Добавил:
Upload Опубликованный материал нарушает ваши авторские права? Сообщите нам.
Вуз: Предмет: Файл:

Der_Campus

.pdf
Скачиваний:
32
Добавлен:
24.03.2015
Размер:
2.49 Mб
Скачать

rechnet den Vorsitz im Disziplinarausschuû ausgesucht hatte. Und dann noch bei beiden Ausschü ssen, wie er erfahren hatte, im Disziplinarausschuû des Fachbereichs Sprachwissenschaften und im groûen Disziplinarausschuû der Universitä t: der Groûinquisitor! Ein harmlos aussehender Torquemada. Je harmloser sie waren, desto gefä hrlicher. Hanno hatte in einem Sammelband mal etwas ü ber Folterpraktiken und Gestä ndnisse geschrieben. Katz und er hatten den Band herausgegeben, bei Suhrkamp. »Bekenntnis und Gestä ndnis« hatten sie ihn genannt, und im Untertitel »Formen der Selbstthematisierung«. Welche Ironie! Er muûte sich jetzt auch thematisieren, aber so, daû er wie ein Leuchtturm der Respektabilitä t wirkte.

»Zunäc hst danke ich Ihnen, daû Sie so schnell einen Termin fü r mich freimachen konnten«, erö ffnete Weskamp die Partie mit einem weiûen Bauern.

»Scheuûliche Sache, diese Geschichte, die Sie da untersuchen.« Hanno zog seinen schwarzen Bauern.

»Ja, degoutant. Nicht das, was man gerne untersucht.« Zweiter

weiûer Bauer ein Feld nach vorn.

 

»Aber nach den Verö ffentlichungen und den

Demonstrationen

gerä t die Verwaltung wohl unter Druck, und

die Frauenbeauf-

tragte will Blut sehen?« Schwarzer Bauer, um den weiûen Lä ufer herauszulocken.

»Auch das. Nun konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf Ihr Institut, weil die betreffende Studentin bei Ihnen studiert hat. Kennen Sie sie?«

Hannos Alarmanlage schrillte. Was machte er da? Bot er ihm seinen Bauern zum Fressen an? Eine Falle!

»Wie sollte ich das? Ihr Name ist doch der Ö ffentlichkeit nicht bekannt.« Hanno ü berlegte. Aber Weskamp muûte ihn doch kennen, weil er mit Babsi das Gespräc h in der Klinik gefüh rt hatte. Er brannte darauf, ihn danach zu fragen. Aber, wenn er den Namen erfüh re, muûte er zugeben, daû er sie nä her kannte, und er wollte lieber auf Distanz bleiben, solange es ging. »Wir alle im Institut

241

sind naturgemä û tief betroffen, daû so etwas bei uns vorgekommen sein soll. So eine Anklage bringt natü rlich Unruhe in die Abteilungen, vor allem, seit es diesen ö ffentlichen...«, er wollte sagen »Rummel«, besann sich aber, »dieses ö ffentliche Aufsehen gibt.« Jetzt zog er den Springer zum Gegenangriff. »Wir mö chten Ihre Untersuchung nicht erschweren, aber Sie werden verstehen, daû ich mich vor alle Mitarbeiter stelle. Wir kö nnten vielleicht etwas... etwas kooperativer sein, wenn Sie nicht Ihren Bericht gleich an die Presse gegeben hä tten.«

»Ja, das ist sehr unglü cklich. Glauben Sie mir, es war ein Versehen. Die Protokollantin des Gespräc hs ist neu in Hamburg und hat sich von einem Journalisten ausfragen lassen.«

Aha. Weiû zog seinen Bauern aus der Gefahrenzone. Er wankte, er war angeschlagen. Hanno zog den anderen Springer nach.

»Ja, aber nun ist das Kind in den Brunnen gefallen. Sehen Sie, als Soziologen kennen wir die korrodierende Wirkung allgemeiner Verdäc htigungen, die sich bei so einer Jagd nach Sensationen immer einstellt. Jetzt gilt es nicht nur den Schuldigen zu ermitteln, sondern auch die Privatsphä re vö llig Unschuldiger zu schü tzen.«

Weskamp brü tete offenbar ü ber seinen Figuren und nickte impotent.

»Und was ist, wenn das Mä dchen alles erfindet?« Da wachte Weiû wieder auf und zog einen Bauern.

»Na, dieses Argument ist tabu. Wenn wir damit argumentieren, haben wir sä mtliche Feministinnen und Nichtfeministinnen auf dem Hals, denn das gilt als typisches Macho-Argument. Erfunden haben darf sie das nicht!«

Hanno dachte an Babsi. Sie kö nnte alles erfinden. Er brannte darauf, diesen Weskamp zu fragen, welchen Eindruck sie gemacht hatte, aber er sollte es lieber lassen.

»Welchen Eindruck hat sie denn auf Sie gemacht? Sie haben sie doch befragt. Wirkte sie glaubwü rdig?«

War der Zug ein Fehler? Wirkten nicht genaue Kenntnisse schon zu verrä terisch? Bewies nicht erst sein Mangel an Detailin-

242

formationen seine Indifferenz und persö nliche Distanz? Er versuchte, unbeteiligt zu wirken, wä hrend er auf Weskamps Antwort wartete.

»Ich weiû nicht recht. Schwer zu sagen.«

Hanno spü rte in sich den Drang zu fragen, ob sie Namen genannt hatte. Es kostete ihn eine merkliche Anstrengung, dem Sog zu widerstehen. »Wie dem auch sei«, er zog einen schwarzen Bauern vor, »auf jeden Fall steht in einer solchen Situation immer Aussage gegen Aussage, und dann Ð dann entscheidet die Glaubwü rdigkeit. Und wer ist glaubwü rdiger, ein Hochschullehrer dieser Universitä t oder ein Mä dchen in psychiatrischer Behandlung? Nein, damit ist nichts anzufangen. Und jetzt, wo sie noch nicht mal einen Namen genannt hat...?« Hanno hob die Hä nde, um die Aussichtslosigkeit der ganzen Sache anzudeuten. Dann trank er das Whiskyglas mit einem Zug leer und stellte es mit einer Endgü ltigkeit auf den Tisch zurü ck, die seinem Gegner die Botschaft vermittelte, seine Stellung sei hoffnungslos und er kö nne die Partie ebensogut aufgeben.

»Aber sie hat ja den Tä ter genannt.«

Der Satz traf Hanno wie ein Kopfschuû. Er fuhr zurü ck. Vor seinen Augen kreisten kleine Punkte. Er muûte nach Atem ringen. Unvermittelt brach ihm der Schweiû aus. Sein Herz jagte, und er füh lte sich schwindelig.

An seinen Handgelenken pochten die Schü rfwunden von seinem Sturz. Er zog das Taschentuch, um sich den Schweiû abzuwischen. Dann schneuzte er sich und simulierte einen Hustenanfall, um Zeit zu gewinnen.

»Entschuldigen Sie«, rö chelte er schlieûlich, »eine verflixte Erkä ltung.«

Was sollte er jetzt tun? Diese verfluchte Babsi! Jetzt wuûte dieser Groûinquisitor Bescheid. Wer wuûte es noch? Ob er ihn bestechen sollte zu schweigen? Oder ü berreden? Vielleicht konnte er ihm die ganze Sache erklä ren? Wie wä re es, wenn er sich ihm an-

243

vertraute und ihm die Wahrheit erzä hlte? Schlieûlich hatte er niemanden vergewaltigt und sexuell erpreût.

»Wer weiû es noch?« Er muûte sich rä uspern und konnte es erst im zweiten Anlauf sagen. Er füh lte den durchdringenden Blick seines Gegenü bers auf sich.

»Niemand auûer mir. Und der Protokollantin«, füg te er hinzu. Hannos Hirn raste.

»Sehen Sie, der Institutsfrieden ist auch ein Rechtsgut«, hö rte er sich sagen. »Kennen Sie die Geschichte von Dostojewskis Groûinquisitor? Sicher kennen Sie die... Das eine ist der fundamentalistische Moralismus, und das andere ist die strukturelle Vernunft der

Institutionen... Wir sind dazu da, die Institutionen zu

schü tzen.

Wir werden angegriffen von der leeren Subjektivitä t,

von den

neuen Enthusiasten des Gewissensterrors. Die Folgen interessieren sie nicht... Wir sollten auch in diesem Fall...« Ihm war bewuût, daû er galoppierenden Unsinn redete. Wo füh rte das hin? Er muûte sich bremsen. Hatte er nicht gerade gesagt, daû Aussage gegen Aussage stand? Er durfte sich jetzt nicht dazu verleiten lassen,

irgend

etwas

zuzugeben. Verstehen

wü rde dieser

Weskamp

nichts,

wenn

er die Wahrheit zugab.

Er wü rde sein

Gestä ndnis

protokollieren und die Presse benachrichtigen. O Gott, nein! Er muûte bei seinem Leugnen bleiben! Er muûte jetzt so tun, als ob er die ganze Zeit ü ber von einem anderen Mitarbeiter des Instituts gesprochen hä tte, den er vielleicht fü r schuldig hielt. Ja, aber was dann? Dann muûte er doch fragen, wen das Mä dchen genannt hatte, wenn er es nicht selbst war. Aber dann erfuhr er ja, daû er es selber war, und muûte mit seinem Leugnen beginnen. Er brauchte Zeit zum Nachdenken.

»Sagen Sie mir nicht, wer es ist. Ich will es nicht wissen«, begann er wieder. »Man wird sonst furchtbar befangen, und das mö chte ich mir ersparen.« Ja, das tat gut, so war es richtig! »Herr Weskamp, Sie werden finden, daû das Institut solidarisch zusammensteht. Ich selbst rate dazu, die Sache fallenzulassen. Sie werden sehen, es wird auf die ü bliche Konfrontation hinauslaufen: Anklage

244

und Dementi, Glaubwü rdigkeit gegen Glaubwü rdigkeit. Und da habe ich keinen Zweifel, wer diese Konfrontation gewinnen wird.« Er sprach jetzt durch die Blume. Dieser Weskamp sollte doch denken, was er wollte. Wenn er ihn fü r schuldig hielt, konnte er es als Ankün digung auffassen, daû er kä mpfen wü rde. Wenn er ihn fü r unschuldig hielt, konnte er sowieso gleich aufgeben.

Hanno erhob sich. »Es tut mir leid, daû ich Ihnen so gar nicht

helfen konnte. Es wä re alles leichter, wenn nicht schon die Ö

ffent-

lichkeit eingeschaltet worden wä re.« Auch Weskamp hatte

seine

1,85 m erhoben und reichte ihm die Hand.

 

»Ja, das bedaure ich auch.« Er blickte Hanno jetzt durchdringend an. »Und wenn es nach mir ginge, wü rde ich den ganzen Kram fallenlassen, das kö nnen Sie mir glauben. Hoffen wir, daû es gelingt. Es ist etwas paradox, eine Reputation fü r Diskretion zu haben, aber es wä re nicht zum ersten Mal.« Und dann zwinkerte er ihm doch tatsäc hlich zu. »Auf Wiedersehen, Herr Hackmann.«

Er brachte ihn zur Tü r. »Auf Wiedersehen.«

Als er die Tü r wieder geschlossen hatte, blieb Hanno nachdenklich stehen. Er wuûte nicht, was er von diesen letzten Bemerkungen halten sollte.

Die Musik rieselte wie ein Perlenvorhang herab. Der Oberkö rper des Mannes am Klavier schaukelte im langsamen Takt der rhythmischen Wellen. Am Tisch in der Ecknische des Cordon Rouge in Pö seldorf brannte Bernie darauf, zu erzä hlen, was er gerade erlebt hatte. Allzu gerne hä tte er Bernie den Polizeikommissar gezeigt. Aber das ging leider nicht. Diesem Fleischwolf von Kurtz konnte er doch nicht diese Geschichte erzä hlen, und der Schell auch nicht. Damit wü rde er bei Rebecca mit einem Schlag seinen Kredit verlieren. Hatte er ihn nicht gewonnen, weil er diskret und taktvoll war? War das nicht das Entrée -Billett zu den Korridoren der Macht? Da konnte er sich nicht plö tzlich als Klatschbase entpuppen. Hatte er

245

nicht den Fall Brockhaus auf leisen Sohlen erledigt? Andererseits wü rde er aber allzugerne Bernie den Unwiderstehlichen auftreten lassen. Denn Bernie empfand ein unangenehmes, enges Gefüh l:

Eifersucht.

Es war Rebecca gewesen, die den gemeinsamen Freitagsabendrestaurantbesuch mit Kurtz und der Schell vorgeschlagen hatte. Offensichtlich hatten die beiden ein Verhä ltnis. Aber daû Rebecca den Kurtz so gut kannte, hatte er nicht geahnt. Sicher, jeder im Senat kannte den Kurtz irgendwie Ð aber an den Blicken, die sie und Kurtz tauschten, und an ihren Gesten las er ein Einverstä ndnis ab, das nur auf dem Humus vergangener Intimitä t gewachsen sein konnte. Ü ber ihrer reibungslosen Verstä ndigung lag ein Widerschein läc helnder Erinnerung wie ein Abendrot auf einem zerwüh lten Hotelbett. Die Vorstellung, daû dieser Koloû mit ihr geschlafen hatte, machte die beruhigende Wirkung des opulenten Abendessens vö llig zunichte. Um so mehr versprach sich Bernie etwas Beruhigung von dem herrlichen 1972 Cheval Blanc von St. Emilion. Mit Kennermiene studierte er das Etikett. In einem Bogen wö lbte sich der Schriftzug »Châ teau au Cheval Blanc«. Darunter, in einem Ornamentkreuz, stand die Jahreszahl 1972., direkt ü ber dem Namen der Region St. Emilion, und ganz unten stand in Antiqua der Name des Besitzers, Fourcaud-Laussac. Bernie füh lte, wie in seinem Inneren mehrere Figuren auf einmal aufstanden. Bernie der Romanist, Bernie der Weltmann und Bernie der Kultivierte. »Ein St. Emilion muû es fü r mich sein.« Er sog die Luft durch den kleinen Schluck, den er aus dem Glas genommen hatte, und schnalzte dann ganz leicht mit der Zunge. »Er ist ungeheuer stark, so wie ein Port und ein Bordeaux zusammengenommen. Ich ziehe ihn dem Pomerol vor. St. Emilion ist Seide, und Pomerol ist Samt. Auûerdem kenne ich den Besitzer.«

»Kö nnen Sie uns dann ein paar Flaschen billiger besorgen?« Bernie füh lte seinen Grimm steigen. Dieser Kurtz versuchte gleich, einen Reibach zu machen. Er sah, wie die Schell ihn anflirtete.

246

»Das ist unfein, Sahib. Laû lieber Herrn Weskamp erzä hlen, woher er den Besitzer kennt.«

»Das ist in der Dordogne. St. Emilion war eine Station auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostella...«

»Soll er doch lieber erzä hlen, was er in der Sache mit der sexuellen Belä stigung herausgefunden hat«, unterbrach ihn Kurtz brutal und wandte sich an Bernie direkt. »Das interessiert Brigitte mehr als dieses Bildungsgerede ü ber Santiago de Pomponella!«

Bernie wurde fast wieder nü chtern vor Wut. Jetzt muûte Bernie der Eisige an die Front und dem Kurtz eins aufs Dach geben.

»Ha, ha, ha«, lachte Bernie der Eisige stä hlern, »ich weiû nicht, ob sich jeder fü r unsere Hintertreppenpolitik in der Uni so interessiert wie Sie.« Er blickte zu Rebecca hinü ber. »Auûerdem gibt es so etwas wie Diskretion und Takt. Damit erledigt man manches leichter, als wenn man permanent die groûe Glocke lä utet. Ich bin doch nicht die Katze, die die Schelle umhä ngt, wenn sie Mä use fä ngt.«

Jetzt hatte er sie. Alle blickten ihn an, als ob er etwas verschwieg. Selbst Kurtz tauschte sein wö lfisches Aussehen gegen den Ausdruck echten Interesses.

»Nun sagen Sie schon, was haben Sie rausgekriegt.« »Dienstgeheimnis bleibt Dienstgeheimnis.« Bernie läc helte

enigmatisch, lehnte sich zurü ck und betrachtete interessiert das krä ftige Rot in seinem Weinglas, dessen Stiel er zwischen den Fingern drehte.

Rebecca läc helte ihn an. »Bernie, bist du so lieb und holst mir mal ein paar Zigaretten Ð Kent, bitte?«

Bernie war so lieb und stakste steifbeinig zum Automaten in der Garderobe. Als er die Packung aus der Automatenrinne geklaubt hatte und sich wieder aufrichtete, stand Rebecca hinter ihm.

»Nanu?«

»Wenn du was hast, erzä hl es uns«, flü sterte sie. »Der Senator will daraus einen groûen Fall machen, und dazu brauchen wir den Kurtz.«

247

»Hast du mal was mit dem gehabt?«

Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre beiden Hä nde und kü ûte ihn lachend auf den Mund. »Jetzt hab ich mit dir was. Du hast das Zeug fü r... na, eben fü r mehr als Kurtz.« Sie kü ûte ihn wieder. »Er ist eine Kanaille, aber verä rger ihn nicht. Wir stehen auf derselben Seite. Hast du was rausgefunden?«

Bernie nickte.

»Warte, bis ich von der Toilette zurü ck bin, und erzä hl es dann erst.«

»Der Senator hat was damit vor, sagst du?«

»Ja, er lä ût dich grü ûen.« Auf dem Weg zur Damentoilette drehte sie sich noch einmal um. »Warte mit der Story, bis ich wieder da bin, ich will sie auch hö ren!«

Na gut, wenn sie es sagte. Auf ihren Befehl wurde Bernie reuelos zum Verbrecher. Wenn sie ihn kü ûte, schmolz Hamburg in der Alster. War er nicht angetreten, die groûe Politik zu erobern? Bernie dachte an sein kleines Bü ro in der Universitä t. Ein Schlieûfach fü r einen Koffer, aber kein Bü ro fü r einen Professor! Wenn er daran dachte, welche Palä ste seine Mitstudenten inzwischen bewohnten! Und welche Gehä lter sie scheffelten! Er dagegen verbrachte seine Zeit damit, bei der Materialstelle herumzubetteln, daû er ein paar Aktenordner bekam. Er muûte da raus!

»Wo ist Rebecca? Na ja, wo ist sie schon«, sagte er, als er sich wieder niederlieû und das Paket Kent auf den Tisch warf.

»Sie haben Lippenstift auf dem Mund«, lachte die Schell.

»Ich hab mich gerade etwas geschminkt«, konterte Bernieund die gute Laune schien wiederhergestellt. Als Rebecca zurü ckkam, konnte nun endlich der Vorhang fü r das Stü ck »Bernie fä ngt den Schmutzbold« aufgehen.

»Also Ð ich kenne den sexuellen Belä stiger jetzt.«

Er lehnte sich zurü ck. Das saû. Alle schrien so durcheinander, daû die Gä ste von den Nebentischen herü berstarrten. »Was?« »Wer ist es? Nun sag schon!« »Wie haben Sie es herausgekriegt?« Bernie der Kommissar hob die Hand.

248

»Also, ich ruf da im Soziologischen Institut an. Der Rudowsky, das ist der GD im Augenblick, ist in Cornell. Ich soll mich mit dem Hackmann in Verbindung setzen. Ich kenn den Hackmann von

der Universitä tsgesellschaft.

Ein

richtiger

Groûordinarius:

mo-

dern, gepflegt, theoriegestylt. Richtig edel.«

 

 

»Muû man den kennen?« fragte Brigitte zu Kurtz hinü ber.

 

»Ein Promi«, bestä tigte Kurtz. »Und ein

reaktionä res Schwein,

faselt stä ndig von Leistung

und

Standards

und Reputation. Ein

Platzhirsch von der kapitalsten Sorte. Hat eine scharfe Alte.«

 

»Ich hab ihn neulich im

Fernsehen gesehen«, bestä tigte

Re-

becca.

 

 

 

 

»Wir machen also einen Termin aus fü r heute abend.« »Heut abend?«

»Ja, grad eben. Na ja, vor ein paar Stunden. Um sechs Uhr war's. Bei ihm im Bü ro. Ich arbeite mich bei den Soziologen in die Abteilung fü r Kultursoziologie vor, sehr gepflegte Bü rolandschaft, alles vom Feinsten, anders als der Slum bei uns im Hauptgebä ude.«

»Siehst du Ð die Zauberwirkung der Drittmittel!« Kurtz grinste die Schell wö lfisch an.

»Ich klopf an seine Bü rotü r Ð keine Reaktion. Ich klopf und klopf Ð und schlieûlich leg ich das Ohr an die Tü r. Ich hoffe, du verzeihst mir die Indiskretion, Rebecca. Und wiût Ihr was, der schnarcht, der macht ein Nickerchen, der sä gt sich durch die Tischplatte. Ich also noch mal gegen die Tü r gewummert, und das hat ihn wach gemacht. Und er steht vor mir und sagt, er muûte gerade noch ein Telefonat beenden.«

Kaskaden von Geläc hter schallten ihm entgegen. Bernie der Raconteur!

»Um wach zu werden, gieût er sich einen Whisky hinter die Binde, und dann geht der Small talk los. Furchtbare Sache Ð delikate Angelegenheit Ð, und wie es Unruhe in das Seminar bringt, und er stellt sich vor alle seine Mitarbeiter, und dann macht er mir die Hö lle heiû, daû wir den vertraulichen Bericht an die Presse ge-

249

geben haben. -Scheiûe¬, denke ich, -der hat gleich meinen schwachen Punkt erwischt.¬ Und er hackt immer wieder drauf rum, wie gerne er kooperieren mö chte, aber jetzt mü ûte er die Privatsphä re seiner Mitarbeiter schü tzen, und er redet und redet ü ber Sensationshascherei und daû nachher sowieso nie etwas dabei rauskä me und so weiter. Na, was soll ich sagen? Ich denke, der mauert mich ein, und will schon gehen. Da fä llt mir so ein Kriminalfilm ein, den ich neulich gesehen haben. Da verhö rt der Kommissar einen Haufen Verdäc htiger und weiû gar nichts. Aber jedem sagt er, er hä tte den Tä ter. Ich wollte schon gehen, da fiel mir das wieder ein. So spontan. Ich denk, soll er doch glauben, er kann seinen Mitarbeiter nicht mehr sehr schü tzen, wir wissen schon, wer er ist Ð da wird er vielleicht kooperativer. Ich sag also: -Das Mä dchen hat den Tä - ter genannt.¬ Einfach so. Ein Schuû ins Dunkle Ð und wiût Ihr was? Ein Volltreffer! Er geht aus dem Leim. Er sagt keinen Ton mehr Ð die Augen quellen ihm aus dem Kopf, der Schweiû lä uft ihm nur so in den Kragen, ich denk, der kriegt einen Anfall. Er ist vö llig verä n- dert, und als er sich gefangen hat, redet er irre.«

»Sie meinen, er ist es selbst?«

»Natü rlich ist er's. Da gibt's ü berhaupt keinen Zweifel.« »Hat er es zugegeben?«

»Was er dann gesagt hat, habe ich ü berhaupt nur noch teilweise verstanden. Erst denke ich, er will mich kaufen. Dann faselt er plö tzlich vom Groûinquisitor.«

»Von wem?« fragte Rebecca.

»Ich habe es auch erst nicht begriffen, bis ich merkte, daû er die Fabel aus Dostojewskis -Brü der Karamasow¬ meint. Da kommt Christus zur Erde zurü ck, und der Groûinquisitor von Spanien lä ût ihn wieder verhaften. Wahrscheinlich war ich der Groûinquisitor, und er war Christus.«

»Jawoll, Christus, das ist er«, schrie Kurtz laut. »Wir werden ihn schon kreuzigen! Da freue ich mich richtig drauf!«

»Und ich wasch meine Hä nde in Unschuld«, sagte Rebecca und trank einen Schluck St. Emilion.

250

Соседние файлы в предмете [НЕСОРТИРОВАННОЕ]