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Юдина Л.Д.Политология.doc
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3. Der "Dritte Weg" als Ziel

Von herbert kremp

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und sei es der Dritte. Die Welt der multiplen Krisen braucht neue Visionen. Infarkte des Globalismus bringen an den Tag, daß die Geschichte leider nicht zuende gegangen ist, sondern auf dem gewohnten Weg an Abgründen entlangführt. Das erheischt Trost, Sicherung, Ermutigung.

Wo das Vertrauen verlorengeht, wie in dem von Rezessionen betroffenen Teil der Erde, kommt rebellische Stimmung auf. Im atlantischen Westen, der nach Auskunft von Greenspan, Rubin und Duisenberg stabil ist, grassiert Angst um die Besitzstände. Übrigens nicht erst seit dem Crash in Raten. Sozialgesicherte Bürger wählen in solchen Situationen instinktiv strukturkonservativ.

Das kann auf zweilerlei Art geschehen: Schröder gewann, indem er hoffen ließ, das soziale Kind zu schaukeln; es seien keine Einbußen zu erwarten, im Gegenteil (Contra-Erlkönig-Wahl).

Sein Partei-Kollege Persson in Schweden verlor, weil er nach Ansicht der Mehrheit das soziale Kind fahrlässig in den Brunnen stieß und Fitness-Reform über die gewohnten Staats-Gewährleistungen setzte (Pro-Volksheim-Wahl).

Während Persson in einer nach links gepreßten Koalition tätige Reue üben muß, hat ein Kanzler Schröder von nun an seine "neue Mitte" gegen die Alt-Linke des SPD-Milieus und grüne Expertise zu verteidigen. Sozialkonforme Modernisierung muß sich nicht als gerösteter Schneeball erweisen.

"Schröder im Glanz der Blair-Clinton-Prodi-Prominenz"

Gleichwohl: Neue Mitte als attraktive Devise entzieht sich exakter Definition. Als Kontinuität dargestellt, wirkte sie wie der Rechen im Garten; er holte Fallobst ein vom Baume Kohl.

Seit jeher eignet dem Mitte-Begriff mählich bewahrender Sinn. Kündigung von Ansprüchen sieht er nicht vor. Weil die CDU/CSU das tat, also Modernität mit der Reform eines unhaltbaren Sozialsystems betrieb, erhielt Schröder den Zuschlag. Mit dem Koordinatenkreuz auf der Schulter strebt er nun zum neuen Standort Mitte, freischweifend wie Hegels Geist. Mitte in Neuform ist nicht Punkt, sondern Weg, nicht selten nichts als Bewegung.

Stets aber Souverän, markiert Mitte drei Wege: Einen rechten, einen linken und den eigenen, hauptsträßigen "Dritten". Napoleon bahnte ihn zwischen der jakobinischen Linken und der rechten Reaktion. Metternich balancierte. Zu Bismarcks Zeit entstand die "Zentrums"-Partei als politisches Gewicht. Im Frühjahr der Weimarer Republik gab es eine Schwerpunkt-Koalition gegen Kommunisten und nationalistische Rechte.

Zwischen die Fronten sowjet-gestützter kommunistischer und US-gestützter kapitalistischer Gesellschafts-Vision schob sich die soziale Marktwirtschaft, eine Erfindung Röpkes, Müller-Armacks und Erhards, als Kunst der Mitte oder "Dritter Weg". Er war ein europäischer Welterfolg, bis er sozialfinanziell zur Sinekure der Angestellten-Kultur denaturierte. Der globale Wettbewerbs-Rigorismus stellt seine Existenz in Frage. Der politisch lange vernebelte Umschlag des Wunders in Schwerlast trifft eine Gesellschaft mit den höchsten Sozialanwartschaften der Geschichte und der renitentesten individualistischen Beanspruchung aller durch alle.

Die "rent seeking society" hat weder sichere Renten noch sichere Renditen, aber eine Rund-Verbunkerung im Maginot-Format. Da der bürgerliche Versuch des flexiblen Gefechts halbherzig blieb, hat Europa so gut wie keine bürgerlich geführten Regierungen mehr, während die linken Eliten ums Eigemachte bangen: Der Wettbewerbs-Rigorismus wird die Globalismus-Krise überstehen; die Sozial-Architektur ist auch durch Vermögens-Konfiskationen nicht zu retten; Gleichheit schafft keine Arbeitsplätze. Und der Staat droht hinter den Westfälischen Frieden zu versinken – passte als Ordnungs-Macht des Rechts und der Ökonomie, des Keynesianischen oder gar des sozialistischen Richtens.

Was ist, was will Schröders "Neue Mitte" – Wille, wo ist dein Weg?

Tony Blair sieht für die westlichen Gesellschaften einen "gerechten" Modernisierungspfad zwischen Freimarkt-Kapitalismus und Staats-Intervention. Der Wortführer des Dritten Weges ist Angelsachse, Erbe der Handtasche von Frau Thatcher, der höchsten Privatisierungs-Rate und größten arbeitsrechtlichen Flexibilität. Sunny-Boy in sich neigender Sonne, moralisch ergriffen von Werten, die Abendland, Sozialismus und Liberalismus bergen; Anwalt der Mühseligen und Beladenen, mehr aber der in ihren Anwartschaften bedrohten Mittelklasse; Herold des Bildungs-Kreativ-Konzepts, der Elternpflicht und Solidartugend. Faszinierend, dieses Schaufeln und Häufeln der Begriffe.

Schröder fühlt sich angezogen, von der Dritten Art, aber auch von der Blair-Clinton-Prodi-Prominenz, die Glanz abstrahlt. Ist das die Antwort auf die Heimsuchung des globalen Spiels, die Chance zur Erhaltung der Ansprüche dabei doch "New Deal", neuer Konsens?