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буд 5 часть нем.doc
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Immer mit ehrlichen und gerechten Dingen zugeht« ...

»Ja ...«, sagte Tom. Und man fuhr fort, man ging ins Detail, man nahm

Kenntnis von den Bestimmungen über die große Familienbibel, über des

Konsuls Diamantknöpfe, über viele einzelne Dinge ... Justus Kröger und

Herr Marcus blieben zum Abendbrot.

Zweites Kapitel

Zu Beginn des Februar 1856, nach achtjähriger Abwesenheit, kehrte

Christian Buddenbrook in die Vaterstadt zurück. Er kam, in einem gelben

und großkarierten Anzug, der durchaus etwas Tropisches an sich hatte,

mit der Postkutsche von Hamburg, brachte den Schnabel eines

Schwertfisches und ein großes Zuckerrohr mit und nahm in halb

zerstreuter, halb verlegener Haltung die Umarmungen der Konsulin

entgegen.

Diese Haltung bewahrte er auch, als gleich am nächsten Vormittag nach

seiner Ankunft die Familie vors Burgtor hinaus zum Friedhofe ging, um

auf dem Grabe einen Kranz niederzulegen. Sie standen alle beieinander

auf dem verschneiten Wege vor der umfangreichen Platte, auf welcher die

Namen der hier Ruhenden das in Stein gearbeitete Wappen der Familie

umgaben ... vor dem aufrechten Marmorkreuz, das sich an den Rand des

kleinen, winterlich kahlen Friedhofgehölzes lehnte: Alle, ausgenommen

Klothilde, die auf »Ungnade« weilte, um ihren kranken Vater zu pflegen.

Tony legte den Kranz auf den in goldenen Buchstaben frisch in die Platte

eingelassenen Namen des Vaters und kniete dann trotz des Schnees am

Grabe nieder, um leise zu beten; der schwarze Schleier umspielte sie,

und ihr weiter Kleiderrock lag ein wenig malerisch schwungvoll neben ihr

ausgebreitet. Gott allein wußte, wieviel Schmerz und Religiosität, und

andererseits wieviel Selbstgefälligkeit einer hübschen Frau in dieser

hingegossenen Stellung lag. Thomas war nicht in der Stimmung, darüber

nachzudenken. Christian aber blickte seine Schwester mit einem

Mischausdruck von Moquerie und Ängstlichkeit von der Seite an, als

wollte er sagen: »Wirst du das auch verantworten können? Wirst du auch

nicht verlegen werden, wenn du aufstehst? Wie unangenehm!« Tony fing

diesen Blick auf, als sie sich erhob; aber sie geriet durchaus nicht in

Verlegenheit. Sie legte den Kopf zurück, ordnete Schleier und Rock und

wandte sich mit würdevoller Sicherheit zum Gehen, was Christian

sichtlich erleichterte.

War der verstorbene Konsul, mit seiner schwärmerischen Liebe zu Gott und

dem Gekreuzigten, der erste seines Geschlechtes gewesen, der

unalltägliche, unbürgerliche und differenzierte Gefühle gekannt und

gepflegt hatte, so schienen seine beiden Söhne die ersten Buddenbrooks

zu sein, die vor dem freien und naiven Hervortreten solcher Gefühle

empfindlich zurückschreckten. Sicherlich hatte Thomas mit reizbarerer

Schmerzfähigkeit den Tod seines Vaters erlebt, als etwa sein Großvater

den Verlust des seinen. Dennoch pflegte er nicht am Grabe in die Knie zu

sinken, hatte er sich niemals, wie seine Schwester Tony, über den Tisch

geworfen, um zu schluchzen wie ein Kind, empfand er als im höchsten

Grade peinlich, die großen, mit Tränen gemischten Worte, mit denen

Madame Grünlich zwischen Braten und Nachtisch die Charaktereigenschaften

und die Person des toten Vaters zu feiern liebte. Solchen Ausbrüchen

gegenüber hatte er einen taktvollen Ernst, ein gefaßtes Schweigen, ein

zurückhaltendes Kopfnicken ... und gerade dann, wenn niemand des

Verstorbenen erwähnt oder gedacht hatte, füllten sich, ohne daß sein

Gesichtsausdruck sich verändert hätte, langsam seine Augen mit Tränen.

Es war anders mit Christian. Er vermochte bei den naiven und kindlichen

Ergüssen seiner Schwester schlechterdings nicht, seine Haltung zu

bewahren; er bückte sich über seinen Teller, wandte sich ab, zeigte das

Bedürfnis, sich zu verkriechen und unterbrach sie mehrere Male sogar mit

einem leisen und gequälten: »Gott ... Tony ...«, wobei seine große Nase

in unzählige Fältchen gezogen war.

Ja, er legte Unruhe und Verlegenheit an den Tag, sobald das Gespräch

sich dem Verstorbenen zuwandte, und es schien, als ob er nicht nur die

undelikaten Äußerungen tiefer und feierlicher Gefühle, sondern auch die

Gefühle selbst fürchtete und mied.

Man hatte ihn noch keine Träne über den Tod des Vaters vergießen sehen.

Die lange Entwöhnung allein erklärte dies nicht. Das Merkwürdige aber

war, daß er, im Gegensatze zu seinem sonstigen Widerwillen gegen

derartige Gespräche, immer wieder seine Schwester Tony ganz allein

beiseite nahm, um sich von ihr die Vorgänge jenes fürchterlichen

Sterbenachmittages so recht anschaulich und im einzelnen erzählen zu

lassen: denn Madame Grünlich erzählte am lebhaftesten.

»Also gelb sah er aus?« fragte er zum fünften Male ... »Was schrie das

Mädchen, als es zu euch hereinstürzte?... Er sah also ganz gelb aus?...

Und hat nichts mehr sagen können, bevor er starb?... Was sagte das

Mädchen? Wie hat er nur noch machen können? `Ua ... ua´?...« Er schwieg,

schwieg lange Zeit, indes seine kleinen, runden, tiefliegenden Augen

schnell und gedankenvoll im Zimmer umherirrten. »=Gräßlich=«, sagte er

plötzlich, und man sah, daß ein Schauer ihn überlief, während er

aufstand. Und immer mit unruhigen und grübelnden Augen ging er auf und

nieder, während Tony sich wunderte, daß ihr Bruder, der sich aus

unbegreiflichen Gründen zu schämen schien, wenn sie laut den Vater

betrauerte, mit einer Art schauerlicher Nachdenklichkeit ganz laut die

Todeslaute desselben wiederholen mochte, die er mit vieler Mühe von

Line, dem Mädchen, erfragt hatte ...

Christian hatte sich durchaus nicht verschönt. Er war hager und bleich.

Die Haut umspannte überall straff seinen Schädel, zwischen den

Wangenknochen sprang die große, mit einem Höcker versehene Nase scharf

und fleischlos hervor, und das Haupthaar war schon merklich gelichtet.

Sein Hals war dünn und zu lang, und seine mageren Beine zeigten eine

starke Krümmung nach außen ... Übrigens schien sein Londoner Aufenthalt

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