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5. Brauchen wir eine neue Moral?

Lüge, Bestechung, “Freunderlwirtschaft” scheinen in vielen Lebensbereichen gang und gäbe zu sein. Nicht nur in der Politik, sondern auch im öffentlichen Dienst und in der Wirtschaft gab es immer schon Leute, die sich auf Kosten anderer bereichert und sich damit in den Augen der meisten Menschen ”unmoralisch” verhalten haben.

Mit “ohnmächtiger Wut” müssen wir zusehen, wie “wirtschaftliche Zwänge” zu systematischer Zerstörung von Lebensgrundlagen führen: die Regenwälder werden abgeholzt, die Meere verseucht, Boden und Trinkwasser vergiftet, die Luft verpestet und die Ozonschicht zerstört. Dies geschieht zwar meist nicht in böser Absicht – von bewusstem Öko-Terror und Ökokrieg abgesehen ‑ aber doch wissentlich. Letztlich geht es stets um Geld und Macht. Man denke auch an das weltweit blühende Waffengeschäfte, das immer wieder zu Kriegen führt.

Ein anderes höchst virulentes Phänomen ist der Drogenhandel, durch den zahllose Menschen ganz bewusst ins Unglück gestürzt werden.

Angesichts solcher Fakten fragt man sich, ob der Mensch überhaupt zu moralischem Verhalten fähig ist oder mit welchen Mitteln solches „erzwungen” werden könnte. Zumindest aber wird eine Rückkehr zu „alten” Werten beschworen bzw. die Forderung nach einer „neuen Moral” erhoben (wie immer, wenn Zivilisationen in bedrohliche Krisen geraten).

Hans Jonas: Das Prinzip „Verantwortung”

Hans Jonas (1903 - 1993) studierte bei E. Husserl und M. Heidegger. Im Zentrum seines ethischen Konzepts steht der Versuch einer Überwindung der Kluft zwischen Sein und Sollen. Bereits in den 60er Jahren hat er ethische Themen der Medizin aufgegriffen, insbesondere die Gefährdung der “Idee des Menschen” durch Humanexperimente und Gentechnologie.

Jonas kritisiert Ethiken, die in der heutigen Zeit die globale Wirkung von Natureingriffen nicht berücksichtigen. Der in unserer Zeit endgültig entfesselte Prometheus ruft nach einer Ethik, die sich freiwillig Zügel anlegt. Jonas geht von der derzeitigen Lage der Menschheit aus. Was der Mensch von heute tun kann und womit er konfrontiert ist, hat nicht seinesgleichen in vergangener Erfahrung. Er fordert eine Ethik der Global-Verantwortung. Solche Verantwortung erstreckt sich auf die ganze Biosphäre des Planeten. Es ist notwendig, Fernwirkungen einzukalkulieren: Jonas wandelt das Sprichwort In dubio pro reo ab zu In dubio pro malo: Aufgrund der Tatsache, dass der Mensch nicht befähigt ist, alle Vernetzungen zu analysieren, muss er, wenn er im Zweifel ist, der schlimmeren Prognose vor der optimistischen Gehör schenken. Der neue ethische Imperativ muss heute lauten: Schließe in deine gegenwärtige Wahl die zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein! Handle im Zweifelsfall nach der pessimistischen Prognose!

Die traditionellen Moralsysteme werden nach Szczesny immer mehr durch eine weltweite Zivilisationsmoral unterlaufen. Diese ist eine Universalmoral, die es schrittweise und ohne Zwang zu verwirklichen gilt. Wir brauchen einen neuen Humanismus, eine echte menschliche Revolution, die von der Masse der Menschen akzeptiert wird; zwar nicht eine Umwertung aller Werte, aber doch eine neue zukunfts- und vor allem auch ökologisch orientierte Moral.

Der neue Humanismus muss unserem Zeitalter und dessen Krisen angemessen sein. Die neue Moral muss rational konzipiert sein, da irrationale Wertsysteme an der Realität scheitern. Bisher unantastbare Normen, die nicht mehr akzeptabel erscheinen, müssen umgestoßen werden.

Konrad Lorenz (1983) sieht eine enge Beziehung zwischen dem Schwund an Menschlichkeit und der Selbstvernichtung der Menschheit. Grundursache aller Umweltkrisen sei der egoistische Materialismus. Die Erkenntnis hat es schwer, sich gegen ein technokratisches System durchzusetzen, in dem Freude am Wachstum, Statusstreben und Machtgier dominieren. Aber auch ideologisch-dogmatische Verblendung verhindert eine Humanisierung der Menschheit. Ein grundlegendes Problem bildet auch die Überbevölkerung der Erde.

Die Idee einer Geburtenkontrolle stößt vielfach immer noch auf heftige Kritik, weil sie in Widerspruch zu alten, traditionellen moralischen Konventionen steht. Manfred SCHLAPP (1973) meint jedoch zu Recht: „Der Humanismus stirbt mit jedem neuen Menschen.”

Klassische Morallehren sind vor allem auf Individuum und private Gesinnung fixiert und von Nächstenliebe geprägt – wobei der „Nächste” meist nur der Angehörige der Familie oder der Sippe, ein Freund oder guter Bekannter ist. Der Mensch ist - wie Lorenz meint - gut genug für eine kleine Gruppe, aber nicht für eine Massensozietät.

Welche Werte sollen in einer modernen Gesellschaft gelten?

Leben nach der Goldenen Regel - Der Kommunitarismus von Amitai Etzioni

Bürger und Politiker konstatieren eine “Ego-Gesellschaft” und ein “Moral-Vakuum” und rufen nach Tugenden und Gemeinsinn. Antje Vollmer: “Wir brauchen eine zweite Umweltbewegung: den Wiederaufbau der sozialen Umwelt.” Neben den moralischen Tugenden (Aufrichtigkeit, Mitleid, Großzügigkeit) sind vor allem die Bürgertugenden (Mut, Höflichkeit, Fleiß, Anpassungsfähigkeit, Mäßigung) von Bedeutung. Sie geben dem Miteinander der Menschen eine Ordnung. Der US-Soziologe Amitai Etzioni fordert den Westen zum Wiederaufbau einer “moralischen Infrastruktur” auf. In den Schulen müsse verstärkt Werteerziehung stattfinden. Die wichtigste Instanz der Charakter- und Gewissensbildung ist die Familie. Kinder lernen zunächst am Vorbild der Eltern. Jedes schlechte Beispiel trübt die Motivation zur eigenen Tugendhaftigkeit. Laissez-faire-Erziehung aus Desinteresse oder Ratlosigkeit verhindert die Orientierung der Kinder.

Die wichtigsten Werte für eine Gesellschaft sind nach Etzioni persönliche Freiheit, eine soziale Ordnung, die auf den Werten der Mitglieder der Gesellschaft basiert und nicht auf polizeilicher Überwachung und schließlich ein vorsichtig austariertes Gleichgewicht zwischen den Freiheiten und der sozialen Ordnung. Die neue Goldene Regel, die sich an den Kategorischen Imperativ Kants anlehnt (“Handle so, wie du willst, dass die anderen handeln!”), lautet: Respektiere die soziale Ordnung der Gesellschaft genauso, wie die möchtest, dass die Gesellschaft deine persönliche Freiheit respektiert. Die soziale Ordnung beruht darauf, dass die Menschen meistens das Richtige tun, weil sie daran glauben, und andere ermutigen, auch so zu handeln. Ein gewisser Druck -oder besser eine Ermutigung- ist nötig, damit die Menschen auf dem Pfad der Tugend bleiben.

Eine neue Bewegung legt jetzt auch bei Kleinigkeiten wieder Wert auf Normen. So wird es nicht mehr toleriert, wenn die Leute das Radio zu laut stellen oder die Straße als Toilette benutzen. Folge: Wenn man kleinere Verstöße nicht zulässt, dann gehen auch die ernsten Delikte zurück.

Es geht darum, eine der Natur des Menschen und unserer Krisenzeit angepasste Moral zu schaffen. Diese muss menschengerecht, sachgerecht (z. B. umweltgerecht) und praktikabel sein. Zuerst gilt es, allgemeine Ziele festzusetzen, die durch die “neue” Moral erreicht werden sollen. Und da offensichtlich verschieden Ziele angenommen werden können, ergibt sich die Forderung nach Toleranz gegenüber anderen Letztzielen.

Ein mögliches Ziel wäre etwa das Überleben in Würde. Die entsprechende Supernorm würde dann lauten: “Die Menschheit soll überleben!” Denkbar wäre auch ein weniger menschenbezogener Standpunkt, der sich in folgender Forderung ausdrückt: „Die Biosphäre soll möglichst so, wie sie ist, erhalten bleiben!”

Während im ersten Zielbeispiel der Mensch im Mittelpunkt steht, wird bei Annahme der zweiten Supernorm moralisches Verhalten auch in Bezug auf alle anderen Lebewesen gefordert. Es gibt also verschiedene Standpunkte, die einer neuen – ökologisch orientierten – Ethik zugrunde gelegt werden können.

Modelle einer Umweltethik

(nach Hafemann, Michael in "Psychologie heute" 2/1988)

Die zahlreichen Umweltprobleme und Umweltkatastrophen machen deutlich, dass unser Umgang mit der Natur egoistisch, kurzsichtig und von mangelndem Verständnis für die großen Zusammenhänge gekennzeichnet ist. Verschiedene Modelle einer ökologischen Ethik stehen zur Diskussion.

Anthropozentrische Umweltethik

Ziel ist die Erhaltung der Umwelt für den Menschen. Er steht im Mittelpunkt. Er darf die Natur nicht beliebig zerstören, weil er sich dadurch letztlich selbst schadet.

Pathozentrische Umweltethik

Auch Tiere haben Anrecht auf optimales Wohlergehen, vor allem soweit sie (vermutlich!) schmerzfähig sind. (Tierhaltung, Tierversuche!)

Biozentrische Umweltethik

Alle Lebewesen haben Rechte und müssen dementsprechend behandelt werden. Im Extremfall dürfte auch ein schädliches oder gefährliches Tier nicht getötet werden.

Holistische Umweltethik

Da die belebte Natur ohne die unbelebte nicht möglich ist, muss die Natur als Gesamtheit erhalten werden.

Der Mensch ist Bestandteil der Natur und er muss in ihr überleben. So muss jede ökologische Ethik letztlich menschbezogen (anthropozentrisch) sein.

Die “neue” Ethik

Eine neue, ökologisch orientierte Ethik sollte auf zweifache Weise eine Fernethik sein: sie muss auch das Wohl künftiger Generationen zu ihrem Anliegen machen, und sie muss global gelten, also die gesamte Menschheit einbeziehen.

Die schonende Nutzung der Lebensgrundlagen, ihre Erhaltung, Pflege und Regeneration darf nicht weiterhin Angelegenheit nur einiger selbsternannter Natur- und Umweltschützer bleiben. Sie muss überlebenswichtiges Anliegen aller werden. Es gilt die Maxime: Handle so, dass die Überlebensinteressen aller heutigen und künftigen Lebenssysteme – auch zum Vorteil des Menschen – gewährleistet sind!

Diese Maxime sollte ein neues Konsumdenken zur Folge haben, das ein Verschwenden von Rohstoffen nicht mehr duldet und an eine Selbstbeschränkung jedes einzelnen appelliert.

Weltweite Solidarität und Zusammenarbeit, Arbeitsteilung und Brüderlichkeit sind wichtige, aber sehr schwer erfüllbare Forderungen an eine zukünftige Ethik. Schwer erfüllbar deshalb, weil sie über den unmittelbaren Lebensbereich des einzelnen weit hinausgreifen und daher schwer zu vermitteln sind.

Hedonismus als zeitgemäße Ethik (?)

(nach einem Vortrag von Bernulf Kanitscheider)

Das Programm des Hedonismus ist ein individualistisches Lebensideal, in dem das eigene Glück das Ziel ist. Der Mensch strebt von Natur aus nach Lust. Nicht die Vernunft, sondern die Erfahrung liefert den obersten Wert. Aufgabe der Vernunft ist es, das Begehren zu verwalten. Sie wird nicht gebraucht, um eine Tugendlehre zu begründen, sondern zur Bilanzierung von Lust und Unlust. Da auf Ausschweifungen jeder Art nur um so schmerzhaftere Rückschläge zu folgen pflegen, muss die Vernunft das Streben nach Glück leiten und zügeln.

Epikur von Samos (um 300 v.Chr.) lehrte einen verfeinerten Hedonimus, den er auf empirischer Basis aufbaute. Erst muss man den Menschen aufklären über die vielen metaphysischen Illusionen, denn die Furcht vor den traditionellen Göttern steht dem Glück im Wege, die Furcht vor dem Tode führt zur Täuschung des Glaubens an die Unsterblichkeit der Seele. Die hedonistische Ethik ist eine von metaphysischer Sparsamkeit getragene Lebensphilosophie. Anerkennung des Lustprinzips Vernunft reichen zu ihrer Konstituierung aus. Es werden keine metaphysischen Voraussetzungen (wie Götterlehre, Unsterblichkeit der Seele, Vorsehung) benötigt. Aufgrund dieser Unabhängigkeit von äußeren Sinnbezügen und seiner Autonomie kann der Hedonismus gerade heute als lebensphilosophische Option einer naturalistischen Weltsicht gelten.

Diese sparsame Basis macht den Hedonismus zur geeigneten Ethik für die moderne Zeit, in der einerseits das naturwissenschaftliche Weltbild vorherrschend ist und andererseits das individuelle Glück der Person im Mittelpunkt steht.

Die Auffassung, Hedonisten seien egoistische Lustoptimierer, die sich um keine Tugenden, nicht um die Gemeinschaft, ja nicht einmal um das Wohlergehen der Objekte ihrer Begierde kümmern, wäre voreilig. Hedonisten anerkennen Tugenden, deuten diese jedoch anders: Der Wert der Tugend ist nicht absolut, sondern instrumentell. Tugenden dienen dazu, das angenehme Leben zielstrebig zu erreichen.

Beispiel Gerechtigkeit: Der Ungerechte kann nie sicher sein, dass seine Übervorteilung von Mitmenschen für alle Zukunft verborgen bleibt; dadurch wird seine Gemütsruhe und Glückseligkeit beeinträchtigt – und zwar mehr, als die rechtswidrig angeeigneten Güter es gut machen können. Andererseits tragen Wohlwollen, Liebe und Unterstützung zu unserer ausgeglichenen Seelenverfassung bei. Freunde sind nicht nur wichtig, weil sie uns Wohltaten erweisen, sondern auch das Gute, das wir ihnen tun, zu unserem eigenen angenehmen Leben beiträgt. Dies gilt auch bei ökologischen Überlegungen über eine lebenswerte Umwelt für unsere Nachkommen. Tugenden ergeben sich aus folgenorientierten Klugheitsüberlegungen. Wenn alle Mitglieder einer Gesellschaft vorausdenkende Egoisten wären, wären keine Gesetze vonnöten.

Die Metaphysikfreiheit der epikureischen Lehre führte zu heftigen Abwehrreaktionen. Ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. wird der Epikureismus zum Gegenstand christlicher Polemik und verschwindet. Erst in der Renaissance wird die Philosophie der Lebensfreude wieder erweckt. In der Zeit der Aufklärung war Julien Offray de la Mettrie der radikalste Verteidiger einer lustorientierten Ethik. Im 19. Jahrhundert kommt die Tradition der Lustethik unter dem Einfluß der kantischen Pflichtethik fast ganz zum Erliegen. Nur im angelsächsischen Raum hielt sich ‑ getragen durch den Utilitarismus ‑ eine Lebensphilosophie hedonistischer Prägung. So meinte David Hume, “Die Vernunft ist die Sklavin der Leidenschaften sie soll es bleiben.” In unserem Jahrhundert betont Bertrand Russell eines der hedonistischen Wesensmerkmale, die Bedeutung des Augenblicks, auf die schon Horaz (carpe diem) hingewiesen hatte. Auch Herbert Marcuse kommt von einer gänzlich anderen philosophischen Ausgangsposition zu einem hedonistischen Gesellschaftsmodell: Wir brauchen ein neues Verhältnis zur Arbeit, das nicht mehr ausschließlich dem Leistungsideal, sondern auch dem Lustprinzip verpflichtet ist. Er beantwortet auch die Frage, warum das Modell so wenig Akzeptanz gefunden hat. Der Hedonismus ist antiautoritär, unbrauchbar für Ideologien und er lässt sich nicht zur Rechtfertigung einer Ordnung verwenden, die mit Unterdrückung der Freiheit verbunden ist. Helmut Schelsky: “Das beste Instrument zum Erzwingen von Angst und Gehorsam ist die Unterdrückung der Triebsphäre.”

Die 6 Haupt-Moraltypen der Gegenwart

Nach Robert Wuthnow

“Hauptsache ich”

die individualistischen Utilitaristen

(Utilitarismus = reines Nützlichkeitsdenken). Tun das, was den eigenen Interessen förderlich ist. Kein Widerstand, wenn sie ethisch Bedenkliches tun müssen.

“Jawoll, Chef!”

Die Gruppen-Utilitaristen.

Tun das, was dem Arbeitgeber (bzw. Einer anderen Autorität, der sie sich verpflichtet fühlen) nützlich ist, auch wenn es fragwürdig ist.

“Irgendwie find’ ich das Kacke”

Die Gefühlsmoralisten.

Lassen sich in ihren Wertentscheidungen von (oft spontanen) Emotionen leiten (nicht unbedingt vom Gewissen).

“Ich will helfen”

Die Altruisten.

Wollen andere Menschen unterstützen, auch wenn sie sich dafür über Normen hinwegsetzen müssen.

“Das muss einfach so sein”

Die Moral-absolutisten.

Glauben zu wissen, was gut und böse ist, lassen keine Relativierung zu.

“Das ist Gottes Gesetz”

Die Religiösen Moralisten.

Tun das, von dem sie glauben, dass Christus (bzw. ein anderer Religionsstifter) es tun würde.

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