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Remarque, Erich-Maria - Liebe Deinen Nchsten

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08.06.2015
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fen;anderelagenaufdemFußboden,dieRückengegendieWand gelehnt. Sie nutzten die Zeit aus, umsonst zu schlafen, bis das Café wieder geö net wurde. Es waren meistens Intellektuelle. Sie konnten sich am wenigsten zurechtfinden.

Ein Mann in einem kariertenAnzug mit einemVollmondgesichtsetztesichnebenSteiner.ErbeobachteteihneineWeilemit flinken,schwarzen Augen.»Was zu verkaufen?« fragte er dann. »Schmuck?Auch alten? Ich zahle bar.«

Steiner schüttelte den Kopf.

»Anzüge?Wäsche? Schuhe?« Der Mann blickte ihn dringlich an.»Einen Trauring vielleicht?«

»Schiebab,duAasgeier«,knurrteSteiner.ErhaßtedieHändler, die den ratlosen Emigranten ihre wenigen Sachen für ein paar Groschen abjagen wollten.

Er rief einen vorüberhuschenden Kellner an. »Hallo! Einen Kognak!«

DerKellnerwarfeinenzweifelndenBlickaufihnundkamheran.»SagtenSieAnwalt?Heutesindzweida.DrübeninderEcke Rechtsanwalt Silber vom Kammergericht Berlin; ein Schilling die Beratung.Am runden Tisch neben der Tür Landgerichtsrat EpsteinausMünchen;fünfzigGroschendieKonsultation.Unter uns:Silber ist besser.«

»Ich will keinenAnwalt,ich will Kognak«,sagte Steiner. DerKellnerhieltdieHandansOhr.»Habeichrechtverstanden? Einen Kognak?«

»Ja. Ein Getränk, das besser wird, wenn die Gläser nicht zu klein sind.«

»Sehr wohl. Verzeihen Sie, ich bin etwas schwerhörig. Und dann bin ich es nicht mehr gewohnt. Hier wird fast nur Ka ee verlangt.«

»Gut.Dann bringen Sie den Kognak in einer Ka eetasse.«

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DerKellnerholtedenKognakundbliebamTischstehen.»Was ist los?« fragte Steiner.»Wollen Sie zusehen,wie ich trinke?« »Es muß vorher gezahlt werden. Das geht hier nicht anders. Wir würden sonst pleite gehen.«

»Ach so,richtig!«

Steiner zahlte.»Das ist zuviel«,sagte der Kellner. »Was zuviel ist,ist Ihr Trinkgeld.«

»Trinkgeld?« Der Kellner schmeckte das Wort förmlich ab. »Mein Gott«, sagte er dann gerührt. »Das ist das erste seit Jahrenhier.Dankevielmals,meinHerr!Dafühltmansichjadirekt wieder einmal als Mensch!«

Ein paar Minuten später kam der Russe durch die Tür.Er sah Steiner sofort und setzte sich zu ihm.

»Ich dachte schon, Sie wären nicht mehr in Wien, Tscherniko .«

DerRusselachte.»BeiunsistdasWahrscheinlicheimmerunwahrscheinlich.Ichhabeallesherausbekommen,wasSiewissen wollen.«

Steiner trank seinen Kognak aus.»Gibt es Papiere?«

»Ja. Sehr gute sogar. Das Beste, was ich an Fälschungen seit langem gesehen habe.«

»Ichmuß’raus!«sagteSteiner.»IchmußPapierehaben!Lieber mit einem falschen Paß Zuchthaus riskieren als diese tägliche Sorge und Einsperrerei.Was haben Sie gesehen?«

»Ich war in der ›Hellebarde‹. Da verkehren die Leute jetzt. Es sind dieselben wie vor sieben Jahren. Sie sind in ihrer Art zuverlässig. Das billigste Papier kostet allerdings vierhundert Schilling.«

»Was gibt es dafür?«

»Den Paß eines toten Österreichers.Noch ein Jahr gültig.« »Ein Jahr.Und dann?«

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Tscherniko sah Steiner an.»ImAusland vielleicht verlängerbar. Oder von einer geschickten Hand im Datum zu ändern.« Steiner nickte.

»EsgibtnochzweiPässevongestorbenendeutschenFlüchtlingen.Die kosten aber achthundert Schilling jeder.Völlig falsche sindnichtunterfünfzehnhundertzuhaben.Diewürdeich–Ih- nen auch nicht empfehlen.«

Tscherniko klopfte seine Zigarette ab.»Vom Völkerbund ist für Sie ja vorläufig auf nichts zu ho en. Für illegal ohne Paß Eingereisteschongarnicht.Nansenisttot,derunsunserePässe durchgesetzt hat.«

»Vierhundert Schilling«, sagte Steiner. »Ich habe fünfundzwanzig.«

»Man wird handeln können.Auf dreihundertfünfzig,schätze ich.«

»Das ist gegen fünfundzwanzig dasselbe.Aber es hilft nichts; ich muß sehen, daß ich das Geld bekomme.Wo ist die ›Hellebarde‹?«

DerRussezogeinenZettelausderTasche.»HieristdieAdresse. Auch der Name des Kellners, der die Sache vermittelt. Er ruft die Leute an, wenn Sie ihm Bescheid sagen. Er bekommt fünf Schilling dafür.«

»Gut. Ich will sehen, wie ich es mache.« Steiner steckte den Zettel sorgfältig weg.»Herzlichen Dank für Ihre Mühe,Tscherniko !«

»AberichbitteSie!«DerRussehobabwehrenddieHand.»Man hilft sich doch, wenn es möglich ist. Man kann ja jeden Tag in dieselbe Lage kommen.«

»Ja.«Steinerstandauf.»IchsuchemalwiedernachIhnenhier und sage Ihnen Bescheid.«

»Gut. Ich bin oft um diese Zeit hier. Spiele Schach mit dem

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süddeutschenMeister.DrübenderMannmitdenLocken.Hätte nie gedacht,das Glück mit einer solchenAutorität in normalen Zeitenzuhaben.«Tscherniko lächelte.»SchachisteineLeidenschaft von mir …«

Steinernickteihmzu.Dannstiegerübereinpaarschlafende junge Leute weg,die mit o enen Mündern an derWand lagen, und ging zur Tür.Am Tisch des Landgerichtsrats Epstein saß eine gedunsene Jüdin. Sie hielt die Hände gefaltet und starrte Epstein,dersalbungsvolldozierte,anwieeinenunzuverlässigen Gott.Vor ihr auf dem Tisch lagen fünfzig Groschen. Epsteins haarige linke Hand lag dicht daneben wie eine große lauernde Spinne.

DRAUSSEN ATMETE STEINER tief auf. Die weiche Nachtluft erschien ihm wie Wein nach dem toten Rauch und dem grauen JammerdesCafés.Ichmußda’raus,dachteer,ichmuß’rausum jedenPreis!ErsahnachderUhr.Eswarschonspät.Erbeschloß, trotzdem noch zu versuchen,den Falschspieler zu tre en.

Die kleine Bar,die der Falschspieler ihm als sein Stammlokal genannthatte,warfastleer.NuraufgedonnerteMädchenhockten wie Papageien an der Nickelstange auf den hohen Stühlen.

»War Fred hier?« fragte Steiner den Mixer.

»Fred?« Der Mixer sah ihn scharf an. »Was wollen Sie denn von Fred?«

»DasVaterunser mit ihm beten,Bruder.Was sonst?«

Der Mixer dachte eine Zeitlang nach.»Er ist vor einer Stunde gegangen«,sagte er dann.

»Kommt er nochmals wieder?« »KeineAhnung.«

»Schön.Da werde ich warten.Geben Sie mir einenWodka.« SteinerwarteteungefähreineStunde.Erüberlegte,waseralles

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zu Geld machen könne.Aber er kam nicht höher als auf etwa siebzig Schilling.

DieMädchenhattenihnnurflüchtiggemustert.Siesaßennoch einige Zeit herum,dann stelzten sie hinaus.Der Mixer begann mit einem Knobelbecher vor sich hin zu würfeln. »Wollen wir einen austrudeln?« fragte Steiner.

»Von mir aus.«

Sie würfelten und Steiner gewann. Sie spielten weiter. Steiner warfzweimalnacheinanderinzweiWürfenvierAsse.»MitAssen scheine ich Glück zu haben«,sagte er.

»SiehabenüberhauptGlück«,erwidertederMixer.»Wassind Sie astrologisch?«

»Das weiß ich nicht.«

»Sie scheinen ein Löwe zu sein. Mindestens haben Sie die SonneimLöwen.Ichversteheeinbißchendavon.LetzteRunde, was?Fredkommtdochnichtmehr.EristnochnieumdieseZeit gekommen.Braucht Schlaf und ruhige Hände.«

Sie knobelten,und Steiner gewann wieder.»Sehen Sie«,sagte derMixerbefriedigtundschobihmfünf Schillinghinüber,»Sie sind bestimmt ein Löwe. Mit starkem Neptun, denke ich. In welchem Monat sind Sie geboren?«

»August.«

»DannsindSieeintypischerLöwe.GlänzendeChancendieses Jahr!«

»DafürnehmeicheinenganzenUrwaldvollLöwenaufmich.« SteinertrankseinGlasaus.»WollenSieFredsagen,daßichhier war?Steinerhättenachihmgefragt.Ichkommemorgenwieder vorbei.«

»Schön.«

Steiner ging zur Pension zurück. Der Weg war lang, und die Straßen waren leer. Der Himmel hing voller Sterne, und über

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die Mauern kam ab und zu der schwere Geruch blühenden Flieders. Mein Gort, Marie, dachte er, es kann doch nicht ewig dauern …

4KernstandineinerDrogerieinderNähedesWenzelplatzes. Er hatte im Schaufenster ein paar Flaschen Toilettewasser entdeckt, die das Etikett aus dem Laboratorium

seinesVaters trugen.

»Farr-Toilettewasser!«KerndrehtedieFlasche,diederDrogist vom Regal geholt hatte, in der Hand. »Wo haben Sie denn das her?«

Der Drogist zuckte dieAchseln.»Das weiß ich nicht mehr.Es kommt aus Deutschland.Wir haben es schon lange.Wollen Sie die Flasche kaufen?«

»Nicht nur die eine.Sechs …« »Sechs?«

»Ja, sechs zunächst. Später noch mehr. Ich handle damit. Natürlich muß ich Prozente haben.«

Der Drogist sah Kern an.»Emigrant?« fragte er.

KernstelltedieFlascheaufdenLadentisch.»WissenSie«,sagte erärgerlich,»dieseFragelangweiltmichallmählich,wennsievon Zivilistengestelltwird.Besonders,wennicheineAufenthaltserlaubnisinderTaschehabe.SagenSiemirlieber,wievielProzent Sie mir geben wollen?«

»Zehn.«

»Das ist lächerlich.Wie soll ich da etwas verdienen?«

»SiekönnendieFlaschenmitfünfundzwanzigProzenthaben«, sagte der Besitzer des Ladens,der herangekommen war.»Wenn Siezehnnehmen,sogarmitdreißig.Wirsindfroh,wennwirden alten Kram loswerden.«

»Alten Kram?« Kern blickte den Mann beleidigt an. »Das ist ein ganz hervorragendes Toilettewasser,wissen Sie das?«

Der Besitzer des Ladens bohrte sich gleichgültig einen Finger ins Ohr.»Mag sein.Dann sind Sie sicher auch mit zwanzig Prozent zufrieden.«

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»Dreißigistdasmindeste.DashatdochnichtsmitderQualität zu tun.Sie können mir dreißig Prozent geben,und das Toilettewasser kann trotzdem gut sein,oder nicht?«

DerDrogistverzogdieLippen.»AlleToilettewassersindgleich. Gutsindnurdie,fürdieReklamegemachtwird.Dasistdasganze Geheimnis.«

Kernsahihnan.»Reklamewirdfürdiesesbestimmtnichtmehr gemacht. Danach ist es allerdings sehr schlecht. Dann wären fünfunddreißig Prozent die richtige Provision.«

»Dreißig«, erwiderte der Besitzer. »Ab und zu wird doch danach gefragt.«

»Herr Bureck«,sagte der Drogist,»ich glaube,wir können sie ihmmitfünfunddreißiggeben,wennereinDutzendnimmt.Der Mann,der ab und zu danach fragt,ist immer derselbe.Er kauft auch nicht;er will uns nur das Rezept verkaufen.«

»Das Rezept? Lieber Gott, das fehlt uns noch!« Bureck hob abwehrend die Hände.

»DasRezept?«Kernhorchteauf.»Weristdenndas,derIhnen das Rezept verkaufen will?«

Der Drogist lachte. »Irgend jemand, der behauptet, er hätte früherselbstdasLaboratoriumgehabt.NatürlichallesSchwindel! Was die Emigranten sich immer so ausdenken!«

KernwareinenAugenblickatemlos.»WissenSie,woderMann wohnt?« fragte er.

Der Drogist zuckte die Achseln. »Ich glaube, wir haben die Adresseirgendwo’rumliegen.Erhatsieunseinpaarmalgegeben. Warum?«

»Ich glaube,es ist meinVater.

Die beiden starrten Kern an. »lst das wahr?« fragte der Drogist.

»Ja,ich glaube,daß er es ist.Ich suche ihn schon lange.«

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»Bertha!« rief der Besitzer aufgeregt zu einer Frau hinüber, die an einem Bürotisch im Hintergrund der Drogerie arbeitete. »Haben wir noch dieAdresse des Herrn,der uns das Rezept für Toilettewasser verkaufen wollte?«

»MeinenSieHerrnStranoderdenaltenQuatschkopf,derhier ein paarmal’rumgestanden hat?« rief die Frau zurück. »Verdammt!« Der Besitzer des Ladens sah Kern geniert an. »Entschuldigen Sie!« Er ging rasch nach hinten.

»Daskommtdavon,wennmanmitseinenAngestelltenschläft«, erklärte der Drogist hämisch hinter ihm her.

Der Besitzer kam nach einer Weile schnaufend mit einem Zettelzurück.»HierhabenwirdieAdresse.EsisteinHerrKern. Siegmund Kern.«

»Das ist meinVater.«

»Tatsächlich?« Der Mann gab Kern den Zettel.

»Hier ist dieAdresse.Er war vor etwa dreiWochen das letztemal hier. Entschuldigen Sie die Bemerkung vorhin. Sie wissen ja …«

»Es macht gar nichts. Ich möchte nur gern gleich gehen. Ich komme dann nachher zurück wegen der Flaschen.« »Natürlich! Das hat ja Zeit!«

DasHaus,indemKernsVaterwohnensollte,laginderTuzarovaulice,inderNähederMarkthallen.Eswardunkelundmu g und roch nach feuchtenWänden und Kohldunst.

KernstieglangsamdieTreppenhinauf.Eswarsonderbar,aber erhatteetwasFurcht,seinenVaternachsolangerZeitwiederzusehen – er war zu sehr gewohnt,daß nie etwas besser wurde.

In der dritten Etage klingelte er. Nach einer Weile schlurfte es hinter der Tür,und das Pappschild hinter dem runden Loch des Spions verschob sich.Kern sah ein schwarzesAuge auf sich gerichtet.

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»Wer ist da?« fragte eine mürrische Frauenstimme.

»Ich möchte jemand sprechen,der hier wohnt«,sagte Kern. »Hier wohnt niemand.«

»Doch!Siewohnenjaschonhier!«Kernsahauf dasSchildan der Tür. »Frau Melanie Ekowski, nicht wahr? Aber Sie möchte ich nicht sprechen.«

»Na,also.«

»Ich möchte einen Mann sprechen,der hier wohnt.« »Hier wohnt kein Mann.«

Kern blickte das runde,schwarze Auge an.Vielleicht stimmte es,undseinVaterwarlängstausgezogen.Erfühltesichplötzlich leer und enttäuscht.

»Wie soll er denn heißen?« fragte die Frau hinter der Tür. KernhobvollneuerHo nungdenKopf.»Dasmöchteichnicht durchsganzeHausschreien.WennSiedieTürö nen,werdeich es Ihnen sagen.«

DasAugeverschwandvomGuckloch.EineKetterasselte.Dasist jaeineFestung,dachteKern.Erwarziemlichsicher,daßseinVater doch noch hier wohnte;die Frau hätte sonst nicht weiter gefragt. DieTürö netesich.EinekräftigeTschechinmitrotenBackenund breitem Gesicht betrachtete Kern vonobenbis unten.

»Ich möchte Herrn Kern sprechen.« »Kern? Kenne ich nicht.Wohnt nicht hier.«

»Herrn Siegmund Kern.Ich heiße Ludwig Kern.«

»So?« Die Frau musterte ihn mißtrauisch. »Das kann jeder sagen.«

KernzogseineAufenthaltserlaubnisausderTasche.»Hier-se- henSiesichdiesesPapierbittean.DerVornameistausVersehen falsch geschrieben;aber Sie sehen das andere.«

DieFraulasdengesamtenZetteldurch.Esdauertelange.Dann gab sie ihn zurück.»Verwandter?«

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