulin mit ruhiger Diskretion die Zahl entgegennahm, während Tony mit

einer allerliebsten und verständnislosen Würde geradeaus blickte und

dennoch einen ängstlichen Zweifel aus ihrer Miene nicht verbannen

konnte, welcher ausdrückte: Ist das auch viel? Sehr viel? Sind wir auch

reiche Leute?... während Herr Marcus sich langsam und anscheinend

zerstreut die Hände rieb und Konsul Kröger sich ersichtlich langweilte,

erfüllte ihn selbst diese Zahl, die er aussprach, mit einem nervösen und

treibenden Stolz, der sich beinahe wie Unmut ausnahm.

»Wir müßten längst die Million erreicht haben!« sagte er mit vor

Erregung gepreßter Stimme, indes seine Hände zitterten ... »Großvater

hat in seiner besten Zeit schon 900000 zur Verfügung gehabt ... Und

welche Anstrengungen seitdem, welch hübscher Erfolg, welche guten Coups

hie und da! Und Mamas Mitgift! Mamas Erbe! Ach, aber die beständige

Zersplitterung ... Mein Gott, sie liegt in der Natur der Dinge;

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