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Verstoß gegen die Norm – Abweichung von der Norm als Stilmittel

Das folgende Beispiel ist eindeutig als Informationsstörung zu werten. In einer Rundfunkdurchsage hieß es: Sie hören unsere Sendung ab 1. Februar vierzehntägig. Hier handelt es sich zweifellos um einen Verstoß gegen die Norm. Zusammensetzungen mit -tätig bedeuten: für eine Reihe von Tagen; daher wäre also die Sendung vierzehn Tage lang zu hören. Aussageabsicht aber ist die Mitteilung, die alle 14 Tage eine solche Durchsage stattfindet. Richtig muss es heißen: vierzehntäglich (Zusammensetzungen mit –täglich zeigen an, dass etwas sich nach einer bestimmten Zeit wiederholt).

Die folgenden zwei Beispiele bringen einen vermeintlichen Verstoß gegen die Norm. In diesem Fall haben wir ein wirksames stilistisches Mittel vor uns, dass mit Hilfe einer nichtkodifizierten Passivform einen ganzen Aphorismus sprachökonomisch zum Ausdruck bringt: Wer nicht will, der wird gewollt (Strittmatter, der Ochsenkutscher). Gewiss wird der kommunikative bzw. stilistische Effekt durch die Gegenüberstellung der aktiven und der normwidrigen Passivform erzielt.

B. Brecht lässt in „Mutter Courage“ die Heldin ausrufen: der Friede ist ausgebrochen. Für diese Person ist der Friede ein Unglück, weil sie nur im Krieg gute Geschäfte macht; daher die Verletzung der üblichen Fügungspotenz (der Krieg bricht aus) als gezieltes Stilmittel des Autors.

Methoden in der Stilistik

Wir unterscheiden zuerst zwei Hauptarten: das qualitative und das quantitative Verfahren, die Annäherung beider Pole ergibt das dritte, das qualitativ-quantitative Verfahren.

  1. Das traditionelle qualitative Verfahren aller philologischen Wissenschaften besteht in der induktiven, empirischen, d.h. von der Beobachtung des zu untersuchenden Stoffes ausgehenden und zur Verallgemeinerung führenden Arbeitsweise. Das Fehlen von konsequenten exakten Methoden macht aber manche Schlussfolgerungen unüberprüfbar. Man spricht mehr individuelle Meinungen, intuitive Überlegungen als festgestellte Tatsachen aus. Die Forderung nach Objektivität und Exaktheit aller modernen Wissenschaften regt auch die Vertreter der philologischen Disziplinen an, das traditionelle Verfahren zu vervollständigen. Hier gabeln sich die Wege.

Im Bereich der Stilistik versucht der Schweizer Germanist Hans Glinz, durch einen genauen, detailliert beschriebenen Prozess die Stilanalyse zu objektivieren und zu vereinheitlichen. Dazu führt er eine Reihe von Arbeitsschritten und Proben ein (Klangprobe, Verschiebprobe, Weglassprobe). Er entwickelt eine experimemtierend-interpretierende Forschungsmethode. Er sucht nach Methoden, die den Text in wissenschaftlich kontrollierbarer Weise erfassen lassen, das bedeutet: die Resultate sollen von anderen Sprachforschern überprüft werden können.

  1. Einen anderen weg schlagen die Vertreter des quantitativen Verfahrens ein. Die Entwicklung der mathematischen Informationstheorie, der Statistik, der Kybernetik beeinflusst in zunehmendem Maße die philologischen Disziplinen, darunter auch Stillehre. Die mathematischen Bewertungsmaßstäbe, insbesondere die Statistik, scheinen ein wirksameres Mittel für die Erzielung wissenschaftlich kontrollierbarer Ergebnisse zu sein, als beispielweise die Proben von H.Glinz.

Bei dem quantitativen Verfahren im Bereich der Stillehre handelt es sich um die Statistik und die darauf beruhende Wahrscheinlichkeitstheorie.

In der modernen Stilanalyse spielt die Wahrscheinlichkeitstheorie eine große Rolle. Aber man muss wissen, was man zählt und wozu man zählt. Nicht alle sprachlichen Elemente sind stilrelevant.

  1. Um die Mängel der mathematischen Beschreibung zu beheben, die in der Isolierung der Form vom Inhalt, von Kontext- und Situationsart bestehen, greift man zum qualitativ-quantitativen verfahren, das die Vorzüge beider Methoden in sich vereinigt. Dabei dienen die Zahlen bloß als Hilfsmittel, als Stütze.