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Text 12. Sprechakte

(Karl-Dieter Bünting)

In der pragmatischen Linguistik befasst man sich speziell mit der Analyse der sprachlichen Anteile an kommunikativen Handlungen. Man geht davon aus, dass Kommunikation zwischen Menschen eine zwischenmenschliche Handlung (Interaktion) ist und bestimmt Art, Anteil und Funktion speziell sprachlicher Kommunikation; als Terminus wird meistens für das Phänomen im allgemeinen „Sprechakt“ verwendet, für einzelne, spezielle kommunikative, durch Sprache mögliche Handlungen wie Fragen oder Auffordern verwendet man häufig den Terminus „Sprachhandlungen“ oder auch „Sprechhandlungen“. Man knüpft an Überlegungen des Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein zum „Sprachspiel“ (aus den „Philosophischen Untersuchungen, die in den 1930er und 40er Jahren entstanden), an John Austins in mehreren Vorlesungen entwickelte Überlegungen über „How to do things with Words“ (1962) und an die etwas systematischeren Ausführungen John Searles „Speech Acts“ (1969) an. In Deutschland arbeitet besonders Dieter Wunderlich auf diesem Gebiet („Sprechakte“ in „Pragmatik und sprachliches Handeln“).

Ausgangspunkt für die Sprechaktanalysen ist die Überlegung, dass beim Reden jemand

A sich sprachlich äußert (und nicht z. B. durch Gesten)

B dass er etwas sagt

C dass er sich in einer Redesituation (Kommunikationssituation) befindet

D dass er – normalerweise – zu jemandem (Gesprächspartner) spricht

E dass er durch dieses Sprechen – eben den Akt des Sprechens, den Sprechakt – die Kommunikationssituation beeinflusst und auf den Kommunikationspartner einwirkt.

Dieser sprechakttheoretische Rahmen von Faktoren, die beim Sprechen zusammenwirken, sei anhand des Beispiels vom Ober und der Dame erläutert, wobei die heute gemeinhin verwendete Terminologie eingeführt wird. Auszugehen ist mithin von der Äußerung des Obers:

„Entschuldigen Sie bitte vielmals, aber wollen Sie die Gans wirklich allein verspeisen?“, eingebettet in die geschilderte Szene. Die Analyse ergibt folgende Teilaspekte:

1. Der Ober äußert sich (u. a.) sprachlich, in Austins Terminus: er vollzieht einen lokutionären Akt (A und B). Dieser lässt sich weiteranalysieren, nach gängigen linguistischen Kategorien, als

a) phonetischer Akt: es werden Sprachlaute artikuliert – entschuldigen Sie vielmals … (Teil von A)

b) phatischer Ak: es handelt sich um eine Lautfolge, welche Wörter und Wortfolgen und — in adäquater grammatischer Konstruktion – Sätze einer bestimmten Sprache darstellen, zu beschreiben als Anredeform Sie, Fragesatz usw. (Teil von A)

c) rhetischer Akt: die Äußerung hat eine bestimmte Bedeutung, d. h. die Äußerung bezieht sich auf etwas, hat eine Referenz (hier: angeredete Dame, Missgeschick mit dem Gänsebraten usw.) und über den bezeichneten Sachverhalt wird zugleich etwas ausgesagt, die Äußerung hat einen Sinn (meaning-Semantik; hier: Frage, ob die Dame den Braten allein verspeisen wolle) (B).

2. Mit dieser Äußerung greift der Ober kommunikativ in die gegebene Situation ein (C); er macht sie somit zu einer Kommunikationssituation, spezieller: Gesprächssituation mit – seiner Intention nach – der angesprochenen Dame und sich selbst als Gesprächspartner (D). Zur gegebenen Situation gehören der institutionelle Rahmen (Restaurant) sowie das Rollengefüge (Ober – Gast; Herr – Dame) und die damit verbundenen Rollenerwartungen. Indem der Ober in die – durch das Stolper-Missgeschick ausgelöste – Interaktion mit seiner Äußerung eingreift, wirkt er auf die angesprochene Dame kommunikativ ein. Austin spricht hier von einer kommunikativen Wirkkraft (communicative force) und vom illokutiven Akt als Teil des Sprechaktes (E). Im Beispielfall hat die Dame sich nicht nur mit dem Missgeschick auseinanderzusetzen, dass der Ober ihr den Gänsebraten in den Schoss stolpert, sondern auch mit seiner kommunikativen Äußerung, in welcher er ein ganzes Bündel von Vorschlägen, Angeboten zur Regelung der beiderseitigen, so misslich aussehenden Beziehungen macht: er entschuldigt sich, er gibt sich durch die Anrede in die institutionell vorgeschriebene Position bzw. signalisiert, dass er sie einnimmt; schließlich verwendet er die Rollenbeziehungen (Speise-Servierender und Speise-Erhaltende im Restaurant) und passt sie in grotesker Weise auf die gegebene Situation an, um einen humorvollen Ausweg anzuregen.

3. Die letztgenannte Handlung des Obers, der Vorschlag, wie man die gemeinsame Situation weiterhin gestalten solle, wird manchmal perlokutiver Akt genannt. Durch eine Unterscheidung zwischen illokutivem und perlokutivem Akt versucht man einen Unterschied zu erfassen zwischen konventionellem, d. h. erwartbarem Eingehen auf die Interaktion und unkonventionellem Versuch, eine Interaktion gezielt zu steuern.

Am Problem der Interaktionssteuerung und der Konventionen in diesem Bereich wird die Sprechaktanalyse noch arbeiten müssen. Der sehr gewichtige Beitrag der Sprechakttheorie zur Linguistik ist jedoch sicherlich, dass sie die bekannte „double articulation“ sprachlicher Äußerungen (1. Sprachkörperebene der Laute, grammatische Formen und Konstruktionen; 2. Inhalts- bzw. Bedeutungsebene) erweitert hat um einen dritten Bereich, indem die kommunikative Kraft und Wirkung einbezogen worden sind.

In sprechakttheoretischen Untersuchungen wird weiterhin der Rahmen über den Verlauf eines Gesprächs hinaus auf sein Ergebnis ausgedehnt. Es wird untersucht, ob ein Sprechakt Erfolg hatte, ob er geglückt ist. Glücken ist ein Urteil, das nicht allgemein auf die Kommunikation zielt – die Kommunikation als solche findet entweder statt oder nicht. Glücken bezieht sich auf die kommunikativen Absichten der Gesprächspartner. Hier ist nun allerdings genau zu unterscheiden zwischen dem Glücken eines Sprechaktes und dem Glücken einer Handlungsabsicht. Ein Sprechakt ist dann geglückt, wenn der Gesprächspartner verstanden hat, was der Sprecher will. Damit ist noch nicht gesagt, dass der Angesprochene auf die Absichten des Sprechers eingehen wird. Am Beispiel erläutert:

– Würde die Dame auf die Äußerung des Obers hin ihrerseits laut rufen: „Herr Geschäftsführer, Ihr Ober ist ein Flegel, er beschmutzt mich mit Braten und beschimpft mich obendrein“, dann wäre der Sprechakt des Obers nicht geglückt, sie hatte ihn nicht verstanden.

– Würde die Dame antworten: „Ich finde das gar nicht lustig, und Ihre Bemerkung ist eine Unverschämtheit. Holen Sie sofort den Geschäftsführer", dann wäre der Sprechakt geglückt; sie hatte die Absicht des Obers verstanden, dass er aus der Si­tuation ohne Unannehmlichkeiten für sich selbst herauskommen möchte; aber sie ist nicht bereit, darauf einzugehen. Die Intention des Obers ist mithin ohne Erfolg geblieben.

– Würde die Dame antworten: „Warum geben Sie mir denn die ganze Gans, ich wäre mit der halben auch zufrieden gewesen?", dann wäre sowohl der Sprechakt geglückt als auch die Intention des Obers.

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