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Ist unser Wille frei?

(Schopenhauer, Arthur: Die beiden Grundprobleme der Ethik. In: Sämtliche Werke, Bd. 3, 1968)

Um die Entstehung dieses für unser Thema so wichtigen Irrtums speziell und aufs deutlichste zu erläutern, wollen wir uns einen Menschen denken, der auf der Gasse stehend zu sich sagt: “Es ist sechs Uhr abends, die Tagesarbeit ist beendigt. Ich kann jetzt einen Spaziergang machen; oder ich kann in den Klub gehen; ich kann auch auf den Turm steigen, die Sonne untergehen zu sehen; ich kann auch ins Theater gehen; ich kann auch diesen, oder aber jenen Freund besuchen; ja, ich kann auch zum Tor hinauslaufen in die weite Welt und nie wieder kommen; tue jedoch davon jetzt nichts, sondern gehe ebenso freiwillig nach Hause zu meiner Frau.” Das ist geradeso, als wenn das Wasser spräche: “Ich kann hohe Wellen schlagen (ja! nämlich im Meer und Sturm), ich kann schäumend und sprudelnd hinunterstürzen (ja! nämlich im Wasserfall), ich kann frei als Strahl in die Luft steigen (ja! nämlich im Springbrunnen) usw.; tue jedoch von dem allen jetzt nichts, sondern bleibe freiwillig ruhig und klar im spiegelnden Teiche.”

Wie das Wasser jenes alles nur dann kann, wenn die bestimmenden Ursachen zum einen oder zum anderen eintreten, ebenso kann jeder Mensch, was er zu können wähnt, nicht anders, als unter derselben Bedingung. Bis die Ursachen eintreten, ist es ihm unmöglich: dann muss er es, so gut wie das Wasser, sobald es in die entsprechenden Umstände versetzt ist. Ebenso irrig meint mancher, indem er eine geladene Pistole in der Hand hält, er könne sich damit erschießen. Dazu ist das wenigste jenes mechanische Ausführungsmittel, die Hauptsache aber ein überaus starkes und daher seltenes Motiv, welches die ungeheure Kraft hat, die nötig ist, um die Lust zum Leben oder richtiger, die Furcht vor dem Tode zu überwiegen; erst nachdem ein solches eingetreten, kann er sich wirklich erschießen, und muss es; es sei denn, dass ein noch stärkeres Gegenmotiv, wenn überhaupt ein solches möglich ist, die Tat verhindere.

Ich kann tun, was ich will: ich kann, wenn ich will, was ich habe, den Armen geben und dadurch selbst einer werden, - wenn ich will! Aber ich vermag nicht, es zu wollen, weil die entgegenstehenden Motive viel zuviel Gewalt über mich haben, als dass ich es könnte. Hingegen, wenn ich einen anderen Charakter hätte, und zwar in dem Maße, dass ich ein Heiliger wäre, dann würde ich es wollen können; dann aber würde ich auch nicht umhin können, es zu wollen, würde es also tun müssen.

Deontologische und teleologische Ethik

Morscher, Edgar: Ethik und Technik. In: Neumaier (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 1986)

Man ist sich heute weitgehend einig, dass sowohl ein extrem deontologischer Standpunkt unhaltbar ist, weil er unter Umständen – wie bei Kant – unter dem Deckmantel der Moralität sogar unmenschliche Handlungen rechtfertigt, als auch ein rein teleologischer, weil er dazu führen kann, dass offenkundige Ungerechtigkeiten moralisch zulässig sind; nicht einmal bei der utilitaristischen Version des teleologischen Standpunkts sind solche Ungerechtigkeiten ausgeschlossen, da eine ungerechte Verteilung von Vorteilen und Lasten unter Umständen sogar optimal für die Allgemeinheit sein könnte, obwohl sie eben ungerecht ist. [...] Die MoraIphilosophen stimmen daher heute fast ausnahmslos darin überein, dass wir keine rein teleologische und keine rein deontologische Ethik akzeptieren können, sondern dass wir eine grmischte Theorie brauchen, welche die richtigen Grundideen, die in beiden Ansätzen stecken, miteinander verbindet. Als Ergänzung zum Utilitarismus werden daher gewisse Prinzipien aufgestellt – etwa Universalisierbarkeitsprinzipien, die besagen, dass man von einer bestimmten Person nur das moralisch verlangen kann, was man auch von jeder anderen verlangen würde, wenn sie sich unter gleichen Voraussetzungen in derselben Situation befände; manche Autoren schlagen auch vor, die teleologischen Theorien durch Gerechtigkeitsprinzipien zu ergänzen oder gar durch eine eigenständige Gerechtigkeitstheorie.

ldealistische Ethiken überfordern den Menschen

Szczesny, Gerhard: Das sogenannte Gute, 1971)

Die Fruchtlosigkeit oder gar Gefährlichkeit spekulativen Moralisierens ist begründet in der den Geist charakterisierenden und in der Tat wunderbaren Fähigkeit, jede Art von Lebensmodellen zu erdenken, ohne dass diese erdachten Modelle sich einer Prüfung durch die Realität stellen müssten. Das heißt, solange sich der Mensch nicht darüber im klaren ist, dass gewisse Grundtriebe nicht nur nicht ignoriert werden können, sondern das positive Fundament der Moralität sind, wird er spekulative Lebensmodelle als Verhaltensmuster postulieren, die weil sie keine Rücksicht auf die reale Triebausstattung nehmen, ohne Wirkung bleiben oder gar eine die instinktiv-humanitäre Intention pervertierende Wirkung haben. Man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass der ”idealistische” Geist die menschliche Moralität unter die tierische drücken kann und gedrückt hat. Was bei Tieren nur in ganz extremen Ausnahmesituationen vorkommt, ist beim Menschen üblich: die Tötung des Artgenossen. Lebensbedrohend ist die Verselbständigung der Welt der sogenannten Werte, nicht aber die vor jeder gedanklichen Verarbeitung funktionierende Moralität des Menschen.

Die Moral von morgen

Steinbuch, Karl: Falsch programmiert, 1969)

Zukünftige Wertsysteme müssen sehr konkret formuliert werden, sie müssen leicht verständliche Anweisungen zu praktischem Handeln ermöglichen und haben nichts zu tun mit Kalendersprüchen etwa der Art: “Edel sei der Mensch.” Der Mensch der Zukunft soll die Möglichkeit haben, in persönlicher Freiheit Denk- und Verhaltensformen zu entwickeln, die bisher unbekannt waren und so den Bereich menschlichen Erlebens vergrößern. Diese Freiheit darf nur dort eingeschränkt werden, wo die Existenz und Freiheit anderer Menschen geschädigt wird.

Wer sind die Betroffenen?

(Morscher, Edgar: Ethik und Technik. In: Neumaier (Hrsg.): Wissen und Gewissen, 1986)

Nicht nur die derzeit Lebenden sind von Entscheidungen und Entwicklungen heute betroffen, sondern auch die zukünftigen Generationen. Diese müssen daher in unsere ethischen Überlegungen mit eingebunden werden.

Außerdem sind nicht nur wir Menschen davon betroffen, sondern auch nicht-menschliche Lebewesen (Tiere und Pfianzen) [...]. Neben [...] “Einzelwesen” der Natur treten auch noch ganze Systeme wie Tierarten, Landschaften, Biotope usw. Auch sie sind als mögliche Betroffene in ethische Überlegungen mit einzubeziehen.

Das ist ein neuer Aspekt der heutigen Ethik gegenüber der früheren, die eindeutig anthropozentrisch war und alle moralischen Fragen ausschließlich auf den Menschen zugeschnitten und von ihm her beurteilt hat. Nunmehr werden auch nicht-menschliche Wesen, insbesondere Tiere als moralische Objekte aufgefasst.

Dazu kommt noch ein weiterer grundsätzlicher Schritt, der die Lösung von der alten, anthropozentrischen Ethik vervollständigt: Die Einbeziehung der Tiere und anderer nicht-menschlicher Lebewesen erfolgte zunächst nur im Hinblick darauf, dass sie dem Menschen nützen oder ihn erfreuen und dadurch zu seinem körperlichen sowie geistig-emotionellen Wohlbefinden beitragen. So erhielten Tiere und andere nicht-menschliche Wesen zwar einen Stellenwert in der Ethik, die aber im Kern zunächst immer noch anthropozentrisch blieb: Nicht-menschliche Naturwesen verdanken hierbei nämlich ihren moralischen Wert letztlich doch wieder dem Menschen; einzelne Tiere und Pflanzen sowie ganze Arten erscheinen als erhaltenswert und bekommen deshalb einen moralischen Status, weil wir uns - wenn wir sie schon nicht für uns nützen - wenigstens an ihnen erfreuen können und auch unseren Nachfahren dieses Erlebnis nicht vorenthalten wollen. Der wirklich entscheidende Schritt besteht aber darin, auch ein nicht-menschliches Naturwesen als moralisches Subjekt sui generis1) zu betrachten, dem unabhängig von Nutzen und Freude, die es den Menschen beschert, moralische Rechte einfach deshafb zukommen, weil es gewisse Eigenschaften hat wie etwa: leidensfähig zu sein, bis zu einem gewissen Grad Bewusstsein entwickelt zu haben usw.

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