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буд 5 часть нем.doc
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Ihm zu verstehen geben, sei überzeugt ...«

»=Wie= er sich betragen hat, Thomas«, unterbrach sie ihn, indem sie sich

aufrichtete und eine Hand auf ihre Brust legte, »das habe ich ihm schon

zu verstehen gegeben und nicht nur `zu verstehen gegeben´, will ich dir

sagen. Weitere Auseinandersetzungen mit dem Manne halte ich, meinem

Taktgefühle nach, für vollkommen unangebracht!« Damit ließ sie sich

wieder zurückfallen und blickte streng und unbewegt zur Decke empor.

Er neigte sich, wie unter dem Gewichte ihrer Worte, und dabei blickte er

lächelnd auf seine Knie nieder.

»Na, so werde ich ihm denn also =keinen= groben Brief schreiben: ganz

wie du befiehlst. Zuletzt ist es ja deine Angelegenheit, und es genügt

durchaus, daß du selbst ihm den Kopf zurechtsetzest; als seine Frau bist

du berufen dazu. Bei Lichte besehen, sind ihm ja übrigens die mildernden

Umstände nicht abzusprechen. Ein Freund hat Namenstag gefeiert, er kommt

In festlicher Stimmung, in etwas zu guter Laune nach Hause und läßt sich

einen kleinen Übergriff, einen kleinen unziemlichen Seitensprung

zuschulden kommen ...«

»Thomas«, sagte sie, »ich verstehe dich nicht. Ich verstehe nicht den

Ton, in dem du redest! Du ... Ein Mann von deinen Grundsätzen ... Aber

du hast ihn nicht gesehen! Wie er sie anfaßte in seiner Betrunkenheit,

wie er aussah ...«

»Komisch genug, wie ich mir denken kann. Aber das ist es ja, Tony: du

nimmst die Sache nicht komisch genug, und daran ist natürlich dein Magen

schuld. Du hast deinen Mann auf einer Schwäche ertappt, du hast ihn ein

wenig lächerlich gesehen ... aber das sollte dich nicht so fürchterlich

empören, sondern dich eher ein bißchen amüsieren und ihn dir menschlich

noch näher bringen ... Ich will dir eines sagen: du konntest sein

Betragen natürlich nicht ohne weiteres mit Lächeln und Stillschweigen

billigen, bewahre. Du bist abgereist: das war eine Demonstration, etwas

lebhaft vielleicht, vielleicht eine zu strenge Strafe -- denn wie

betrübt er in diesem Augenblick dasitzt, das möchte ich nicht sehen --

aber immerhin gerecht. Meine Bitte geht nur dahin, du möchtest die Dinge

etwas weniger entrüstet und wenig mehr vom politischen Standpunkte aus

betrachten ... wir reden ja unter uns. Ich muß dir einmal andeuten, daß

es doch in einer Ehe keineswegs gleichgültig ist, auf welcher Seite sich

das ... moralische Übergewicht befindet ... versteh' mich, Tony! Dein

Mann hat sich eine Blöße gegeben, darüber besteht kein Zweifel. Er hat

sich kompromittiert, sich ein bißchen lächerlich gemacht ... lächerlich

gerade darum, weil sein Vergehen so harmlos, so wenig ernsthaft zu

nehmen ist ... Kurz, seine Würde ist nicht mehr unantastbar, eine

gewisse Überlegenheit ist jetzt entschieden auf deiner Seite, und

gesetzt, daß du sie geschickt zu nutzen verstehst, so ist dein Glück

gewiß. Wenn du nun in ... sagen wir vierzehn Tagen -- ja, bitte, so

lange muß ich dich =mindestens= für uns in Anspruch nehmen! -- in

vierzehn Tagen nach München zurückkehrst, so wirst du sehen ...«

»Ich werde nicht nach München zurückkehren, Thomas.«

»Wie beliebt?« fragte er, indem er sein Gesicht verzog, eine Hand ans

Ohr legte und sich vorwärts beugte ...

Sie lag auf dem Rücken, den Hinterkopf fest in die Kissen gedrückt, so

daß das Kinn mit einer gewissen Strenge vorgeschoben schien.

»=Niemals=«, sagte sie; worauf sie lang und geräuschvoll ausatmete und

sich räusperte: langsam und ausdrücklich -- ein trockenes Räuspern, das

anfing, bei ihr zur nervösen Gewohnheit zu werden und wahrscheinlich mit

ihrem Magenleiden zusammenhing. -- Eine Pause trat ein.

»Tony«, sagte er plötzlich, indem er aufstand und seine Hand fest auf

die Lehne des Empirestuhles niedersinken ließ, »du machst mir keinen

Skandal!...«

Ein Seitenblick belehrte sie, daß er bleich war, und daß die Muskeln an

seinen Schläfen arbeiteten. Ihre Lage war nicht länger haltbar. Auch sie

geriet in Bewegung, und, um die Furcht zu verbergen, die sie vor ihm

empfand, ward sie laut und zornig. Sie schnellte empor, sie ließ die

Füße vom Bette hinuntergleiten, und mit hitzigen Wangen,

zusammengezogenen Brauen und raschen Kopf- und Handbewegungen fing sie

an: »Skandal, Thomas ...?! Du magst mir befehlen, keinen Skandal zu

machen, wenn man mich mit Schande bedeckt, mir ganz einfach ins Gesicht

speit?! Ist das eines Bruders würdig?... Ja, diese Frage mußt du mir

gefälligst erlauben! Rücksicht und Takt sind gute Sachen, bewahre! Aber

es gibt eine Grenze im Leben, Tom -- und ich kenne das Leben, so gut wie

du -- wo die Angst vor dem Skandale anfängt, Feigheit zu heißen, ja! Und

ich wundere mich, daß ich dir das sagen muß, die ich bloß eine Gans und

ein dummes Ding bin ... Ja, das bin ich und verstehe es gut, wenn

Permaneder mich nie geliebt hat, denn ich bin alt und ein häßliches

Weib, das mag sein, und Babett ist sicherlich hübscher. Aber das enthob

ihn nicht der Rücksicht, die er meiner Herkunft und meiner Erziehung und

meinem Empfinden schuldete! Du hast nicht gesehen, Tom, in welcher Weise

er diese Rücksicht vergaß, und wer es nicht gesehen hat, der weiß gar

nichts, denn erzählen läßt es sich nicht, wie widerlich er war in seinem

Zustande ... Und du hast das Wort nicht gehört, das er mir, mir, deiner

Schwester, nachgerufen hat, als ich meine Sachen nahm und das Zimmer

verließ, um im Wohnzimmer auf dem Sofa zu schlafen ... Ja! da habe ich

hinter mir aus seinem Munde ein Wort anhören müssen ... ein Wort ... ein

Wort ...! ... Kurz, Thomas, dies Wort war es ganz eigentlich, daß du es

weißt, was mich veranlaßt, =gezwungen= hat, während der ganzen Nacht zu

packen und in aller Frühe Erika zu wecken und davonzugehen, denn bei

einem Manne, in dessen Nähe ich solcher Worte gewärtig sein muß, konnte

ich nicht bleiben, und zu einem solchen Manne werde ich, wie gesagt,

niemals zurückkehren ... oder ich müßte verkommen und könnte mich nicht

mehr achten und hätte keinen Halt mehr im Leben!«

»Willst du nun die Güte haben, mir dieses gottverdammte Wort

mitzuteilen, ja oder nein?«

»Niemals, Thomas! Niemals werde ich es mit meinen Lippen wiederholen!

Ich weiß, was ich mir und dir in diesen Räumen schuldig bin ...«

»Dann ist nicht mit dir zu reden!«

»Das mag sein; und ich wollte, wir redeten auch gar nicht mehr

darüber ...«

»Was willst du tun? Willst du dich scheiden lassen?«

»Das will ich, Tom. Das ist mein fester Entschluß. Das ist die

Handlungsweise, die ich mir selbst und meinem Kinde und euch allen

schuldig bin.«

»Na, das ist also Unsinn«, sagte er gelassen, drehte sich auf dem

Absatze um und ging von ihr fort, als ob damit überhaupt das Ganze

erledigt sei. »Zum Scheidenlassen gehören zwei, mein Kind; und daß

Permaneder sich so ohne weiteres mit Vergnügen dazu bereit finden wird,

der Gedanke ist doch wohl bloß belustigend ...«

»Oh, das laß meine Sorge sein«, sagte sie, ohne sich einschüchtern zu

lassen. »Du meinst, daß er sich widersetzen wird, und zwar wegen meiner

17000 Taler Kurant; aber Grünlich hat auch nicht gewollt, und man hat

ihn gezwungen, da gibt es Mittel, und ich gehe zu Doktor Gieseke; das

ist Christians Freund, und der wird mir beistehen ... Gewiß, es war

etwas anderes damals, ich weiß, was du sagen willst. Damals war es

`Unfähigkeit des Mannes, seine Familie zu ernähren´ ja! Du siehst

übrigens, daß ich sehr wohl Bescheid weiß in diesen Dingen, während du

wahrhaftig tust, als wäre es das erstemal im Leben, daß ich mich

scheiden lasse!... Aber das ist ganz gleich, Tom. Vielleicht geht es

nicht an und ist unmöglich -- das mag sein; du kannst gern recht haben.

Aber das ändert nichts. Das ändert nichts an meinen Entschlüssen. Dann

mag er die Groschen behalten -- es gibt höhere Dinge im Leben! Aber mich

sieht er niemals wieder.«

Und darauf räusperte sie sich. Sie hatte das Bett verlassen, hatte sich

in dem Armsessel niedergelassen, einen Ellenbogen auf die Seitenlehne

gestemmt und das Kinn so fest in die Hand vergraben, daß vier gekrümmte

Finger die Unterlippe gepackt hielten. So, den Oberkörper seitwärts

gewandt, blickte sie mit erregten und geröteten Augen starr durchs

Fenster hinaus.

Der Konsul schritt im Zimmer auf und ab, seufzte, schüttelte den Kopf

und zuckte die Achseln. Schließlich blieb er mit gerungenen Händen vor

ihr stehen.

»Du bist ja ein Kindskopf, Tony!« sagte er verzagt und flehend. »Jedes

Wort, das du sprichst, ist ja eine Kinderei! Willst du dich nun nicht,

wenn ich dich bitte, dazu bequemen, die Dinge während eines einzigen

Augenblicks wie ein Erwachsener anzusehen?! Merkst du denn nicht, daß du

dich benimmst, als hättest du etwas Ernstes und Schweres erlebt, als

hätte dein Mann dich grausam betrogen, dich vor aller Welt mit Schmach

überhäuft!? Aber so bedenke doch nur, daß ja nichts geschehen ist! Daß

von diesem albernen Vorkommnis auf eurer Himmelsleiter in der

Kaufingerstraße ja keines Menschen Seele etwas weiß! Daß du deiner und

unserer Würde durchaus keinen Abbruch tust, wenn du in aller Ruhe und

höchstens mit einer etwas mokanten Miene zu Permaneder zurückkehrst ...

im Gegenteil! daß du unserer Würde erst schadest, indem du das =nicht=

tust, denn erst dadurch machst du etwas aus dieser Bagatelle, erst

dadurch erregst du Skandal ...«

Sie ließ rasch ihr Kinn los und sah ihm ins Gesicht.

»Jetzt sei still, Thomas! Jetzt bin ich an der Reihe! Jetzt höre zu!

Wie? ist nur das Schande und Skandal im Leben, was laut wird und unter

die Leute kommt? Ach nein! Der heimliche Skandal, der im stillen an

einem zehrt und die Selbstachtung wegfrißt, der ist viel schlimmer! Sind

wir Buddenbrooks Leute, die nach außen hin `tip-top´ sein wollen, wie

ihr hier immer sagt, und zwischen unseren vier Wänden dafür Demütigungen

hinunterwürgen? Tom, ich muß mich wundern über dich! Stelle dir Vater

vor, wie er sich heute verhalten würde, und dann urteile in seinem

Sinne! Nein, Sauberkeit und Offenheit muß herrschen ... Du kannst

täglich aller Welt deine Bücher zeigen und sagen: Da ... Anders darf es

mit keinem von uns sein. Ich weiß, wie Gott mich gemacht hat. Ich

fürchte mich gar nicht! Laß Julchen Möllendorpf nur an mir vorübergehen

und mich nicht grüßen! Und laß Pfiffi Buddenbrook nur Donnerstags hier

sitzen und sich vor Schadenfreude schütteln und sagen: `Nun, das ist ja

leider schon das zweitemal, aber es hat =natürlich= beide Male an den

Männern gelegen!´ Ich bin so unsäglich erhaben darüber, Thomas! Ich

weiß, daß ich getan habe, was ich für gut hielt. Aber aus Angst vor

Julchen Möllendorpf und Pfiffi Buddenbrook Beleidigungen

hinunterzuschlucken und mich in einem ungebildeten Bierdialekt

beschimpfen zu lassen ... aus Angst vor ihnen bei einem Manne, in einer

Stadt auszuhalten, wo ich mich an solche Worte, an solche Szenen, wie

die auf der Himmelsleiter, gewöhnen müßte, wo ich mich und meine

Herkunft und meine Erziehung und alles in mir ganz und gar verleugnen

lernen müßte, nur um glücklich und zufrieden zu erscheinen, -- das nenne

=ich= unwürdig, das nenne =ich= skandalös, will ich dir sagen ...!«

Sie brach ab, warf das Kinn wieder in die Hand und starrte erregt auf

die Fensterscheiben. Er stand vor ihr, auf ein Bein gestützt, die Hände

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