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Verbot des Heimunterrichts seit 1919

Seit 1919 herrscht in Deutschland die allgemeine Schulpflicht. Auch nach den negativen Erfahrungen während des nationalsozialistischen Regimes, das sein Bildungsmonopol missbrauchte, um die Schüler mit seiner Ideologie zu indoktrinieren, blieb es bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bei einem strikten Verbot des Hausunterrichts. Selbst als im jüngsten Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD) angemahnt wurde, das Verbot des Heimunterrichts in Deutschland zu lockern, nicht zuletzt, weil dieser in nahezu allen anderen europäischen Ländern gestattet ist, reagierte die Politik einhellig mit Ablehnung. Zu groß ist die Sorge, dass die Möglichkeit, Kinder auch zuhause zu unterrichten, die Bildung von Parallelgesellschaften begünstige. Vor allem religiöse Milieus stehen unter Verdacht.

Auch weisen Kritiker des Heimunterrichts darauf hin, dass in der Schule wertvolle soziale Erfahrungen gemacht werden, die innerhalb der Familie nicht möglich sind, weil das Elternhaus immer nur eine begrenzte Weltsicht bietet. In der Schule treffen Kinder auf andere Kinder, mit völlig anderen sozialen und ethnischen Hintergründen. Sie müssen mit ihnen arbeiten und leben und eine erhebliche Akzeptanz- und Flexibilitätsleistung erbringen. Wo sonst, wenn nicht in der Schule, kann ein Zehnjähriger lernen, dass das, was zu Hause gilt, nicht die letzte Wahrheit, sondern nur ein winziger Ausschnitt der Lebenswirklichkeit ist und längst nicht überall gilt?

Eine weitere Sorge gilt zudem der Qualität des Heimunterrichts. Sind die Eltern überhaupt in der Lage, ihren Kindern einen qualifizierten Unterricht zu bieten? Zwar belegen bislang Untersuchungen, die es zu diesem Komplex gibt und die sich zumeist auf die Situation in den USA beziehen – dort ist homeschooling stark verbreitet -, dass betroffene Kinder den Leistungen ihrer Schulkameraden in nichts nachstehen, in Tests häufig sogar besser abschneiden. Doch merkt Thomas Spiegler zu diesen Untersuchungen an, dass sie häufig nicht repräsentativ und daher teilweise mit Vorsicht zu genießen seien.

Bildungspflicht statt Schulpflicht

Trotz der berechtigten Einwände gegen den Hausunterricht spricht sich Volker Ladenthin dafür aus, das strikte Verbot zu lockern und Eltern, die ihre Kinder selbst unterrichten möchten, nicht weiter zu kriminalisieren. "Es kann nicht sein, den Elternwillen gegen den Staatswillen auszuspielen." Wie andere Länder auch, sollte Deutschland daher lieber auf klare Regeln setzen statt auf Verbot und Strafe. Denkbar wäre es zum Beispiel die Arbeit der Eltern eng mit den Schulen abzustimmen, dass sie verpflichtet würden, sich an curriculare Vorgaben zu halten, ihre Arbeit zu dokumentieren und dass ihre Kinder an Klassenarbeiten in den Schulen teilnehmen. Auch der Heimunterricht müsste an bestimmte Normen gebunden sein. Eltern müssten Inhalte unterrichten, die die Gesellschaft als wesentlich erachtet. "Die Bildungspflicht und die Schulpflicht, das sind wichtige historische Errungenschaften. Die kann man nicht aufkündigen. Aber die Form, in der das verwirklicht wird, müssen wir gemäß unserer pluralen Gesellschaftsform auch liberalisieren."

Karte 31. Leseverstehen: Aufgabe (1) Globales Lesen (181 Wörter; 1328 Zeichen) 1 Min.