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§ 32. Die Pronominalform es

Die Behandlung des Gesamtsystems der Funktion der es-Form (weiter einfach als es bezeichnet) überschreitet die Grenzen, die sich dieses Kapitel gezogen hat. Denn es kommen hier auch solche Gebrauchsweisen zur Geltung, die dem Substantivbereich gar nicht angehören.

Aber es gibt hier auch durchaus pronominale Verwendungsarten, und es schien mir eben ratsam, an einem sehr anschaulichen konkreten Beispiel die komplizierte Struktur des Bedeutungsgehalts von gramma-tischen Formen vorzuführen. Es muß allerdings betont werden, daß solche extreme Komliziertheit nur bei einem geringen Teil von gramma-tischen Formen vorkommt und daß selbst bei ihnen der Bedeutungsge-halt auch ganz andere Arten der Strukturierung aufweisen kann.

Es gibt auch noch einen Grund, die Pronominalform es speziell und detailliert zu untersuchen. Sie wird ja außerordentlich oft gebraucht, besonders in der Umgangssprache und in der Schönen Literatur (oft in gekürzter Form, mit Abfall des e). In der Mitte des vorigen Jahrhunderts schrieben J. und W. Grimm: «Dies Wörtlein es erfüllt heute, gleich dem articel, unsere gesammte rede...» (DW 3, Sp. 1105). Es gibt, allerdings vorwiegend eben im 19. Jahrhundert, viele Fälle des doppelten Gebrauchs von es in einem Elementarsatz (über den Begriff des «Elementarsatzes» s. §47) in der Schönen Literatur, gewöhnlich in der Rede der handelnden Personen, in Einzelfällen in der Erzählerrede. Z. В....es versteht keiner von ihnen es so gut wie ich, sich seine Stimmung zurechtmachen (W. Raabe). ... Pasche gab sich mit Weibsbildern ab... und es wußten's viele (Cl. Viebig). Dies wird gerade durch die Mannigfaltigkeit der Funktion hervorgerufen, die es ausübt. Es gibt sogar eine phraseologische Wendung mit doppeltem es. Es tut's — «Es geht» (und dementsprechend Es tut's nicht) (vgl. 341, II, Hbbd. 2, 1318).

Die Struktur des Bedeutungsgehalts von es ist eine feldmäßige. Aber im Gegensatz zu den meisten solcher Felder, die aus einem Zentrum und einer Peripherie bestehen, stellt der Bedeutungsgehalt von es ein Feld mit zwei Polen dar, die semantisch-funktionell einander direkt entge-gengesetzt, aber durch eine Menge von vermittelnden Gebrauchsweisen doch miteinander verbunden sind.

Einen Pol in dem Feld der es-Form bildet das persönliche Pronomen der 3. Person Neutrum als solches, also ein vollwertiges, wenn auch seiner Semantik nach kommunikativ-grammatisches Wort. Den anderen Pol bildet es als eine völlig desemantisierte Partikel, die nur als Platzhalter auftritt, namentlich zur Füllung der ersten Stelle in den Sätzen mit der finiten Verbalform an der zweiten Stelle dient, wenn aus verschiedenen kognitiv-kommunikativen Gründen die erste Stelle sonst unbesetzt bliebe. Z.B.... und es hat mich sonst doch keiner so geliebt... (Th. Storm) Als ein reines Formwort hat die es-Form in solcher Funktion bereits L. Sütterlin bezeichnet (374, 303).

Die anderen Gebrauchsweisen von es liegen zwischen diesen beiden Polen. Die einen stehen dem Personalpronomen es näher, die anderen dem Platzhalter es. Ausführlich wird die ganze Skala der Gebrauchsweisen von es unter dem Gesichtspunkt der Feldstrukturie-rung in einem meiner Aufsätze behandelt, auf den ich hier verweise (Admoni, 9). Aber die wichtigsten zu diesem Feldsystem gehörenden Erscheinungen seien doch an dieser Stelle wenigstens genannt. Dem Pronomen es 3. Person Neutrum stehen ganz nahe z. B. alle Arten der kontext- und situativbezogenen demonstrativen Verwendung von es, wenn also es nicht auf ein Substantiv sächlichen Geschlechts hinweist, sondern auf ein Substantiv anderen Geschlechts oder auf einen ganzen Satz usw.

Auch in der verallgemeinernd-summierenden Bedeutung bleibt die pronominale Natur von es bestehen, wie auch in solchen Fällen, wo die Semantik der Unbestimmtheit noch stärker in der Vor-dergrund tritt und man eben von einem unbestimmten (zuweilen sogar von einem unbestimmbaren) Pronomen es sprechen kann. Der pronominale Charakter ist auch dem es als Korrelat eigen, obgleich in manchen Fällen das korrelative es fakultativ ist. Endlich ist das unpersönliche (übrigens zuweilen auch fakultative) es in manchen Fällen doch pronominal gefärbt, obgleich der Grad der Unbestimmtheit in diesen Fällen ein außerordentlich großer ist.

Aber bereits bei dem korrelativen und unpersönlichen es wird oft die Funktion von es bemerkbar, die darin besteht, daß es ein strukturell obligatorisches Glied einer Konstruktion ersetzt, wenn die kommunika-tiv-semantischen Vorbedingungen die vollwertige lexikale Füllung dieses Gliedes entbehrlich machen oder wenn die erste Stelle im Satz sonst leer bleiben würde. Es sind also die strukturellen Forderungen des grammatischen Gestaltungssystems, die hier zum Vorschein kommen.

Vollständig bestimmen diese Tendenzen den Gebrauch von es in solchen Funktionen, wie dem Ersatz des Prädikativs oder des Objekts, wenn diese aus situativen oder kontextuellen lexikalsemantischen Gründen unerwähnt bleiben dürften. Und hier nähert sich es in seinem Gebrauch ganz und gar dem Pol seines Bedeutungsgehaltfeldes, wo man schon von einem Formwort, einer Partikel sprechen kann.

Und nun doch ein paar Beispiele, um mindestens einige der genannten Gebrauchsweisen von es zu veranschaulichen.

Kontextuell-summierendes rückbezügliches pronominales es: ...ich zwinge sie nicht, in die Bank zu gehen, ich hatte nur angenommen, daß Sie es wollen. (Kafka)

Kontextuell-summierendes vorwegnehmendes pronominales es: Oskar ahnte es, wir fuhren in die Stadt, wollten zum Hevelins-Platz, in die Polnische Post zum Hausmeister Kobyella, der jenes Werkzeug und Können hatte, nach welchem Oskars Trommel seit Wochen verlangte. (G. Grass)

Unpersönliches unbestimmbares es: ...ich hab' nur nicht zu ihr hinüber wollen; aber es hat mich doch wie bei den Haaren dahin zurückgezogen,— es kriegt mich unter... (Storm)

Füllung der obligatorischen Leerstelle des Objekts im Prädikat: Der alte Heilandt hatte es eilig... (G. Grass) Vgl. auch die in § 4 bereits erwähnte und dem Englischen entgegengesetzte Füllung der Leerstelle des Prädikativs: Ich bin's (als Antwort auf die Fragen vom Typus Sind Sie Herr Schmidt? Sind Sie gesund? usw.). Über den Gebrauch von es in den unpersönlichen Sätzen vgl. §49 und 35.

Wegen Raummangels lassen sich hier die korrelativen es nicht erörtern, deren Gebrauch übrigens in einfachen Regeln nicht zu fassen ist, da in manchen Konstruktionen das korrelative es fakultativ ist, auch unabhängig von den topologischen und strukturell gestaltungsmäßigen Triebkräften. Ich begnüge mich mit dem Verweis auf die einschlägige Literatur (321; 122; 267) und der Anführung eines einzigen Beispiels. Nach Pütz sind im gleichen Maße folgende Satzgefüge berechtigt (mit es und ohne es): Heute ist es sicher, daß er kommt Heute ist sicher, daß er kommt (57). Übrigens gibt es in diesem Bereich sehr viele Streitfragen.

Von solcher, oft rein semantisch bedingten Fakultativität im Gebrauch der es-Form ist die andere bereits von mir betonte Fakultati-vität dieser Form zu unterscheiden, die durch die rein strukturellen Gesetzmäßigkeiten in der Gestaltung und Typologie des deutschen Satzes hervorgerufen wird.

Es tritt in solchem Fall als Alternative auf für verschiedene obligatorische Satzglieder, die aus semantisch-kontextuellen und situationsmäßigen Gründen kein vollwertiges Lexem zu ihrer Füllung brauchen. Unter dem Druck besonders starker Triebkräfte, z. B. emotioneller Art, kann aber auch die Einschaltung des alternativen es ausbleiben. So fehlt das alternative es sogar als Prädikativ und als infinite Verbalform (in den zusammengesetzten Formen des Verbs) in folgenden Beispielen: Du bist ein Drückeberger erklärte Grün ein pathetischer Drückeberger.Sind wir alle, grunzte Lenz. (E. M. Remarque); ...du solltest dich nicht mit Akrobatik verzetteln Werde ich nicht, Papa... (H. Böll)

Wenn man die Gebrauchsfrequenz von es betrachtet, so scheint es, daß die Hauptmasse der es-Formen in der Rede nicht seine polaren Bedeutungen ausdrückt, sondern vielmehr die, die zur «Mitte» des es-Feldes gehören (die summierend-verallgemeinernden und un-bestimmten es, es als Korrelat). Dabei tritt es in einigen seiner Funktionen in synonyme Beziehungen zu anderen Wortformen, aber es bleiben doch in der Regel gewisse semantische Unterschiede zwischen den Synonymen.

So scheint es in vielen unpersönlichen Sätzen der Wortformen alles sehr nahe zu stehen. Z. B. läßt es im Satz Es ist dunkel eine semantische Deutung zu wie «die ganze Umgebung», d. h. eben «alles», was den Sprechenden umgibt. Und doch würde der synonyme Satz Alles ist dunkel, obgleich das Wort alles auch verallgemeinernd-summierend ist, eine andere, viel konkretere Bedeutung haben. Es fehlt ihm die in der gegebenen Situation allumfassende und vereinheitlichende Semantik des Satzes mit es. Denn alles neigt zur «diskreten» Semantik, die an und für sich die Möglichkeit einer Aufzählung der zu diesem alles gehören-den Sachen und Erscheinungen voraussetzt, wenn auch praktisch eine solche Aufzählung oft durchaus unmöglich wäre. Eben diese Diskretheit macht es verständlich, weshalb man zu dem Satz Es ist schwül schwerlich, nur unter ganz eigenartigen Umständen einen synonymen Satz*AIIes ist schwül bilden kann und weshalb der Satz Alles ist warm eine ganz andere Bedeutung (z. B. die Suppe und der Braten, alles ist warm) hat als der Satz Es ist warm. Nur in einzelnen Fällen kann auch die Partikel etwas (oder was in derselben Bedeutung) als Synonym der es-Form gelten. Vgl. aber: Es klopftEtwas klopft.

Viel näher sind die synonymen Beziehungen zwischen der es-Form in ihrer pronominalen und pronominal gefärbten Gebrauchsweise und dem Demonstrativpronomen das.