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§ 65. Der Umfang des Satzes und der Wortgruppen

Der Umfang des Satzes und der Wortgruppen wurde als ein grammatisches Problem erst in den letzten Jahren aufgeworfen. Aber in einer allgemeinen Form, als eine stilistische Erscheinung, deren Analyse der Charakteristik einzelner Sprachgattungen und -stile und der individuellen Sprachstile behilflich sein konnte, wurde der Umfang des Satzes schon seit langem behandelt, allerdings in der Regel ohne genaue

Zählungen.

Auch jetzt entspringt das Interesse für den Umfang der syntaktischen Einheiten den Erfordernissen der Stilistik und sogar der Poetik

(В. Horacek, teilweise auch W. Winter u. a.). Aber sehr wichtig sind dabei auch die Bestrebungen der Sprachstatistiker (H. Meier, zum Teil W. Winter und H. Eggers), die sich für die betreffenden Daten in gleicher Weise wie für alle anderen Daten des Sprachbaus interessieren. Doch am allerwesentlichsten scheint uns die Tatsache zu sein, daß diese Problematik auch vom rein grammatischen Standpunkt aus jetzt für die Sprachforscher aktuell wird.

Die Feststellung des Umfangs verschiedener Satztypen und Wortgruppentypen gibt nämlich die Möglichkeit, den Grad der Heranziehung dieser Typen zur Wiedergabe gewisser Denkinhalte zu bestimmen und auf diese Weise das Schwergewicht dieser Typen beim Funktionieren des Sprachsystems zu charakterisieren. Oft versucht man dieses ihr Schwergewicht durch die Häufigkeit ihres Gebrauchs zu bestimmen. Aber eine erschöpfende Bestimmung ihrer Rolle in der Gestaltung der Rede wird nur möglich, wenn man auch ihren Umfang berücksichtigt.

Die Erforschung des Satz- und Wortgruppenumfangs ist noch deswegen von großer Wichtigkeit, weil es historisch veränderliche Größen sind. Selbst der Umfang des Elementarsatzes ist keineswegs eine stabile Größe, die durch irgendwelche allgemeinpsychologische Vorbedingungen oder stilistisch-kommunikative Faktoren ein für allemal (in einer bestimmten Anzahl von Variationen) geregelt ist. Gewiß legen die psychologisch-physiologischen Mechanismen der menschlichen Rede den Variierungsmöglichkeiten dieser Größe einige Einschränkungen auf. Gewiß bewirken die stilistischen Faktoren einige immer wiederkehrende Tendenzen in ihren Schwankungen. Aber in einer und derselben Redegattung kann sich in verschiedenen Perioden der Umfang des Elementarsatzes bedeutend ändern. Auf diese Weise — und indem sich auch der Umfang der Wortgruppen gleichzeitig ändern kann — kann es sogar zu gewissen Verlagerungen im Bau der syntaktischen Einheiten kommen.

Wenn man die Entwicklung des Satzumfangs in der deutschen Schriftsprache vom 17. Jh. an bis zur Gegenwart verfolgt, so sind allem Anschein nach folgende Veränderungen zu verzeichnen:

Der Umfang des Ganzsatzes geht zurück, was mit der Abnahme der Satzunterordnung verbunden ist. Dagegen wächst der Elementarsatz an, besonders wenn er allein auftritt, als ein einfacher unabhängiger Satz («Einfachsatz»), was seinerseits mit der Zunahme im Gebrauch und im Umfang der Substantivgruppe verbunden ist.

Allerdings verläuft dieser Entwicklungsprozeß nicht geradlinig. Bedeutende Verschiedenheiten sind den Funktionalstilen eigen und im Bereiche der Schönen Literatur den einzelnen Stilrichtungen. Auch der Individualstil des Verfassers kann sich in der Vorliebe zu einem gewissen Satzumfang manifestieren. So weisen z. B. im 20. Jh. sehr große Ganzsätze auf Th. Mann und H. Broch. Nach den stichprobenmäßigen Zählungen von H. Arens beträgt der Durchschnittsumfang des Ganzsatzes im (Doktor Faustus) von Th. Mann 35, 95 Wörter und in H. Brochs Roman (Der Tod des Vergil) sogar 92, 4 Wörter. Von den heutigen Verfassern beträgt nach den Zählungen von S. A. Subik der

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Umfang des Ganzsatzes bei G. Grass 31, 2 Wörter und bei H. Böll 27, 1 Wörter. Anderseits hat z. B. ein Auszug aus dem Roman von Chr. F. Geliert (Das Leben der schwedischen Gräfin von G.) (aus der Mitte des 18. Jhs.) eine durchschnittliche Ganzsatzlänge von 15,18 Wörtern. Und in einem Abschnitt aus Goethes (Wahlverwandtschaften) beträgt der Umfang des Ganzsatzes 30, 83 Wörter. Doch ist es für die allgemeinen Entwicklungstendenzen kennzeichnend, daß in der modernen populärwissenschaftlichen Literatur nach den auf einer sehr breiten Grundlage durchgeführten Zählungen von H. Eggers besonders stark die Ganzsätze mit 14—18 Wörtern vertreten sind. Dagegen scheint in den «inhaltlich vergleichbaren Stücken klassischer Prosa», nach den auch von H. Eggers gemachten Stichproben (aus je 1000 Sätzen), die gebräuchlichste Satzlänge bei Lessing um 24 Wörter und bei Goethe um 30 Wörter zu liegen, was aber von Schiller anscheinend noch überboten wird (177, 52—53; vgl. 8, 15—23).

Es seien hier zum Vergleich einige Daten angeführt, die den Umfang des Ganzsatzes in der Umgangssprache charakterisieren. So bezeichnet Chr. Leska als Maximalwerte der Satzlänge in der gesprochenen Sprache (50 Tonbandaufnahmen) die Länge von 5—10 Wörtern. Sätze mit solcher Satzlänge machen 46% aller Belege aus.

Was den Elementarsatz betrifft, so heben dabei manche Forscher vor allem das Anwachsen des Einfachsatzes hervor. In Hinsicht auf die populärwissenschaftliche Literatur hat darauf H. Eggers hingewiesen, und viele einleuchtende Beispiele derartiger Einfachsätze hat G. Möller angeführt. Aber an einschlägigen Zählungen im Bereiche der populärwissenschaftlichen, technischen und wissenschaftlichen Literatur fehlt es meines Wissens bis jetzt. Nach den Angaben von Eggers kann man zu dem Schluß kommen, daß das Schwergewicht der Satzlänge bei den Einfachsätzen zwischen 8 und 16 Wörtern liegt, aber näher bei 8 Wörtern, also ungefähr im Bereich von 10 Wörtern. (Im Katalog von Eggers gibt es 258 Einfachsätze mit 4 Wörtern, 986 mit 8 Wörtern, 744 mit 16 Wörtern, 227 mit 24 Wörtern und 56 mit 32 Wörtern, s. 175, 53). Demnach würde der häufigste Umfang des Einfachsatzes durchschnittlich ungefähr zwei Drittel des häufigsten Umfangs der Ganzsätze in den populärwissenschaftlichen Texten ausmachen, die Eggers

untersucht hat.

Nach den Zählungen von W. Winter, der die Gesamtzahl der Wörter in einem Text (Textabschnitt) durch die Zahl der im Text (Textabschnitt) vorkommenden finiten Verbalformen dividiert und auf diese Weise, wenn auch annähernd, die Durchschnittslänge des Elementarsatzes erhält, beträgt die Durchschnittslänge des Elementarsatzes in neun modernen wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Texten 10, 4 Wörter. (Winter selbst bringt Angaben nur für einzelne Texte.) Bei Schiller stellt W. Winter folgende Durchschnittslängen fest: für die (Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen) — 10 Wörter, (Über naive und sentimentalische Dichtung) — 10, 7 Wörter.

Nach meinen eigenen Zählungen schwanken in der im weiten Sinne des Wortes wwerden. Die Spannung entsteht dann, wenn die semantische und syntaktische Erwartung, die durch die Einführung irgendeiner Satzkomponente hervorgerufen wird, nicht sogleich befriedigt wird. Es treten hier die Wortformen mit obligatorischen (grammatischen und lexikalen) Fügungspotenzen auf, wobei die von diesen Fügungspotenzen ausgestrahlten Projektionen längere Zeit nicht an ihr Ziel gelangen können. Die gespannten Strukturen sind also Rahmenstrukturen Klammerstrukturen. Für den deutschen Satz sind sie besonders charakteristisch, was wir bereits hervorgehoben haben (s. §4) und worüber wir weiter unten noch ausführlich sprechen werden (s. §67). Über die Rolle der Spannung in der Bildung des deutschen Satzes vgl. auch das Buch von K. Boost.

Wie alle kompositionellen Satztypen bringen die gespannten Strukturen keinen spezifischen verallgemeinerten grammatischen Bedeutungsgehalt zum Ausdruck. Aber im Gegensatz zu anderen kompositionellen Satztypen erfüllen sie eine besondere strukturelle Aufgabe. Ihre Funktion besteht darin, daß sie zur Gestaltung des Satzes als einer streng organisierten, einheitlichen syntaktischen Konstruktion beitragen (satzzementierende Funktion) (vgl. §67). Deswegen könnte man die gespannten Satzstrukturen als «funktionalkompositionelle» bezeichnen. Sie haben festes Satzgerüst.

Spannungslose Strukturen entstehen, wenn das semantisch und syntaktisch Zusammenhängende auch zusammensteht, wenn die semantische und syntaktische Erwartung sogleich befriedigt wird. Die Projektionen der Wortformen mit obligatorischen Fügungspotenzen sind kurz: sie gelangen sofort an ihr Ziel. Die zu bestimmenden Wortformen stehen vor den bestimmenden, so daß der Gedanke stufenweise vom Bekannteren zum Neueren fortschreitet. Solches «Abperlen» der Satzkomponenten wird oft «Reihung» genannt (Eggers, Möller, Stolt). Ein handliches Mittel zur Bildung der spannungslosen Strukturen sind die Ketten von postpositiven Attribu

G. Möller (116—117) führt folgende Satzvarianten als Beispiele für Rahmung und Reihung an:

Rahmung: Man müßte in naher Zukunft die unmittelbare Verbrennung der Braunkohle stark einschränken.

Reihung: Es besteht die Notwendigkeit einer starken Einschränkung der unmittelbaren Verbrennung der Braunkohle in naher Zukunft.

Die spannungslosen Strukturen werden zuweilen auch «lineare» genannt. Doch scheint diese Bezeichnung nicht ganz glücklich gewählt zu sein. Es wäre zu bedenken, daß auch gespannte Strukturen linear, d. h. geradlinig aufgebaut sein können. Unter den Belegen, die Möller bringt, um die Tendenz zur Vermeidung von Nebensätzen, d. h. die Tendenz zur linearen Struktur zu veranschaulichen, gibt es auch Sätze mit Rahmen, z. B. Bei Unterbleibung der sofortigen Inangriffnahme des Brückenbauprojekts wird der Gemeinde großer Schaden erwachsen (68).

Sowohl die verzweigten als auch die geradlinigen Satzstrukturen, von den verzweigten aber nur die zentrierten, können sowohl gespannt

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als auch spannungslos sein. Dagegen sind die gestreckten Satzstrukturen immer — vollständig oder teilweise—gespannt. Die zentrierten Ganzsätze weisen Spannung auf, wenn die postpositiven, d. h. nach dem Hauptsatz stehenden Nebensätze notwendig sind, um dem Ganzsatz die strukturelle Geschlossenheit zu verleihen.

Auch der Gebrauch von Parenthesen, sogar von längeren parenthetischen Sätzen, macht an und für sich den Ganzsatz keineswegs zu einem spannungslosen Satz. Im Gegenteil, wenn der Satz, der durch die Parenthese auseinandergerissen ist, wieder aufgenommen wird, ohne strukturell zu entgleisen, d. h. wenn seine durch die Parenthese unterbrochene prädikative Hauptlinie regelrecht weiter fortgeführt wird, so bedeutet dies eher eine Steigerung der Gespanntheit. Vgl.

Der Hof ließ jetzt (er konnte vor Schmerz nicht sprechen) ausschreiben, daß der tote Nestor mit Tode abgegangen. (Jean Paul) Die spannungslosen Strukturen kann man auch als «lockere» bezeichnen und sie den straffen Strukturen gegenüberstellen.

Locker sind von unserem Standpunkt aus die spannungslosen zentrierten Ganzsätze, d. h. solche Sätze, die nach dem Ablauf der prädikativen Hauptlinie des Hauptsatzes nicht-notwendige Nebensätze und Nachträge verschiedener Art aufweisen, und die spannungslosen geradlinigen Ganzsätze, wenn sie auch mit lose angehängten postpositiven Komponenten versehen sind oder aus einer Reihe von beigeordneten

Sätzen bestehen.

Locker sind auch Sätze, die einen Bruch in ihrem syntaktischen Bau aufweisen, d. h. eine formal unmotivierte Änderung der Konstruktion

(Anakoluth).

Dementsprechend sind straff alle anderen Arten von Ganzsätzen.

Zur Komposition des Ganzsatzes gehört auch die Unterscheidung zwischen dem Satzkern und der Peripherie des Satzes. Ausführlich, mit Hervorhebung verschiedener Arten der Satzkerne wurde diese Erscheinung in der vorigen Ausgabe dieses Buches erörtert (DSB, 281—284). Wegen Raummangels und da einige Seiten dieses Problems bereits bei der Behandlung der logisch-grammatischen Satztypen gestreift wurden, bin ich genötigt, mich hier mit diesem Verweis zu begnügen.