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§ 47. Der Satz und seine Unterarten. Die Semantik des Satzes

Die Form des Satzes, wie er im lebendigen Kommunikationsprozeß auftritt, ist recht bunt und verschiedenartig. Will man aber die wesentlichsten Züge des deutschen Satzes kennenlernen, so muß man die Einflüsse auf die Struktur des Satzes von seiten der Situation und des Kontextes ausschalten. Erst dann gelingt es, die notwendigen Bestandteile seines Baus, die an und für sich ihn zu einer selbständigen und geschlossenen Sprach- und Redeeinheit machen, auszusondern und zu bestimmen.

Diese Bestandteile sind in den allermeisten Fällen Subjekt und Prädikat, also zwei Satzglieder, die durch prädikative syntaktische Beziehung miteinander verbunden sind und in spezifischen morphologischen Formen auftreten: das Subjekt in der Form des Nominativs, das Prädikat in der Form des finiten Verbs oder einer Wortgruppe, an welcher jedenfalls ein finites Verb teilnimmt.

Der Satz im Deutschen wird also dadurch charakterisiert, daß er zweigliedrig, nominativisch und verbal ist.

Doch ist der Satz, wie alle Grundeinheiten der Sprache, so vielseitig und aspektreich, besitzt einen so komplizierten Gehalt und übt so mannigfaltige Funktionen aus, daß man auch solche Satztypen zu verzeichnen hat, die einer oder einiger von diesen strukturellen Gesetzmäßigkeiten ermangeln. Es gibt sowohl eingliedrige Sätze als auch Sätze, die kein Verb oder keinen Subjektsnominativ aufweisen (vgl. §48). Aber alle diese anders gebauten Satztypen sind doch irgendwie auf den «Grundtypus» des Satzes bezogen, stützen sich auf seine zweigliedrige, nominativische und verbale Struktur.

Diese entscheidende Rolle, die im System des deutschen Satzes seine «vollständige» und streng geformte Struktur spielt, hängt mit der allgemeinen Tendenz der deutschen Sprache zusammen, mit Hilfe von formell-grammatischen Mitteln den Aufbau und die Gliederung der Sprach- und Redeeinheiten möglichst scharf und klar hervortreten zu

lassen.

Von diesem Standpunkt aus ist es von großer Bedeutung, daß das Schema des «vollständigen» Satzes im Deutschen durchaus fest und stabil ist. In drei Fällen kommt das besonders klar zum Vorschein.

Erstens tritt in den unpersönlichen Sätzen, wo der Ausgangspunkt des Vorgangs überhaupt fehlt oder ganz ungewiß ist, doch ein es als Scheinsubjekt auf, eben um die Vollständigkeit des Satzschemas zu bewahren: Es regnet.

Zweitens wird in Antworten, Wiederholungen usw., wo das Prädikativ bei den kopulativen Verben kommunikativ-semantisch eigentlich entbehrlich wäre, da seine Bedeutung aus dem Kontext sehr leicht zu entnehmen ist, wiederum ein es (seltener das) verwendet, um die Stelle des Prädikativs nicht leer zu lassen: Sind Sie krank? Ich bin's (bin es).

Drittens wird dieses universale satzgliedersetzende es ziemlich oft bei transitiven, aber prädikativ nicht hinlänglichen Verben gebraucht, wenn das Objekt sehr allgemein und unbestimmt oder überhaupt überflüssig ist, da das Prädikat durch eine phraseologische Wendung gebildet wird: Ich habe es gut.

Eine besondere Abart der zweigliedrigen Sätze bilden solche Sätze, deren erster (substantivischer oder pronominaler) notwendiger Bestandteil, der syntaktisch auf den zweiten (verbalprädikativen) notwendigen Bestandteil zustrebt, nicht durch den Nominativ, sondern durch einen anderen Kasus ausgedrückt wird, der die erste Stelle des Satzes einnimmt (sonst kommt noch das Scheinsubjekt es oder in einigen Fällen ein vollwertiges Subjekt hinzu). In dieser Funktion kommen alle drei obliquen Kasus vor. Der Akkusativ und der Dativ treten in den unpersönlichen Sätzen auf, die den Zustand der Person bezeichnen (Mich friert; Mir ist wohl, aber Es friert mich; Es ist mir wohl), der Genitiv in den partitiven Sätzen, die eine quantitative Charakteristik des an erster Stelle stehenden Gliedes geben:

Der Straßen sind viele in Hellas (H. Mann), aber

Es sind nicht wenige unter uns... (Becher), oder

Sie sind so wenige (H. Mann), oder

Noch sind sie wenige (H. Mann).

Das Prinzip der Synthetisierung von zwei einander zugeordneten Komponenten mit dem Ziel, eine strukturelle Einheit zu bilden, bleibt also auch in einigen Satztypen bestehen, die vom Nominativ frei sind. Man könnte Satztypen dieser Art «zweiteilige» Satztypen nennen.

Die zweiteiligen Sätze beweisen, wie wichtig für den deutschen Satz der formale Ausdruck seiner prädikativen Struktur ist.

Doch ist der Nominativ als der Kasus, der das erste Glied der prädikativen Beziehung verkörpert, durchaus vorherrschend, was auch die Verbreitung des Scheinsubjekts es beweist. Vom Standpunkt der Form des Subjekts aus ist die Struktur des Satzes sehr eintönig. Desto mannigfaltiger gestaltet sich dagegen die Form des Prädikats. Die Unterscheidung der Sätze nach ihrem verallgemeinerten Bedeutungsgehalt (logisch-grammatische Satztypen) wird vor allem eben durch die formell ausgedrückten Unterschiede in der Form des Prädikats ermöglicht.

Die finite Verbalform, die einen notwendigen Bestandteil des Prädikats bildet, ist oft semantisch-syntaktisch nicht imstande, dem Satz Vollständigkeit und Geschlossenheit zu verleihen. Die prädikative Beziehung, die vom Subjekt ausgeht, geht durch solche Verben hindurch und richtet sich auf andere (nominale oder verbal-nominale) Bestandteile des Satzes. Sie erfaßt also sowohl die verbale Form als auch irgendwelche andere Formen im Satz, verteilt sich unter ihnen, macht sie zu Teilen des Prädikats — zu Prädikativen, wenn sie keine anderen Funktionen im Satz erfüllen, als das Verb prädikativ zu vervollständigen, oder zu Gliedern des erweiterten Prädikats. So entsteht der . Unterschied zwischen dem einteiligen einfachen Prädikat, das aus einem semantisch-syntaktisch vollwertigen Verb besteht, und dem zusammengesetzten Prädikat, das aus der Fügung eines Verbs mit einer zusätzlichen Komponente besteht, wobei diese Komponente entweder ein Nomen (nominales zusammengesetztes Prädikat) oder ein verbales Nomen (verbales zusammengesetztes Prädikat) sein kann. Vgl. Er arbeitet Er ist Arbeiter Er will arbeiten. Näheres darüber kommt bei der Analyse der logisch-grammatischen Satztypen zur Sprache.

Die Mannigfaltigkeit der Funktionen, die der Satz ausführt, und die Kompliziertheit seines Bedeutungsgehalts erklären die Vielheit der Satztypen, die in der Sprache existieren. Es gibt z. B. Hauptsätze und Nebensätze, Fragesätze und Ausrufesätze, negative Sätze und koordinierte Sätze usw. Um sich in dieser Fülle von Satzarten zurechtzufinden, muß man die verschiedenen Aspekte des Satzes streng voneinander sondern. Dieser Versuch wird in den §49—55 unternommen.

Die in einem Aspekt des Satzes auftretenden Satztypen bilden das Paradigma dieses Aspekts. Die Gesamtheit der Paradigmen aller Satzaspekte bildet das vollständige Paradigma des Satzes. Die Tabellen der Satzaspektparadigmen werden aber hier nicht angeführt, da sie zum Teil sehr kompliziert sind und viel Raum erfordern würden. Die Knappheit bei der Analyse der Satzaspektparadigmen beruht zum Teil auch auf Raummangel, wurde aber dadurch ermöglicht, daß sehr viele Gesetzmäßigkeiten im Gebrauch der Wortformen, die die Satztypen aller Arten gestalten, bereits in der Morphologie umrissen sind.

Die bathysmatische Überlagerung der den Satz bildenden Wortformen durch verschiedene grammatische Bedeutungen und Funktionen wird ausführlich im Anhang behandelt.

Sehr wichtig für die Struktur des verbalen Elementarsatzes (s. § 52) sind die obligatorischen Fügungspotenzen (die Valenz) des prädikativen Verbs. Aber selbst bei den semantisch vollwertigen Verben bestimmen diese Potenzen nicht immer die Gestaltung des Satzes, die ja auch von der kognitiv-kommunikativen Einstellung des Sprechenden bestimmt sein kann. So sind im Satz Ich sehe ihn kommen sowohl das Objekt als auch der Infinitiv Glieder eines erweiterten Prädikats, die hier als obligatorische erscheinen. Aber dies ist nicht die Folge der Einführung in den Satz des Verbs sehen, da neben diesem Verb auch ein einfaches Objekt möglich wäre (Ich sehe ihn). Die Struktur des Satzes wird hier somit nicht durch die Fügungspotenz des Verbs gesetzt, sondern durch die Wahl, die der Sprechende unter seinen alternativen Fügungspotenzen trifft.

Eine andere Auffassung des Satzparadigmas, die auch die Unterschiede im morphologischen Paradigma des Verbs berücksichtigt (z. B. die Veränderung nach den Zeitformen), wurde in der russischen Grammatik von K. J. Schwedowa entwickelt (vgl. 91; 71, 51).

In den letzten Jahrzehnten wurde in der Sprachwissenschaft das Problem der Satzsemantik eifrig behandelt. Auch von der sowjetischen Germanistik wurden wichtige Beiträge zu diesem Problem beigesteuert (57; 1; 82 u. a.). Doch wäre es falsch anzunehmen, daß die Semantik des Satzes früher systematisch überhaupt nicht erforscht sei. So wurde z. B. das im vorliegenden Buch vorgetragene System der logisch­grammatischen Satztypen, die sich sowohl formal als auch semantisch unterscheiden, bereits in den 30er Jahren entworfen, wenn auch ohne solche Bezeichnung (vgl. 11). Übrigens sind die Systeme der Satzmodelle, die von der heutigen semantisch ausgerichteten Forschung aufgestellt werden, im wesentlichen nur Variierungen und Umgruppierungen der Typen, die hier als logisch-grammatische dargestellt werden.