Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:
Deutschstunde.doc
Скачиваний:
44
Добавлен:
24.03.2015
Размер:
508.93 Кб
Скачать

Thema:Die Jugend in der BRD

Grammatik:Ausdruckformen von Art und Weise einer Handlung

Sprachliche Mittel zum Ausdruck der Folge

Grammatik zur Wiederholung: Gebrauch des Konjunktivs von Verben „haben“, „sein“ mit „zu + Infinitiv“

Wortbildung: Suffixe - weise, -voll

I Siegfried Lenz und sein Roman „Deutschstunde“

Der hervorragende westdeutsche Schriftsteller Siegfried Lenz, 1926 in Lyck (Ostpreußen) geboren, arbeitete zunächst für Zeitungen und Rundfunk und lebt heute als freier Schriftsteller in Hamburg. Er debütierte in der Literatur in den fünfziger Jahren, im ersten Jahrzehnt nach der Gründung der BRD. In dieser Zeitperiode bildet sich in der westdeutschen Literatur eine bürgerlich-humanistische Richtung heraus, die von den Literaturforschern der BRD als „Junge deutsche Literatur der Moderne“ bezeichnet wird. Eine ganze Reihe junger Autoren, solcher wie Heinrich Böll, Wolfgang Koeppen, Martin Walser, Alfred Andersch u.a. suchen nach neuen Schreib- und Gestaltungsweisen und versuchen in ihren Werken Widersprüchlichkeit des menschlichen Daseins in den Verhältnissen des westdeutschen „Wirtschaftswunders“ aufzudecken, das bereits begonnen hat. Die meisten von ihnen betrachten jedoch die Gegenwart in einem untrennbaren Zusammenhang mit der jüngsten Vergangenheit. Das bestehende Erbe der Nazizeit bleibt für ihr Schaffen bestimmend.

Auch Siegfried Lenz wendet sich der faschistischen Vergangenheit zu und sieht hier eine Möglichkeit, Gegenwartsfragen zu diskutieren und vor allem das Jugendproblem. In seinem umfangreichsten Roman „Deutschstunde“ (1968) schildert er Weltanschauung und Geistesverfassung der Jugendlichen, die die Atmosphäre der faschistischen Diktatur in ihrer Kindheit erleben mussten.

Die Handlung des Romans spielt im Jahre 1954. Sein Held und Erzähler Siggi Jepsen, 21 Jahre alt, befindet sich in einer Hamburger Besserungsanstalt. Er soll in der Deutschstunde einen Aufsatz über die Freuden der Pflicht schreiben. Als er leere Blätter abgibt, wird er in die Einzelzelle gesperrt, er muss seine Arbeit hier schreiben. Siggi erinnert sich zurück bis ins Jahr 1943, an seinen Vater Jens Ole Jepsen, der im schleswig-holsteinischen Dorf Rugbüll seinen Dienst als Polizist tut. Eines Tages muss der Polizist seinem ehemaligen Jugendfreund, dem weltberühmten Maler Max Ludwig Nansen, der in dieser Gegend lebt, den Berufsverbotbescheid der national-sozialistischen Kulturfunktionäre übergeben und für dessen Einhaltung sorgen. Der Vater verfolgt Nansen, der nicht aufhören kann, zu malen, mit paranoider Besessenheit, selbst als die Herrschaft der Nazis schon lange beendet ist. Der zehnjährige Sohn versucht die Bilder des Malers vor der Vernichtung zu retten, er folgt dem Vater auf Schritt und Tritt und erkrankt an einem sonderbaren psychischen Leiden, das ist eine Art Kleptomanie. Er sieht überall die Gefahr, die den Bildern droht und fängt an sie zu stehlen. Nachdem er auf einer Ausstellung ein Gemälde von Nansen entfernt hatte, wurde er wegen Diebstahls bestraft.

Wir bringen einige Episoden aus dem Roman, wo der Schriftsteller das Leben der Jugendlichen in einer Korrektionsanstalt schildert.

Kurtchen

Dort auf dem Hügel, gegenüber vom blauen Direktionsgebäude liegt das Haus, das wir Zuzugshaus nennen. Stellen Sie sich vor, alle acht Zimmer sind belegt mit Zugezogenen, mit Neuen, die die Barkasse aus Hamburg herübergebracht hat. Ich stehe neben meinem Bett, dicht vor der Holzwand und rauche. Draußen zieht ein Trupp schwer Erziehbarer in Drillich gekleidet, mürrisch zur Feldarbeit. Mein Blick fällt auf den zerschrammten, an Ketten hängenden Anlegeponton, an dem die Barkasse aus Hamburg festmacht, um pro Woche, sagen mir mal, bis zu zwölfhundert Psychologen abzusetzen, die sich geradezu krankhaft für schwer erziehbare Jugendliche interessieren. Sie werden ins blaue Direktionsgebäude geführt und nach Ermahnungen zu Vorsicht und unauffälligem Forschen scheinbar absichtslos über unsere Insel schwärmen und sich an meine Freunde heranmachen. Sie bemühen sich, ein Bild von uns zu gewinnen, unseren Lebenslauf unter ihr wissenschaftliches Brennglas zu halten. Vielleicht intressieren sie sich deshalb so für uns, weil die Direktion errechnet hat, dass jeder, der auf dieser Insel gebessert worden ist, nach seiner Entlassung mit achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit nicht wieder straffällig wird.

Ich bin auf Zimmer sieben zusammen mit Kurtchen Nickel, der am Tag zuvor die Einrichtung zerschlagen hat in einem seiner Hassausbrüche. Er hat schwarzes Haar, trägt ein schwarzes Hemd, das über der Brust aufgeknöpft ist, jetzt liegt er auf seinem Bett wie versteinert, der ehemalige Artist. Spezialität: Kraftakt. Lauscht er? Horcht er wie ich auf die Stimme von Direktor Himpel, der mit einer Delegation ausländischer Psychologen das Zuzugshaus betreten hat und Zimmer für Zimmer die Möglichkeiten und Risiken einer neuen Erziehungsmethode erläutert.

Direktor Himpel (im Nebenzimmer): Eine Schleuse, wenn ich so sagen darf, dies Zuzugshaus soll die Funktion einer Schleuse haben.

Ein Psychologe (akzeptisch): Wenn ich recht verstehe, soll also hier der junge Verurteilte auf die Gefangenschaft vorbereitet werden.

Himpel: Man kann es auch Druckkammer nennen, oder Gleitbahn. Um dem jungen Gefangenen den Schok des neuen Zustandes zu ersparen, gleitet er gewissermaßen in die Gefangenschaft hinein. Der Übergang wird ihm erleichtert. Ich sage schon: hier findet er zwar nicht die Freiheiten, die er draußen hatte, aber einige bleiben ihm erhalten: er darf rauchen, Radio hören, sich einen halben Tag selbst einteilen und sich außerdem frei auf der Insel bewegen.

Psychologe: Und wie lange bleibt er hier?

Direktor: Drei Monate. Wenn unsere Jungen als Verurteilte zu uns kommen, bleiben sie drei Monate im Zuzugshaus. Bisher hat sich diese schrittweise Vorbereitung auf die Gefangenschaft bestens bewährt.

Kurtchen, plötzlich erwachend, springt vom Bett auf, stiert mich hasserfüllt an: Wo sind sie? Wo sind die Schweine?

Ich: Kannst doch hören, auf fünf.

Kurtchen: Du wirst dabeisein, Kleiner, du wirst Publikum sein, wenn ich einen von ihnen fertigmache. Gewalttätigkeit: deswegen haben sie mich hierhergeschleppt, gewalttätiges Verhalten in siebenundzwanzig Fällen. Jetzt können sie erleben, was es heißt, wenn ich gewalttätig werde...

Direktor Himpel (im Nebenzimmer): So ist es, nicht alle Jungen bleiben gleich lange im Zuzugshaus. Wir haben da ein spezielles Stufensystem ausgearbeitet, nach dem wir entscheiden, wie lange jemand hier wohnt.

Kurtchen (zieht ein kleines stehendes Messer in einem Lederetui heraus): Wenn nicht der Ankläger, dann einer von ihnen. Sie sind alle gleich, verstehst du. Sie hassen uns, sie sind neidisch auf uns, weil wir jung sind.

Direktor Himpel (im Nebenzimmer): Bei leichteren Fällen genügt mitunter schon ein Aufenthalt von zwei Wochen hier in der Schleuse. Wie gesagt, die Länge des Aufenthaltes richtet sich nach der psychischen Empfindlichkeit. Wenn dann der Wechsel ins feste Haus erfolgt ist, treten kaum noch Störungen auf. Die Störungen werden vermieden, doch wenn sie auftreten, dann treten sie hier auf.

Kurtchen (weiter seinen Hass motivierend): Keiner von diesen Hunden machte auch nur den Versuch, mich zu verstehen. Ich bin nun mal so. Wer mein Mädchen nicht zu lange ansah, wer sie nicht berührte, der hatte auch nichts von mir zu erwarten. Nur wenn einer sich festsaugte an ihr, oder wenn er sie anfasste, dann riss etwas bei mir. Ich verbat mir das, verstehst du. Ich ging hin zu dem Betreffenden und ersuchte ihn höflich, falls er nicht die Fresse poliert haben wollte, das Interesse für mein Mädchen abzulegen. Manche waren vernünftig, manche nicht. Und dass ich mich zur Wehr setzte, nennen diese Schweine Gewalttätigkeit.

Ich (zu Kurtchen, langsam auf ihn zugehend): Lass den Quatsch. Steck das Messer weg.

Kurtchen (warnend): Bleib da stehen.

Ich (stehenbleibend): Wenn du das machst, kommst du hier nicht raus.

Kurtchen (lachend): Ich will nie mehr raus, verstehst du. Ich will denen nur noch einmal etwas beweisen, was dann kommt, ist mir egal.

Ich: Und wenn du den Falschen erwischt?

Kurtchen: Unter denen gibt’s keinen Falschen, die sind alle richtig. Statt uns zufrieden zu lassen, uns ordentlich einzusperren, machen sie aus der Insel eine Manege und uns zu Zirkuspferden.

Ich: Du versaust dir alles, wenn du das tust.

Kurtchen: Du hast wohl nicht gemerkt, Kleiner: die haben uns schon längst alles versaut. Du hättest mal den Ankläger hören sollen: Die Gesellschaft wollte der vor mir schützen. Für die Gesellschaft forderte er das Recht, vor mir sicher zu sein. Also im Namen von Tante Luise und Onkel Wilhelm hat der mich hierherbringen lassen.

Direktor Himpel (auf dem Gang): Und diesem Zuzugshaus verdanken wir, dass die Fluchtversuche erheblich abgenommen haben: etwa acht im Jahr. (Ein langsam fallender Schritt nähert sich unserer Tür, Kurtchen tritt zurück, senkt die Hand mit dem Messer, konzentriert sich und verwarnt mich vorsorglich durch einen Blick).

Ich (vorm offenen Fenster): Tu’s nicht, du bist verrückt.

Kurtchen (zornig): Ruhig jetzt.

Die Tür wird geöffnet. Kurtchen weicht langsam zurück, duckt sich zum Sprung. Joswig, der Wärter, tritt ein, einen Finger ermahnend auf den Lippen, er will uns einstimmen, verwarnen, vorbereiten. Kurtchen springt auf Joswig zu, er reißt das Messer hoch. Kein Aufschrei, kein Stöhnen. Die erzwungene Lautlosigkeit, mit der Kurtchen angreift, Joswig abwehrt. Joswig schlägt zu. Kurtchens Hand fliegt hoch, das Messer fällt auf den Boden. Joswig vor die Füße. Kurtchen sieht Joswig geduckt und hasserfüllt an, bückt sich, streckt eine Hand nach dem Messer aus, doch bevor er es erreicht, tritt Joswig auf seine Hand. Kurtchen taumelt zu seinem Bett, lässt sich fallen, behaucht und massiert seine Hand.

Joswig: Jetzt langt’s doch wohl aber.

Kurtchen (zischend): Wart nur, Sauhund.

In das Zimmer treten ein: sieben Psychologen aus fünf Ländern, hinter ihnen, frische und erzieherische Fröhlichkeit verbreitend, Direktor Himpel. Die Eingetretenen sehen sich im Zimmer um, mustern uns wie Möbelstücke.

Joswig (gutmütig zu Kurtchen): Willst du nicht aufstehen?

Kurtchen reagiert nicht. Direktor Himpel und die Psychologen tauschen einen Blick voll leichter wissenschaftlicher Erregung aus, statt Befremden zeigen ihre Gesichter einen Ausdruck jähen Interesses.

Himpel (zu Joswig): Ist hier etwas vorgefallen, etwas Besonderes?

Joswig: Ich glaube kaum. (Zu Kurtchen hinüberblickend): Soll ich ihm Beine machen? Wenn Sie wollen, bring ich ihm gleich mal Respekt bei.

Himpel (abwinkend): Danke, mein lieber Joswig, nicht nötig. Wir werden schon allein mit ihm fertig.

(An Kurtchens Bett herantretend, die Psychologen bilden einen Kreis um ihn). Wir verstehen das ja, Herr Nickel, jeder von uns hat mal schlechte Laune, aber nun sind wir aufeinander angewiesen, fast hätte ich gesagt: wir müssen uns gegenseitig helfen.

Kurtchen (seine Hand pressend): Schieben Sie ab, Mensch, und quatschen Sie mich nicht von der Seite an.

Ein Psychologe: Jussupowscher Hassfaktor, schätze ich.

Himpel (mit unentmutigter Freundlichkeit): Natürlich lassen wir Sie bald allein. Aber vielleicht tun Sie mir vorher einen Gefallen. Diese ausländischen Herren möchten gern erfahren, warum man Sie hierhergebracht hat. Übrigens darf ich du zu Ihnen sagen, ich nenne hier alle Jungen du.

Kurtchen: Mir ist scheißegal, wie Sie mich anquatschen.

Himpel (beharrlich): Nun, warum also, warum, glaubst du, bist du hier?

Kurtchen (wirft sich auf den Rücken, starrt zur Decke, behaucht seine Hand): Weil mir Kinder so gut schmecken, und weil ich schon zum Frühstück ein kleines Kind aß.

Himpel (nicht ärgerlich, eher so, als ob er sich auch durch solch eine Antwort belohnt fühlt): Und außerdem? Das ist doch nicht der einzige Grund.

Kurtchen (ruhig): Weil mir speiübel wird von alten Knackern und alten Tanten, und weil ich einen Verein gegründet habe.

Himpel: Was für ein Verein?

Kurtchen: Zur Beseitigung alter Knacker und Tanten.

Ein Psychologe: Abnormer Agressionskoeffizient.

Ein zweiter Psychologe (sich über Kurtchen beugend): Starker Mann, eh? Alles zittert vor ihm, eh? Wenn du dich wirklich so stark fühlst, dann komm morgen mal über in die Sporthalle, da können wir Boxhandschuhe anziehen. Dann können wir mal sehen, wer wem die Fresse poliert.

Kurtchen: Schieb ab, Opa. Und pass auf, dass dir nicht zuviel Kalk aus dem Hosenbein rieselt.

Himpel: Mein lieber Kurt Nickel, du hast es hier doch nicht mit Gegnern zu tun. Wir wollen dir helfen. Aber um dir helfen zu können, müssen wir dich zuerst verstehen.

Joswig: Wünschen Sie, dass er hochkommt, Herr Direktor?

Himpel: Nein, er soll ruhig entspannen.

Kurtchen: Ich kenne nur diese paar Wörter. Jetzt ist Sense bei mir. Von mir hören Sie nichts mehr.

Himpel: Na schön, wir werden ja noch oft die Gelegenheit haben.

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]