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Remarque, Erich-Maria - Liebe Deinen Nchsten

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08.06.2015
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Über das Buch

Josef Steiner, ein deutscher Politiker, Ludwig Kern, Sohn eines jüdischen Fabrikanten, und die Studentin Ruth Holland sind die Hauptfiguren dieses Romans. Nach ihrer Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland versuchen sie wie viele andere, in der Tschechoslowakei,Österreichoderder Schweiz Fuß zu fassen. Doch überall sind sie ungebetene Gäste, die man sofortüberdieGrenzeinsNachbarland abschiebt. Ohne Papiere und Arbeit in die Illegalität gedrängt, ständig von Verhaftung und Ausweisung bedroht, lernen sie, sich in ihrem unsicheren Dasein zu behaupten, mit Tricks und Fintenzuüberleben.IhreLagescheint aussichtslos,aberimmerwiederhelfen ihnen erfahrene Leidensgenossen, der Verfolgung durch Behörden und Polizei zu entkommen. Die wachsende ZuneigungzwischenLudwigundRuth schütztsievorHo nungslosigkeitund Verzweiflung: Freundschaft und Liebe bewähren sich in einer Welt, die das christliche Gebot der Nächstenliebe fast vergessen hat.

Der Titel dieses Buches schwebt wie ein unsichtbares Programm über Remarques Gesamtwerk. Er, der 1938 selbst aus Deutschland ausgebürgert

wurde, hat drei weitere Emigrantenwerkegeschrieben.Dieses1941zuerst in den USA erschienene Buch ist ein eindrückliches Porträt jener Zeit, bewegend und spannend zugleich. Time Magazine urteilte: »Remarque hat

–wieHemingway –dieselteneFähig- keit, Texte zu schreiben, die zugleich populär und echte Kunstwerke sind und die es verstehen, eine Generation zu verkörpern.

Über den Autor

ErichMariaRemarque,1891inOsnabrück geboren, 1916 Soldat. 1929 erschien sein Buch Im Westen nichts Neues, das ein ungeheurer Erfolg wurde. 1933 wurden seine Bücher ö entlich verbrannt. Lebte seit 1929 überwiegend im Ausland, nach dem Krieg in der Schweiz, wo er 1970 starb.

unverkäuflich

V.04 207

ErichMariaRemarque

LiebeDeinen

Nächsten

Roman

MiteinemNachwortvonTilmanWestphalen

Kiepenheuer&Witsch

© 94 by Erich Maria Remarque 978, 99 by Kiepenheuer &Witsch,Köln Alle Rechte vorbehalten.Kein Teil desWerkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie,Mikrofilm oder ein anderesVerfahren) ohne schriftliche Genehmigung desVerlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet,vervielfältigt oder verbreitet werden

Umschlag Manfred Schulz,Köln, nach einer Konzeption von Hannes Jahn

Umschlagfoto PaulWol ,Archiv für Kunst und Geschichte

Gesamtherstellung Clausen & Bosse,Leck

ISBN 3 462 02 4 9

Man braucht ein starkes Herz,

um ohneWurzel zu leben –

ErsterTeil

1Kern fuhr mit einem Ruck aus schwarzem, brodelndem Schlaf empor und lauschte. Er war, wie alle Gehetzten, sofortganzwach,gespanntundbereitzurFlucht.Währender unbeweglich,den schmalen Körper schräg vorgeneigt,im Bette saß,überlegte er,wie er entkommen könnte,wenn derAufgang

schon besetzt wäre.

Das Zimmer lag im vierten Stock. Es hatte ein Fenster nach der Hofseite, aber keinen Balkon und kein Gesims, von denen aus die Dachrinne zu erreichen gewesen wäre.Nach dem Hofe zu war eine Flucht also unmöglich.Es gab nur noch einenWeg: über den Korridor zum Dachboden und über das Dach hinweg zum nächsten Hause.

KernsahaufdasLeuchtzi erblattseinerUhr.Eswarkurznach fünf. Das Zimmer war noch fast finster. Grau und undeutlich schimmerten die Laken der beiden anderen Betten durch die Dunkelheit.Der Pole,der an derWand schlief,schnarchte.

Vorsichtig glitt Kern aus dem Bett und schlich zur Tür. Im selbenAugenblickrührtesichderMann,derimmittlerenBette lag.»Ist was los?« flüsterte er.

Kern gab keineAntwort;er hielt das Ohr an die Tür gepreßt. Der andere richtete sich auf.Er wühlte in den Sachen,die am Pfosten des eisernen Bettgestells hingen. Eine Taschenlampe blitzte auf und fing in ihrem fahlen, zitternden Lichtkreis ein Stückderbraunen,abgeblättertenTürunddieGestaltKerns,der mitwirremHaarundzerdrücktemUnterzeugamSchlüsselloch lauschte.

»Verdammt,sag,was los ist!« zischte der Mann im Bett. Kernrichtetesichauf.»Ichweißnicht.Binaufgewacht,weilich irgendwas gehört habe.«

»Irgendwas!Was irgendwas,du Dummkopf?« »Irgendwas unten.Stimmen,Schritte oder so was.«

6

Der Mann stand auf und kam zur Tür.Er hatte ein gelbliches Hemd an, unter dem im Schein der Taschenlampe ein Paar stark behaarte,muskulöse Beine hervorkamen.Er horchte eine Weile.»Wie lange wohnst du schon hier?« fragte er dann.

»Zwei Monate.«

»War in der Zeit schon mal’ne Razzia?« Kern schüttelte den Kopf.

»Aha!Wirstdichdannwohlverhörthaben.EinFurzimSchlaf klingt ja manchmal wie ein Donnerschlag.«

Er leuchtete Kern ins Gesicht. »Na ja, knapp zwanzig, was? Emigrant?«

»Natürlich.«

»Jesus Christus tso siem stalo …« gurgelte plötzlich der Pole in der Ecke.

Der Mann im Hemd ließ den Lichtkreis hinüberwandem. Ein schwarzes Bartgestrüpp mit aufgerissener Mundhöhle und aufgerissenen Augen unter buschigen Brauen tauchte aus dem Dunkel auf.

»Halt’s Maul mit deinem Jesu Christo, Polack«, knurrte der MannmitderTaschenlampe.»Derlebtnichtmehr.IstalsKriegsfreiwilliger an der Somme gefallen.«

»Tso?«

»Da ist es wieder!« Kern sprang zum Bett. »Sie kommen von unten!Wir müssen übers Dach!«

DeranderedrehtesichwieeinKreisel.ManhörteTürenklappen und gedämpfte Stimmen. »Verflucht! ’raus! Polski, ’raus! Polizei!«

Er riß seine Sachen vom Bett.»Weißt du denWeg?« fragte er Kern.

»Ja. Rechts, den Korridor entlang! Die Treppe hinter dem Ausguß’rauf!«

7

»Los!« Der Mann im Hemd ö nete lautlos die Tür. »Matka boska!« gurgelte der Pole.

»Halt’s Maul!Verrat nichts!«

DerMannzogdieTürzu.Kernunderhuschtendenschmalen, schmutzigen Korridor entlang. Sie liefen so leise, daß sie den schlecht zugedrehten Wasserhahn über dem Ausguß tröpfeln hörten.

»Hier’rum!«flüsterteKern,bogumdieEckeundranntegegen etwas.Er taumelte,sah eine Uniform und wollte zurück.

Im gleichen Augenblick bekam er einen Schlag auf den Arm. »Stehenbleiben! Hände hoch!« kommandierte jemand aus dem Dunkel.

KernließseineSachenzuBodenrutschen.SeinlinkerArmwar taub von dem Schlag, der den Ellenbogen getro en hatte. Der MannimHemdsaheineSekundelangsoaus,alswolleersichin dasDunkelaufdieStimmestürzen.Aberdannblickteeraufden Lauf des Revolvers,der ihm von einem zweiten Beamten gegen die Brust gehalten wurde,und hob langsam dieArme.

»Umdrehen!« kommandierte die Stimme. »Ans Fenster stellen!«

Die beiden gehorchten.

»Siehnach,wasindenTaschenist«,sagtederPolizistmitdem Revolver.

DerzweiteBeamteuntersuchtedieKleider,dieaufdemBoden lagen. »Fünfunddreißig Schilling – eine Taschenlampe – eine Pfeife – ein Taschenmesser – ein Lauskamm – sonst nichts …« »Keine Papiere?«

»Paar Briefe oder so was …« »Keine Pässe?«

»Nein.«

»WohabtihreurePässe?«fragtederPolizistmitdemRevolver.

8

»Ich habe keinen«,erwiderte Kern.

»Natürlich!« Der Polizist stieß dem Mann im Hemd den RevolverindenRücken.»Unddu?Mußmandichextrafragen,du Hurenbankert?« sagte er.

Die beiden Polizisten sahen sich an. Der ohne Revolver fing an zu lachen. Der andere leckte sich die Lippen. »Ah, da schau her,ein feiner Herr!« sagte er langsam.»Exzellenz,der Stromer! GeneralStinktier!«ErholteplötzlichausundschlugdemMann die Faust gegen das Kinn.»Hände hoch!« brüllte er,als der andere taumelte.

Der Mann sah ihn an. Kern glaubte noch nie einen solchen Blick gesehen zu haben. »Dich meine ich, du Scheißer!« sagte der Polizist. »Wird’s bald? Oder soll ich dir dein Gehirn noch einmal aufschütteln?«

»Ich habe keinen Paß«,sagte der Mann.

»IchhabekeinenPaß«,äfftederPolizistnach.»Natürlich,Herr HurenbankerthatkeinenPaß.Konntemansichjawohldenken! Los,anziehen,aber flott!«

Eine Gruppe Polizisten lief den Korridor entlang. Sie rissen die Türen auf.Einer mit Schulterstücken kam heran.»Was habt ihr denn da?«

»ZweiVögel,die übers Dach verduften wollten.«

Der O zier betrachtete die beiden.Er war jung.Sein Gesicht warschmalundblaß.Ertrugeinensorgfältiggestutzten,kleinen Schnurrbart und roch nach Toilettewasser.Kern erkannte es;es war Eau de Cologne 47 . Sein Vater hatte eine Parfümfabrik gehabt,daher wußte er so etwas.

»Diebeidenwerdenwirunsbesondersvornehmen«,sagteder O zier.»Handschellen!«

»Ist es der Wiener Polizei erlaubt,bei Verhaftungen zu schlagen?« fragte der Mann im Hemd.

9

Der O zier sah auf.»Wie heißen Sie?« »Steiner.Josef Steiner.«

»Er hat keinen Paß und hat uns bedroht«,erklärte der Polizist mit dem Revolver.

»Es ist noch viel mehr erlaubt, als Sie denken«, sagte der Offizier kurz.

»Marsch,’runter!«

Die beiden zogen sich an. Der Polizist holte Handschellen hervor. »Kommt, ihr Lieblinge! So, jetzt seht ihr schon besser aus.Passen wie nach Maß.«

Kern spürte den Stahl kühl an seinen Gelenken. Es war das erste Mal in seinem Leben,daß er gefesselt wurde.Die Stahlreifen hinderten ihn beim Gehen nicht sehr.Aber ihm schien,als fesselten sie mehr als nur seine Hände.

Draußen war es früher Morgen.Vor dem Hause hielten zwei Polizeiautos.SteinerverzogdasGesicht.»BegräbnisersterKlasse! Nobel,was,Kleiner?«

Kern antwortete nicht.Er versteckte die Handschellen,so gut es ging, unter seinem Rock. Ein paar Milchkutscher standen neugierig auf der Straße. Gegenüber in den Häusern waren Fenstero en.GesichterschimmertenwieTeigausdendunklen Ö nungen.Eine Frau kicherte.

Ungefähr dreißig Verhaftete wurden auf die Wagen gebracht. Eswareno enePolizeiflitzer.DiemeistenderLeutestiegenohne ein Wort hinauf.Auch die Besitzerin des Hauses war darunter, eine dicke,hellblonde Frau von etwa fünfzig Jahren.Sie war die einzige, die erregt protestierte. Seit einigen Monaten hatte sie zwei leerstehende Etagen ihres baufälligen Hauses auf billigste WeiseineineArtPensionverwandelt.Eshattesichbaldherumgesprochen, daß man dort schwarz schlafen konnte, ohne bei der Polizei gemeldet zu werden.Die Frau hatte nur vier richtige

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