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Stil. Syntax Nach Bernhard Sowinski.doc
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Der Aussagesatz

Es gehört zu den Eigenarten der menschlichen Rede, daß in ihr die Formen feststellender Aussagen dominieren. Alles, was wir in der uns umgebenden Wirklichkeit wahrnehmen, was wir in unserer Phantasie ausmalen, als Gefühl empfinden, in unserem Denken entwickeln, folgern oder als Absicht bekunden, können wir in die Form von Aussagesätzen kleiden. Der Anwendungsspielraum des Aussagesatzes ist daher besonders groß.33

Strukturell sind alle Aussagesätze dadurch gekennzeichnet, daß das finite Verb in der Regel als zweites Salzglied des Hauptsatzes erscheint. (Diese Stellung nimmt es allerdings auch in Fragesätzen mit Fragewort ein.) Doch sind auch die meisten Nebensätze Aussagesätze.

Als Grundform des Aussagesatzes ist der sachlich-nüchterne Mitteilungssatz anzusehen, wie er sich in neutralen, emotionsfreien Feststellungen aller Texte des offiziellen Verkehrs, der Wissenschaft, Technik, aber auch in anderen Texten findet. Neben sachlichen Mitteilungssätzen sind aber auch die meisten emotional geprägten Sätze als Aussagesätze aufzufassen. Wir finden solche gefühlshaltigen Aussagesätze häufig in Gesprächen, Briefen, Tagebüchern, Erzählungen, Gedichten u.ä.

Die Unterschiede zwischen sachlichen und stärker emotionalen Aussagesätzen sind vor allem durch die verwendeten lexikalischen Mittel, also durch die inhaltliche Aussage bestimmt. Die Wirkung eines Satzes kann jedoch durch lexikalische wie durch syntaktische Mittel, wie z.B. die Wortstellung, durch Ellipsenbildung u.a. verändert werden. Die Feststellung: Im Zweiten Weltkrieg starben über 30 Millionen Menschen wirkt (auch ohne Intonationsänderung) emotionaler, wenn es heißt: Über 30 Millionen Menschen starben im Zweiten Weltkrieg. Der Form des Ausrufesatzes nähert sich unser Beispiel, wenn es hieße: Über 30 Millionen Tote im Zweiten Weltkrieg, also elliptisch formuliert wäre. Hier hängt es von der Intention des Sprechers ab, ob er einen solchen Kurzsatz durch ein Ausrufezeichen als Ausruf kennzeichnet oder als verkürzte Nachricht in Form einer Schlagzeile auffaßt. Auch normale einfache Sätze können in entsprechenden Situationen (entsprechendem Kontext) sogar ohne Wortumstellungen oder Auslassungen als Ausrufe gelten, z.B.:

Wir kommen wieder. : Wir kommen wieder!

Die Schwankungen im Emotionsgehalt eines Satzes können also Übergänge zu anderen Satzarten begünstigen. Das gilt nicht nur im Verhältnis des Aussagesatzes zum Ausrufesatz, sondern auch zu den übrigen.Satzarten. So kann z.B. eine Aussage durch lexikalische Zusätze wie »vielleicht« in die Nähe einer Frage rücken, können Infinitivsätze mit »sein« oder »haben« zu Aufforderungssätzen werden (z.B. Fehlanzeige ist abzugeben, ... hat zu erfolgen). Der Charakter der Aussage kann aber auch durch den Konjunktiv eingeschränkt werden (vgl. S. 185 ff.).

Der Ausrufesatz

Der Ausrufesatz steht formal dem Aussagesatz am nächsten; unterscheidet sich jedoch von ihm durch die stärkere Emotionalität und die Vorliebe für verkürzte Satzformen (Ellipsen, Aposiopesen). In der mündlichen Rede ist die innere Anteilnahme des Sprechers, die den Ausrufesatz in unterschiedlicher Weise trägt (Begeisterung, Freude, Zorn, Trauer, Schrecken, Ironie, Drohung u.ä.), durch Situation, Kontext und Intonation (Betonung) signalisierbar. In geschriebenen Texten ersetzt das Ausrufezeichen (das aber auch bei imperativischen Sätzen erscheint) die Intonation. Auch vollständige Sätze können auf diese Weise als Ausrufe erscheinen (s.o.). Charakteristisch für alle Ausrufe ist jedoch die Kürze der Sätze oder Satzsignale, die bis auf einzelne Ausrufewörter (Interjektionen) reduziert werden können:

Ah! Aha! O! Ach! Wehe! Huh! Ei! Au! Pfui! Ha! Hei! Hurra! He! Na!

Der Aussagewert solcher Interjektionen ist wiederum vom situativen wie verbalen Kontext abhängig, der eine ähnliche Gestimmtheit wie die auftauchende Interjektion haben sollte. Ein »Ha!« z.B. kann ein Ausruf der Freude, des Spottes, der Begeisterung, der Drohung oder der Angst sein.

Neben Interjektionen bieten vorangestellte Feststellungen in Form von Pronomina und Vergleichsformeln häufig Hinweise auf den Ausrufcharakter eines Satzes:

Wie herrlich leuchtet mir die Natur! (Goethe, »Mailied«)

0 du, des Himmels Botin! Wie lauscht ich dir! (Hölderlin, »Geh unter ...«}

Dies ist der Tag... !

Auch vorangestellte und nachgestellte Appositionen besitzen oft zusammen mit ihrem Bezugswort Ausrufcharakter, insbesondere gilt dies für Anreden von Personen und Gegenständen, Begriffen u.ä., die auch als einzelne Ausrufe erscheinen können:

Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium! (Schiller, »An die Freude.)

O heilig Herz der Völker, o Vaterland! (Hölderlin)

Der Anwendunsbereich des Ausrufesatzes ist recht begrenzt. Das Gespräch und die Ansprache (und ihre literarischen Spiegelungen), der persönliche Brief und der Briefroman sowie die hymnische Lyrik sind die wichtigsten Textformen, in denen Ausrufe vorkommen. In anderen Texten, z.B. denen des öffentlichen Verkehrs, der Wissenschaft und Techniik, fehlen sie fast völlig. Innerhalb der Literaturgeschichte sind der »Sturm und Drang« und der Expressionismus Epochen, die den emotional erfüllten Ausrufesatz und seine Kurzformen besonders bevorzugten. In der Gegenwartssprache tritt diese Form der sprachlichen Expressivität dagegen zurück.

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