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Viertes Kapitel

Kasusbedeutungen und Kasusfunktionen

§ 19. Allgemeine Bemerkungen über den Kasus

Der Kasus dient dazu, die syntaktische Funktion des Substantivs und aller substantivischen und substantivierten Wörter in ihrer morpholo­gischen Struktur zum Ausdruck zu bringen. Aber die Zahl der Kasus ist viel geringer als die Zahl der syntaktischen Funktionen (im weiten Sinne des Wortes) des Substantivs. Also sind sie homonymisch, wie es weiter ausführlich geschildert wird, aber sie bleiben doch vom Standpunkt der Semantik aus mehr oder weniger einheitlich. Anderseits können die Kasus synonymisch sein (z. B. Genitivadverbiale und Akkusativadverbiale: Ich gehe des Weges - Ich gehe den Weg). Das alles macht sie zu komplizierten und vielseitigen grammatischen Kategorien, die in mancher Hinsicht wie die Redeteile zu behandeln sind

Von drei Seiten aus muß jeder Kasus betrachtet werden: in Hinblick auf seine strukturell-morphologische Form, auf seinen verallgemeiner­ten Bedeutungsgehalt und auf seine syntaktischen Funktionen.

Die strukturell-morphologische Form der Kasus wurde eingehend in den § 11 und 18 erörtert. Neues Material aus diesem Gebiete wird nur im Zusammenhang mit dem problematischen Gemeinschaftskasus gebracht werden (s.§23).

Die Homonymik der Kasus veranlaßte manche Grammatiker, sowohl vom genetischen Standpunkt aus als auch in Anwendung auf das moderne Deutsch zu behaupten, daß sich der allgemeine Bedeu­tungsgehalt der Kasus überhaupt nicht feststellen laßt (375, 317). Doch gibt es sehr einfache Mittel, diese Bedeutung, sei es auch annähernd und nur in groben Zügen, zu umreißen. Man muß sich nämlich an den zusätzlichen allgemeinen grammatischen Bedeutungsgehalt halten der bei der situationsfernen und kontextfreien Nennung einer Kasusform zutage tritt die lexikale Semantik und den allgemeinen grammatischen Bedeutungsgehalt der Wortart überlagernd. Die Schulgrammatik jedenfalls hat auf ihre Weise vermittels der Kasusfragen die allgemeine Bedeutung der Kasus immer im Auge gehabt (Nominativ: wer? was? Genitiv: wessen? usw.). Wenn auch dabei Mißverstandnisse und Schwankungen entstanden, so erscheint das Verfahren selbst keineswegs als widersinnig. Es gibt tatsächlich Widersprüche zwischen der allgemeinen Bedeutung einiger Kasus (besonders der des Genitivs) und ihren Nebenbedeutungen, aber eine entscheidende vorherrschende Bedeutung kann man doch im Deutschen für jeden Kasus oder wenigstens für jede der wichtigsten syntaktischen Kasusfunktionen feststellen.

§ 20. Nominativ

Der Nominativ (der Werfall) nimmt einen ganz besonderen Platz im Kasussystem ein. Erstens ist es der Kasus des grammatischen Subjekte Zweitens ist es die Form, in welcher man den vom Substantiv bezeichne­ten Dingbegnff in anz allgemeiner Form, von aller? syntaktischen Bindungen losgelöst, bezeichnen kann. Seine allgemeinste Bedeutung ist eben die Benennung des Begriffs^ weshalb er oft durch den Ausdruck «Nennfall» verdeutscht wurde. Deswegen kann man ihn'a'uch als die Form der «syntaktischen Ruhelage» im Kasussystem- auffassen (vgl 235, 68).

Diese Hauptbedeutung des Nominativs tritt mehr oder weniger in allen seinen Funktionen auf. Besonders klar ist sie im Gebrauch des Nominativs für die Bezeichnung der Stichwörter in Wörterbüchern, Wortlisten ausgeprägt. Sonst ist diese Bedeutung im Kommunika­tionsprozeß etwas verschleiert. Sie gehört funktionell mehr der inneren Rede des Menschen an. Als eine Tatsache der gesprochenen Rede kommt sie vielleicht am klarsten in dem von Peschkowski genannten «Vorstel­lungsnominativ» zum Vorschein (Prolepse im Nominativ):

Bah, diese blaue, duftige Ferne, wie oft hab'ich mich von ihr verlocken lassen- (Raabe)

Ein Dingbegriff wird hier zuerst eben nur genannt, sozusagen vor den inneren Blick des Redenden und auch des Hörenden geführt, so daß entsprechende Vorstellungen in beiden entstehen müssen. Doch von der reinen Benennung dürfte eigentlich auch hier keine Rede sein. Der Nominativ steht hier, um die Aufmerksamkeit des Hörenden (zuweilen auch des Redenden selbst) auf den betreffenden Gegenstand zu lenken und auf diese Weise den Ausgangspunkt für eine nachfolgende Mitteilung zu schaffen, deren psychologisches (oft auch gramma­tisches) Subjekt der Nominativ ist. Die Benennung steht hier also nicht an und für sich, sondern zielt syntaktisch auf etwas, was außerhalb des Nominativs im Redestrom gegeben ist. Und eine solche, oder ir­gendwelche andere, wenn auch zuweilen getarnte, syntaktische Einstellung ist in der Regel bei den Vorstellungsnominativen und anderen alleinstehenden Nominativen (z. B. bei dem vokativischen Nominativ) vorhanden. Sogar in den meisten Wörterbüchern (in Enzyklopädien, zweisprachigen Wörterbüchern) steht der Nominativ als Stichwort in Beziehung zu dem nachfolgenden Text, so daß auch hier die Benennung nicht völlig als die einzige Funktion des Nominativs zu gelten hat.

Die Anzahl der Funktionen des Nominativs ist sehr groß. Dennoch wird diese Frage in den großen grammatischen Werken von H. Paul, O. Behaghel, W. Wilmanns, L. Sütterlin mit Stillschweigen übergangen. Ausführlich werden die Funktionen des Nominativs nur bei Erdmann — Mensing (56—118) behandelt, aber etwas unsystematisch und mit besonderer Hervorhebung der Rolle des Nominativs in Ausrufen. Von den bedeutenden deutschen theoretisch-praktischen Grammatiken gibt Blatz eine ausführliche Übersicht der Funktionen des Nominativs (II, 299—315). In der russischen wissenschaftlichen Grammatik widmete an dagegen den Funktionen des Nominativs große Aufmerksamkeit (besonders aufschlußreich ist die Konzeption Peschkowskis), was auch in den deutschen Grammatiken der sowjetischen Germanisten zum Ausdruck kommt — in den meisten von ihnen sind mehrere Funktionen des Nominativs erwähnt. Eine ausführliche Aufzählung der Funktionen des Nominativs in einigen indoeuropäischen Sprachen wird von W. Havers gebracht.

Die wichtigste Besonderheit des Nominativs vom funktionellen Standpunkt aus besteht darin, daß er (in seinen Hauptfunktionen) syntaktisch unabhängig ist, während alle anderen Kasus in der Regel als syntaktisch abhängig auftreten. Der Nominativ ist der direkte Kasus, im Gegensatz zu anderen Kasus, die oblique sind.

Syntaktisch unabhängig tritt der Nominativ in folgenden Funktio­nen, auf:

1. Das grammatische Subjekt (vgl. §46).

2. Der «Benennungsnominativ» (in den Wörterbüchern, Wortlisten usw.).

3. Der Vorstellungsnominativ.

4. Der vokativische Nominativ (Karl! Karl, komm! usw.).

5. Der «emotionale» Nominativ, als Ausdruck der Gemütsbewegun­gen gebraucht und sich den Interjektionen nähernd (Donnerwetter! Teufel! usw.).

Sehr wichtig für die zwei nächstfolgenden Funktionen des Nominativs sind die Ausstrahlungen (Projektionen), die von der Form des Nominativs als Auswirkung seiner Hauptfunktionen ausgehen. Erstens wirkt sich hier die Subjektsfunktion aus, die der Form des Nominativs so sehr eigen^ist, daß auch ein Nominativ, wenn er im Redeprozeß kein Verbum finitum neben sich hat und auch keine Abhängigkeit von irgendeinem anderen Worte aufweist, sich doch als potentiales Subjekt aufzuspielen geneigt ist, das auf ein lexikal nicht bezeichnetes Prädikat hinstrebt. Anderseits ist hier auch die Prädikativ­funktion des Nominativs von Belang. Auch sie ist dem Nominativ so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, daß ein Nominativ, wenn er kei­ne andere Funktion im Satze hat, leicht seine Fügungspotenz als Prädi­kativ aktualisiert und auf ein Subjekt hinstrebt, das nur im Kontext oder sogar nur in der Situation (also lexikalisch überhaupt nicht aus­gedrückt) enthalten ist. Es wird hier sozusagen ein (im sprachlichen Sinne) scheinbares Subjekt errichtet, das sich grammatisch auf die vom Nominativ ausgehende Ausstrahlung (Projektion) und sachlich auf den Kontext oder die Situation stützt. Zuweilen ist der absolute Prädikativ­gebrauch des Nominativs von seinem absoluten Subjektgebrauch nur schwer zu unterscheiden.

Unmittelbar beziehen sich diese Erwägungen auf zwei folgende Funktionsarten des Nominativs:

6. Die Bildung der Existenzialsätze. Diese Sätze bestehen nur aus dem Nominativ (oder aus dem Nominativ mit seinen Attributen), dessen auf das Prädikat gerichtete Ausstrahlung deswegen ohne lexikale Bezeichnung des Prädikats zu bestehen vermag, weil als Gehalt des Prädikats hier die allgemeinste Daseinsform eines Gegenstandes — die Existenz als solche, das Sein selbst erscheint. So genügt hier die Form des Nominativs in Verbindung mit der Satzintonation, um einen vollständigen Satz zu bilden:

Laue Wärme, kühle, tiefschwarze Nacht und helles Licht, Stimmen vorbei, Gestalten. (Schlaf) Ach, wenn doch etwas dazwischen käme! dachte die Fürstin, und der Himmel erbarmte sich ihrer. Ein heftiger Krach, ein prasselndes Knallen, und der Wagen senkte sich. (Alexis)

7. Die Bildung der Benennungssätze. Diese Sätze, die auch nur aus dem Nominativ (oder aus der attributiven Nominativgruppe) bestehen, sind im Gegensatz zu den Existenzialsätzen an den Kontext oder die Situation geknüpft. Die syntaktische Ausstrahlung (Projektion), die vom Nominativ ausgeht, richtet sich auf irgend etwas, was im Kontext oder in der Situation gegeben ist, um dieses Etwas zu benennen und zu bestimmen. Dementsprechend kann man die Sätze dieser Art in zwei Unterarten einteilen.

a) Situative Benennungssätze. Sie benennen unmittelbar ein Ding, das in der Situation gegeben ist, und werden oft von einer hinweisenden Geste begleitet. Gewöhnlich sind sie emotional gefärbt und haben einen wertenden Charakter, was durch Tonbewegung und entsprechende Attribute zum Ausdruck gebracht wird: Welch ein Bild! Ein schönes Bild! Was für ein schönes Bild! Ob diese Formen dem Subjekt oder dem Prädikat des zweigliedrigen Satzes (vom Typus Dieses Bild ist ein schönes Bild!) entsprechen, ist schwer zu sagen. Manches hängt von der Situation selbst ab.

Nicht als eine besondere Abart des Existenzialsatzes oder des situativen Benennungssatzes, sondern als zweigliedrige verblose Sätze, in welchen der Nominativ die Funktion des gewöhnlichen Subjekts hat, sind die hinweisenden Benennungssätze zu verstehen: Vor mir zwei nickende Pferdeköpfe (Lillencron). Der Nominativ entspricht hier dem Subjekt des verbalen Satzes (vom Typus Zwei Pferdeköpfe sind vor mir), und die hinweisende Komponente des Satzes entspricht dem nichtverbalen Teil des'erweiterten Prädikats.

b) Kontextbenennungssätze. Sie benennen ein Ding, das gramma­tisch im Redestrom isoliert steht, aber auf Grund seiner syntaktischen Fügungspotenzen und unter Einwirkung des Kontextes die Projektion der prädikativen Beziehung zu irgendeinem Wort des Kontextes ausstrahlt:

... während zu gleicher Zeit dort hinten im Portale etwas Hellrotes aufblitzt ...Die roten Röcke der beiden Ratsdiener, Kaspersen und Uhlefeldt, welche in Gala erscheinen. (Th. Mann) Freilich, ich muß es" sagen, es wird nichts mit ihm. Aber ein guter Junge, der mir alles zulie­be tut. (Fontane)

Im ersten Beispiel scheint der satzbildende Nominativ Die roteTT Röcke usw. ein Existenzialsatz zu sein. Aber er behauptet die Existenz des von ihm bezeichneten Gegenstandes nicht als solche, sondern in Beziehung zu dem vorhergenannten etwas Hellrotes. Es wird hier eine Art des prädikativen Verhältnisses angedeutet. /Und in derselben Beziehung steht im zweiten Beispiel der satzbildeTTde Nominativ ein guter Junge zu dem vorhergehenden ihm. Daß die betreffenden

Nominative hier satzbildend sind, ist aus der Zeichensetzung ersichtlich. Sie sind von dem Wort, das sie prädikativ «anstrahlen», durch einen Punkt getrennten einigen Fällen, wenn ähnliche Bildungen nur durch Kommas ausgesondert sind, ist es schwer, eine Grenze zwischen dem Kontextbenennungssatz und dem nicht kongruierenden verselbständig­ten Attribut zu ziehen:

Außerdem gab es ehemals eine Britzer Heide, ein übelberüchtigter Wald. (Alexis)

8. Der absolute Nominativ in zweigliedrigen (oder sogar eingliedri­gen) Konstruktionen, die sich an einen Satz anlehnen:

/uir ist der alte Müller bekannt, bettlägerig ins zwanzigste Jahr, der Geist noch kräftig, heiter und klar (Chamisso). Die Waldfrau wollte Heribald das Geleck verschneiden, der höchste Schimpf eines Geistli­chen (vgl. 141, II, 308—309).

Doch wird der Nominativ in einigen Funktionen auch syntaktisch abhängig gebraucht. Diese Abhängigkeit besteht darin, daß der Nominativ als solcher infolge seiner Bezogenheit auf einen anderen Nominativ im Satz erscheint, und drückt sich in der Kongruenz-angleichung im Genus und in der Zahl aus, wenn die Semantik und die Form des Substantivs eine solche Angleichung erlauben. Hier kommen folgende Funktionen in Betracht:

9. Das Prädikativ (vgl. §46, 47). Er richtet sich gewöhnlich nach dem Subjekt, wenn sie beide Personen bezeichnen. Ich bin Student Wir sind Studenten; Er ist Student Sie ist Studentin. Doch gehört die Prädikativfunktion zu den wichtigsten Funktionen des Nominativs.

10. Das unselbständige und verselbständigte Attribut (die Apposi­tion) in dem ' Falle, wenn das leitende Wort (Substantiv oder Pronomen) im Nominativ steht: der Lehrer Schmidt; Schmidt, der Lehrer. Zuweilen erscheint der appositioneile Nominativ auch bei dem leitenden Wort in obliquen Kasus, indem es sich einerseits dem Nominativ der Kontextbenennungssätze, anderseits dem «Ge­meinschaftskasus» nähert:

Diese war an einen Mann in den Fünfzigern verheiratet, eine hohe vornehme Erscheinung, doch bereits stark verfallen. (H. Mann) Ich stand allein in dem Saal, ein altertümlich Zimmer. (Alexis)

Eine Sonderstellung nehmen die Verbindungen des Nominativs mit den Präpositionalkonjunktionen als und wie ein, wie es für die anderen Kasus bei der Verbindung mit den Präpositionen der Fall ist. Diese Fügungen spielen verschiedene Rollen im Satz (z. B. des Prädikativs: Du bist wie eine Blume) und können also den anderen Gebrauchsweisen des Nominativs nicht zur Seite gestellt werden. Sie bilden hier nur Nebenformen der Funktionen des Nominativs, und zwar Nebenformen mit der Semantik des Vergleichs oder der teilweisen Identifizierung. Aber es gibt auch solche Funktionen des Nominativs, die er nur mit Hilfe von diesen Wörtchen auszuführen vermag. Diese Tatsache ist es, die den Fügungen des Nominativs mit als und wie eine ganz andere Bedeutung beizumessen veranlaßt als z. B. den Fügungen des Nominativs mit Partikeln. In den folgenden Funktionen tritt der Nominativ (mit ganz vereinzelten Ausnahmen) nur in Begleitung dieser Wörter auf:

11. Das prädikative Attribut: Er arbeitet als Lehrer. (Als Ausnahmen kommen nur erstarrte Redewendungen vor: Wache stehen, Posten stehen.)

12. Die abverbiale Bestimmung: Er kämpft wie ein Löwe.

Von allen diesen Funktionen sind, wie gesagt, besonders wichtig die Benennungsfunktion und die Subjektfunktion. Unmittelbar oder mittel­bar bauen sich alle übrigen Funktionen auf einer von diesen zwei Hauptfunktionen oder auf ihnen beiden zugleich auf. Aber sie sind auch eng miteinander verbunden. Das Subjekt bezeichnet, benennt in allgemeiner Form eben einen dinghaften Begriff, der erst im Verlaufe der Satzbildung aktualisiert und in seinem Verhältnis zur Wirklichkeit bestimmt wird. Die ausschlaggebende Rolle dieser Funktionen (und der Prädikativfunktion) erklärt es auch, weshalb der Nominativ so sehr geeignet ist, eine satzbildende Rolle zu spielen (Existenzialsätze und Benennungssätze) oder wenigstens als eine alleinstehende Äußerung zu fungieren (Vokativfunktion, (Empfindungsformel) — Verwün­schungen, Beteuerungen, die sich oft der Interjektion nähern). Ober die Verwertung der Nominativform als eines «Nullfalls» (vgl. 325, 86), d. h. einer universalen Kasusform vgl. §23.