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Юдина Л.Д.Политология.doc
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Gefängnis statt Arbeit

Insgesamt, schreibt Coates, säßen derzeit mehr als 1,8 Millionen Menschen in amerikanischen Gefängnissen ein. Der Arbeitslosenstatistik kommt es zugute. Zusätzlich werde die Zahl der Arbeitslosen durch die Umwandlung von regulären Arbeitsplätzen in Teilzeitjobs künstlich heruntergedrückt. 1997 gaben vier Millionen amerikanische Teilzeitkräfte an, daß sie lieber Vollzeitjobs hätten, aber dergleichen nicht zu finden sei.

Für einen Mann wie Eberhard von Brauchitsch, der noch den paternalistischen Kapitalismus kennengelent hat, müßte "Models of Capitalism" eine deprimierende Lektüre sein. Noch dazu, da Coates, anders als von Brauchitsch, der Ansicht ist, daß es so etwas wie Globalisierung wirklich gibt: Sie besteht für ihn vor allem in der zunehmenden Wanderlust des Kapitals, samt der damit einhergehenden Schwächung des Staates und seiner guten Absichten. Aber der Neoliberalismus werde damit so wenig fertig wie die soziale Marktwirtschaft oder der in Asien praktizierte Korporatismus. Damit ist Coates bei dem weithin bestaunten Befund angelangt: Die Wirtschaftstheorie ist ratlos. Ihre Empfehlungen derzeit: diffus und vage – womöglich noch diffuser und noch vager als das wilde Wünschen der Demonstranten in Seattle, Washington, London, Melbourne und Prag.

Franziska Augstein

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2. Die Zukunft der Nationalstaaten Der Bremer Politikwissenschaftler Michael Zürn* entwirft eine globale Regierungslehre / von volker heins

Als ein britischer Anthropologe gegen Ende der Kolonialzeit einige Dörfer im südlichen Sudan besuchte, wunderte er sich, daß ein friedliches soziales Leben möglich war, obwohl niemand irgendeine formalе Autorität auszuüben schien. Zwar gab es hier und da alte Männer mit Leopardenfellmützen, die bei Streitfällen als rituelle Schlichter auftraten. Das Leopardenfell jedoch gab ihnen keinerlei Macht, neue Regeln des Zusammenlebens aufzustellen und durchzusetzen. Einige Jahrzehnte später können wir dasselbe Bild maßstabsvergrößert betrachten. So ist es heute die ganze Welt, die nach Ansicht der meisten Beobachter zum globalen Dorf zusammenschrumpft, und wieder dürfen wir wie jener Anthropologe bestenfalls von einem Zustand geordneter Anarchie auf der Welt sprechen.

Angesichts einer solchen Situation versucht der Bremer Politikwissenschaftler Michael Zürn in seinem Buch, Wege aus der Staatenanarchie zu weisen. Zunächst nimmt er die ältere Metapher vom globalen Dorf auf neue Weise ernst. Die Welt befindet sich demnach im Strudel einer einzigartigen kulturellen und politischen Angleichungsdynamik. Daraus ergibt sich, so der naheliegende Schluß, ein steigender Bedarf an neuen internationalen Institutionen, deren Träger weitaus mehr leisten müssen als die Leopardenfellchefs im Sudan. Zuletzt werden Gründe genannt, warum die Bildung derartiger Institutionen nicht nur notwendig und wünschenswert, sondern auch machbar und wahrscheinlich ist.

Der erste Schritt dieses anspruchsvollen Programms besteht im Versuch nachzuweisen, daß sich die globale Gesellschaft zunehmend "denationalisiert". Die These der Denationalisierung und der fortschreitenden Herausbildung kultureller Gemeinsamkeiten jenseits der alten Frontverläufe zwischen Völkern und Erdteilen richtet sich gegen eine pessimistische Linke, die den Kern der Globalisierung allein in wachsender sozialer Ungleichheit sieht, sowie gegen die nicht minder pessimistische Annahme eines bevorstehenden globalen Kulturkampfes. Die meisten internationalen Krisen, deren Zeugen wir heute sind, erscheinen in dieser Perspektive als Vereinigungskrisen und als Ergebnis von Verzögerungseffekten, die uns veranlassen, die neue Welt immer noch mit den Kategorien von gestern zu ordnen. Die Argumente Zürns überzeugen allerdings hauptsächlich dann, wenn er sich auf die OECD-Staaten beschränkt. Trotz des Anspruchs, Aussagen über den gesamten

Erdkreis zu machen, ist es meistens nur die westliche Welt, die in ein helles Licht getaucht wird. So rundet sich die Erde doch wieder zur Scheibe mit Japan als ihrem Mond.