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Пелашенко, Серебрякова. KONJUNKTIV.doc
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3. Das Gedicht von Peter Bichsel heißt „Erklärung“. Lesen und kommentieren Sie es.

Am Morgen lag Schnee

Man hätte sich freuen können. Man hätte Schneehütten bauen können oder Schneemänner, man hätte sie als Wächter vor das Haus getürmt.

Der Schnee ist tröstlich, das ist alles, was er ist – und er halte

warm, sagt man, wenn man sich in ihn eingrabe.

Aber er dringt in die Schuhe, blockiert die Autos, bringt Eisenbahnen zum Entgleisen und macht entlegene Dörfer einsam.

4. Der Konjunktiv ist eine besondere grammatische Form, davon überzeugen Sie sich noch einmal, wenn Sie folgende Geschichte lesen.

Schöne Muttersprache

Wie das morgens an der Haltestelle so ist: Wir standen und starrten in die Richtung, aus der der Bus kommen musste.

„Vielleicht hat er Verspätung“, meinte eine Frau. Ein etwas zerstört wirkender Mann mit randloser Brille schaute auf seine Uhr und sagte: „Käme er jetzt, führe er pünktlich.“

Die Umstehenden betrachteten ihn betroffen. Zwei Mädchen kicherten. “Warum redet der Opa so komisch?“ fragte ein Kind.

„Der kann wohl nicht richtig deutsch“, erwiderte die Mutter. „Er meint, wenn der Bus gleich kommen würde, würden wir pünktlich fahren. Na, wir kennen ja die Verspätungen von dem Bus.“

„Könnten wir pünktlich fahren und dessen Verspätungen“, korrigierte der Mann mit der Brille “ Die Verspätungen des Busses.“

Die Mädchen kicherten wieder, und eine sagte: “Der redet so geschwollen. Hat sicher wat mit die Mandeln, wa.“

Ich fürchtete, er würde „sicherlich etwas mit den Mandeln“ verbessern. Doch er sprach nur gequält: „Mancher hat eben kein Verständnis für gutes Deutsch“.

Dadurch fühlte sich ein junger Mann angesprochen, der für drei Sekunden seine Kopfhörer zurückgeschoben hatte. Er trug ein T-Shirt mit einem Ausdruck „I´m a clever old man“. Ohne die Bearbeitung seines Kaugummis zu unterbrechen, quetschte er heraus: „Nicht jeder hat `n Feeling für Deutsch. wa, mir lässt det janz cool. Bei mir nur Englisch! Okay?“

Der Mann schwieg pikiert. Später im Bus sagte ich leise zu ihm :“Da sind Sie aber angeeckt.“ „Wieso eigentlich? Ich benutze doch nur korrekt den Konjunktiv, die Möglichkeitsform. Hier stehe ich und kann nicht anders: Ich bin Germanist.“

Ich sah ihn mitleidig an: „Pech für Ihnen.“

Überlegen Sie!

Welche Formen des Konjunktivs gebraucht der Opa?

 Wie schätzen die Mädchen diese Ausdrucksweise ein und warum?

 Wie formuliert denselben Satz die Mutter?

 Welchen Modus gebrauchen die beiden?

Welcher Unterschied besteht in ihrer Rede?

  Warum reden die Personen so verschieden?

5. Hier ist ein Auszug aus der Kurzgeschichte, die Max von der Grün geschrieben hat. In dieser Geschichte setzt der Schriftsteller die Modi ganz bewusst ein. Mit welcher Absicht? Das erfahren Sie aus dem Text.

Masken

Auf der Durchreise treffen sich ein Mann und eine Frau zufällig wieder. Sie ist Verkäuferin, er arbeitet auf dem Bau – so war es schon vor 15 Jahren, und es hat sich nichts daran geändert. Sie fühlen sich auch noch immer zueinander hingezogen. Trotzdem finden sie nicht zusammen:

Erzähle, was machst du jetzt? Bist du verheiratet? Hast du Kinder? Wo fährst du hin? Er lachte sie an, sie aber sah aus dem Fenster auf die Tauben. Ich bin jetzt Leiterin eines Textilversandhauses hier in Köln, du kannst dir denken, dass man da von morgens bis abends zu tun hat und...

Donnerwetter! rief er und klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch. Donnerwetter! ich gratuliere... Schade, dachte er, wenn sie nicht so eine Bombenstellung hätte, ich würde sie jetzt fragen, ob sie mich noch haben will. Aber so? Nein, das geht nicht, sie würde mich auslachen wie damals.

Ich, sagte er gedehnt... bin seit vier Jahren Einkaufsleiter einer Hamburger Werft, na ja, so was Besonderes ist das nun wieder auch nicht. O, sagte sie und sah ihn starr an...

Er hatte ihr damals nicht genügt, der schmal verdienende und immer ölverschmierte Schlosser. Er solle es erst zu etwas bringen, hatte sie ihm damals nachgerufen, vielleicht könne man später wieder darüber sprechen...

Schade, wenn er nicht so eine Bombenstellung hätte, ich würde ihn fragen, ja, ich ihn, ob er noch an den dummen Streit von damals denkt und ob er mich noch haben will. Ja, ich würde ihn fragen, aber jetzt?

Sie sah ihm nun direkt ins Gesicht und fragte: Du bist nicht verheiratet?

Weißt du, antwortete er, das hat seine Schwierigkeiten ... Jetzt müsste ich ihr sagen, dass ich sie noch immer liebe, dass es nie eine andere Frau für mich gegeben hat, dass ich sie all die Jahre nicht vergessen konnte. Wie viel ? Fünfzehn Jahre? Eine lange Zeit. Mein Gott, welch eine lange Zeit! Und jetzt? Ich kann sie nicht mehr fragen, vorbei, jetzt, wo sie so eine Stellung hat. Nun ist es zu spät, sie würde mich auslachen, ich kenne ihr Lachen, ich habe es im Ohr gehabt, all die Jahre...

Jetzt müsste ich ihm eigentlich sagen, dass er der einzige Mann ist, dem ich blind folgen würde, wenn er mich darum bäte ... Ich sollte das sagen. Aber jetzt? Jetzt hat er eine Bombenstellung, und er würde mich nur auslachen, nicht laut, er würde sagen, dass ... ach ... es ist alles so sinnlos geworden.

Sprechen Sie über die Rolle des Konjunktivs in der dargestellten Situation, indem Sie folgende Fragen beantworten.

 In welchem Modus sind die Reden und in welchem die Gedanken des Mannes und der Frau

wiedergegeben?

 Schreiben Sie die Konjunktivformen heraus. Was drücken sie aus?

  Wie erreicht es Max von der Grün, dass der Leser mehr über die beiden erfährt?

 Überprüfen Sie Ihre Behauptungen an den Textstellen, die die weiteren Gedanken

 des Mannes und der Frau wiedergeben.

  Was bedeutet der Titel, den Max von der Grün seiner Kurzgeschichte gegeben hat:

„Masken“?

6. Der Konjunktiv wird auch gern in den Zeitungen gebraucht. Dieser Konjunktiv hat die Form der indirekten Rede; er wird auch Zitierkonjunktiv genannt. In der korrekten geschriebenen Sprache wird er gebraucht, wenn man wiedergibt, was ein anderer gesagt oder geschrieben hat, wie der folgende Zeitungstext zeigt.

Die Kunst des Möglichen

Politiker und Fernsehmoderatoren machen es vor, alle anderen machen es nach: Viele deutsche Muttersprachler verzichten in der Alltagssprache weitgehend auf den korrekten Gebrauch des Konjunktivs. Das geht auf Kosten der Präzision und trägt zur Verarmung der Alltagssprache bei. Ein Plädoyer für die Möglichkeitsform von Brigitte Grunert.

1 Viele Politiker fordern, dass die Fernzüge wieder am Bahnhof Zoo halten. „Es wäre ein Zeichen von Größe, wenn Herr Mehdorn seinen Widerstand aufgibt“, meinte der Abgeordnete Christian Gaebler (SPD) neulich. Irrtum, es wäre, um bei Gaeblers Worte zu bleiben, ein Zeichen von Größe, wenn seinen Widerstand aufgäbe, denn er tut es ja bisher nicht.

2 „Ich glaube, es wäre ganz gut, wenn wir zu einer Politik zurückkehren, die sich um eine sachliche Lösung von Fragen bemüht“, bemerkte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt während des jüngsten Koalitionsstreits über die Gesundheitsreform. Es war ein Appell. Folglich wäre es gut, wenn wir zurückkehren (zurückkehren würden). Ist die Rückkehr jedoch keine bloße Vorstellung mehr, sondern beschlossen, drückt man das im Indikativ aus: Es ist richtig, dass wir zurückkehren. 3 Es wäre sehr gut, wenn wir den Konjunktiv, die Möglichkeitsform, beherrschten. Es ist nämlich, wie die Beispiele zeigen, unentbehrlich. Stattdessen gehen wir liederlich mit ihm um. In einem CDU-Antrag las ich das reinste Durcheinander: „Hier klagen viele Betroffene, dass in ihrem zuständigen Job-Center keine Gebärdendolmetscher zur Verfügung stehen und sie deshalb nicht die adäquate Betreuung erhielten, die ihnen zustünde.“ Werden die Klagen nur in indirekter Rede wiedergegeben, ohne Gewähr für den Wahrheitsgehalt? Dann gilt der Konjunktiv I: Viele klagen, dass keine Dolmetscher zur Verfügung stünden und sie nicht die Betreuung erhielten, die ihnen zustehe (Singular!). Aber: Wäre er blind, stünden ihm Hilfe zu. Man kann den Satz natürlich auch durchgehend im Indikativ, der Wirklichkeitsform, formulieren, falls schlicht die Tatsache der Klagen genannt ist.

4 Vom Konjunktiv II, mit dem man nur eine Vorstellung ausdrückt, haben viele offenbar so viel Ahnung wie Blinde vor der Farbe. Sonst würden sie sich nicht so oft irren bei der Wahl der Verbformen wie gebe und gäbe, sei und wäre, habe und hätte, liege und läge und so fort. Andreas Statzkowski (CDU) sprach vor dem Parlament von einem Hinweis Anfang letzten Jahres, „dass die Scientology ,Church’ einen Bauantrag … gestellt hätte“. Gemeint war, Scientology habe einen Bauantrag gestellt (Konjunktiv I). Ich hätte einen Bauantrag gestellt, wenn ich hätte bauen wollen (Konjunktiv II).

5 So einfach ist das mit dem Konjunktiv und doch so schwierig. Neulich bedauerte eine Rundfunkmoderatorin gar, dass sie ihn gerade mehrfach gebraucht hatte, „klingt nicht gut“. Du liebe Güte, da fragt man sich, ob der Konjunktiv noch zu retten ist. Gewiss ist er manchmal unbequem, aber doch nicht altmodisch.

Der Tagesspiegel. 28.01.2007.

Und jetzt ziehen wir die ersten Schlussfolgerungen!


● Überlegen Sie!