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буд 5 часть нем.doc
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Ich bitte um Verzeihung, denn es ist eine Schande, daß ich noch nicht

geschrieben habe, während ich doch schon acht Tage hier bin; ich bin zu

sehr in Anspruch genommen worden von allem, was es hier zu sehen gibt --

aber davon später. Nun frage ich erst einmal, ob es Euch Lieben, Dir und

Tom und Gerda und Erika und Christian und Thilda und Ida und allen gut

geht; das ist das Wichtigste.

Ach, was habe ich in diesen Tagen nicht zu sehen bekommen! Da ist die

Pinakothek und die Glyptothek und das Hofbräuhaus und das Hoftheater und

die Kirchen und viele andere Dinge. Ich muß davon mündlich erzählen,

sonst schreibe ich mich tot. Auch eine Wagenfahrt im Isartal haben wir

schon gemacht, und für morgen ist ein Ausflug an den Würmsee in Aussicht

genommen. Das geht immer so weiter; Eva ist sehr lieb zu mir, und Herr

Niederpaur, der Brauereidirektor, ist ein gemütlicher Mann. Wir wohnen

an einem sehr hübschen Platz inmitten der Stadt, mit einem Brunnen in

der Mitte, wie bei uns auf dem Markt, und unser Haus steht ganz in der

Nähe des Rathauses. Ich habe niemals ein solches Haus gesehen! Es ist

Von oben bis unten ganz kunterbunt bemalt, mit heiligen Georgs, die den

Drachen töten, und alten bayerischen Fürsten in vollem Ornat und Wappen.

Stellt Euch vor!

Ja, München gefällt mir ganz ausnehmend. Die Luft soll sehr

nervenstärkend sein, und mit meinem Magen ist es im Augenblick ganz in

Ordnung. Ich trinke mit großem Vergnügen sehr viel Bier, um so mehr, als

das Wasser nicht ganz gesund ist; aber an das Essen kann ich mich noch

nicht recht gewöhnen. Es gibt zuwenig Gemüse und zuviel Mehl, zum

Beispiel in den Soßen, deren sich Gott erbarmen möge. Was ein

ordentlicher Kalbsrücken ist, das ahnt man hier gar nicht, denn die

Schlachter zerschneiden alles aufs jämmerlichste. Und mir fehlen sehr

die Fische. Und dann ist es doch ein Wahnsinn, beständig Gurken- und

Kartoffelsalat mit Bier durcheinander zu schlucken! Mein Magen gibt Töne

von sich dabei.

Überhaupt muß man ja an mancherlei sich erst gewöhnen, könnt Ihr Euch

denken, man befindet sich eben in einem fremden Lande. Da ist die

ungewohnte Münze, da ist die Schwierigkeit, sich mit den einfachen

Leuten, dem Dienstpersonal zu verständigen, denn ich spreche ihnen zu

rasch und sie mir zu kauderwelsch -- und dann ist da der Katholizismus;

ich hasse ihn, wie Ihr wißt, ich halte gar nichts davon ...

Hier fing der Konsul an zu lachen, indem er, ein Stück Butterbrot mit

geriebenem Kräuterkäse in der Hand, sich in das Sofa zurücklehnte.

»Ja, Tom, du lachst ...«, sagte seine Mutter, und ließ ein paarmal den

Mittelfinger ihrer Hand auf das Tischtuch fallen. »Aber mir gefällt es

völlig an ihr, daß sie an dem Glauben ihrer Väter festhält und die

unevangelischen Schnurrpfeifereien verabscheut. Ich weiß, daß du in

Frankreich und Italien eine gewisse Sympathie für die päpstliche Kirche

gefaßt hast, aber das ist nicht Religiosität bei dir, Tom, sondern etwas

anderes, und ich verstehe auch, was; aber obgleich wir duldsam sein

sollen, ist Spielerei und Liebhaberei in diesen Dingen in hohem Grade

strafbar, und ich muß Gott bitten, daß er dir und deiner Gerda -- denn

ich weiß, sie gehört ebenfalls nicht gerade zu den Gefesteten, mit den

Jahren den nötigen Ernst darin gibt. Diese Bemerkung wirst du deiner

Mutter verzeihen.«

»Oben auf dem Brunnen«, las sie weiter, »den ich von meinem Fenster aus

sehen kann, steht eine Maria, und manchmal wird er bekränzt, und dann

knien dort Leute aus dem Volke mit Rosenkränzen und beten, was ja recht

hübsch aussieht, aber es steht geschrieben: Gehe in dein Kämmerlein. Oft

sieht man hier Mönche auf der Straße, und sie sehen recht ehrwürdig aus.

Aber stelle Dir vor, Mama, gestern fuhr in der Theatinerstraße irgendein

höherer Kirchenmann in seiner Kutsche an mir vorüber, vielleicht war es

der Erzbischof, ein älterer Herr -- genug, und dieser Herr wirft mir aus

dem Fenster ein paar Augen zu wie ein Gardeleutnant! Du weißt, Mutter,

ich halte nicht so sehr große Stücke auf Deine Freunde, die Missionare

und Pastoren, aber Tränen-Trieschke ist sicherlich nichts gegen diesen

Suitier von einem Kirchenfürsten ...«

»Pfui!« schaltete die Konsulin bekümmert ein.

»Echt Tony!« sagte der Konsul.

»Wieso, Tom?«

»Na, sollte sie ihn nicht ein bißchen provoziert haben ... zur Prüfung?

Ich kenne doch Tony! Und jedenfalls hat dieses `Paar Augen´ sie köstlich

amüsiert ... was wohl die Absicht des alten Herrn gewesen ist.«

Hierauf ging die Konsulin nicht ein, sondern fuhr zu lesen fort:

»Vorgestern hatten Niederpaurs Abendgesellschaft, was wunderhübsch war,

obgleich ich der Unterhaltung nicht immer folgen konnte und den Ton

manchmal ziemlich _équivoque_ fand. Sogar ein Hofopernsänger war da,

welcher Lieder sang, und ein junger Kunstmaler, der mich bat, mich von

ihm porträtieren zu lassen, was ich aber ablehnte, weil ich es nicht für

passend halte. Am besten habe ich mich mit einem Herrn =Permaneder=

unterhalten -- hättest Du jemals gedacht, daß jemand so heißen

könnte? --, Hopfenhändler, ein netter, spaßhafter Mann in gesetzten

Jahren und Junggeselle. Ich hatte ihn zu Tische und hielt mich an ihn,

weil er der einzige Protestant in der Gesellschaft war, denn obgleich er

ein guter Münchener Bürger ist, stammt seine Familie aus Nürnberg. Er

versicherte, daß er unsere Firma dem Namen nach sehr wohl kenne, und Du

kannst Dir denken, Tom, welche Freude mir der respektvolle Ton machte,

in welchem er das sagte. Auch erkundigte er sich genau nach uns, wie

viele Geschwister wir seien und dergleichen mehr. Auch nach Erika und

sogar nach Grünlich fragte er. Er kommt manchmal zu Niederpaurs und wird

wohl morgen mit uns zum Würmsee fahren.

Nun adieu, liebe Mama, ich kann nicht mehr schreiben. Bei Leben und

Gesundheit, wie Du immer sagst, bleibe ich noch drei oder vier Wochen

hier, und dann kann ich Euch mündlich von München erzählen, denn

brieflich weiß ich nicht, womit ich anfangen soll. Aber es gefällt mir

sehr gut, das kann ich sagen, nur müßte man sich eine Köchin auf

anständige Saucen dressieren. Siehst Du, ich bin eine alte Frau, die das

Leben hinter sich hat, und habe nichts mehr zu erwarten auf Erden, aber

wenn zum Beispiel Erika später bei Leben und Gesundheit sich hierher

verheiratete, so würde ich nichts dagegen haben, das muß ich sagen ...«

Hier mußte der Konsul wieder aufhören, zu essen, und sich lachend in das

Sofa zurücklegen.

»Sie ist unbezahlbar, Mutter! Wenn sie heucheln will, ist sie

unvergleichlich! Ich schwärme für sie, weil sie einfach nicht imstande

ist, sich zu verstellen, nicht über tausend Meilen weg ...«

»Ja, Tom«, sagte die Konsulin; »sie ist ein gutes Kind, das alles Glück

verdient.«

Dann las sie den Brief zu Ende ...

Zweites Kapitel

Am Ende des April zog Frau Grünlich wieder im Elternhause ein, und

obgleich nun abermals ein Stück Leben hinter ihr lag, obgleich das alte

Dasein wieder begann, sie wieder den Andachten beiwohnen und am

Jerusalemsabend Lea Gerhardt vorlesen hören mußte, befand sie sich ganz

augenscheinlich in froher und hoffnungsvoller Stimmung.

Gleich als ihr Bruder, der Konsul, sie vom Bahnhofe abgeholt hatte --

sie war von Büchen gekommen -- und mit ihr durch das Holstentor in die

Stadt gefahren war, hatte er nicht umhin gekonnt, ihr das Kompliment zu

machen, daß -- nächst Klothilden -- sie doch noch immer die Schönste in

der Familie sei, worauf sie geantwortet hatte: »O Gott, Tom, ich hasse

dich! Eine alte Frau in dieser Weise zu verhöhnen ...«

Aber es hatte trotzdem seine Richtigkeit: Madame Grünlich konservierte

sich aufs vorteilhafteste, und angesichts ihres starken, aschblonden

Haares, das zu beiden Seiten des Scheitels gepolstert, über den kleinen

Ohren zurückgestrichen und auf der Höhe des Kopfes mit einem breiten

Schildkrotkamm zusammengefaßt war -- angesichts des weichen Ausdrucks,

der ihren graublauen Augen blieb, ihrer hübschen Oberlippe, des feinen

Ovals und der zarten Farben ihres Gesichtes hätte man nicht auf dreißig,

sondern auf dreiundzwanzig Jahre geraten. Sie trug höchst elegante

herabhängende Ohrringe von Gold, die in etwas anderer Form schon ihre

Großmutter getragen hatte. Eine lose sitzende Taille aus leichtem,

dunklem Seidenstoff mit Atlasrevers und flachen Epaulettes von Spitzen

gab ihrer Büste einen entzückenden Ausdruck von Weichheit ...

Sie befand sich in bester Laune, wie gesagt, und erzählte Donnerstags,

wenn Konsul Buddenbrooks und die Damen Buddenbrook aus der

Breitenstraße, Konsul Krögers, Klothilde und Sesemi Weichbrodt mit Erika

zu Tische kamen, aufs anschaulichste von München, von dem Biere, den

Dampfnudeln, dem Kunstmaler, der sie hatte porträtieren wollen, und den

Hofequipagen, die ihr den größten Eindruck gemacht hatten. Sie erwähnte

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