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§ 21. Genitiv

Im modernen Deutsch ist der Genitiv (der Wesfall) in erster Linie ein adnominaler Kasus. Seine Hauptfunktion ist die des Attributs. Dementsprechend ist seine verallgemeinerte Bedeutung die der Beziehung eines dinghaften Begriffes zu einem anderen. Doch kommen noch heute im Deutschen mehrere andere Funktionen des Genitivs zum Vorschein, die zum Teil mit diesem allgemeinen Bedeu­tungsgehalt nicht zu vereinbaren sind. Es sind aber eher Reste des alten genitivischen Gebrauchs — noch im Frühneuhochdeutschen war der Genitiv einer der wichtigsten adverbialen Kasus. Der Genitiv von heute hat folgende Funktionen:

1. Das Attribut. Als Glied der Substantivgruppe ist der Genitiv in der Literatursprache trotz der Konkurrenz von seiten des Präpositional-attributs und der Zusammensetzungen sehr verbreitet. In der Umgangssprache tritt er seltener auf. In manchen Mundarten ist er vollständig verschwunden. Dies alles bedeutet aber noch nicht, daß der attributive Genitiv (und mit ihm der Genitiv überhaupt) eine abster­bende Kategorie des deutschen Sprachbaus ist, wie z. B. Behaghel behauptet (I, 479—480). Die deutsche Schriftsprache hält am Genitiv­attribut bis heute fest, besonders in der Gebrauchssprache. Der Prozentsatz der substantivischen Ge-nitive ist im Vergleich mit der Zahl der anderen Kasusformen des Substantivs durchaus kommensurabel (vgl. 8, 47—73). Jedenfalls ist mein Aufsatz von 1962 (106), in dem ich die «Rettung» des Genitivs in der Schriftsprache unternahm und ihn zu «rehabilitieren» versuchte, auf keinen Widerspruch gestoßen. Seman­tisch sind die Beziehungen zwischen dem Genitivattribut und dem von ihm bestimmten Worte sehr mannigfaltig. Man kann folgende Hauptarten des Genitivattributs aufgrund ihrer Beziehungen zu den Gliedern verschiedener Entsprechungsparadigmen unterscheiden:

a) Das Genitivattribut steht im Verhältnis der Zugehörigkeit und des Besitzes zum leitenden Wort (genitivus possessivus): Annas Hut, Klaras Hand, das Bein des Stuhls, die Arbeiter der Fabrik, Karls Heimat. Aus den Beispielen ist ersichtlich, daß das Verhältnis des Teiles zum Ganzen (genitivus partitivus) zu der Semantik dieses Typus gehört.

b) Das Genitivattribut steht semantisch im Verhältnis des Subjekts oder des Objekts zum regierenden Wort (genitivus subjectivus und genitivus objectivus). Das regierende Wort ist ein Nomen actionis: Karls Drohung, Tonis Lächeln, die Errichtung des Denkmals. Bei einem Substantiv können zugleich ein Subjekt- und ein Objektgenitiv stehen: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (Engels) (s. 280). An der Grenze zwischen dem genitivus subjectivus und dem Genitiv der Zugehörigkeit stehen Gruppen, deren leitendes Wort kein Nomen actionis ist, sondern die Bezeichnung eines Kunstwerks, ein Buchtitel, überhaupt ein Substantiv, das das Ergebnis irgendeiner Tätigkeit (vor allem auf dem Gebiete der Kunst) bezeichnet: Goethes Gedichte, Schillers ,Liebknechts Rede. Anderseits berührt sich dieser genitivus auctoris mit dem Genitiv der Zugehörigkeit, da hier nicht der Prozeß der Hervorbringung, sondern das schon gewordene, sozusagen «ewige» Verhältnis zwischen dem Künstler und dem von ihm hervorgebrachten Kunstwerk zum Ausdruck kommt. Keine Handlung, sondern das Ergebnis einer Handlung, das zu einer Eigenschaft ihres Urhebers wird, drücken die Wortgruppen vom Typus die Kunst des Dichters, die Macht des Staates aus. Auch sie bilden einen Obergang vom genitivus subjectivus zum Genitiv der Zugehörigkeit.

c) Das Genitivattribut steht semantisch im Verhältnis der inhaltlichen Konkretisierung und qualitativen Charakterisierung zum leitenden Wort (genitivus explicationis und genitivus qualitatis): die Klasse der Arbeiter, die Art des Lernens, die Eigentümlichkeiten eines Landes, das Glück des Wiedersehens, der Mann der Wissenschaft, ein Substantiv männlichen Geschlechts, ein Blick matten Mißmutes. Alle diese Beispiele zeigen eine gewisse innere Verknüpfung der Begriffe, die vom Genitiv und vom leitenden Substantiv bezeichnet sind. Es sind nicht zwei Dinge, die auseinandergerissen werden können, wie es z. B. bei dem possessiven und selbst partitiven Verhältnis der Fall ist. Es ist auch nicht das Verhältnis der handelnden Person und ihrer Handlung, die von der Person getrennt und (allerdings nicht immer) verselbständigt, absolutisiert werden kann. In den- Beispielen wie die Art des Lernens usw. vollzieht sich eben eine Konkretisierung des allgemeineren Begriffs, der im leitenden Wort enthalten ist, seine Füllung durch einen anderen Begriff, der entweder an sich verhältnismäßig konkreter ist oder durch ein Adjektiv konkretisiert wird (Menschen guten Willens). So bilden diese Begriffe eine innere Einheit, durchdringen einander wechselseitig, wie es den Beziehungen zwischen dem Allgemeinen und Besonderen und zwischen dem Gegenstand und seiner Eigenschaft eigen ist. Es gibt freilich auch manche Übergangsfälle zwischen diesem «inneren» Genitivattribut und den vorhergenannten Typen. So gehören die Bildungen vom Muster die Blässe seiner Haut sowohl zum «inneren» Genitiv als auch zum genitivus possessivus. Man soll auch nicht vergessen, daß in allen diesen semantischen Beziehungen letzten Endes die Semantik der Zugehörigkeit enthalten ist.

Wie gesagt, stoßen alle Typen des attributiven Genitivs auf eine erbitterte Konkurrenz von Seiten der Präpositionalkonstruktionen, Zusammensetzungen und (in der ungepflegten Umgangssprache) des possessiven Dativs (Vaters Haus dem Vater sein Haus). Es scheint, daß im heutigen Deutsch von allen Genitivarten besonders gut die Genitive subjectivus, objectivus, possessivus und explicationis ihren Platz behauptet haben.

Nur zwei Arten des Genitivattributs unterscheidet W. Schmidt, der zu seiner Einteilung von M. Regula angeregt wurde. Nach W. Schmidt kann der Genitiv bezeichnen: 1. den Merkmalträger (d. i. den Träger bzw. Erleider einer Handlung, einer Eigenschaft, eines Zustandes, den Besitzer oder Schöpfer), 2. das Merkmal (d. i.. eine Beschaffenheit, Eigenschaft, die Zugehörigkeit, ein Zeit-oder Maßverhältnis, die Art oder den Inhalt) (vgl. 350, 136).

2. Die Bestimmung des Zahlworts: zwei der Genossen, der zweite der Genossen. Der Genitiv hat dabei immer partitive Bedeutung.

3. Das Objekt: Ich harre deiner; Ich bedarf deiner Hilfe; Ich erinnere mich seiner; Er belehrte mich eines Besseren; Er schämte sich seiner Tat; Er beraubte ihn des Lebens. Ziemlich verbreitet ist der Gebrauch des Genitivobjekts nur bei reflexiven Verben und überhaupt bei den Verben, die außer dem Genitiv noch ein Akkusativobjekt bei sich haben. Da sich das Genitivobjekt seiner grammatischen Bedeutung nach dem direkten Objekt nähert, so dient es dazu, den Gebrauch von zwei identischen Formen in der Gruppe des Verbs zu verhüten, wenn die Semantik des Verbs zwei direkte Objekte erfordert. Alle anderen Fälle muten etwas archaisch an — entweder ist das Verb selbst archaisch gefärbt (harren) oder seine Verbindung mit dem Genitivobjekt, das durch andere Formen (das Akkusativobjekt) verdrängt wird (Ich vergaß seiner Worte Ich vergaß seine Worte). Übrigens konkurrie­ren auch bei den Reflexivverben andere Formen (Präpositional­konstruktionen) mit dem Genitivobjekt (Ich erinnere mich deiner Ich erinnere mich an dich). Die Verdrängung des Genitivs aus der Gruppe des Verbs ist eine Folge der anwachsenden strukturellen Absonderung der Gruppe des Verbs von der des Substantivs im deutschen Sprachbau. Doch ist in der deutschen Literatursprache das Genitivobjekt keines­wegs tot.

4. Die adverbiale Bestimmung. Dieser Gebrauch des Genitivs in der Gruppe des Verbs ist besonders stark zurückgegangen. Es werden jetzt nur einzelne, zum Teil halb erstarrte formelhafte Wendungen gebraucht (mit Semantik des Ortes, der Zeit und der Art und Weise): des Weges (gehen), des Tages, des Abends, unverrichteter Dinge. Von alters her war diese Art des Genitivs eine ergiebige Quelle der Nominaladverbien (des Morgens Morgens morgens).

5. Der adjektivbestimmende Genitiv: des Sieges gewiß, einer Heldentat fähig, des Erfolges würdig. Nach Behaghel (I, 552) sind die dazugehörenden Adjektive «wenigstens in der vorliegenden Bedeutung der lebendigen Rede fremd». Aber in der Literatursprache treten sie nicht selten auf, obgleich auch hier der Genitiv als Adjektiverläuterung von den konkurrierenden Formen (Akkusativ und Präpositionalkon-struktion) beträchtlich zurückgedrängt wurde. Bei einigen Adjektiyen schwankt der Gebrauch:

Ich bin des Treibens müde. (Goethe) Sie wurden diesen Unfug müde. (Goethe)

Adjektive mit quantitativer Semantik einige, viele werden sehr oft mit dem partitiven Genitiv verbunden: einige der Studenten, viele der Anwesenden.

6. Die Genitivbestimmung bei den Interjektionen: Oh, des Esels! Im modernen Sprachgebrauch selten.

7. Der präpositionale Genitiv: Dieser Gebrauch des Genitivs sollte eigentlich nicht als gleichartig mit den vorhergenannten betrachtet werden, da der Genitiv mit einer Präposition in denselben Funktionen auftreten kann, die schon oben erwähnt sind. Aber wenn der reine Genitiv als Adverbialbestimmung in seiner Anwendung sehr beschränkt ist, so tritt der Präpositionalgenitiv als Adverbialbestimmung sehr häufig auf und dabei in solchen Abarten dieses Satzgliedes, die der reine Genitiv nicht kennt; mit kausaler Bedeutung (wegen des Diebstahls, infolge seiner Ankunft usw.), mit konzessiver Bedeutung (trotz seiner Bemühungen, ungeachtet seiner Ankunft), mit finaler Bedeutung (zwecks weiteren Studiums). Diese Tatsachen zwingen uns, dem präpositionalen Genitiv einen besonderen Platz im Verzeichnis der syntaktischen Funktionen dieses Kasus einzuräumen. Der Genitiv erscheint nur bei jüngeren Präpositionen, die im Frühneu­hochdeutschen, vorwiegend von den nominalen Stämmen, gebildet wurden, was eben den Gebrauch des Genitivs in Verbindung mit diesen Präpositionen erklärt (es war ursprünglich der adnominale attributive Genitiv). Eine Zeitlang schwankte zwar der Gebrauch des Genitivs, da mit dem Genitiv bei diesen Präpositionen der Dativ konkurrierte (wegen des wegen dem), aber im Laufe der letzten 50—70 Jahre behauptete sich der Genitiv auf diesem Gebiet von neuem. Die Präposition wegen z. B. verbindet sich in der Literatursprache normalerweise wieder mit dem Genitiv. Es ist ein schlagender Beweis für die Lebenstüchtigkeit des Genitivs in der Literatursprache, daß er sich, wenn auch nicht unmittel­bar, sondern durch eine Präposition der Gruppe des Verbs anschließt.

In allen obenerwähnten Funktionen tritt der Genitiv als ein syntaktisch abhängiger Kasus auf und spielt die Rolle eines nicht notwendigen Satzgliedes, was auch seinem Wesen entspricht. Aber in zwei Fällen kann der Genitiv auch als ein unabhängiges und notwendi­ges Hauptglied des Satzes erscheinen.

8. Das partitive Subjekt eines zweiteiligen (nicht zweigliederigen) Satzes: Der zuerst Eintretenden waren zwei (Gutzkow). Diese Konstruktion kommt allerdings nur sehr selten vor. Doch vgl. aus der modernen Prosa: ...und der Unterhaltungen gerade über diesen Gegenstand waren unzählige. (R. Lettau)

Es besteht hier eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen der partitiven ersten Komponente, die dem Subjekt des nominativischen Satzes entspricht, aber im Genitiv steht, und dem Prädikativ mit der quantitativen Semantik (einem Zahlwort). Die Form des Genitivs ist ja ein Ausdruck seiner attributiven Abhängigkeit vom Zahlwort, aber das Zahlwort selbst ist hier als Prädikativ auf den Genitiv ausgerichtet und hängt von ihm ab, da er die Subjektrolle spielt. Es gibt allerdings eine solche wechselseitige Beziehung auch in den Wortgruppen, in de­nen das herrschende Glied ein adjektivisches Wort mit quantitativer Semantik ist. Z. B. eine der Frauen. In dieser Gruppe wird ja die Zahl und das Geschlecht des Adjektivs durch die monoflektiv ausgedrückte Semantik der Adjektiverläuterung bestimmt und bildet semantisch seine Bestimmung, obgleich die Genitivform der Adjektiverläuterung eben die Abhängigkeit dieses Lexems vom Adjektiv ausdrückt. Gerade die Konstruktionen mit wechselseitiger Abhängigkeit bilden überhaupt die Grundlage sowohl für die zweiteiligen Sätze mit Genitiv statt Subjekt als auch für die Distanzierung des Genitivs und Präpositio-nalattributs von dem herrschenden Substantiv: Davon weiß ich kein einziges Wort.

9. Das Prädikativ. Es erscheint fast ausschließlich bei dem kopulativen Verb sein. Ziemlich verbreitet sind die Genitivprädikative mit der Semantik der Zugehörigkeit, des inneren Zustands, zum Teil auch der Beschaffenheit: Dieses Substantiv ist männlichen Geschlechts; Dieses Wort ist lateinischen Ursprungs; Ich bin der Meinung, ...Einige Ausdrücke mit dem prädikativen Genitiv sind schon erstarrt. Ich bin guter Dinge; Ich bin willens. Sehr selten kommt der possessive Genitiv im Prädikat vor: Die Mütze ist Pauls; ...daß sie eines anderen ist. (Hebbel)

Es ergeben sich manche Schwankungen im Gebrauch des Genitivs in verschiedenen Funktionalstilen des Deutschen, selbst in der Schriftsprache. So kommt der Genitiv bekanntermaßen viel häufiger in den wissenschaftlichen, publizistischen und ähnlichen Texten vor als in der Schönen Literatur. Nach T. S. Glusak (277, 85—87) gilt dasselbe auch für das Verhältnis im Gebrauch des «reinen» und des präpositiona-len Genitivs: Der letztere soll in den wissenschaftlichen Texten fast eine Hälfte der Gesamtzahl der Genitive ausmachen, in der Schönen Literatur ungefähr nur ein Drittel. Übrigens kommt in der Schönen Literatur Genitiv in verschiedenen Funktionen vor, auch als Prädikativ. Z. B. Ich bin der Ansicht. (Handke)