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Der Geburtsfehler des Euro

„ZAHLEN Sie mit ihrem guten Namen", warb einmal eine Kreditkarte, und sie zeigte damit: Vertrauen ist in der Marktwirtschaft so gut wie Zahlungsfähigkeit. Wer Vertrauen genießt, der braucht kein Geld, der hat Kredit, Wem kein Vertrauen entgegengebracht wird, der ist nicht kreditwürdig. Das gilt auch im modernen Geldwesen: Geld gibt es heutzutage nur noch als Kreditgeld, als Papiernote, die ein Schuldschein des Staates ist. Und da einem Staat der Kredit nicht gesperrt werden kann, wenn man kein Vertrauen mehr in ihn hat, realisiert sich ein Vertrauensverlust durch die schrittweise Entwertung seiner Ваnknoten. Genau so bekommt derzeit der Euro die Umkehr der Gleichung Vertrauen = Kredit zu spüren. Das Misstrauen der Finanzmärkte druckt seinen Wert immer tiefer. „Der Euro hat ein Glaubwürdigkeitsproblem", klagt die Europäische Zentralbank. Es fragt sich, was die Märkte dem Euro nicht glauben wollen?

Lange Zeit wurde die Euro- Schwäche mit der Stärke der amerikanischen Wirtschaft begründet. Der Boom in den USA setzte sich auch im Geburtsjahr des Euro 1999 fort, das Bruttoinlandsprodukt stieg um 4,1 Prozent, die Euro-Zone kam gerade mal auf 2,2 Prozent. Nach der Theorie fließt das weltweite Kapital immer dorthin, wo es sich am besten vermehrt - und das waren die USA. Aus der Eu­ro-Zone strömt das Geld also über den Atlantik, Euro wurde gegen Dollar verkauft, das hohe Angebot an Euro und die wachsende Nachfrage nach Dollar ließen Europas Währung sinken. Ob diese Bewegung tatsächlich stattfand oder nicht, die Märkte nahmen sie auf jeden Fall vorweg. Der Euro fiel.

Im Laufe des vergangenen Jahres aber hellte sich die Lage auf. Länder wie Spanien, Portu­gal oder Irland erzielten Wachstumsraten von weit über, drei Prozent. Doch der Euro fiel weiter.

Diesmal wurde die Schuld Deutschland gegeben: Die größte Ökonomie der Euro-Zone hinke hinterher. Nun ist aber auch die hiesige Wirtschaft in die Gange gekommen. Zentralbanken, Wirtschaftsweise, Industrieverbande - alle prognostizieren Deutschland rosige Zeiten, 2001 werde die Euro-Zone die USA sogar überflügeln. Doch der Euro fällt.

Dass der Euro Wert verliert, obwohl die Wirtschaftsdaten für ein Ansteigen sprechen, zeigt: Der Euro hat kein ökonomisches, sondern ein grundsätzliches Problem. Er hat seinen Geburtsfehler nicht überwunden, ihm fehlt das, was normalerweise der Ausgangspunkt einer Wahrung ist: die Einigkeit der politischen Sphäre, für die er steht. Er ist die einzige echte supranationale Währung der Welt, und das wird ihm angelastet. Denn ein Kreditgeld verträgt keine unklaren Machtverhältnisse. Die einzelnen Euro-Staaten sind souverän, damit ist das Euro-Projekt Gegenstand nationaler Entscheidungen und daher prinzipiell gefährdet. (...)

Stephan Kaufmann

Berliner Zeitung

27.4.2000

DER EURO...

  • Die Gelassenheit Gegenteil: die Aufgeregtheit, die Nervosität

  • beschwörend eindringlich

  • frohlocken triumphieren

  • der Gleichschritt gleichmäßige Entwicklung

  • die Rute, -n dünner Stock, Zweig (zum Schlagen) hier: harte Aufnahmekriterien

  • der Wechselkurs, -e der Preis, der für den Kauf oder Verkauf fremder Währungen gültig ist

  • der Firmling hier: der Anfänger.

DER GEBURTSFEHLER ...

  • Die Entwertung die Inflation

  • die Umkehr das Gegenteil - etw. vorweg nehmen etw. schon vorher realisieren

  • rosige Zeiten positive Z.

  • etw. anlasten behaupten, dass j-d schuld oder verantwortlich für etw. ist.

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