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Die Staatsoper:

jedes Theater ist ein Narrenhaus, aber die Oper ist die Abteilung für Unheilbare.

(Franz Schalk. ehemaliger Staatsoperndirektor)

Am 27. Mai 1869 schrieb die »Neue Freie Presse« über das Kärntnertortheater, den Vorgängerbau der heutigen Staatsoper, der sich an der Stelle des heutigen Hotel Sacher befand: »Lange Jahre musste sich die Wiener Hofoper mit einem Hause begnügen. das so ziemlich alle Mängel besaß, die man einem Theater wünschen kann. Enge Treppen, schmale Sitze, Parterre-Logen, die an Gefängniszellen erinnerten. eine Bühne ohne Tiefe, Garderoben. in welchen nur der Anstand des Publikums homerische Kämpfe vermeiden konnte, endlich gar kein Foyer, nicht einen einzigen Raum, in dem man sich während der Zwischenakte zu erholen, wo man Luft zu schöpfen vermochte. «Es scheint dort also nicht sehr gemütlich gewesen zu sein. Deshalb ließ Kaiser Franz Joseph im Zuge der Generalsanierung seiner Residenzstadt (Schleifen der mittelalterlichen Stadtmauer, Errichtung der Ringstraße) eine neue Hofoper planen. Den Auftrag erhielten die beiden Architekten Eduard van der Null und August von Siccardsburg. Die Wiener waren mit dem Aussehen ihres neuen Opernhauses aber überhaupt nicht zufrieden - am Innenstadtbau wurden vor allen Dingen die städtebauliche Einbindung und die Höhenproportionen heftig kritisiert. Das Wort vom »Königgratz der Baukunst« machte die Runde. Die Erbauer konnten mit dieser Kritik nicht umgehen - der zu Depressionen neigende van der Null wählte den Freitod. und Siccardsburg starb einige Wochen später an Herzversagen. Der Tod zieht sich weiter durch die Chronologie der Staatsoper. Der Musiker Gustav Mahler, der auch langjähriger Staatsoperndirektor war, bevor er durch heftige Intrigen ebendort verjagt wurde, soll sich verzweifelt gefragt haben: »Muss man denn hier immer erst tot sein, damit sie einen leben lassen?

LITERATUR

Spätestens der Österreich-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 1995 hat gezeigt, dass Österreich literarisch ein höchst eigenständiges Land ist. Aber noch immer lässt sich eine laue Germanistenrunde mit der Frage anheizen, was denn nun das Österreichische an der österreichischen Literatur ist. Ist es der Geburtsort des Autors? Der Ort, an dem er schreibt? Das Land, wo er gelesen wir? Ist das slowenische Gedicht eines Kärntners ein österreichisches Gedicht? Fragen über Fragen, die nichts daran ändern, dass österreichische Autoren am liebsten in Deutschland verlegt werden, weil sie dort noch eher vom Schreiben leben können. Was die Unterscheidung deutsche Literatur – österreichische Literatur auch nicht leichter macht. Dazu ein Beispiel: 1988 erschien ein 20bändiges Mammutwerk zur Weltliteratur, „Kindlers Neues Literatur Lexikon“ rund 17.000 Seiten um nur 27.000 Schilling. Man findet darin Beiträge über die Literatur Polynesiens und Altpersiens, einen Aufsatz über die Literatur Österreichs findet man nicht.

Die ist in der „deutschen“ Literatur aufgegangen. Das werden die Österreicher den Deutschen noch lange vorhalten, vor allem, weil es genug eindeutig österreichische Autoren gibt. Jeden davon adäquat zu würdigen, würde die Grenzen dieses Buchs sprengen. Es seien nur ein paar Exemplare erwähnt: Beamtenpoet Franz Grillparzer, der seine Bühnenwerke hauptsächlich während der Arbeitszeit verfasste. Oder Johann Nestroy, der in satirischen Possen mit polemischer Schärfe kleinkarierte soziale und politische Strukturen attackiert. Oder Peter Altenberg, der Chronist des Wiener Boheme Lebens, von dem kurze Prosatexte und Skizzen überliefert sind. Oder der Hochsatiriker Karl Kraus, der im Alleingang die Zeitschrift „Die Fackel“ schrieb oder Robert Musil, der die Begriffe „Kakanien“ und „Parallelaktion“ als Chiffren für die gelähmte k.u. k Monarchie erfand und dessen „Der Mann ohne Eigenschaften“ trotz mehr als 1000 Seiten Umfang ein Fragment geblieben ist. Nach 1945 erlangte die Sprachkunst des Peter Handke besondere Aufmerksamkeit. Seine unorthodoxe Sichtweise des Krieges im ehemaligen Jugoslawien rief fast ebenso viele Kontroversen hervor wie das Spätwerk Thomas Bernhards, in dem das österreichische Granteln zum Stilprinzip erhoben ist. Peter Turrini verwechselt immer öfter die Feder mit dem Zeigefinger, was Elfriede Jelinek in ihren Texten noch nie passiert ist. Der einzige Schriftsteller, der so richtig von seinen Romanen leben kann, ist wahrscheinlich Johannes Mario Simmel, Besteller-Autor aus Wien.

Ob sich der Durchschnittsösterreicher die Werke (oder wenigstens ein Werk) der großen österreichischen Dichter zu Gemüte führt, bleibt dahingestellt. Man weiß zwar aus Umfragen, dass Lesen im Fernseh-und Internet-Zeitalter zunehmend an Bedeutung verliert. Doch wer gibt schon freiwillig zu wenig oder gar nicht zu lesen? Der mutige Erwin Pröll, Niederösterreichs Landeshauptmann, machte den Anfang – er habe nur ein Buch in seinem Leben gelesen, nämlich „Der Schatz im Silbersee“ von Karl May. Noch mutiger war Tennisspieler Thomas Muster, der sich bei einem passenden outete – der Präsentation seiner Autobiographie: „Ich habe mir in meinem Leben drei Bücher gekauft…“ sagte er. Warum er dann erwartet, dass es andere tun, lässt sich nur ahnen, zeigt aber recht schon den grenzenlosen Optimismus der Österreicher.