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23.11.2019
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Feindbild Globalisierung Die Angst vor der kulturellen Vereinnahmung

Was McDonaldisierung meint, wird fast weltweit auf Anhieb verstanden. Womit der Begriff an sich schon ein Beleg der globalen kulturellen Vereinheitlichung ist, für die er steht. Die Verwerfungen und den Orientierungsverlust in der arabischen Welt vermag er jedoch nicht in Ansätzen zu beschreiben. [...]

Unsere gesamte Ernährung hat sich innerhalb von Jahrzehnten völlig verändert. Ebenso unsere Kleidung, unsere Einrichtung, unsere Bauweise, unser Leben und die Art und Weise, unsere Zeit und Freizeit zu verbringen. Die moderne Hose, die den Qunbaz verdrängte, jenes weite, traditionelle Kleid aus alter Zeit, war seinerzeit mit Sicherheit ein größerer Eroberer als McDonald’s [...]

Während die konkreten Veränderungen des Alltags ohne große Schwierigkeiten vonstatten (weiter) gingen, wuchs zugleich der Hass auf die westlichen Eroberer umso stärker - begleitet vom Hass auf das Selbst, das dieses Virus aufnahm und es sich in seinem Innern ausbreiten ließ.

McDonald’s mag die Europäer noch provozieren, die Araber aber längst nicht mehr. Sie leben schon seit langem mit europäischen Marken, das Hinzukommen amerikanischer Produkte und Firmen spielt da auch keine Rolle mehr. Eine Lebensweise, eine Kultur ist im Laufe von Jahrzehnten völlig zusammengebrochen. Die Literatur, die Künste, die Musik und das Denken haben sich verändert. Wir sind dabei weder westlich noch ein Teil des Westens geworden [...]

Die Säulen unserer Gesellschaft – die Sippen, die Konfessionen, die Parteien, die Gewerkschaften und das Militär - leben im fortwährenden Übergang und ohne Tradition im Sinne einer Fähigkeit, Erfahrungen zu sammeln und zur Grundlage rationalen Handelns zu machen. Als lebten sie ohne Kurzzeitgedächtnis, ohne eine wirkliche Vorstellung über die jüngere Zeitgeschichte [...] Gelebtes und Gedachtes passen nicht zusammen. Unser Denken kreist um Wünsche und Begehren und nicht um die Wirklichkeit im Hier und Jetzt oder in der Geschichte. Die Traditionen zerbrechen, aber sie bleiben als Idee and Prinzip bestehen[...]

Auch Modernisierung existiert nicht als konkrete Möglichkeit, sondern als abstraktes Prinzip. In dieser Situation kann sich die Ideologie frei und unabhängig von jeglicher Prüfung der Realität und Erfahrung ausbreiten und zu Parolen kommen, die unhinterfragt verherrlicht (прославлять) und papageienartig von der Masse wiederholt werden [...]

Anstelle der Gedanken dominieren Gefühle - von Zermalmung, Minderwertigkeit und Groll -, aber auch der Wunsch nach Selbstbestätigung oder gar die Illusion der Erhabenheit. Der Westen ist Kristallisationspunkt all dieser gegensätzlichen Leidenschafen. Er ist der Vergewaltiger, dessen Tat wir nicht vergessen können, and er ist das unerreichbare Ideal zugleich.

Während wir ihn um Anerkennung anflehen, lassen wir zugleich die Zügel unseres Größenwahns vor ihm schießen. Seine symbolische oder tatsächliche Tötung erscheint einigen als die einzige Lösung, um das sinnlose Hinunterlaufen zu beenden.

Diese Innenwelt existiert ganz ohne Bezug zur Realität, weshalb sich beispielsweise Saddam Hussein und Bin Laden einbildeten, dass es in ihrer Macht stehe, die ganze Welt bekriegen. Legitimationsgründe finden sie in der kolonialistischen Geschichte zur Genüge (вдоволь, предостаточно). Es ist eine Geschichte von Plünderung, Verachtung und Vertreibung im Namen eines angeblichen zivilisatorischen Ideals.

Das Problem mit dem Westen geht tief, weil es das Selbst verletzt, das sich, aufgrund der Stärke seines Feindes amputiert oder überwältigt fühlt und unfähig ist, einen eigenen Namen oder eine Identität zu finden. [...]

In einer Welt, in der selbst die ehemaligen Kolonialherren zweitrangig geworden sind, gibt es für viele arabische Intellektuelle keine Hoffnung mehr. Da Europas Bedeutung hinter der amerikanischen Präsenz verblasst, kann es nicht mehr als Maßstab für die eigene Stärke oder Schwäche dienen.

abbas beydowh

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