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„Migrationshintergrund von Studierenden fruchtbar machen“ – Thomas Strothotte im Gespräch
Zahlreiche Studierende in Deutschland stammen aus Zuwandererfamilien, sind aber in der „neuen Heimat“ aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ihre Vertrautheit mit zwei Kulturen soll für das Studium und den internationalen Arbeitsmarkt genutzt werden. Wie das ablaufen kann, erläutert der Rektor der Universität Regensburg im Interview.
Herr Strothotte, mit ihrer geografischen Lage an der Donau ist die Universität Regensburg ein Drehpunkt des internationalen Austauschs. Sie selber verkörpern als gebürtiger Kanadier diesen kosmopolitischen Geist. In welche Richtung zielt die Internationalisierung Ihrer Hochschule vor allem?
Zur Internationalisierung der Universität Regensburg gehört traditionell eine starke Ausrichtung nach Ost- und Südosteuropa, unter anderem in Form von zahlreichen Kooperationen und universitären Einrichtungen wie dem Europaeum. Die Universität baut aber gleichzeitig ihre internationalen Beziehungen nach Westen aus, zum Beispiel durch die Einrichtung von binationalen Studiengängen und durch neue Konzepte für angelsächsische Länder. Ein aktuelles Projekt in diesem Zusammenhang, das ich persönlich besonders unterstütze, ist die Summer School 2010 der juristischen Fakultät zum Thema „Angelsächsisches Recht“.
Bedarf an mehreren Kulturen
Neuerdings fördern Sie unter anderem auch so genannten Secondos, also Studierende, deren Eltern oder Großeltern nach Deutschland eingewandert sind und üblicherweise ein deutsches Abitur abgeschlossen haben. Warum?
Mit dem Secondos-Programm möchten wir die Herkunftskultur für das Bachelor-Studium fruchtbar machen. Vor allem die exportorientierte Wirtschaft hat einen hohen Bedarf an solchen bikulturell ausgebildeten Absolventen.
Inwiefern werden die Secondos besonders gefördert?
Unser Austausch-Programm bietet den Secondos an, ihr Fach für zwei Semester an einer Partneruniversität im Herkunftsland ihrer Familien zu studieren. Viele Secondos sprechen zwar die Herkunftssprache ihrer Eltern, haben diese aber nie schreiben oder lesen gelernt. Deshalb bieten wir im Vorfeld spezielle Kurse zum Erlernen der nichtdeutschen Herkunftssprache an.
Unser Ziel ist es, dass die Secondos bei entsprechender Voraussetzung die Möglichkeiten haben, auch einen BA-Abschluss der Partneruniversität zu erlangen.
Möglichst ohne Zeitverlust
Führt der Auslandsaufenthalt nicht zu einem Zeitverlust im Studium?
Im Idealfall nicht. Wir wollen den Studierenden eine hundertprozentige Anrechnung ihrer an der Partneruniversität erbrachten Leistungen ermöglichen. Dies ist natürlich abhängig vom spezifischen Curriculum der Studierenden, das individuell abgestimmt werden muss.
Wie finanzieren die Studierenden den Aufenthalt im Partnerland?
Nicht selten sind die Lebenshaltungskosten in den Partnerländern ja niedriger als hier in Deutschland. Zur Deckung von eventuellen Mehrkosten gibt es im Rahmen des Erasmus-Programms der Europäischen Union Stipendien in Höhe von 200 Euro im Monat. Wer auch in Deutschland zur Finanzierung des Studiums jobben muss, wird von unseren Partneruniversitäten bei der Stellensuche vor Ort unterstützt.
Wie viel Zuspruch findet Ihr Angebot bisher?
Wir sind momentan noch in der Pilotphase. Im Moment freut sich ein Dutzend Secondos, im Herbst erstmalig an unsere Partneruniversitäten zu wechseln. Perspektivisch sollen in einigen Jahren rund 250 Studierende jährlich an dem Programm teilnehmen, wobei die Bachelor-Studiengänge aller Fächer beteiligt sein werden.