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§ 64. Die Komposition des Satzes

Wir haben bereits gesehen, daß der Satz sehr verschiedenartige Gehalte zum Ausdruck bringt und daß dadurch seine Gestalt mehrdimensional und überaus kompliziert wird. Wie wir betont haben, bildet jeder Aspekt des Satzes eine eigene Typologie, und aus dem Zusammenwirken dieser Typologien entsteht die Gesamttypologie des Satzes. Jeder der Satztypen, die wir in den §49—55 geschildert haben, hat also eine grammatische Form, die eine grammatische Bedeutung (im weitesten Sinne des Wortes) ausdrückt oder eine Funktion ausübt. Aber es gibt auch solche Formen des Satzes, die nicht dazu gebildet werden, um irgendeine grammatische Bedeutung zu bezeichnen oder Funktion zu erfüllen. Zum Teil werden wir mit solchen Formen zu tun haben, wenn wir die Unterschiede im Umfang des Satzes behandeln werden (§65). Gewiß bedeutet die Unterscheidung langer Satz — kurzer Satz auch eine Unterscheidung nach dem Grade der Erweiterung des Satzes (also nach dem dritten Aspekt des Satzes, s. §51) und, wenn es kein Einfachsatz ist, nach dem Grade seiner Zusammensetzung. Aber der Zusammenhang zwischen diesen grammatischen Strukturen und dem Umfang des Satzes ist nicht zwingend, sondern läßt verschiedene Variationen zu.

Zu den Formen des Satzes, die nicht unmittelbar der Wiedergabe irgendwelcher bestimmten grammatischen Bedeutungen und Funktionen dienen, gehören auch verschiedene Arten, das Material des Satzes zu komponieren. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, den Satz aus seinen Bestandteilen aufzubauen. Zweifellos stehen dabei immer gewisse Verschiedenheiten im Gedankenverlauf des Sprechenden im Hintergrund. Aber es geht hier weit über die Gliederung des Satzes in «Thema» und «Rhema» und über die Hervorhebung des kommunikativ besonders Wichtigen hinaus. Die verschiedenen Arten der Komposition des Satzes, die wir hier behandeln und als Kompositionstypen des Satzes bezeichnen werden, bringen ganz andere Seiten und Nuancen des menschlichen Gedankenverlaufs zum Ausdruck. Sie sind vor allem Strukturen des grammatischen Systems als des Gestaltungssystems (vgl. 6, 23—33) und dienen — auf verschiedene Weise — dem strukturellen Aufbau der Rede, gehören zu strukturell-grammatischen Kategorien (vgl. § 2).

Wir gliedern die Kompositionstypen des deutschen Satzes nach folgenden Richtlinien: geradlinige Strukturen — verzweigte Strukturen, zentrierte Strukturen — gestreckte Strukturen, gespannte Strukturen (Rahmung) —spannungslose Strukturen (Reihung).

Geradlinige Strukturen — verzweigte Strukturen. Die geradlinigen Strukturen können aus Satzgliedern verschiedener Art, auch aus Nebensätzen und Infinitiv- und Partizipialkonstruktion bestehen. Aber alle diese Satzkomponenten stehen vom Standpunkt ihrer syntaktischen Beziehungen aus im Redestrom in einer ununterbrochenen Reihenfolge, ohne Ablenkungen und «Seitensprünge». Es lassen sich dabei sowohl vorwiegend nominale, als auch nicht-nominale Konstruktionen bilden. Z. B. (nach Möller, 117) Betont sei die Zweckmäßigkeit der Verarbeitung der Braunkohle in der Nähe der Förderung Betont sei, daß es zweckmäßig ist, die Braunkohle in der Nähe der Förderung zu verarbeiten. Die geradlinigen Strukturen meiden abgesonderte Satzkomponenten und Parenthesen.

Die verzweigten Strukturen bilden den Gegensatz zu den geradlinigen, indem sie eben Ablenkungen und «Seitensprünge» aufweisen. Erzielt wird die Verzweigung der Satzstruktur durch Verselbständigung, Einführung von Parenthesen, gleichartigen Gliedern, Gebrauch von Nebensätzen und Infinitiv- und Partizipial-konstruktionen mit abseits von der eigentlichen Thematik des Satzes führender Semantik. Die umfangreicheren Ganzsätze, vor allem die mehrfach zusammengesetzten Sätze lassen sich sehr verschiedenartig verzweigen. Hier bringen wir nur ein Beispiel:

An einem jener Nachmittage es wird im September gewesen sein, denn Mama verließ den Laden des Markus im rostbraunen Herbstkomplet trieb es mich, da ich den Markus versunken, vergraben und wohl auch verloren hinter dem Ladentisch wußte, mit meiner gerade neuerstandenen Trommel hinaus in die Zeughauspassage, den kühldunklen Tunnel, an dessen Seiten sich ausgesuchteste Geschäfte, wie Juwelierläden, Feinkosthandlungen und Büchereien, Schaufenster an Schaufenster reihten. (Grass)

Die verzweigten Strukturen zerfallen in zwei Unterarten

1. Zentrierte Strukturen — gestreckte Strukturen. In den zentrierten Strukturen tritt der strukturell-semantische Kern als ein einheitliches Gebilde deutlich hervor aus der Fülle von Prolepsen, Nebensätzen, partizipialen Konstruktionen, verselbständigten Satzkomponenten usw. Wir bringen nur ein krasses Beispiel, in welchem der lange Ganzsatz sich um den Hauptsatz aus 5 Wörtern und einen ziemlich kurzen Inhaltsatz gruppiert, die zusammen den strukturell-semantischen Kern des Ganzsatzes bilden:

Wenn nun bedeutende Werke, welche eine jahrelange, ja eine lebenslängliche Aufmerksamkeit und Arbeit erforderten, auf so verwegenem Grunde bei leichtsinnigen Anlässen mehr oder weniger aufgebaut wurden, so kann man sich denken, wie freventlich mitunter andere vorübergehende Produktionen sich gestalten, z. B. die poetischen Episteln, Parabeln und Invektiven aller Formen, womit wir fortfuhren, uns innerlich zu bekriegen und nach außen Händel zu suchen. (Goethe) In den gestreckten Strukturen wird dagegen der strukturell-semantische Kern durch verschiedene Einschübe, Absonderungen, Nebensätze, von der prädikativen Hauptlinie ablenkende Partizipial-konstruktionen usw. mehrfach unterbrochen. Die unmittelbaren Bestandteile des gestreckten Elementarsatzes bilden eine Kette von kleinen voneinander getrennten Abschnitten.

Besonders kraß treten die gestreckten Strukturen bei Kleist auf, z. В Der Prinz von Meißen, der auf diese Meldung für zweckmäßig hielt, augenblicklich sich selbst von dem Verhältnis, in welchem man mit diesem Mann stand, zu unterrichten, fand, als er mit einem Gefolge von Rittern und Troßknechten bald darauf erschien, in den Straßen, die zu Kohlhaasens Wohnung führten, schon eine unermeßliche Menschenmenge versammelt. (Kleist)

Aber auch bei Goethe sind gestreckte Strukturen möglich, z. B. Ferdinand, dessen natürlicher Sohn, den die Persönlichkeit Egmonts anzieht, wird, damit er sich an Grausamkeiten gewöhne, beordert, diesen gefangenzunehmen (Goethe).

Gewiß treten nur selten in den Texten die zentrierten und gestreckten Strukturen in solchen extremen Formen auf wie in den eben angeführten Beispielen. Es überwiegen in der Regel, wenn man mit umfangreicheren Ganzsätzen zu tun hat, Mischtypen, Übergangsgebilde. Aber es ist sehr wichtig, daß man auch die scharf umrissenen und einander direkt gegenüberstehenden Typen der Satzbildung in diesem Bereich erkennt (vgl. 13).

Die bereits umrissenen Kompositionsarten des Ganzsatzes sind besonders für die Strukturierung des Satzgefüges und der Satzperiode von größter Wichtigkeit. Da in der deutschen Schriftsprache, besonders in den Kanzleitexten, einst außerordentlich komplizierte, mehrgliedrige Satzgefüge und -perioden oft verwendet wurden und da auch später, bis in unsere Zeit hinein, in verschiedenen Funktionalstilen solche Verfasser auftreten, die lange und mehrgliedrige Satzgefüge und -perioden gebrauchen, so ist es notwendig, über einen Apparat zu verfügen, der die Klassifikation solcher Gebilde ermöglicht und in einfacher, übersehbarer Form ihre Struktur schematisch darzustellen vermag. Die hier vorgeschlagene Klassifizierung ist eben ein solcher Apparat und wurde bereits bei der Erforschung des Satzgefüges in kanzleimäßigen Texten des 15.—18. Jahrhunderts angewendet (113). Es erwies sich dabei als unumgänglich, eine Reihe von Abkürzungen einzuführen, mit deren Hilfe die untersuchten Gebilde schematisch kurz dargestellt werden können. Ich führe hier diese Abkürzungen ein und gebe ein Beispiel, wie solche Schemata zusammengestellt werden, da ein solches Arbeitsverfahren vielleicht für einige Leser von praktischem Nutzen sein wird.

Die römischen Ziffern bezeichnen die unabhängigen Elementarsätze, die arabischen die Nebensätze, wobei der Abhängigkeitsgrad des Nebensatzes durch eine entsprechende Ziffer bezeichnet wird. Die syntaktisch parallelen Elementarsätze beliebiger Art werden durch große lateinische Buchstaben bezeichnet, die nach der den Elementarsatz fixierenden Ziffer stehen. Wenn ein Elementarsatz von einem anderen Elementarsatz (oder mehreren Elementarsätzen) unterbrochen wird, stehen nach seiner Signatur kleine lateinische Buchstaben: a bei dem ersten Fragment des unterbrochenen Elementarsatzes, b bei dem zweiten usw. Als Beispiel bringe ich hier das Schema der in §53 angeführten Satzperiode von Kleist: 1— IAa— 1— IAb— 1A— lBa—2— IBb— la—2— lb—2— Ic—2—IB

Allerdings werden durch eine solche Notierung manche wichtigen syntaktischen Bestandteile der Redekette nicht erfaßt, z. B. die Infinitivkonstruktionen und andere Arten von Konstruktionen, die verselbständigten Glieder usw. Aber es wäre nicht schwer, zusätzliche Zeichen einzuführen, etwa durch das Plus-Zeichen zu zeigen, zu welchem Elementarsatz die verselbständigten Komponenten gehören.

Zum Teil ähnliche Schemata der Abfolge von Sätzen im Text bringt Fr. Tschirsch (II, 151 — 152).

Noch von einer anderen Seite aus kann man an die Komposition des Ganzsatzes herantreten. Es stehen hier einander gegenüber:

2. Gespannte Strukturen — spannungslose Strukturen. Gespannt werden die Satzstrukturen, wenn zwei (oder mehrere) besonders eng miteinander verbundene Komponenten des Satzes voneinander getrennt werden. Die Spannung entsteht dann, wenn die semantische und syntaktische Erwartung, die durch die Einführung irgendeiner Satzkomponente hervorgerufen wird, nicht sogleich befriedigt wird. Es treten hier die Wortformen mit obligatorischen (grammatischen und lexikalen) Fügungspotenzen auf, wobei die von diesen Fügungspotenzen ausgestrahlten Projektionen längere Zeit nicht an ihr Ziel gelangen können. Die gespannten Strukturen sind also Rahmenstrukturen Klammerstrukturen. Für den deutschen Satz sind sie besonders charakteristisch, was wir bereits hervorgehoben haben (s. §4) und worüber wir weiter unten noch ausführlich sprechen werden (s. §67). Über die Rolle der Spannung in der Bildung des deutschen Satzes vgl. auch das Buch von K. Boost.

Wie alle kompositionellen Satztypen bringen die gespannten Strukturen keinen spezifischen verallgemeinerten grammatischen Bedeutungsgehalt zum Ausdruck. Aber im Gegensatz zu anderen kompositionellen Satztypen erfüllen sie eine besondere strukturelle Aufgabe. Ihre Funktion besteht darin, daß sie zur Gestaltung des Satzes als einer streng organisierten, einheitlichen syntaktischen Konstruktion beitragen (satzzementierende Funktion) (vgl. §67). Deswegen könnte man die gespannten Satzstrukturen als «funktionalkompositionelle» bezeichnen. Sie haben festes Satzgerüst.

Spannungslose Strukturen entstehen, wenn das semantisch und syntaktisch Zusammenhängende auch zusammensteht, wenn die semantische und syntaktische Erwartung sogleich befriedigt wird. Die Projektionen der Wortformen mit obligatorischen Fügungspotenzen sind kurz: sie gelangen sofort an ihr Ziel. Die zu bestimmenden Wortformen stehen vor den bestimmenden, so daß der Gedanke stufenweise vom Bekannteren zum Neueren fortschreitet. Solches «Abperlen» der Satzkomponenten wird oft «Reihung» genannt (Eggers, Möller, Stolt). Ein handliches Mittel zur Bildung der spannungslosen Strukturen sind die Ketten von postpositiven Attribu

G. Möller (116—117) führt folgende Satzvarianten als Beispiele für Rahmung und Reihung an:

Rahmung: Man müßte in naher Zukunft die unmittelbare Verbrennung der Braunkohle stark einschränken.

Reihung: Es besteht die Notwendigkeit einer starken Einschränkung der unmittelbaren Verbrennung der Braunkohle in naher Zukunft.

Die spannungslosen Strukturen werden zuweilen auch «lineare» genannt. Doch scheint diese Bezeichnung nicht ganz glücklich gewählt zu sein. Es wäre zu bedenken, daß auch gespannte Strukturen linear, d. h. geradlinig aufgebaut sein können. Unter den Belegen, die Möller bringt, um die Tendenz zur Vermeidung von Nebensätzen, d. h. die Tendenz zur linearen Struktur zu veranschaulichen, gibt es auch Sätze mit Rahmen, z. B. Bei Unterbleibung der sofortigen Inangriffnahme des Brückenbauprojekts wird der Gemeinde großer Schaden erwachsen (68).

Sowohl die verzweigten als auch die geradlinigen Satzstrukturen, von den verzweigten aber nur die zentrierten, können sowohl gespannt als auch spannungslos sein. Dagegen sind die gestreckten Satzstrukturen immer — vollständig oder teilweise—gespannt. Die zentrierten Ganzsätze weisen Spannung auf, wenn die postpositiven, d. h. nach dem Hauptsatz stehenden Nebensätze notwendig sind, um dem Ganzsatz die strukturelle Geschlossenheit zu verleihen.

Auch der Gebrauch von Parenthesen, sogar von längeren parenthetischen Sätzen, macht an und für sich den Ganzsatz keineswegs zu einem spannungslosen Satz. Im Gegenteil, wenn der Satz, der durch die Parenthese auseinandergerissen ist, wieder aufgenommen wird, ohne strukturell zu entgleisen, d. h. wenn seine durch die Parenthese unterbrochene prädikative Hauptlinie regelrecht weiter fortgeführt wird, so bedeutet dies eher eine Steigerung der Gespanntheit. Vgl.

Der Hof ließ jetzt (er konnte vor Schmerz nicht sprechen) ausschreiben, daß der tote Nestor mit Tode abgegangen. (Jean Paul) Die spannungslosen Strukturen kann man auch als «lockere» bezeichnen und sie den straffen Strukturen gegenüberstellen.

Locker sind von unserem Standpunkt aus die spannungslosen zentrierten Ganzsätze, d. h. solche Sätze, die nach dem Ablauf der prädikativen Hauptlinie des Hauptsatzes nicht-notwendige Nebensätze und Nachträge verschiedener Art aufweisen, und die spannungslosen geradlinigen Ganzsätze, wenn sie auch mit lose angehängten postpositiven Komponenten versehen sind oder aus einer Reihe von beigeordneten

Sätzen bestehen.

Locker sind auch Sätze, die einen Bruch in ihrem syntaktischen Bau aufweisen, d. h. eine formal unmotivierte Änderung der Konstruktion

(Anakoluth).

Dementsprechend sind straff alle anderen Arten von Ganzsätzen.

Zur Komposition des Ganzsatzes gehört auch die Unterscheidung zwischen dem Satzkern und der Peripherie des Satzes. Ausführlich, mit Hervorhebung verschiedener Arten der Satzkerne wurde diese Erscheinung in der vorigen Ausgabe dieses Buches erörtert (DSB, 281—284). Wegen Raummangels und da einige Seiten dieses Problems bereits bei der Behandlung der logisch-grammatischen Satztypen gestreift wurden, bin ich genötigt, mich hier mit diesem Verweis zu begnügen.