Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
AdmoniWG.doc
Скачиваний:
203
Добавлен:
04.11.2018
Размер:
1.33 Mб
Скачать

§ 61. Höhere (den Ganzsatz überlagernde) Redeeinheiten. Der Absatz. Der Text

Der Satz, selbst der komplizierteste Ganzsatz (die Periode), ist in der Regel nur ein Bestandteil des Redestroms und steht in verschiedenartigen Beziehungen mit anderen Ganzsätzen, die zu demselben Redestrom gehören. Der Redestrom kann dabei übrigens nicht nur ein monologischer, sondern auch ein wechselseitiger (dialogischer) sein. Auch mit den Sprachäußerungen, die außerhalb des betreffenden Redestroms liegen, d. h. im Bereiche einer anderen Sprechsituation, kann der Satz in Berührung kommen. Auf einige Fälle der Auswirkung von derartigen Beziehungen haben wir bereits hingewiesen — bei der Behandlung der Leistung der Pronomina (s. § 32), bei der Behandlung der einfachen unabhängigen Sätze (s. § 57), bei der Behandlung der Rolle, die im Aufbau des Satzes die Erkenntniseinstellung des Sprechenden spielt (s. § 53), auch bei der Gegenüberstellung der Autosemantika und Synsemantika (s. § 59).

Bereits in der ersten Auflage des (Deutschen Sprachbaus) haben wir, unter Hinweis auf einschlägige Literatur auch darauf hingewiesen, daß es gewisse höhere Redeeinheiten gibt, die mehrere grammatisch voneinander unabhängige Bildungen (Ganzsätze) vereinigen. Allerdings berichteten wir darüber unter Vorbehalt, daß das Wesen solcher Einheiten vorwiegend stilistischer Art ist und daß als eigentliche syntaktische Einheit der Sprache auch im Redestrom der Satz als solcher bleibt.

Nun aber haben die höheren Redeeinheiten immer größere Beachtung in der Forschung gefunden. Es wurden die Begriffe «Textkonstitution», «Textlinguistik», «Textgrammatik» u. a. eingeführt (vgl. 230; 232; 126).

R. Harweg, der einige Vorläufer auf diesem Gebiete (unter den amerikanischen und dänischen Strukturalisten) erwähnt, untersucht vor allem die Leistung der Pronomina und anderer Wortarten als Mittel der Verbindung von Sätzen und stellt eine Textklassifikation auf, die in erster Linie auf den Verschiedenheiten in der Substitutionsart aufgebaut ist. P. Hartmann erhebt die Forderung, eine textorientierte Sprachwissenschaft zu schaffen, «denn die Sprache funktioniert ja nicht in Wörtern oder Sätzen, und der Mensch spricht ja nicht in Wörtern, Sätzen, sondern in Texten» (56). Das wichtigste Untersuchungsfeld ist für P. Hartmann «der Aufbau eines textinternen Bezugsnetzes von Anaphorik, Kataphorik, d. h. von Rück- und Vorverweisen auf schon Erwähntes oder auf noch zu Erwartendes» (58). «Textgrammatisch» nennt die «übersatzmäßige Organisation der Rede und des Textes» H. H. Baumann (274), der auf die klare Erfassung der durch die pronominale Substitution erzielten Bindung von grammatisch abhängigen Sätzen bei H. Paul, Ch. Bally und K. Bühler hinweist und somit bereits bei ihnen Ansätze zur Textgrammatik findet. Baumann führt den Fachausdruck «Textgefüge» ein, die durch Substitute auf dieselbe Weise zu Einheiten organisiert werden wie die Satzgefüge durch Konjunktionen (297). Übrigens gibt es auch solche Bezeichnungen für ähnliche («übersatzliche») Erscheinungen wie «Satzverflechtung» (K- Boost), «Kontextverflechtung» (M. Pfütze), «Satzverknüpfung» (W.-D. Stempel). '

Wichtige Beiträge zur Analyse des Textes in linguistischer Ausrichtung haben I. R. Galperin, O. I. Moskalskaja (56), E. A. Referowskaja und viele andere sowjetische Forscher beigesteuert.

Aber es fehlt doch noch an einer klaren Definition des Begriffs Text. Und es ist ja auch klar, daß die Texte größeren Umfangs nicht unmittelbar mit den grammatischen Einheiten, aus denen der Text besteht, in seiner Gestaltung zu verbinden sind. Sie sind ja in Bände, Bücher, Teile, Kapitel usw. je nach ihrer Beschaffenheit eingeteilt, so daß hier nur eine eigenständige Texttheorie zu walten hat. Für die Schöne Literatur erscheint als solche Texttheorie die Poetik im heutigen Sinne des Wortes. Auf die Unzulänglichkeit des Bergiffs Textgrammatik habe ich übrigens bereits im § 5 hingewiesen.

Allerdings hat sich die eingehende Analyse der übersatzmäßigen Einheiten und ihres Verhältnisses zum Text viele interessante Ergebnisse gebracht, besonders im Bereich der Thema-Rhema-Gliederung des Texts (s. vor allem 56). (Zu der Textanalyse im Deutschen vgl. auch 343, 380—39; 277, 147—164.)

In mehreren Arbeiten wurden speziell die Mittel untersucht, die die Ganzsätze miteinander verbinden — vor allem die Pronomina (überhaupt Substitute). Speziell wies man darauf hin, daß die satzeröffnen-den Konjunktionen auch nach dem Punkt stehen können, so daß sie den betreffenden Satz mit anderen Ganzsätzen verbinden, zum Teil sogar mit solchen Ganzsätzen oder ganzen Redeabschnitten, die nicht unmittelbar dem betreffenden Satz vorangehen. Die nach dem Punkt stehende Konjunktion wird zum Ausgangspunkt für eine semantisch-grammatische Projektion, die von dem betreffenden Ganzsatz ausirgendwohin auf die vorangehenden Redeabschnitte hinweist, zuweilen sogar über die Grenzen des ganzen Textes hinaus. Eben deswegen können auch die Anfangsverse der Gedichte mit einer Konjunktion eröffnet werden. Vgl. den Anfangsvers der berühmten (Ballade des äußeren Lebens) von H. v. Hofmannsthal: Und Kinder wachsen auf mit

tiefen Augen...

Von einer anderen Seite treten an das Problem der Textkonstitution die Forscher heran, die als die minimale Texteinheit den Absatz betrachten, d. h. den typografisch (durch den Beginn einer neuen Zeile) ausgezeichneten Abschnitt des Textes. Der Absatz wird in diesem Zusammenhang als Vermittler zwischen dem Satz und den höheren Texteinheiten (dem Kapitel, Abschnitt usw.) aufgefaßt, d. h. zwischen der syntaktischen Gestaltung der Sprache und der kompositionellen Gliederung des Textes. Es wurde der Absatz in einigen Werken sowohl der wissenschaftlichen Prosa (ästhetisch-theoretischen Abhandlungen der deutschen Klassiker) als auch der Schönen Literatur untersucht, mit dem Ergebnis, daß die wissenschaftliche Prosa einen eintönigeren Aufbau des Absatzes aufweist als die Schöne Literatur, aber auch über verschiedene Arten der Absatzgestaltung verfügt. So wird bei Winckelmann die in einem Absatz enthaltene Satzgemeinschaft zu einem größeren Thema bestimmt. Der este Satz führt gewöhnlich dieses Thema ein, und der letzte Satz liefert das Endergebnis seiner Behandlung, wobei in der Mitte oder am Ende des Absatzes oft die für Winckelmann sehr charakteristischen Satzbindemittel denn und daher stehen, die den allmählichen und sich organisch entwickelnden Ablauf der Gedanken sichern. Dagegen neigen die den Absatz eröffnenden Sätze zur Autosemantie. Demgegenüber sind bei Lessing, dessen Sätze überhaupt auf Synsemantie eingestellt sind, auch die den Absatz eröffnenden Sätze oft synsemantisch und bezeichnen vor allem den Wendepunkt in der Entwicklung eines Gedankenganges (74,112—118). Was aber die Schöne Literatur betrifft, so unterscheiden sich in ihr die Absatzstrukturen unter anderem durch verschiedene Arten der Zusammenwirkung der Sprache des Autors und der der handelnden Personen. Auch die Möglichkeit, im Absatz die verschiedenen Ebenen des dem Verfasser innewohnenden Weltbildes oder die verschiedenen thematischen und stilistischen Schichten des Werkes auf verschiedene Weise zu vereinigen, schafft eine ganze Reihe von Absatzstrukturen. So bewegen sich viele Absätze in Heines (Reisebildern) von der landschaftlichen Schilderung zu subjektiv-lyrischen und satirisch-politischen Ergüssen (vgl. 75).

In der Gebrauchssprache, in verschiedenen Funktionalstilen stellt noch die Paragraphierung eine besondere Kompositionsart des Textes dar, die aufs innigste mit der Gestaltung des Satzes verbunden ist oder wenigstens verbunden sein kann (vgl. 113, 338—339). Aber im Vergleich mit der Absatzbildung bleibt die Paragraphierung auf eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Textsorten beschränkt.

In der gebundenen Rede bildet eine Art von Zwischenglied zwischen der Komposition des Dichtwerks und dem Satz die Strophe (zum Teil der Vers selbst). Die Strophe ist überhaupt in mancher Hinsicht dem Absatz in der Prosa analog (vgl. 72, 137—138). Aber die gebundene Sprache nimmt nur einen sehr bescheidenen Teil der gesamten

Sprachwirklichkeit ein.

Was aber solche Gliederungseinheiten des Texts betrifft, wie die Kapitel, thematischen Abschnitte, Situationen usw., so könnten sie gewiß auf die Gestaltung des Satzes letzten Endes einwirken, aber gewöhnlich nur durch die Vermittlung von Absätzen, Paragraphen, Strophen. Sonst bilden sie nur den Großkontext, in dem sich der Satz befindet und können auf den Status von grammatischen (syntaktischen) Einheiten keinen Anspruch erheben. Sie gehören als Einheiten in den Bereich der Texttheorie, die heute oft als Textlinguistik bezeichnet wird, zum Teil auch der Rhetorik, und, wenn es sich um Werke der Schönen Literatur handelt, in den der Poetik (oder überhaupt der

Literaturwissenschaft).

Somit hat, wie gesagt, der Absatz als die eigentliche und wichtigste kompositionell-typographisch-syntaktische Einheit zu gelten, die organisch diese drei Bereiche verbindet.

Einen sehr interessanten und vielseitigen Beitrag zur Erforschung der höheren Redeeinheiten mit Berücksichtigung der verschiedenen Formen, in welchen die Redekommunikation real vor sich geht, bringt H. Brinkmann in der zweiten Auflage seiner (Deutschen Sprache) (149, 820-887; 152).

Zum Schluß des Kapitels sei eine Definition des Textes vorgetragen, die in ihren Hauptzügen bereits von H. Glinz formuliert wurde (216, 122): Der Text ist eine solche sprachliche Äußerung, die in ihrer Totalität, d. h. auch in ihrer lexikaler Füllung, zu reproduzieren ist. (Den Texten stehen die sprachlichen Äußerungen gegenüber, die nur für einmaligen, momentanen Gebrauch gebildet werden, wenn sie auch wegen der Beschränktheit der lexikalen Mittel der Sprache unzählige Male in genau derselben Gestalt auftreten.) Es gibt sowohl schriftliche als auch mündliche Texte. In der Regel werden sie sorgfältig geformt, eben um reproduzierbar zu sein. Vor allem gilt es für längere Texte. Aber auch die im spontanen Gespräch gebrauchten, und momentan entstandenen Wendungen können reproduzierbare Einheiten, d. h. Texte, werden, wenn sie inhaltlich bedeutsam und strukturell einprägsam geformt sind. Andererseits können in der Rede auch Texte, gewöhnlich superkleine Texte (Zitate, Sprichwörter), spontan gebraucht werden. Somit ist nicht der Begriff der spontanen Äußerung den des Texten gegenüberzustellen, sondern eben der der momentanen (einmaligen) Äußerung.

Fünftes Kapitel

Zur Semantik und Struktur des Ganzsatzes