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Stil. Syntax Nach Bernhard Sowinski.doc
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Der hat ein armes Mädel Mädel jung

Gar oft in Arm genommen.

(Goethe, »Der untreue Knabe«)

Auch die romantischen Lyriker, soweit sie durch die Formen des Volksliedes beeinflußt sind, greifen wiederholt auf nachgestellte Adjektivformen zurück. Da sich aus der mhd. endungslosen Adjektivform sowohl die prädikativer adverbialen Adjektivverwendungen entwickelt haben, ist auch bei nachgestellten Adjektiven nicht immer klar, ob es sich um Attribute oder Adverbien handelt, sie also das Substantiv oder das Verb ergänzen. Diese schwebende Funktion verleiht dem nachgestellten Adjektiv mitunter einen besonderen Stilwert, der häufig durch die Endstellung in der Verszeile noch erhöht wird:

Der Eichbaum kühl and frisch

mit Schatten, wo wir speisen,

deckt uns den grünen Tisch.

(Eichendorff, »Die Spielleute«)

Eine besondere Spielart dieser Form wird durch die imerpunktorische Abtrennung des nachgestellten Adjektivs ermöglicht. Der Eindruckswert des Adjektivs, das so einer Apposition oder einem selbständigen Adverb (verkürztem Adverbsatz) ähnelt, wird dadurch verstärkt:

In meinem Garten finde ich

viel Blumen, schön und fein...

(Eichendorff, »Der Gärtner«)

Auch in der Gegenwart tauchen solche Formungen gelegentlich wieder auf:

... hier war das Staubkorn, groß und schwer ... (G. Benn, »Der Geburtstag«)

Stimmen, laut, über dem Kürbisfeld (J. Bobrowski, »Trauer um Jahnn«)

Die Gräber, schneeverpackt, schnürt niemand auf. (I. Bachmann, aus: »Lieder auf der Flucht«)

Häufiger sind dagegen Bildungen, in denen ein nachgestelltes Adjektivattribut mit einem dem Bezugswort entsprechenden Artikel und in entsprechender Flexion erscheint. Hier ist der Stilwert einer unterstreichenden Apposition viel eher gegeben. Derartige Formen begegnen bereits wiederholt im 18. Jh., so in Voß' Homerübersetzung bei der Wiedergabe der zahlreichen schmückenden Beiwörter (epitheta ornantia), dann auch bei Goethe und Schiller:

Alles geben die Götter, die unendlichen,

Ihren Lieblingen ganz,

Alle Freuden, die unendlichen,

Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz. (Goethe, »An Gräfin Stolberg«)

Ach! Die Gattin ist's, die teure, ...(Schiller, »Das Lied von der Glocke«)

Diese Verwendungsweise ist als poetisches Stilmittel bis in die Gegenwart lebendig geblieben:

Suchend das Vieh, das dürre,

das sich im Dickicht verlor, (P. Huchel, »Heimkehr«)

Es wird noch ein Aug sein,

Ein fremdes, neben dem

Unsern ... (P. Celan, »Zuversicht«)

Zuweilen fehlt dabei der Artikel, das nachgestellte Adjektiv wird jedoch flektiert:

Kurzer Sommer, glühender, bleib! (G. Britting, »Sommergefühl«)

Wege sind

Durch den Wald

Verborgene. Da hole ich.. .(J. Bobrowski, »Nymphe«)

Selbst in der Prosa der Gegenwartsliteratur kommen diese Formen der Adjektivnachträge mit ihrer unterstreichenden oder kommentierenden Funktion auf:

Was machen sie mit den Großen? fragte das Kind und sah schaudernd in die schwarze feuchte Schlucht, die kalte, sonnenlose. (G. Wohmann, »Muränenfang«)

Auch die Toilettenfrau war schon im Dienst, sie bewachte auch die Waschräume, die endlich gefundenen. (G. Fritsch, »Fahrt nach Allerheiligen«)

Als eindrucksvolle Abwandlung des flektierten nachgestellten Adjektivattributs ist dessen Verwendung in der Art der Apostrophe, der zumeist feierlichen Anrede an Personen, Begriffe oder Gegenstände (z.B. Musen, Ideale u.ä.) anzusehen.50 Das Adjektiv tritt hierbei (meistens neben einem Substantiv) in die Funktion des Aufrufs, besitzt also einen besonderen expressiven Wert:

O Hoffnung, holde! gütig geschäftige,

Die du das Haus der Trauernden nicht verschmähst,

Und gerne dienest, Edle, zwischen Sterblichen

wallest und Himmelsmächten ... (Hölderlin, »An die Hoffnung«)

Das vorangestellte Genitivattribut ist heute – wie das nachgestellte Adjektiv – eine archaische Stilvariante zur Hauptform des nachgestellten Genitivattributs. Die Vorausstellung, die einstmals im nichtpartitiven Gebrauch allgemeingültig war (vgl. den sogenannten sächsischen Genitiv im Englischen) und heute noch bei Eigennamen durchaus üblich ist (vgl. Goethes Werke, Grimms Märchen), wird außerdem in zahlreichen älteren Wendungen (Sprichwörtern u.dgl.) bewahrt:

Aller Laster Anfang; eines Mannes Rede; jeder ist seines Glückes Schmied usw. Einigkeit und Recht and Freiheit sind des Glückes Unterpfand (Hoffmann v. Fallersleben)

Der Arbeit Lohn; der Menschheit Glück.

Das vorangestellte Genitivattribut konnte schließlich durch Zusammenrückung leicht zum Kompositum werden, wenn die Selbständigkeit der Wortbegriffe durch Unterordnung unter das nominativische Bezugswort aufgegeben wurde (vgl.: des Freundes Treue – die Freundestreue).

Die deutsche Lyrik hat sich dieses ›syntaktischen Archaismus‹ zu allen Zeiten gern bedient, verlieh er doch der jeweiligen Aussage etwas Feierliches, Besonderes:

Der Menschen müde Scharen verlassen Feld und Werk. (Gryphius, »Der Abend«)

An des Balkones Gitter lehnte ich... (A. v. Droste-Hülshoff, »Mondesaufgang«)

Das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang. (Rilke, »Duineser Elegien«)

Und des Totenführers Flöte gräßlich noch im Ohr ... (E. Langgässer, »Frühling 1946«)

Eine rhythmischere Variante dieser syntaktischen Form entsteht, wenn dem vorangestellten einfachen oder erweiterten Genitivattribut ein adjektivisch erweitertes Grundwort folgt:

Der Tonkunst holder Mund... (Grillparzer, Beethovenrede)

der reinen wolken unverhofftes blau (St. George, »komm in den totgesagten park«)

... geht durch der Glieder angespannte Stille ... (Rilke, »Der Panther«)

Vorangestelltes und nachgestelltes Genitivattribut in asyndetischer Reihung können mitunter zusammentreffen und einen formalen (und hier zugleich semantischen) Chiasmus bilden:

Der Schlote Rauch, die Wolken der Fabrik,

Ziehen auf zu ihm... (G. Heym, »Der Gott der Stadt«)

Die bisherigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, welche unterschiedlichen Ausdrucksvarianten hier bestehen. Sie werden besonders in der Dichtung stilistisch genutzt. In anderen Verwendungsbereichen der Sprache finden nur die Formen der Satzrahmenbildung und der Ausklammerung sowie die expressive Satzglied-stellung als synonyme Varianten stärkere Beachtung. Der nur kommunikativen Wortverwendung erscheinen andere Formen noch zu sehr verfremdend. Die Zunahme der Ausklammerungen zeigt jedoch, daß manche der bisherigen Wortstellungsnormen in ihrem Geltungsbereich bereits aufgelockert sind. Stilistischen Abwandlungen stehen so manche Möglichkeiten offen.

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