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буд 5 часть нем.doc
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05.03.2016
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Ihn am nachhaltigsten beeinflußt zu haben, und da er auch in Valparaiso

am meisten mit Engländern verkehrt hatte, so hatte seine ganze

Erscheinung etwas Englisches angenommen, was nicht übel zu ihr paßte. Es

lag etwas davon in dem bequemen Schnitt und dem wolligen, durablen Stoff

seines Anzuges, in der breiten und soliden Eleganz seiner Stiefel und in

der Art, wie sein rotblonder, starker Schnurrbart mit etwas säuerlichem

Ausdruck ihm über den Mund hing. Ja selbst seine Hände, die von jenem

matten und porösen Weiß waren, wie die Hitze es hervorbringt, machten

mit ihren rund und kurz geschnittenen sauberen Nägeln aus irgendwelchen

Gründen einen englischen Eindruck.

»Sage mal ...« fragte er unvermittelt, »kennst du das Gefühl ... es ist

schwer zu beschreiben ... wenn man einen harten Bissen verschluckt und

es tut hinten den ganzen Rücken hinunter weh?« Dabei war wieder seine

ganze Nase in straffe kleine Fältchen gezogen.

»Ja«, sagte Tony, »das ist etwas ganz Gewöhnliches. Man trinkt einen

Schluck Wasser ...«

»So?« erwiderte er unbefriedigt. »Nein, ich glaube nicht, daß wir

dasselbe meinen.« Und ein unruhiger Ernst bewegte sich auf seinem

Gesichte hin und her ...

Dabei war er der erste, der im Hause eine freie und der Trauer

abgewandte Stimmung vertrat. Er hatte von der Kunst, den verstorbenen

Marcellus Stengel nachzuahmen, nichts verlernt und redete oft

stundenlang in seiner Sprache. Bei Tische erkundigte er sich nach dem

Stadttheater ... ob eine gute Truppe dort sei, was gespielt werde ...

»Ich weiß nicht«, sagte Tom mit einer Betonung, die übertrieben

gleichgültig war, um nicht ungeduldig zu sein. »Ich kümmere mich jetzt

nicht darum.«

Christian aber überhörte dies völlig und fing an, vom Theater zu

sprechen ... »Ich kann gar nicht sagen, wie gern ich im Theater bin!

Schon das Wort `Theater´ macht mich geradezu glücklich ... Ich weiß

nicht, ob jemand von euch dies Gefühl kennt? Ich könnte stundenlang

stillsitzen und den geschlossenen Vorhang ansehen ... Dabei freue ich

mich wie als Kind, wenn wir hier herein zur Weihnachtsbescherung gingen

... Schon das Stimmen der Orchesterinstrumente! Ich würde ins Theater

gehen, nur um =das= zu hören!... Besonders gern habe ich die

Liebesszenen ... Einige Liebhaberinnen verstehen es, den Kopf des

Liebhabers so zwischen beide Hände zu nehmen ... Überhaupt die

Schauspieler ... ich habe in London und auch in Valparaiso viel mit

Schauspielern verkehrt. Zu Anfang war ich wahrhaftig stolz, mit ihnen so

im ganz gewöhnlichen Leben sprechen zu können. Im Theater achte ich auf

jede ihrer Bewegungen ... das ist sehr interessant! Einer sagt sein

letztes Wort, dreht sich in aller Ruhe um und geht ganz langsam und

sicher und ohne Verlegenheit zur Tür, obgleich er weiß, daß die Augen

des ganzen Theaters auf seinem Rücken liegen ... wie man das kann!...

Früher habe ich mich fortwährend gesehnt, einmal hinter die Kulissen zu

kommen -- ja, jetzt bin ich da ziemlich zu Hause, das kann ich sagen.

Stellt euch vor ... in einem Operettentheater -- es war in London --

ging eines Abends der Vorhang auf, als ich noch auf der Bühne stand ...

Ich unterhielt mich mit Miß Watercloose ... einem Fräulein Watercloose

... ein sehr hübsches Mädchen! Genug! plötzlich öffnet sich der

Zuschauerraum ... mein Gott, ich weiß nicht, wie ich von der Bühne

heruntergekommen bin!«

Madame Grünlich lachte so ziemlich allein in der kleinen Tafelrunde;

aber Christian fuhr mit umherwandernden Augen zu sprechen fort. Er

sprach von englischen Kaffee-Konzertsängerinnen, er erzählte von einer

Dame, die mit einer gepuderten Perücke aufgetreten sei, mit einem langen

Stock auf die Erde gestoßen und ein Lied namens »_That's Maria_«!

gesungen habe ... »_Maria_, wißt ihr, _Maria_ ist die Schändlichste von

allen ... Wenn eine das Sündhafteste begangen hat: _that's Maria!_

_Maria_ ist die =Allerschlimmste=, wißt ihr ... das Laster ...« Und das

letzte Wort sprach er mit abscheulichem Ausdruck, indem er die Nase

krauste und die rechte Hand mit gekrümmten Fingern erhob.

»_Assez_, Christian!« sagte die Konsulin. »Dies interessiert uns

durchaus nicht.«

Allein Christians Blick schweifte abwesend über sie hin, und er hätte

auch wohl ohne ihren Einwurf zu sprechen aufgehört, denn, während seine

kleinen, runden, tiefliegenden Augen rastlos wanderten, schien er in ein

tiefes, unruhiges Nachdenken über _Maria_ und das Laster versunken.

Plötzlich sagte er: »Sonderbar ... manchmal kann ich nicht schlucken!

Nein, da ist nichts zu lachen; ich finde es furchtbar ernst. Mir fällt

ein, daß ich vielleicht nicht schlucken kann, und dann kann ich es

wirklich nicht. Der Bissen sitzt schon ganz hinten, aber dies hier, der

Hals, die Muskeln ... es versagt ganz einfach ... Es gehorcht dem Willen

nicht, wißt ihr. Ja, die Sache ist: ich wage nicht einmal, es ordentlich

zu wollen.«

Tony rief ganz außer sich: »Christian! mein Gott, was für dummes Zeug!

Du wagst nicht, schlucken zu wollen ... Nein, du machst dich ja

lächerlich! Was erzählst du uns eigentlich alles ...!«

Thomas schwieg. Die Konsulin aber sagte: »Das sind die Nerven,

Christian, ja, es war höchste Zeit, daß du nach Hause kamst; das Klima

drüben hätte dich noch krank gemacht.« --

Nach Tische setzte er sich an das kleine Harmonium, das im Eßsaale

stand, und machte einen Klaviervirtuosen. Er tat, als ob er sein Haar

zurückwürfe, rieb sich die Hände und blickte von unten herauf ins

Zimmer; dann, lautlos, ohne die Bälge zu treten, denn er konnte durchaus

nicht spielen und war überhaupt unmusikalisch wie die meisten

Buddenbrooks, begann er, emsig vornübergebeugt, den Baß zu bearbeiten,

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