Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
AdmoniWG.doc
Скачиваний:
203
Добавлен:
04.11.2018
Размер:
1.33 Mб
Скачать

§ 1. Der grammatische Bau der Sprache. Das Morphem. Morphologie und Syntax

Im Leben der menschlichen Gesellschaft hat die Sprache zwei außeror­dentlich wichtige und unlöslich miteinander verbundene Hauptauf­gaben zu erfüllen: Sie ermöglicht den Austausch von Mitteilungen unter den Menschen und bildet die Form, in der das menschliche Denken verläuft. Mit anderen Worten: Sie vollzieht den Austausch von Gedanken. Aber um dieser Anforderung Genüge zu leisten, ist die Sprache genötigt, alles zum Ausdruck zu bringen, was in den Gesichtskreis des Menschen auf der betreffenden Stufe der geschichtli­chen Entwicklung fällt, alle Dinge und Erscheinungen, alle Prozesse und Eigenschaften, alle Sachverhalte und Beziehungen, die irgendwie für den Menschen von Bedeutung sind und sich also zum Gegenstand der sprachlichen Mitteilung eignen. Auch das Gefühlsleben des Men­schen, seine Lust- und Önlustempfindungen, sein Staunen usw., gehören dazu; auch sie drängen nach sprachlichem Ausdruck.

Über zwei Mittel verfügt die Sprache, um diesem fast schranken­losen Gehalte, dieser unübersehbaren Menge von Gegenständen den erwünschten Ausdruck zu verleihen. Einerseits besitzt jede Sprache einen ungeheuren Vorrat an einzelnen Komponenten, Lautkomplexen, welche die betreffenden Dinge, Erscheinungen usw. unmittelbar und als solche bezeichnen, sie sozusagen benennen. Anderseits steht jeder Sprache eine beträchtliche Anzahl verschiedenartiger Formen zur Verfügung, die sich an diese unmittelbar benennenden Lautkomplexe anlehnen, sie modifizieren und in Verbindung bringen. Der Bestand solcher Formen und die Art ihres Zusammenwirkens mit den unmittel­bar benennenden Lautkomplexen haben in jeder Sprache ihre Beson­derheiten.

Die Gesamtheit dieser Formen (einer Sprache) bildet eben das, was man gewöhnlich als die «Grammatik» oder den «grammatischen Bau» der Sprache bezeichnet. (Eine andere Bedeutung des Wortes «Grammatik» ist die theoretische oder praktische Lehre von dem grammatischen Bau der Sprache.)

Man könnte dabei leicht in Versuchung geraten, unter den unmittel­bar benennenden Lautkomplexen ohne weiteres die Wörter, das lexikale System der Sprache zu verstehen. Und es wäre im großen und ganzen auch richtig, denn gerade der Wortschatz spiegelt in seiner Gesamtheit die ganze vom Menschen aufgefaßte Welt wider.

Und doch, wenn man diese Frage genauer betrachtet, darf man beim Wort nicht stehenbleiben. Gewiß, es gibt solche Wörter und solche Wortformen, die wirklich oder scheinbar nur dazu dienen, etwas unmittelbar zu benennen: Wald, schön. Aber in vielen Sprachen, unter anderem auch in der deutschen Sprache, ist das Wort selbst, in der Regel, eine Verschmelzung von zwei oder mehreren Morphemen, d. h. kleinsten bedeutungstragenden Einheiten des Redestroms: einem Grundmorphem («Grundteil» nach Peskovskij, 12; «Basismorphem» nach Trager — Smith, 55), das den Begriff bezeichnet, der das unmittel­bare Objekt des Gedankens ist, und irgendwelchen hinzukommenden Bestandteilen, die sich an das Grundmorphem anlehnen und es modi­fizieren. In dem Wort Knabe erfüllt nur das Grundmorphem, der Komplex Knab-, die Aufgabe, einen bestimmten Dingbegriff zu bezeichnen; die Komponente -e, das Hilfsmorphem, gibt dagegen einige allgemeine abstrahierte Begriffe an (männliches Geschlecht, Einzahl, Nominativ), die den semantischen Gehalt des Komplexes Knab- über­lagern. Selbst die Wortform Frau besitzt eigentlich mindestens einen von solchen «überlagernden» grammatischen Begriffen (Einzahl). Er ist aber geradezu durch das Fehlen des Nebenbestandteiles gekenn­zeichnet, der in der Mehrzahl in der Form -en erscheint — also durch ein sogenanntes «Nullmorphem».

Für das typische Wort in der deutschen Sprache (dasselbe gilt auch für viele andere Sprachen) ist also nicht das einfache Benennen, die «reine Nominierung» eines Dinges oder einer Erscheinung usw. charakteristisch, sondern die Bezeichnung dieses Dinges, dieser Erscheinung usw. unter gleichzeitiger Hinzufügung allgemeiner abstrahierter Begriffe, die notwendig miterwähnt werden müssen, obgleich sich das Interesse des Redenden in der Regel keineswegs auf sie richtet. Diese das Grundmorphem überlagernden Bedeutungen sind eben die «grammatischen Bedeutungen».

Nach der Lehre von A. A. Potebnja enthält jedes Wort (eigentlich Wortform) in sich Hinweise auf einen gewissen semantischen Gehalt, der eben nur ihm eigen ist, und zu gleicher Zeit Hinweise auf eine oder einige Klassen oder Ordnungen, die man «grammatische Katego­rien» nennt (65, 35).So wird das Wort (eigentlich die Wortform) nicht nur zu einer semantischen, sondern auch zu einer grammatischen Einheit., Die Erforschung des Aufbaus von solchen Einheiten, in erster Linie die Erforschung des Verhältnisses zwischen dem Grundmorphem, das der Träger der lexikalen Bedeutung ist, und den Hilfsmorphemen (Nebenmorphemen oder Formanzien), die die kategorialen gramma­tischen Bedeutungen bezeichnen, ist die Aufgabe der Morphologie, des ersten der beiden Hauptteile der Grammatik.

Die Hilfsmorpheme mit einer und derselben Semantik, wie sie in ihrer Gestalt bei verschiedenen grammatisch parallelen Wortformen auftreten, können lautlich variieren. Z. B. bei der Bezeichnung des Plurals der Substantive: Gäste-e— Wäld-er. Solche konkrete Gestal­tungen der Morpheme werden Morphe genannt und in ihrer Beziehung zueinander Allomorphe des Morphems.

Doch sind nicht alle grammatischen Formen eines und desselben Wortes in bezug auf das «reine» Benennen des unmittelbaren Gegen­standes des Gedankens einander gleich. Man spürt z. B. deutlich die Tendenz, in jeder lexikal-morphologischen Klasse von Wörtern, die eine Wortart (einen «Redeteil») bilden, eine Wortform auszusondern, die im grammatischen Paradigma des Wortes direkt und ohne Beimi­schung irgendwelcher grammatischer Nebenbegriffe ein Ding, eine Erscheinung usw. bezeichnet. Bei dem Substantiv ist es die Nominativform, bei dem Adjektiv die kurze (unflektierte) Form, falls man sie bilden kann, usw. Auf diese Weise, durch den Gebrauch solcher repräsentativer Formen, erfüllt das Wort mehr oder weniger erfolg­reich eine seiner wichtigsten Funktionen — die Nominierung, die Benennung der Dinge, der Erscheinungen usw. als solcher, situations­fern und kontextfrei, ohne jegliche Beziehung zum Satz (die Nennfunk­tion oder «Nominierungsfunktion» des Wortes). Die Wortform, die dazu dient, befindet sich somit, um einen Ausdruck von Behaghel zu gebrauchen, in der «syntaktischen Ruhelage» (133).

Auch die Nennformen des Wortes sind in den allermeisten Fällen von den Hilfsmorphemen (im Deutschen in erster Linie von dem Null­morphem) und von den Nebenbedeutungen nicht völlig frei. Aber das sprachliche Denken versucht, sie womöglich auszuschalten.

Die grammatischen Bedeutungen einer Wortform werden oft Grammeme oder Sememe genannt, und die Analyse der Wortform dementsprechend mit der lexikologischen Semem- oder Komponenten­oder Faktorenanalyse in Einklang gebracht (vgl. 78, 139—146; 173, 465—469).

Wenn aber die Wortform nicht nur der Benennung dient, sondern auch als Glied einer Mitteilung (und somit eines Gedankens) auftritt oder selbst eine Mitteilung (und somit einen Gedanken) formt, so werden nicht nur die ihr innewohnenden grammatischen Bedeutungen aktualisiert, sondern sie werden noch von mehreren verschiedenen Formerscheinungen bathysmatisch (s. Anhang) überlagert, die alle ihre Bedeutung und/oder Funktion haben und erst mit der Form und dem Bedeutungskomplex der einzelnen Wortform zusammenwirkend die Mitteilung ergeben und den Gedanken zum Ausdruck bringen. Zu diesen Formerscheinungen gehören unter anderem die Intonation (d. h. die ganze rhythmisch-melodische Gliederung und Gestaltung der Rede), die Wortstellung, die Fügungspotenzen der Wortformen (d. h. die Gesetzmäßigkeiten der Verbindung von einzelnen Wortformen mit anderen Wortformen). Es ist dabei zu betonen, daß die betreffenden Formmittel und die mit ihrer Hilfe geformten höheren grammatischen Einheiten (die Wortgruppe, der Satz) in ihrem Wesen keineswegs bloße Auswirkungen des Bedeutungsgehalts und der Struktur der Wortformen sind. Sie folgen ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten, die. sich in jeder Sprache geschichtlich bilden. Es besteht gewiß eine notwendige und innere Wechselwirkung zwischen Wort und höheren syntaktischen Einheiten, aber es wäre verfehlt, die Gestaltung der letzteren auf die der Wortform restlos zurückzuführen.

Die miteinander verbundenen Wortformen können als Konstituenten bezeichnet werden (vgl. z. B. 226, 116—124). Die deskriptive Richtung in der strukturalistischen Grammatik hat diesen Begriff auch für die Bezeichnung der miteinander verbundenen Morpheme verwendet und zur Grundlage der gesamten grammatischen Analyse die Erfor­schung der unmittelbar benachbarten Konstituenten (immediate constituents) jeglicher Art gemacht. Doch wurde auch hier die Verbin­dung von Morphemen (als gebundenen Formen) der von Wortformen (als freien Formen) gegenübergestellt.

Der Satz tritt zuweilen als eine selbständige Äußerung auf, häufiger aber nur als Glied einer Äußerung. Der Satz ist somit,' wenigstens potenziell, die kleinste grammatisch geformte Äußerung (s. § 49—55). Neben ihm existierten Gebilde, die auch als alleinstehende Äußerungen fungieren können, aber nicht den Aspektreichtum des Satzes aufweisen. Sie dienen vor allem nur zum Ausdruck des Gefühls, der Empfindung. (Ober die Verschiedenheiten der aus Sätzen beste­henden Äußerungen s. §61.)

Die Erforschung sowohl des Satzes in seiner Gestaltung und Gliederung als auch der Wortgruppe und der zur Bildung des Satzes und der Wortgruppe dienenden Formmittel ist die Aufgabe der Syntax — des zweiten Hauptteils der Grammatik.

Sowohl die grammatischen Einheiten, d. h. Morphem, Wortform, Wortgruppe und Satz, sind, wie auch die lexikale Einheit — das Wort,' semantisierte, bedeutungstragende Einheiten der Sprache. Somit erfüllen sie in ihrem Zusammenwirken unmittelbar die vor der Sprache stehende Hauptaufgabe, namentlich die menschliche Kommunikation als Austausch von Denkinhalten zu ermöglichen. Dabei erscheinen die grammatischen Einheiten (außer dem Morphem) als potenzierte semantische Einheiten, da ihr Wesen eben in der (zum Teil mehrfachen) Überlagerung der lexikalen Bedeutungen durch verallgemeinerte-grammatische Bedeutungen besteht.

Den semantisierten Einheiten der Sprache stehen die gegenüber, die an dem Ausdruck der Denkinhalte nur mittelbar teilnehmen, indem sie die unentbehrlichen materiellen Vorbedingungen schaffen, damit die ersteren Einheiten überhaupt existenzfähig werden können. Es sind akustische, dabei psychologisch relevante Formen der Sprache wie das Phonem, die Silbe, die phonetische Wortform, die Intonation, der Redetakt usw., überhaupt das phonetisch-phonologische System der Sprache (vgl. 41, 5—18). Aber im vorliegenden Buch werden die phonetischen Erscheinungen nur in einzelnen Fällen gestreift. Es wird hier auch die jetzt oft behandelte Sphäre zwischen der Grammatik und der Phonetik nicht ausgesondert, die des Ersatzes, des Wegfalls und der Hinzufügung von Phonemen in der Morphologie, d. h. die Morphonologie oder Morphonetik (vgl. 53).

Die grammatischen Formen stehen in verschiedenen Beziehungen zueinander (vgl. 6, 12—23). Oft sieht man als die wichtigste von ihnen die Opposition an. Aber in vielen Fällen ist die Opposition (Gegenüber­stellung) damit verbunden, daß die entsprechenden Formen sich zugleich in einem Teilbereich des grammatischen Systems ergänzen. Diese Art der grammatischen Beziehungen darf man als oppositiv-komplementär bezeichnen. Sehr verbreitet sind auch die synonymischen Beziehungen, die oft verschiedene grammatische und lexikale Bereiche miteinander verbinden. Die Synonymik, wenn sie sich teilweise auf die Semantik von zwei (oder mehreren) oppositiven (oppositiv-komple-mentären) Formen innerhalb eines scharf umrissenen grammatischen Paradigmas erstreckt, wird oft als Neutralisierung der Opposition aufgefaßt. Von Belang sind auch die Beziehungen des Ersatzes und der Ersparung (s.§45).