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Der_Campus

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auf Sylt neben ihren Faxgerä ten geblieben. Die hohen Beamten und die Bewohner der unteren Wohlstandsetagen dagegen blieben in ihren gepflegten Vorstadthä usern im Grün en. Und so hatte auch Hanno Hackmann einen sorgenfreien Sonnentag zu Hause bei seiner Familie verbracht und nach ausgiebiger Zeitungslektü re und kleinen Spaziergä ngen mit Sarah zusammen Konrads Flug- ü bungen bewundert. Die Dohle hatte in wenigen Tagen fliegen gelernt und dabei einen ausgesprochenen Hang zu Kunstflugü bungen entwickelt. Sie warf sich auf den Rü cken, nutzte die Thermik ü ber dem Haus zum rasanten Aufstieg, kreiste hoch in den Lü ften, sauste dann im Sturzflug dicht ü ber ihre Köp fe hinweg und landete nach einem Looping elegant auf Sarahs Schulter. Sie konnte sich nicht sattsehen an seinen Kapriolen. Konrad war vö llig handzahm und kam auf Sarahs Lockruf. Sie hatte dafü r die Art, in der sie »Konrad« rief, dem metallischen Schrei der Dohle angepaût. Immer wenn sie ihn ausstieû, stü rzte sich Konrad aus irgendeiner Baumkrone hinunter und setzte sich zahm auf Sarahs ausgestreckte Hand. Sie lieû sich aber auch manchmal auf Hanno nieder und versuchte sogar, Gabrielle zu beehren. Aber die wehrte sie ab, weil sie sich nicht ohne Grund um ihre Frisur und ihre Garderobe Sorgen machte.

Hannos Verhä ltnis zu Gabrielle war inzwischen von der Phase offener Feindseligkeiten wieder zu korrekter Koexistenz ü bergegangen. Und Hanno machte sich Hoffnungen, durch eine aktive Friedenspolitik der kleinen Schritte ein gewisses Tauwetter herbeizufüh ren. In Hackmanns Garten jedenfalls und in allen umliegenden Gä rten blüh ten schon tausend Blumen. Hinter den Heeren von Tulpen und Narzissen erhoben sich die Farbexplosionen der blü - henden Rhododendren mit ihren weiûen, roten und leuchtendlila Kaskaden wie bei einem Feuerwerk. Daneben wechselten weiûe Vogelmilch mit zierlichen Hasenglö ckchen, Anemonen, Primeln, Fritielarien und Orchideen. Nach einem makellosen Hamburger Sonnentag nahm das helle Licht des blaûblauen Himmels langsam

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eine tiefere Fä rbung an, und die schrä g einfallenden Sonnenstrahlen verwandelten die Blü tenkrone der Faulkirsche auf dem Rasen in eine leuchtende Lichtkuppel, von der die aufkommende Abendbrise hin und wieder einen Konfettiregen von Blü tenblä ttern herunterhauchte. Einige der Blü ten fielen auf Gabrielles frische Frisur und schmü ckten sie wie eine Karnevalsprinzessin, als sie auf der Terrasse mit ihrem Mann und ihrer Tochter »Trivial Pursuit« spielte. Hanno hatte es unternommen, die Fragen zu stellen und die Antworten mit den richtigen Lö sungen zu vergleichen.

»An welchem Fluû liegt Kö nigsberg?« Gabrielle war an der Reihe.

»Kö nigsberg Ð liegt Kö nigsberg an einem Fluû? Du erfindest die Frage. Da flieût gar kein Fluû. Laû mich die Karte sehen.«

Sarah protestierte. »Das geht doch nicht. Das ist gegen die Spiel-

regel, Mami.«

 

 

»Siehst du, ich

kann

nicht, selbst wenn ich wollte«, läc helte

Hanno.

 

 

Gabrielle streifte

ihn

mit einem anzüg lichen Blick. »Seit wann

hä ltst du dich an die Spielregeln?« Hannos Rü ckenmuskeln strafften sich. Selbst dieses Spiel nutzte sie zu spitzen Bemerkungen. »Beantworte die Frage«, sagte er so neutral wie mö glich.

»Siehst du, so fragt er auch seine Studenten. Und Studentinnen.« Wieder dieser Unterton.

Sarah ging nicht darauf ein. »Nun sag schon, Mami, das ist sonst langweilig.«

»An der Memel. Kö nigsberg liegt an der Memel.«

Wieder protestierte Sarah. »Aber Mami, Kö nigsberg liegt doch nicht an der Memel.«

»Kommt dein Vater aus Ostpreuûen oder meiner? Da kenn ich mich besser aus als du!«

Hanno deckte die Karre auf.

»Unsinn, Kö nigsberg liegt am Pregel.«

»Das meine ich ja, an der Pregel, ich habe mich versprochen. Gib mir die Karte.«

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»Es heiût nicht -die Pregel¬, sondern -der Pregel¬ Und du hast eindeutig -Memel¬ gesagt. Sarah ist dran.«

Gabrielle heulte auf. » -Der Pregel¬ soll das heiûen? Das mö chtest du wohl gern, du Macho!« Mein Gott, jetzt hatte das schon auf die stockkonservative Gabrielle abgefä rbt. »Nein, mein Lieber, es heiût -die Pregel¬ Gib mir die Karte.«

Hanno versuchte es mit Lustigkeit.

»Gut, es heiût -die Pregel¬, aber dafü r heiût es -der Memel¬, und du hast an der Memel gesagt.«

Da prustete Sarah los. »Von dem Maas bis an den Memel« gakkerte sie. »Mamis neue Nationalhymne.« Sie stieû ein Indianergeheul von Geläc hter aus. Gabrielles Hals verfä rbte sich rosa. Unvermittelt griff sie in den Karton mit den Karten.

»Ich kontrolliere jetzt die Fragen«, dekretierte sie. »Sarah, du bist dran.« Sarah wü rfelte und landete auf dem braunen Feld Kultur und Literatur. Gabrielle zog eine Karte und las die Frage vor. »Was ist die ursprüng liche Wortbedeutung von Seminar?« Sarah

ü berlegte kurz und muûte dann

passen. Gabrielle guckte auf die

Rü ckseite der Karte und stieû

dann einen schrillen Juchzer aus.

»Es bedeutet eine Stelle zum Besamen, Saatgrund. Hast du das gewuût, Hanno?«

Hannos Poren schlossen sich. Er sicherte, vorsichtig wie ein Soldat im verminten Gelä nde. Keinen unbedachten Schritt jetzt!

»Ja, das habe ich gewuût. Mach weiter, ich bin jetzt dran.« Und er wü rfelte.

»Du hast das wirklich gewuût?«

Ohne daû er das wollte, stahl sich eine gewisse Schä rfe in seine Stimme. »Ja, wir säe n Kenntnisse und pflanzen Wissensbä ume. Aber der Baum der Erkenntnis ist dir wohl vö llig fremd, Gabrielle, wie?«

Sarah blickte auf. »Oh, Papi, jetzt fä ngst du auch noch an. Das ist ja ä tzend.«

Die Bemerkung lenkte Gabrielles Aufmerksamkeit auf ihre Tochter.

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»Was soll das heiûen, jetzt fä ngt er auch noch an? Womit an? Was meinst du damit?«

»Ach, nichts.« Sie sagte das so routiniert, wie sie die Tü r ihres Zimmers hinter sich zuzog. Doch Gabrielle trommelte dagegen.

»Antworte gefä lligst, wenn ich dich etwas frage.« »Komm, Gabrielle, beruhige dich.«

»Natü rlich, du ergreifst wieder fü r sie Partei. Ich kann die ganze Erziehungsarbeit leisten, und du bist der verstä ndnisvolle Vater.«

»Schrei doch nicht so, Gabrielle, du erschreckst ja die Nachbarn.«

Das war ein finaler Todesschuû. Gabrielle sprang auf, warf die Karten auf die Erde und keifte: »Spielt doch allein weiter, ihr Ð ihr Ð ihr...« Sie lieû es offen, fü r was sie sie hielt, drehte sich um und ging mit dramatisch einknickenden Kniegelenken ins Haus.

Sarah bü ckte sich und sammelte langsam die Karten auf, die ihre Mutter ü ber den Boden verstreut hatte. Hanno lehnte sich im Gartenstuhl zurü ck und blickte in den dunkler werdenden Himmel, auf den ein Flugzeug einen von der Abendsonne beleuchteten Kondensstreifen schrieb, so gerade wie mit dem Lineal gezogen. In der Feme hö rten sie den Widerhall der U-Bahn. Auf dem unteren Ast der Faulkirsche begann Konrad langsam schlä frig zu werden und verwandelte sich zunehmend in eine Federkugel. Aus den Gä rten ertö nte das Lachen der Nachbarn, die auf den Terrassen saûen. Hin und wieder schickte ein Hund sein sinnloses Gebell in den Abend, und ganz leise konnte man das Geläc hter eines Grün - spechts hö ren. Sarah hatte die Karten in den Karton zurü ckgestapelt und das Spielfeld mit dem aufgemalten Speichenrad zusammengelegt. Dann drü ckte sie wie Hanno die Lehne des Gartenstuhls nach hinten zurü ck und schaute in den Himmel, an dem die ersten Sterne zu funkeln begannen.

»Papi?«

»Ja, mein Schatz.«

»Soll ich dir die Sternzeichen erklä ren?«

Hanno muûte läc heln. Das hatte er sie immer gefragt, als sie

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noch ein kleines Mä dchen war und sie nebeneinander auf dem Spitzboden unter dem groûen Dachfenster auf dem Rü cken lagen und in den Himmel blickten.

»Siehst du die drei Sterne nebeneinander? Das ist der Gü rtel des Orion«, parodierte sie ihn. »Er ist viele Lichtjahre entfernt. Lichtjahre Ð das hat mir immer gut gefallen. Ich hab mir immer leuchtende Jahre vorgestellt.«

»Und du hast immer gewollt, daû ich dir die Geschichte von deiner Geburt erzä hle. Ich muûte sie dir immer wieder erzä hlen.«

Sie schwiegen und betrachteten den Himmel. Hanno dachte an Sarahs Geburt vor 15 Jahren. »Mami hat die Geschichte immer ganz anders erzä hlt«, nahm sie das Gespräc h wieder auf.

»Na ja, sie hatte schlieûlich auch eine andere Optik. Ihr beiden wart die Helden, und ich war nur Zuschauer.«

»Merkt man als Zuschauer nicht besser, was passiert, als die Helden?«

»Manchmal schon.« Hanno dachte nach. »Aber nicht, wenn es um das Innere der Hauptperson geht. Das kann nur sie selbst beobachten.«

»Meinst du, Mami kann sich selbst beobachten?«

Hanno blickte zu seiner Tochter hinü ber. Sie schaute noch immer in den nachtblauen Himmel, an dem immer mehr Sterne zu funkeln begannen. In der Nachbarschaft gingen auf den Terrassen und in den Fenstern langsam die Lichter an, und von weitem hö rte man leise Radiomusik. Hanno wuûte nicht, ob er mit seiner Tochter ü ber ihre Mutter sprechen durfte. Sie hatte offenbar ein Bedü rfnis danach, aber konnte er sich dabei vö llig aus der Gefahren-

zone veräc htlicher Tonlagen

heraushalten? Was passierte, wenn

die Tochter merkte, daû ihr

Vater ihre Mutter fü r eine bornierte

Frau hielt? Am besten verlegte er sich auf relativierende Verallgemeinerungen.

»Niemand kann sich so sehen, wie andere ihn sehen.«

Ihr Gespräc h wurde durch Gabrielle unterbrochen, die sich vor Sarah aufpflanzte.

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»Und daû du Bescheid weiût: Ab sofort bleibt dein Vogel in der Garage. Ich bin das Theater mit dem Biest leid. Noch einmal so ein Vorfall, und ich nehm ihn dir weg, hast du verstanden!«

Damit drehte sie sich um und ging wieder ins Haus zurü ck.

»Was fü r einen Vorfall meint Mami denn?« wollte Hanno wissen.

»Ach, Nicole war gestern zum Kaffee, und da hat Konrad ihr die Frisur ruiniert.«

Hanno versuchte, sein Vergnüg en zu unterdrü cken. »Er ist auf ihrem Kopf gelandet?«

»Ja. Du hä ttest sie sehen sollen Ð sie hat einen Anfall gekriegt und wie wild um sich geschlagen. Was mach ich nur, wenn Mami es ernst meint?«

Hanno betrachtete den vollen, bleichen Mond, der jetzt unnatü rlich groû ü ber den näc htlichen Schatten der Bä ume aufgegangen war.

»Na ja,« sagte er schlieûlich, »da wirst du dich vielleicht an den Gedanken gewö hnen mü ssen, ihn zu der Dohlenkolonie in dem Steinbruch zurü ckzubringen, wo ihr ihn herhabt. Da wird er ja eine Menge Altersgenossen haben. Oder du bringst ihn ins Tiergehege nach Otternbusch, ich kenn da den Zoologischen Direktor aus der Universitä tsgesellschaft. Da kannst du ihn dann immer besuchen.«

Und Hanno wuûte nicht, warum er so tief gerüh rt war, als Sarah sich auf ihn stü rzte und ihn stü rmisch abkü ûte.

»Danke, Papi.«

Dann holte sie den schlafenden Konrad von seinem Ast und brachte ihn in die Garage, wä hrend Hanno zusah, wie der Mond am Himmel emporkletterte und alle Gä rten ringsum mit dem gleichen silbrigen Licht ü bergoû.

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Am Mittwoch morgen um 8.30 Uhr saû Alice Hopfenmü ller zwischen ihren unausgepackten Umzugskartons in der Kü che ihrer neuen Wohnung in der Isestraûe beim Früh stü ck, als plö tzlich das Telefon klingelte. Das muûte irgend jemand sein, der die Vormie-

terin sprechen wollte, dachte sie und nahm den

Hö rer

ab. Doch

am anderen Ende war Schä fer.

 

 

»Haben Sie schon das JOURNAL gesehen?«

krä hte

er aufge-

regt. »Wir haben es geschafft, der Jagdhund hat die Fä hrte aufgenommen. Jetzt sind wir erst einmal sicher.«

Es dauerte einige Sekunden, bis Alice begriff, daû er mit »Jagdhund« diesen Journalisten meinte. »Ist der Artikel schon erschienen?«

»Ja, ganz groû, auf der dritten Seite! Fast eine ganze Seite lang. Ü berschrift: Die Universitä t Ð eine Hö lle fü r die Frauen, Fragezeichen.« Er kreischte fast vor Vergnüg en. »Was sagen Sie dazu, DIE

UNIVERSITÄ T Ð EINE HÖ LLE FÜ R DIE FRAUEN? Kaufen Sie sich eine

Zeitung, und kommen Sie her. Wir haben zu tun.« Er legte auf, und Alice warf sich einen Mantel ü ber, um am Kiosk am Eppendorfer Baum ein JOURNAL zu kaufen.

Zur selben Zeit lag Heribert Kurtz in seiner Pö seldorfer Pent- house-Wohnung im Bett und sog die Dü fte ein, die von der Kü che herü berwehten. Dort brutzelte Brigitte Schell ein krä ftiges englisches Früh stü ck, das sie sich redlich verdient hatten. Vorher war sie im Morgenmantel mit dem Fahrstuhl nach unten gefahren und hatte ihm die drei Zeitungen gebracht, die er jeden Morgen im Bett las: die FAZ, die taz und das JOURNAL.

»Hö r dir das an!« schrie er durch die offene Tü r zu Brigitte in die Kü che. Und er las:

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»In der Universitä t rumort es. Grund ist diesmal nicht die finanzielle Misere, sondern der Verdacht, daû die Verwaltung einen Fall von sexueller Erpressung vertuscht.

Professor Brigitte Schell vom Studiengang Schauspiel berichtete dem JOURNAL, wie die Hauptdarstellerin im diesjä hrigen Theaterprojekt, Clara C., plö tzlich auf der Bühn e zusammenbrach, als sie das Opfer einer Vergewaltigung spielen sollte. -Das habe ich alles genauso erlebt¬, sagte sie laut Professor Schell und erlitt einen Nervenzusammenbruch. Der Vergewaltiger in dem Stü ck von Jessica Wilson mit dem Titel -Medea¬ ist ein Professor.«

Brigitte war im Morgenmantel ins Schlafzimmer gekommen und stand nun mit der brutzelnden Pfanne in der Tü r, um besser zuhö ren zu kö nnen. »Was steht da, wie die Studentin heiût, Clara wie?«

Kurtz suchte im Text herum.

»Clara C.« wiederholte Kurtz. »Warte mal, da steht ein Sternchen Ð ah ja, unten ist eine Fuûnote: -Der richtige Name des Opfers ist der Redaktion bekannt.¬ Die mü ssen das wegen der Persö n- lichkeitsrechte.«

»Lies weiter«, bat Brigitte und lieû langsam die Eier in der Pfanne kalt werden.

Wenig spä ter kam es in Bernies Gehirn zum Kampf zwischen den heftigen Schwingungen in den Gehö rgä ngen, die vom Schrillen des Telefons verursacht wurden, und der neuronalen Abwehrorganisation in seinem Schlafschutzzentrum. Bernie war gestern abend recht spä t von einem Segeltö rn mit Rebecca zurü ckgekommen und hatte sich nach einer Mahlzeit in der Tarantel in ihrem Appartment noch dem Luxus eines alkoholisierten Têt-à -tête hingegeben, das in einem Absturz endete. Und so muûte ihn das Lä uten des Telefons aus groûen Tiefen nach oben ziehen. Als er auftauchte, griff er blind nach dem Hö rer und kräc hzte: »Hallo?«

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»Gurgelst du gerade?« Von weitem hö rte er die Stimme von Dr. Schmale, dem Persö nlichen Referenten des Prä sidenten. »Wie spä t ist es?«

»Gerade fün f vor zwö lf. Hö r zu, Bernie, ich les dir jetzt einen Artikel vor, der wird dich aufwecken.« Bernie hö rte ein hirnzerfetzendes Geraschel, dann murmelte Schmale etwas in sich hinein und las plö tzlich laut: »Als Folge dieses Zusammenbruchs muûte Frau C. sich zur Behandlung in die psychiatrische Klinik in Eppendorf begeben, wo sie wegen akuter Suizidgefä hrdung unter Beobachtung steht. -Das ist ein eindeutiger Fall schwerer sexueller Erpressung einer Studentin durch einen Hochschullehrer dieser Universitä t!¬ sagte die Frauenbeauftragte Ursula Wagner. -Und wir werden nicht zulassen, daû er unter den Teppich gekehrt wird.¬ Bernie, bist du noch da?«

»Pit, was, zum Teufel, liest du da?« Bernie kä mpfte sich durch die Brandung seines Hirntobens langsam an Land.

»Das ist ein Artikel aus dem JOURNAL von einem gewissen Martin Sommer. Hast du mit dem gesprochen?«

»Ich weiû nicht, ja, ich glaube, da war so ein Schnü ffler, der hat mich angerufen.«

»Hö r zu, jetzt kommst du nä mlich. Warte...« Wieder ertö nte das Rascheln.

»Inzwischen hat eine Befragung des Opfers durch den Vorsit-

zenden

des

Disziplinarausschusses der Universitä t stattgefunden,

ü ber das dem JOURNAL ein

Gespräc hsprotokoll

vorliegt. Darin

bestä tigt

die

Verfasserin Frau

Dr. Hopfenmü ller

ihren Eindruck,

daû das Opfer aus Angst den Namen des Tä ters verschweigt. -Sie ist zweifellos durch die Vergewaltigung schwer traumatisiert. Ich hoffe nur, daû man nicht wieder unterstellt, es sei alles die Erfindung einer hysterischen Frau, und den Fall auf sich beruhen lä ût.¬ «

Bernie verstand nicht, was er da hö rte. Er war wie vor den Kopf geschlagen. Die Hopfenmü ller konnte das unmö glich gesagt haben. Wahrscheinlich hatte dieser Journalist alles verdreht.

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»Das ist alles Quark«, kräc hzte er.

»Hö r zu, jetzt kommt's: Das ist offenbar genau das, was die Verwaltung beabsichtigt. -An der Sache ist nichts dran¬, sagte der Vorsitzende des Disziplinarausschusses, Professor Weskamp, auf Anfrage dem JOURNAL. Im ü brigen verweigerte er jede weitere Auskunft.

-Die Ö ffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, welche Hö lle die Universitä t fü r die Frauen ist¬, bemerkte kä mpferisch die Frauenbeauftragte Professor Wagner gegenü ber dem JOURNAL. -Das ist im Interesse aller Studentinnen und Hochschullehrerinnen.¬ «

»Warte, warte, Pit, mir ist schlecht«, äc hzte Bernie, legte den Telefonhö rer auf und eilte ins Bad.

»Wo hat dieser Kerl bloû all diese Informationen her?« fragte zur selben Zeit der Leiter des Rechtsreferats, Dr. Matte, und wies anklagend auf die Nummer des JOURNAL, die aufgeschlagen auf seinem Schreibtisch lag. Vor ihm stand der Pressereferent der Universitä t, Hans Ternes, genannt Pollux.

»Bernie sagt, von der Wagner.«

»Ja, aber doch nicht dies hier. Warte, wo ist es denn? -Die Ö f- fentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, welche Hö lle... blablabla...¬ Das hatten wir schon, das ist der Quatsch von der Wagner. Ah, hier ist es, hö r zu!

-Sie war ein so glü ckliches Mä dchen¬, sagte Claras Mutter in einem Exklusivinterview dem JOURNAL unter Trä nen. Die Witwe eines Postbeamten aus Nienburg konnte die Nachricht von dem, was ihrer Tochter widerfahren war, zunäc hst gar nicht fassen. -Ich versteh das nicht!¬ sagte sie immer wieder, als sie die unbeschwerte Jugend ihres einzigen Kindes schilderte. An Claras Interesse fü r

Kostü me hatte der Vater ihre Schauspielbegabung

erkannt, und

trotz seiner schmalen

Einkün fte brachte die

Familie

jedes

Opfer

fü r ihre Ausbildung.

Daû es sich gelohnt

hatte, bestä tigte

Frau

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