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§ 3. Aspektreichtum und Feldstruktur der sprachlichen Erscheinungen. Paradigmatik, Syntagmatik und Bathysmatik als Dimensionen des Sprachbaus

Alle Kategorien der deutschen Grammatik besitzen vom Standpunkte ihrer Bedeutung und Funktion aus eine beträchtliche Anzahl von Aspekten (Seiten), die man alle bei der Analyse dieser Kategorien zu berücksichtigen hat. Es ist kein Zufall, daß gerade die grundlegenden Einheiten des Sprachbaus im allgemeinen und. des deutschen Sprachbaus im besonderen (das Wort, der Satz) bis heute trotz der eifrigsten Bemühungen keine allgemein befriedigende Deutung und Definition gefunden haben (vgl. 328, 3, 61ff.).

Zum Teil ist diese Kompliziertheit der grammatischen Kategorien durch die Mannigfaltigkeit der Funktionen verursacht, die die Sprache überhaupt auszuführen hat, indem sie als Kommunikationsmittel dient, den Gedanken formt und dem Gefühlsleben des Menschen einen Ausdruck gibt. Aber in jeder Sprache erzeugt die geschichtliche Entwicklung besondere Abarten dieser Kompliziertheit. Zwei Momente sind hier vor allem wichtig, und beide sind im deutschen Sprachbau reichlich vertreten. Man bezeichnet sie gewöhnlich als «Homonymie» und «Synonymie», aber der Umfang dieser Begriffe muß hier außeror­dentlich weit gefaßt werden (vgl. 344).

Auf dem Gebiete der Grammatik besteht die Homonymie im eigentlichen Sinne des Wortes im vollständigen lautlichen Zusammen­fall einiger Morpheme. So spielt im Deutschen das Lautgebilde er die Rolle von 4formbildenden Morphemen in der pronominalen Deklination (Nom. Mask. Sg., Gen. und Dat. Fem. Sg., Gen.PI. aller Geschlechter, z. B. dies-er); die Rolle eines Formans in der Pluralbildung des Substantivs (Wäld-er) und die des Komparativformans beim Adjektiv (läng-er). Außerdem erscheint dieses Lautgebilde als ein Suffix zur Bildung von Substantiven {vor allem Nomina agentis) und als ein selbständiges Wort (Nom. Sg. Mask. des persönlichen Pronomens). Sehr mannigfaltig sind die morphologischen Funktionen der Lautge­bilde -e und, insbesondere, -en.

Aber viel wichtiger als der lautliche Zusammenfall verschiedener Hilfsmorpheme ist die Vereinigung von verschiedenen Inhalten in einer einheitlichen grammatischen Form. Es gibt verschiedene Stufen dieser grammatischen Synthese. So drückt z. B. das Morphem -st (in der Form kommst) gleichzeitig die Zahl (Singular) und die Person (die 2. Person) des Verbs aus. Doch wird das BHld noch komplizierter, wenn wir nicht einzelne Morpheme, sondern größere grammatische Einheiten betrachten. In der verbalen Form kommst sind gleichzeitig folgende grammatische und lexikale Bedeutungsgehalte, Inhaltsbefunde (oder Funktionen im oben angedeuteten allgemeinen Sinne) aufgestapelt:

1. die Zugehörigkeit zur Kategorie des Verbs, und zwar zu folgenden verbalen Formen: die 2. Person, Singular, Präsens, Indikativ, Aktiv, Intransivität;

2. eine ganze Reihe von Bedeutungs- und Funktionsschattierungen (sowohl die eigentliche volle Bedeutung des Verbs kommen — Du kommst nach Hause als auch abgeblaßte Bedeutungen, die sich gewissermaßen schon zum Teil der Bedeutung eines Hilfsverbs nähern — Du kommst gelaufen; Du kommst in Berührung mit...);

3. eine ganze Reihe von Fügungsgesetzmäßigkeiten, die zum Teil zu allgemeineren Fügungsregeln des Verbs gehören (die notwendige Verbindung mit dem Subjektnominativ, die für die intransitiven Verben charakteristische Unmöglichkeit der Verbindung mit dem Objektakku­sativ), zum Teil besondere Fügungspotenzen des betreffenden Verbs bilden.

Eine solche ungeheuere Fülle von grammatischem und lexikalem Gehalt ist also in dieser einzelnen Wortform, in dieser Verbindung von zwei Morphemen enthalten. Und mehr oder weniger ist eine ent­sprechende Mannigfaltigkeit des Inhaltsbefundes für jede Wortform, jede Wortgruppe und jeden Satz bezeichnend.

Sie wird noch dadurch erhöht, daß im lebendigen Redegeschehen die als syntagmatische Fügungspotenzen ausgestrahlten Projektionen der grammatischen Formen sich beständig mehr oder weniger verschie­ben, neue lexikal-semantische Bindungen «anprobierend» und alte abschwächend. Außerdem spielen in die Existenzform des Bedeu­tungsgehalts von grammatischen Formen und ihrer lexikalen Füllung die paradigmatischen Beziehungen dieser Formen zu den Formen und Lexemen hinein, denen sie entgegengesetzt sind (Oppositionen) oder bis zu einem gewissen Grade parallel (Synonyme). Unter günstigen Umständen schwingt bei der Nennung einer grammatischen Form mit gewisser lexikaler Fügung auch die Semantik der entgegengesetzten bzw. der synonymen Form (oder Formen) mit. So wird bei Nennung der Form zu (als Prädikativ im Satz Die Tür ist zu) noch die Bedeutung der semantisch entgegengesetzten Kurzform des Adjektivs offen aktualisiert, besonders wenn der betreffende Satz z. B. als Antwort auf die Frage erfolgt: Ich glaube, es zieht? Sogar die Semantik des früheren Zumachens der Tür kann dabei mitgedacht werden. Es lassen sich in solcher Situation auch die mehr oder weniger synonymen Sätze aktualisieren: Die Tür ist geschlossen; Die Tür wurde ja geschlossen; Ich habe die Tür geschlossen. Dies alles hängt von der Präsupposition ab, oder, um ältere Termini zu gebrauchen, die nicht psychologisch ausgerichtet waren und deswegen vielleicht doch für die Beschreibung der konkreten sprachlichen Wirklichkeit passender sind, vom Kontext im weitesten Sinne des Wortes und der Situation. Selbstverständlich verändert solche Bezugnahme auf die semantisch entgegengesetzten oder synonymen Formen keineswegs eine Veränderung im unmittelba­ren Bedeutungsgehalt der zu beobachtenden Form. Aber es werden hier die semantischen Verbindungen evident, in denen sie steht. Und in den Sätzen oder Wortgruppen, die Verneinung oder Zweifel ausdrücken, werden doch die verneinten oder bezweifelten Sachverhalte genannt, so daß sie in der Rede semantisch vorhanden sind, obgleich ihre Existenz in der realen Welt eben negiert oder in Frage gestellt wird (vgl. 397; 398).

Obgleich die Rede immer in der Zeit verläuft und in jedem gegebenen Augenblick nur irgendeine Redeeinheit, letzten Endes nur ein Morphem, ausgesprochen werden kann, ist der lexikale und grammatische Gehalt, der im gegebenen Augenblick vor dem Sprechenden ausgedrückt und von dem Hörenden empfangen wird, in der Regel dennoch durchaus verschiedenartig und mannigfaltig. Ein ganzes Bündel von gramma­tischen Angaben, die eine lexikale Einheit überlagern, erreicht den Hörenden gewöhnlich gleichzeitig. Deswegen scheint es uns nicht angebracht, den linearen Charakter der Rede zu betonen, wie es F. de Saussure tut und nach ihm besonders einige Vertreter des Strukturalis­mus. Denn der Redestrom gibt Raum für die gleichzeitige Übermittlung einer Menge von parallel verlaufenden lexikalen und grammatischen Inhalten und Beziehungen. Er ist nicht mit einem Faden, sondern mit einer Telephonleitung zu vergleichen, die gleichzeitig mehrere Telephon­gespräche zu vermitteln imstande ist, nur daß alle diese Gespräche hier aufs aktivste zusammenwirken und eine organische Einheit bilden. Am ehesten aber ähnelt er einer Partitur, die mehrere gleichzeitig tönende Stimmen und Musikinstrumente zu einer Einheit verbindet.

Dies ergibt eine besondere Dimension, in der die grammatischen (letzten Endes überhaupt alle sprachlichen) Erscheinungen existieren und die ich als partiturartige oder «bathysmatische» (von griech. bathys — tief) bezeichne (vgl. 6, 59—68). Sie gesellt sich zu den wohlbekannten, besonders klar von F. de Saussure umrissenen Dimensionen des grammatischen Systems, der «paradigmatischen» und der «syntagmatischen». Die paradigmatische wird durch die systemhaften Beziehungen der sprachlichen Formen innerhalb einzelner Bereiche des sprachlichen Systems gebildet, wobei das Paradigma als solches sowohl in der Morphologie als auch in der Syntax auftritt und durch eine Anzahl von grammatischen Formen gebildet wird, die alle neben einer gemeinsamen grammatischen Bedeutung auch je eine oder einige diese gemeinsame Bedeutung überlagernde grammatische Bedeutungen aufweisen. Die syntagmatische Dimension wird durch die Beziehungen der auf einander folgenden Komponenten der linearen Redekette gebildet, wenn man auch von syntagmatischen Beziehungen innerhalb eines Lexems sprechen kann, z. B. zwischen dem Grundmorphem und den Hilfsmorphemen oder zwischen den Kompo­nenten eines zusammengesetzten Wortes (vgl. 78, 106—120). Übrigens hat auch die bathysmatische Dimension nicht nur mit der Redekette, sondern auch mit einzelnen Wortformen zu tun, die zum Teil sogar losgelöst vom Kontext einige Bedeutungsgehalte zu tragen vermögen. Allerdings ist doch die überwiegende Mehrheit der die Wortform überlagernden Bedeutungsgehalte erst aus dem Kontext ersichtlich.

Die syntagmatischen und die bathysmatifchen Dimensionen formen in ihrer Wechselwirkung die Sprach- und Redeeinheiten zu «portativen», zementierten Konstruktionen, dienen zur Schaffung des grammatischen Gestaltungssystems, das, wie gesagt, eine notwendige Ergänzung zu dem grammatischen Beziehungssystem bildet (vgl. 6, 22—23).

Jede der mannigfaltigen grammatischen Funktionen, Bedeutungen und Formeigenheiten, die einer beliebigen grammatischen Wortform im Deutschen eigen ist, bringt diese Wortform mit einer ganzen Reihe von grammatischen Erscheinungen in Verbindung, macht sie irgendeiner grammatischen Kategorie zugehörig, wobei aber diese Kategorien zuweilen die betreffende Form in verschiedene oder sogar entgegenge­setzte Richtungen hinüberziehen,wodurch Widersprüche und Unklar­heiten entstehen. Das spürt man oft bei der Einteilung der Wörter und Wortformen in Redeteile (grammatische Wortarten). So hat z. B. die Form schön im Satz Das Mädchen ist schön manches mit dem Adjektiv schöner, schöne, schönes gemeinsam. Sie bezeichnet die Eigenschaft einer Person oder, allgemeiner gesagt, überhaupt die Eigenschaft eines Dinges. In einigen erstarrten phraseologischen Wortfügungen treten analoge Formen als Adjektivattribute auf: gut Ding will Weile haben usw. Diese Form scheint also zum Adjektiv zu gehören, was auch in den meisten grammatischen Lehrbüchern behauptet wird. Aber anderseits fällt die Form schön im oben angeführten Satz genau mit der Form schön im Satz Das Kind singt schön zusammen und wird mit dieser Form auch dadurch verbunden, daß sie beide, wenn auch auf ganz verschiedene Weise, zum Prädikat gehören und in die prädikativverbale Gruppe miteinbezogen sind. Diese Tatsachen geben einigen Sprachgelehrten Anlaß, die betreffende Form als ein Adverb zu betrachten (von den älteren Germanisten Funk, Frisch, Adelung u. a.— vgl. 258, II, 101 — 104, 383—384, von den modernen 215, 110 u. a.). Beide Standpunkte haben Hand und Fuß, eben weil die Mannigfaltigkeit der grammatischen Aspekte, überhaupt die Vielseitigkeit der zu analysierenden Form, sie objektiv verschiedenen Wortarten verwandt macht (vgl. § 10, 30).

Man muß daraus den Schluß ziehen, daß eine nur von einem Gesichtspunkt ausgehende Bestimmung und Klassifizierung der gram­matischen Erscheinungen des deutschen Sprachbaus unmöglich ist.

Die Struktur der grammatischen Kategorien (zum Teil auch ihrer Paradigmen) ist eine Feldstruktur. Jede von ihnen besitzt mehrere Merkmale, die nicht gleichmäßig unter den zu dieser Kategorie gehörenden Erscheinungen verteilt sind (vgl. 6, 47—51; 30; 20; 32—56). Der Begriff des «Feldes» in der Grammatik weist manche Besonderheiten auf, hat aber auch vieles mit diesem Begriff in den anderen Wissenschaften, vor allem in der Physik, gemeinsam. Die verschiedenartigen Merkmale, die jede grammatische Kategorie besitzt, sind bei einigen Erscheinungen, die im Mittelpunkt der Kategorie stehen, komplett vorhanden, dagegen in anderen nur teilweise. Jene bilden den Mittelpunkt, diese die Peripherie des betreffenden Feldes, die übrigens asymmetrisch gelagert ist, d. h. eine ungleichmäßige Abnahme in verschiedenen Richtungen der in Frage kommenden Merkmale aufweist (vgl. 6, 47—51). Die Peripherien von zwei Feldern können teilweise zusammenfallen und gemeinsame Segmente bilden. So ist die oben erwähnte Kurzform des Adjektivs im Deutschen ein gemeinsames Segment von den Feldern des Adjektivs und des Adverbs.

Um das Wesen der grammatischen Kategorien im Deutschen objektiv zu erfassen, muß man sie also nach alien Aspekten betrachten, die ihnen eigen sind. Dabei kommen viele Übergangsformen zum Vorschein, was aber keineswegs zum Nachteil solcher aspektmäßigen Analyse gereicht, sondern im Wesen der grammatischen Erscheinungen selbst begründet ist.

Die Aspekte, die den grammatischen Erscheinungen eigen sind, können einerseits einfach als Ausdruck der Hauptfunktionen des grammatischen Systems betrachtet werden. Es wären z. B. solche Aspekte wie der nominierende, kommunikative und der der psycholo­gischen Intention des Sprechenden. Aber dies wäre nur eine tautolo-gische Umschreibung eben der Hauptfunktionen des grammatischen Baus und würde an und für sich keinen Zugang zu der konkreten Gestaltung der natürlichen Sprachen gestatten. Um dieses Ziel zu erreichen, muß man sich an die realen Erscheinungsformen der grammatischen Einheiten wenden, wie sie sich im bunten und verschie­denartigen Wechselspiel in verschiedenen Sprachen gestalten. Somit werden hier als grammatische Aspekte solche Arten und solche Seiten von grammatischen Erscheinungen verstanden, die einen besonderen semantischen oder Funktionsbereich ausfüllen und grammatisch geformt sind. Näheres darüber in den § 49—55, 62.

Die grammatischen Theorien, die keinen Anspruch auf strenge Fixierung der grammatischen Erscheinungen nach einheitlichen Kriterien erheben, die also in ihrem Verfahren offen sind und auf die zahllosen Übergangserscheinungen systematisch hinweisen, ohne sie zu erschöpfen zu versuchen, ermöglichen somit eine adäquatere, letzten Endes exaktere Erfassung des grammatischen Baus, als es die sogenannten exakten grammatischen Theorien zu tun imstande sind, die ihre Exaktheit im mathematischen Sinne auffassen und vollständige Formalisierung ihres Verfahrens zu erzielen versuchen. Es ist aber auch unbedingt notwendig, unter allen diesen mannigfaltigen Aspekten, die den grammatischen Kategorien eigen sind, die wichtigsten und dominierenden zu bestimmen, damit man die Kernglieder der Felder von ihren peripherischen Erscheinungen klar und sicher unterscheide, was übrigens oft große Schwierigkeiten verursacht.

Nicht nur die Mannigfaltigkeit der Inhaltsbefunde, die in einer und derselben grammatischen Form angehäuft sind, macht die gramma­tische Struktur der Sprache so kompliziert. Vieles trägt dazu auch die Synonymie der grammatischen Formen bei, d. h. der Gebrauch von verschiedenen grammatischen Mitteln in gleicher Funktion und gleicher oder wenigstens sehr ähnlicher Bedeutung. So werden z. B. in der Substantivgruppe der Genitiv, das Präpositionalattribut, die Zu­sammensetzung und in einigen Fällen auch das relative Adjektiv synonymisch verwendet: die Grenzen des Landes, die Grenzen von dem Lande, die Landesgrenzen und in älterer Sprache auch die ländlichen Grenzen.

Der Zusammenhang der grammatischen Synonymie mit der Bedeutungsstruktur der grammatischen Formen und die Grundfragen der grammatischen Synonymie überhaupt wurden von E. J. Sendeis untersucht (vgl. 344). Auch viele einzelne Erscheinungen auf dem Gebiete der grammatischen Synonymie im Deutschen wurden in der letzten Zeit eingehend behandelt (vgl. 363; 398 u. a.).

Die grammatische Synonymie ist oft mit einer stilistischen Differenzierung der synonymen Formen verbunden. So gehören z. B. die Partizipialkonstruktionen mehr in den Bereich der schriftlichen Formen der Sprache, dagegen die den Partizipialkonstruktionen synonymen Nebensätze (und die parallelen Formen der Parataxe) in den Bereich der Umgangssprache. Doch sind Unterschiede in dieser stilistischen Ausrichtung der synonymen grammatischen Formen keineswegs bindend und absolut.

Was die Unterschiede in der verallgemeinerten Semantik der synonymen Formen betrifft, z. B. beim Vergleich der Partizipialkon­struktionen und der entsprechenden Nebensätze, so sind sie oft sehr schwer festzustellen. Aber zuweilen bilden doch solche aufeinanderbe-zogenen Formen ganze «Felder» von differenzierten Bedeutungen, die sich gegeneinander abheben (vgl. 394, 218ff.). So gibt die Zu­sammensetzung einen abstrakteren, begrifflich weniger differenzierten Sachverhalt an, als es die synonyme Substantivgruppe mit einem Genitivattribut tut; vgl. der Wert eines Rockes, der Wert des Rockes usw., wo die Unbestimmtheit oder Bestimmtheit des Begriffes Rock klar

angedeutet wird, und der Rockwert, wo der Begriff Rock ganz allgemein, ohne irgendwelche Charakterisierung im logischen oder grammatischen Sinne zur Geltung kommt.

Es wird in diesem Zusammenhang wiederum der Begriff des «Feldes» herangezogen (z. B. der Begriff des «Modalfeldes» bei Bech und Brinkmann), aber selbstverständlich in einem ganz anderen Sinne als dem oben erörterten, der das Feld als die Struktur einer gramma­tischen Formkategorie auffaßt, d. h. als ein «inneres» Feld. Dagegen erscheint das Feld, das ein System der durch ihre Semantik verbunde­nen sprachlichen Erscheinungen umfaßt, als ein lexikal-grammatisches, das in seiner Beziehung zu einzelnen zu ihm gehörenden grammatischen Formen sich als ein «äußeres» Feld charakterisieren läßt. Es werden hier sowohl verschiedene grammatische als auch lexikale Erschei­nungen zusammengestellt, die zu einem semantischen Bereich gehören (z. B. die temporale Bedeutung oder die der Zahl usw.). In solchen Bereichen werden nicht nur die synonymischen Beziehungen zwischen ihren Gliedern festgestellt, sondern vor allem das in jedem Felde entstehende System von Bedeutungen, wobei die Feldkomponenten, die in abstrahierter und eindeutiger Form die in Frage kommenden Bedeutungen zum Ausdruck bringen, als die Dominanten der Felder betrachtet werden: z. B. im temporalen Felde die verbalen Zeitformen usw. (43).

Jedenfalls bedeutet die ungeheure Menge der Variationsmöglichkei­ten, die von der grammatischen Synonymik erzeugt werden, eine kolossale Bereicherung des Sprachbaus und zugleich seine Kompli­kation.

Noch eine Art von Komplikation in den semantischen Beziehungen innerhalb des Systems von grammatischen Formen bilden die semantischen (denotativen) Entsprechungen (Korrespondenzen) zwi­schen syntaktischen Einheiten, die auf verschiedene grammatische Weise gestaltet sind. Eine Verbindung von gleichen (.oder abgewandelten) Lexemen kann ja, zum Teil oder ganz durch verschiedene Wortformen vertreten, verschiedene semantisch-syntaktische Realisierungen finden und in der Form eines Satzes (verschiedener Art), einer Infinitiv- oder Partizipialkonstruktion, einer Substantivgruppe (verschiedener Art), eines zusammengesetzten Substantivs und zuweilen noch anderer Fügungen auftreten. Es können dabei Hilfswörter verschiedener Art verwendet werden, z. B. Man errichtet ein Denkmal — Ein Denkmal wird errichtet — Ein Denkmal ist errichtet — ein Denkmal (zu) errich­ten — Ein Denkmal läßt sich errichten — ein Denkmal errichtend — die Errichtung eines Denkmals (von einem Denkmal) — die Denkmal­errichtung — das zu errichtende Denkmal — das errichtete Denkmal. In allen diesen Fügungen verbirgt sich eine gemeinsame denotative Bedeutung, die aber in jeder Fügung unter einem besonderen syntakti­schen Blickwinkel betrachtet wird und durch einen zusätzlichen, für diese Fügung kennzeichnenden grammatischen Bedeutungsgehalt überlagert wird. Alle diese Fügungen zusammen bilden eine Art von Paradigma, ein «Entsprechungsparadigma» oder «Korrespondenzparadigma», in dem jede Fügung mit allen anderen in Beziehung steht, von ihnen

gestützt wird und sie selbst stützt. Wie in jedem Paradigma gibt es hier Fügungen, die auf die Rolle des Repräsentanten des Gesamtparadigmas Anspruch erheben, da sie besonders autosemantisch und vollständig den eigentlichen denotativen Sinn der Fügung ausdrücken. In Betracht kommen als solche Repräsentanten überhaupt und auch in unserem Beispiel einerseits die Sätze — vor allem vielleicht der erste von ihnen, der in aktiver Form steht —, die oft als Ausgangspunkt des Systems von Satzentsprechungen (Satzkorrespondenzen) empfunden werden, ande­rerseits die im Nominativ stehende Substantivgruppe, da der Nominativ der Fall der syntaktischen Ruhelage ist und die Substantive selbst zur autosemantischen Benennung der Dinge besonders geeignet sind.

Einige Teilgebiete solcher Entsprechungsparadigmen werden von der grammatischen Theorie seit langem berücksichtigt, besonders unter dem Blickwinkel der semantischen Diagnostik syntaktischer Fügungen mit komplizierter semantischer Feldstruktur. Dabei wurden die Fügungen von höheren Bereichen zur Bestimmung des Bedeutungsge­halts von niederen herangezogen: Um die Bedeutung der zusammenge­setzten Substantive zu ermitteln, wurden sie den ihnen am unmittelbar­sten entsprechenden Substantivgruppen gegenübergestellt. Um die Bedeutung der Substantivgruppen mit Genitivattributen zu ermitteln, wurden sie den ihnen am unmittelbarsten entsprechenden Satztypen gegenübergestellt und z. B. solche Satzbegriffe zur Kennzeichnung von semantischen Unterarten des Genitivattributs gewonnen wie der Genitiv des Subjekts und der des Objekts. Eine solche Gegenüber­stellung konnte auch als Transformation aufgefaßt werden, was eben auch oft getan wurde, woraus sich schließlich die eigentliche Grundlage für die spätere generativistische Verabsolutierung der Transformatio­nen als des entscheidenden Zugriffs zur Erforschung der Grammatik gebildet hat. Aber an und für sich sind die Entsprechungen ein eigenartiger Bestandteil des grammatischen Systems, der keineswegs allein dieses System aufzuschlüsseln vermag.

Es gibt noch die Möglichkeit, die Paradigmen der einzelnen Glieder des Entsprechungsparadigmas an diesem Gesamtparadigma teil­nehmen zu lassen, z. B.: Es ist (war) ein Denkmal errichtet.

Nicht alle Entsprechungsparadigmen weisen so viele Glieder auf wie das oben angeführte. Die Zahl der Glieder hängt von der Art der Beziehung ab, die im Paradigma ihren Ausdruck findet, sowie von manchen lexikal-semantischen Faktoren. Aber es sind hier Zweifelsfälle möglich. So scheint nur eine verhältnismäßig geringe Zahl der Entsprechungen das Paradigma zu vereinigen, dessen Formen die Beziehungen des Trägers einer Eigenschaft zu der Eigenschaft ausdrücken. Z. B. Karl ist klug — Karls Klugheit — die Klugheit von Karl — der kluge Karl — Karl, der Kluge. Aber hier können in satzförmigen Entsprechungen (mit dem Adjektivprädikativ) alle kopulativen Verben verwendet werden (vgl. § 35, 49), was die Zahl der Entsprechungen bedeutend steigert, z. B. Karl wird klug, Karl bleibt klug usw.

Das Zusammenwirken der grammatischen und lexikalen Formen, die zu verschiedenen Bereichen des Sprachbaus gehören, hebt die Mehrdeutigkeit auf, die einzelnen Wörtern und grammatischen Formen eigen ist. Aber oft wird von einer solchen Möglichkeit, den Bedeu­tungsgehalt der Wörter und grammatischer Formen zu präzisieren, kein Gebrauch gemacht. Wie Erben überzeugend ausführt, ist ja die Mehrdeutigkeit (oder, wie er sagt, «Undeutigkeit») der Satzkompo­nenten vom Standpunkt der konkreten gedanklich-kommunikativen Aufgabe aus, die sich der Sprechende stellt, keineswegs immer ein Nachteil. Es kann auch für den Sprecher zuweilen nützlich sein, die Wahl zwischen verschiedenen Deutungsmöglichkeiten der angewende­ten Form eben offen zu lassen — aus Bescheidenheits- oder Höflich­keitsgründen usw. So ist in den passivischen Infinitivbildungen vom Typus Die Tür ist zu öffnen zuweilen vom höchsten Wert, daß in ihnen der Bedeutungsgehalt des Müssens/Sollens oder des Könnens nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, da auf diese Weise eine Vorschrift formuliert werden kann, ohne daß ein direkter Befehl gegeben wird (194, 19). Derartige Mehrdeutigkeit hängt auch mit solchen allgemeinen Zügen der natürlichen Sprache des Menschen zusammen wie ihre Offenheit und Anpassungsfähigkeit. Eben diese Züge bedingen «notwendig eine gewisse Unvollkommenheit und Ungenauigkeit der sprachlichen Mittel, die zur Bewältigung vieler und wechselnder Situationen dienen müssen, oft auch zur vorläufigen Bestimmung einer noch nicht exakt durchforschten Erscheinung, zum Vorgriff auch auf erst Geahntes und Geplantes» (194, 10). Man sollte vielleicht nur hinzufügen, daß diese Unvollkommenheit eigentlich eben eine Vollkommenheit des sprachlichen Systems ausmacht, da sie die getreue Wiedergabe eines eigenartigen Bedeutungsgehalts ermöglicht, sozusagen die exakte Fixierung eines nicht-exakten Gedanken- und Stimmungsverlaufs.

Auch die quantitätsmäßigen Unterschiede im Gebrauch der grammatischen Formen und Kategorien, die übrigens in der Regel mit der Einwirkung der Funktionalstile, Textsorten, thematischen Be­sonderheiten, Redekonstellationen, Individualstile und anderer Fakto­ren zusammenhängen, lassen sich am richtigsten (und letzten Endes am exaktesten) nicht durch genaue, in gewissen engen Grenzen variierende Angaben fixieren, die vermittels der mathematischen Statistik festgestellt werden, sondern durch Hinweise auf die Tendenzen, die im quantitativen Bereich durch die Wirkung von bestimmten qualitativen. Triebkräften sich beobachten lassen. Die Charakteristiken «oft», «selten», «vorwiegend» usw., die auf dem Wege solcher «symptoma­tischen» quantitativen Analyse gewonnen werden, sind hier gewöhnlich durchaus zureichend und täuschen keine, in Wirklichkeit fehlende, strenge statistische Gesetzmäßigkeit vor (6, 62—72 ).