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Stil. Syntax Nach Bernhard Sowinski.doc
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Die stilistische Bedeutung der Satzarten

Alle vollständigen Sätze gehören bestimmten »Satzarten« (Satztypen) an, Grundformen der Satzgestaltung, die sich aufgrund verschiedenartiger Kommunikationsleistungen in Wortstellung, Lexik und Intonation (bzw. Interpunktion) unterscheiden. Je nach der Art der Stellungnahme eines Sprechers zu einem besonderen Sachverhalt und der davon abhängigen Satzstruktur gliedern wir die Satzarten als Aussage-, Frage-, Aufforderungs- und Ausrufesätze. Die auf diese Weise inhaltlich differenzierten Satzarten sind nicht nur für die Grammatik interessant, sondern auch für die Stilistik, handelt es sich doch hierbei um sprachliche Ausdrucksformen, die sich unterschiedlicher stilistischer Mittel bedienen und unterschiedliche Wirkungen hervorrufen. Der gleiche Sachverhalt kann uns ebenso zu sachlichen oder gefühlsmäßig bestimmten Feststellungen im Aussagesatz bewegen wie zu ungeduldigen Erkundigungen im Fragesatz oder zu erstaunten Ausrufen, vielleicht sogar zu entsprechenden Aufforderungen. Die Stellungnahme wird jeweils eine andere sein, ebenso wie die Wirkung der verwendeten Ausdrucksmittel. Der Wechsel der Satzarten kann dementsprechend die Stilwirkung eines Textes erhöhen. Nicht selten nutzen einzelne Autoren diese Tatsache, um die Lebendigkeit ihrer Aussagen zu steigern. Wir suchen dies an einem Beispiel zu verdeutlichen, indem wir einigen Sätzen des Anfangs von Goethes »Werther« eine Umformung in lauter Aussagesätze gegenüberstellen:32

Original

Wie froh bin ich, daß ich weg bin! Bester Freund, was ist das Herz des Menschen! Dich zu verlassen, den ich so liebe, von dem ich unzertrennlich war, und froh zu sein! Ich weiß, du verzeihst mir’s. Waren nicht meine übrigen Verbindungen recht ausgesucht vom Schicksal, um ein Herz wie das meinige zu ängstigen? Die arme Leonore! Und doch war ich unschuldig!

Umformung

Ich bin froh, daß ich weg bin. Bester Freund, ich frage, was das Herz des Menschen ist. Ich bin so froh, obwohl ich dich, den ich so liebe und von dem ich unzertrennlich war, verlassen habe. Ich weiiß, du verzeihst es mir. Meine übrigen Verbindungen scheinen vom Schicksal ausgesucht worden zu sein, um ein Herz wie das meine zu äng-stigen. So auch die arme Leonore. Doch muß ich gestehen, daß ich unschuldig war.

Obwohl die Umformung Wortlaut und Gedankenverlauf des Goethetextes zu wahren sucht, kommt sie nicht ohne Umstellungen, Ergänzungen, Umschreibungen und Umwandlungen aus und erreicht bei weitem nicht di suggestive Wirkung des Originals, das den Aussagen, ja selbst einer Frage, die Form von Ausrufen verleiht und die Sätze durch Ellipsen und Fragen auflockert.

Die Beispiele zeigen, daß der gleche Textinhalt den Ausdruck in unterschiedlichen Satzarten zuläßt. Natürlich gilt dies nicht für alle Teste. Emotional gefärbte Ausrufe wären z.B. in wissenschaftlichen Texten, in Gegenstandsbeschreibungen oder Arbeitsanweisungen unangemessen. Aufforderungssatze sind noch weniger in allen Textsorten zulässig, da ihr kommunikativer Spielraum viel enger begrenzt ist. Dagegen sind im Rahmen der Aufforderungsfunktionen auch andere Satzarten einsetzbar, wie wir noch im einzelnen sehen werden. Gerade diese Möglichkeit der Verwendung einzelner Satzarten in anderen als den für sie spezifischen sprechsituationen macht sie als Stilmittel besonders interessant.

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