[Wolfgang_J._Kox,_Claudia_D._Spies]_Check-up_Ans(BookFi.org)
.pdfB-3 · Zentrales Nervensystem
D) Die klinischen Merkmale entwickeln sich inner-
halb einer kurzen Zeitspanne und fluktuieren gewöhnlich im Laufe des Tages
E) Entweder 1) oder 2)
1) Hinweise aufgrund von Anamnese, körperli- chem Befund oder dem Ergebnis zusätzlicher technischer Untersuchungen auf einen spezifischen organischen Faktor, die einen ätio- logischen Zusammenhang mit der Verän-
derung nahelegen
2)Bei Fehlen derartiger Hinweise kann ein ätiologischer Faktor angenommen werden, wenn eine nicht organisch bedingte psychische Störung ausgeschlossen werden kann
CAVE: Frühzeitige Evaluation und intensive diagnos-
tische Abklärung dieser Patienten ist unabdingbar. Alle biochemischen Tests sind bei der Diagnose einer
Enzephalopathie nicht so hilfreich wie eine sorgfältige klinische Beobachtung und Evaluation des Patienten.
Die Enzephalopathien lassen sich in 4 verschiedene Schweregrade einteilen. Die Prognose und das klinische Outcome korrelieren mit dem Grad der Enzephalopathie.
Schweregrad der Enzephalopathie. (Nach Eggers et al.
2003)
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Grad |
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Merkmale |
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I |
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Wahrnehmungsund Konzentrationsstö- |
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rungen, Nachlassen der Gedächtnisleistung, |
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Schreibstörung |
II |
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Bewusstseinstrübung, Verwirrtheit, zeitliche |
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und räumliche Desorientiertheit |
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III |
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Stupor oder Muskelrigidität, Krampfanfälle, |
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Blicklähmungen, Hemiparesen |
IV |
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Koma |
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Differenzialdiagnose und allgemeine Diagnostik
Eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung sollte jeder apparativen Diagnostik vorausgehen ( Abb. B-10)
Prüfung der Vitalparameter
445 B-3.7
Ausschluss einer respiratorischen (Hypoxie), kardiovaskulären (Hypotension) sowie renalen Störung, Elektrolytentgleisung oder Blutung
Erfassung des Bewusstseinszustandes mit Beurteilung der Pupillengröße und -reaktion sowie der Okulomotorik und der Hirnstammreflexe
Überprüfung der sensorischen und motorischen Funktionen mit Bestimmung von Muskeltonus und -stellung
Meningismus weist in ca. 88% auf eine bakterielle Meningitis hin
Wichtig: Verlaufsbeobachtung, um auf Veränderungen zeitnah reagieren zu können
Ausschluss anderer Ursachen der Enzephalopathie
CAVE
Differenzialdiagnostisch sind alle Erkrankungen auszuschließen, die zu einer Bewusstseinsstörung führen können, insbesondere bei fokal-neurolo- gischen Störungen, vorher darf nicht die alleinige Diagnose »Enzephalopathie« gestellt werden!
Septische Enzephalopathie
Inzidenz
Die septische Enzephalopathie ist die häufigste Form der Enzephalopathie bei intensivmedizinisch behandelten Patienten (Bleck et al. 1993) und häufig die erste Manifestation einer Sepsis (Bolton et al. 1993). Die Inzidenz für die septische Enzephalopathie liegt im Mittel bei 23% (Sprung et al. 1990).
Ätiologie
Die komplexen Zusammenhänge, die zur Entstehung einer septischen Enzephalopathie führen, sind bisher nur teilweise untersucht und verstanden
Schwere Hypotension ist ein Prädiktor der septischen Enzephalopathie
Weitere mögliche Faktoren: Effekte inflammatorischer Mediatoren auf das Gehirn, Veränderungen der Blut-Hirn-Schranke, inadäquater zerebraler Perfusionsdruck, Störungen der zerebralen Mikrozirkulation, zerebrale Ischämie aufgrund z. B. einer Hypokapnie, metabolische Veränderungen, veränderter Aminosäurenspiegel und Transmitterimbalancen, Gerinnungsstörungen, Multiorganversagen
446 B-3.7 · Enzephalopathie
Intensivmedizin
Abb. B-10. Algorithmus zur Diagnostik und Differenzialdiagnose einer Enzephalopathie
B-3 · Zentrales Nervensystem
Symptomatik
Geht anderen Symptomen einer schweren systemischen Infektion voraus
Hohe Koinzidenz von Sepsis und Enzephalopathie
CAVE
Bei jedem Patienten, der die Kriterien eines »systemischen inflammatorischen Response-Syn- droms« (SIRS) erfüllt, muss auf die ersten Symptome eines Delirs geachtet werden, es muss eine sorgfältige und engmaschige neurologische Kontrolle durchgeführt werden, um die ersten Anzeichen einer Enzephalopathie frühestmöglich zu erkennen und um die weitere Progredienz in eine Sepsis mit einer adäquaten Antibiotikatherapie behandeln zu können.
Diagnostik
Bildgebende Verfahren und Laborparameter sind für die Diagnosestellung einer septischen Enzephalopathie oft wenig hilfreich
Labordiagnostik
Es gibt bisher keine Laborparameter, die spezifisch auf eine septische Enzephalopathie hinweisen
Routinelabor mit Differenzialblutbild (Leukozytose, Leukopenie, Neutrophilie, Linksverschiebung)
Zusätzliche Entzündungsparameter: CRP, ggf. Procalcitonin
In der Regel allgemeiner Anstieg oder Abfall der Entzündungsparameter entsprechend den SIRSKriterien:
–Temperaturanstieg > 38 C oder -abfall < 36 C
–Tachykardie > 90/min, Tachypnoe >20/min
–Leukozytose < 12 000/ l oder Leukopenie < 4 000/ l
Laborbefunde wie Leukozytose oder Leukopenie können stark variieren und sogar in der Frühphase einer Sepsis völlig fehlen
Bei Verdacht auf virale Genese: Antikörpernachweis zum Ausschluss einer Virusenzephalitis und/oder ein HIV-Test zum Ausschluss einer HIV-Enzephali- tis
447 B-3.7
Liquordiagnostik
Zum Ausschluss der Differenzialdiagnose Meningitis/Enzephalitis ist die Durchführung einer Lumbalpunktion notwendig
Falls keine direkte Infektion des ZNS vorliegt, sind die Liquorparameter unauffällig
Im Liquorpunktat geringgradige Erhöhung der Eiweißkonzentration möglich
Bei Granulozytose am ehesten direkte bakterielle Infektion des Zerebrums
Bildgebende Diagnostik des Gehirns
Unspezifisch, meist Normalbefund
Gelegentlich Marklagerschädigung nachweisbar
Unioder bilaterale Läsionen möglich frühestens nach 2 Tagen in der Magnetresonanztomographie (MRT), im cCT nach 4 Tagen bei direkter Infektion (Enzephalitis)
Elektrophysiologie
Nach Young et al. (1992) ist das EEG sensibelster und frühester Parameter zur Diagnosestellung einer septischen Enzephalopathie mit unspezifischen Allgemeinveränderungen, deren Ausprägung gut mit dem Grad der Enzephalopathie übereinstimmen
Das Ausmaß der EEG-Veränderungen – Theta-, Deltaaktivität und triphasische Wellen bis hin zum Burst-suppression-Muster – korreliert mit der Schwere der septischen Enzephalopathie
Reversibilität der EEG-Veränderungen parallel zum klinischen Verlauf
Keine prognostische Funktion in Bezug auf die Letalität
Sensorisch evozierte Potenziale (SEP) korrelieren signifikant mit dem Schweregrad und der Letalität der Erkrankung
CAVE
Die elektrophysiologischen Untersuchungen sind allerdings klinisch nur dem geübten Untersucher vorbehalten und bei Agitation des Patienten nicht durchführbar.
Therapie
Initial sollte geprüft werden, ob eine kausale Behandlung der Infektion möglich ist
Intensivmedizin
448 B-3.7 · Enzephalopathie
Für die septische Enzephalopathie gibt es, im Gegensatz zur hepatischen Enzephalopathie, bisher keine evidenzbasierten Therapieempfehlungen
Primär ist darauf zu achten, dass während der Sepsis ein adäquater Perfusionsdruck aufrechterhalten und eine Hypoxie sowie Hypokapnie vermieden werden
Frühzeitige adäquate Antibiotikatherapie, damit möglicherweise eine weitere Progression in einen fulminanten septischen Verlauf verhindert wird
Kontroverse Diskussion der Infusion verzweigtkettiger Aminosäuren bei septischen Patienten; im Unterschied zur hepatischen Enzephalopathie bisher kein eindeutiger Vorteil nachweisbar
Tierexperimentelle Abschwächung der Neurotoxizität der Chinolinsäure auf die NMDA-Rezeptoren durch die prophylaktische Gabe von Ketamin
Prognose
Reversible zerebrale Dysfunktion, auch vollständige Erholung einiger Patienten ohne neurologische Ausfälle mit einem EEG mit Burst-Suppression- Mustern
Gute Prognose, wenn keine makroskopischen Läsionen und keine Mikroorganismen nachweisbar sind
Auftreten zerebraler Symptome bei Infektionen sowie Bakteriämie erhöhen die Letalität und korrelieren mit der Schwere der Erkrankung des ZNS
Die Letalität bei schweren ausgeprägten Formen beträgt ca. 50%, bei Patienten ohne Enzephalopathie beträgt diese 0–26%
Zunahme der Letalität in Abhängigkeit vom Glasgow Coma Score (GCS), Letalität 16% bei einem GCS von 15; 20% bei einem GCS von 13–14; 50% bei einem GCS von 9–12 und bei einem GCS von 3–8 sogar 63% [Eidelman et al. 1996]
Entwickelt sich zusätzlich eine hypoxisch-ischämi- sche Enzephalopathie, führt dies häufig zu neuronalem Tod verbunden mit einer hohen Letalität
Hepatische Enzephalopathie
Bis zu 50–70% der leberzirrhotischen Patienten sollen eine hepatisch bedingte, jedoch subklinische zerebrale Störung aufweisen.
Ätiologie
Akutes Leberversagen (s. auch Kap. B-7.3):
Hepatitis 70% (Hepatitis B > Hepatitis C > Hepatitis A)
Medikamente 25%: -Methyldopa, Allopurinol, Amiodaron, Antidepressiva, Gold, Halothan, INH, Ketokonazol, MAO-Hemmer, NSAR, Paracetamol, Phenytoin, Sulfonamide, Tetracycline, Valproat
Gifte 5%: Knollenblätterpilz, Herbizide, halogenierte Kohlenwasserstoffe
M. Wilson
Reye-Syndrom < 1%
Chronisches Leberversagen:
Alkohol (s. Kap. B-3.1)
Infektionen: Hepatitis, chronische Cholangitis
Autoimmunerkrankungen: Autoimmunhepatitis, PBC, PSC
Venöse Abflussstörung (Budd-Chiari-Syndrom, Venenverschluss, Rechtsherzinsuffizienz)
Medikamente: -Methyldopa, Amiodaron, INH, Methotrexat
Stoffwechselstörungen: M. Wilson, Hämochromatose, 1-Antitrypsinmangel, Glykogenose Typ IV, Mukoviszidose, erythropoetische Porphyrie, Galaktosämie
Symptome
Ikterus, Palmarerythem, Spidernävi, Gynäkomastie, Caput medusae, Koagulopathie, Foetor hepaticus, »flapping tremor« (Asterixis), Splenomegalie, Aszites, Hypotonie, Juckreiz
Bei Paracetamolintoxikation: primär Übelkeit, Erbrechen, danach evtl. Besserung für 1–2 Tage, dann Enzephalopathie
Knollenblätterpilzvergiftung: 6–12 h nach Aufnahme: Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Dehydratation, Elektrolytentgleisung, beschwerdefreies Intervall für 1–3 Tagen, dann Enzephalopathie (s. Kap. B-7.3)
Hyperdyname Kreislaufsituation mit niedrigem vaskulärem Widerstand (HMV ), intestinale Durchblutung , portalvenöser Druck , Kreislauflabilität
B-3 · Zentrales Nervensystem
Diagnostik
Labor
Albumin, Quick-Wert , PTT , Faktor V , ATIII , Protein C , Ammoniak > 100 g/dl, Methionin , Laktat , Bilirubin , Blutzucker stündlich, Elektrolyte, BGA, GOT , GPT , CHE , Kreatinin , Harnstoff , Blutbild, Virusserologie
Hepatitis bei Lupus erythematodes: ANA, Anti- dsDNA-AK, Anti-Sm, LKM, LMA
Primär biliäre Zirrhose: AP , GGT , AMA (Anti-M2)
Primär sklerosierende Cholangitis: p-ANCA, AP , GGT (keine AMA)
M. Wilson: Serum-Cu2+ , Serumcoeruloplasmin , Urin-Cu2+
Hämochromatose: Eisen , Ferritin , freies Transferrin
Leberzellkarzinom: AFP
1-Antitrypsinmangel: 1-Antitrypsin
Sonographie
Lebergröße, -struktur, Blutfluss, Gallenwege, V. portae (portaler Hypertonus), Milz, Aszites
Ösophagogastroduodenoskopie
Ausschluss und Therapie von Blutungen (Varizen, Stauungsgastritis)
Gegebenenfalls ERCP
Leberpunktion/Aszitespunktion
Zytologie, Protein, Cholesterin, Amylase, LDH, Bakteriologie bei unklarer Genese
Gegebenenfalls erweiterte neurologische Diagnostik
EEG, CCT, Liquorpunktion
Epidurale Hirndruckmessung
Steuerung der Hirnödemtherapie
Beurteilung der Prognose bei geplanter LTX
Indikation ab Stadium III und bei geplanter LTX
Therapie
Initial sollte geprüft werden, ob eine kausale Behandlung des Leberversagens möglich ist.
449 B-3.7
Symptomatische Behandlung
Beseitigung auslösender Faktoren: GIT-Blutung, Infektionen, Absetzen von Medikamenten: v. a. Sedativa, Diuretika
Engmaschige Überwachung und Korrektur des Wasserund Elektrolythaushalts (ZVD)
Reduktion ZNS-toxischer Metabolite und Verminderung des Eiweißkatabolismus
Resorptionshemmung des intestinalen Ammoniaks und Reduktion ammoniakbildender Bakterien: salinische Abführmittel (Magnesiumsulfat), hohe Darmeinläufe (Lactulose, Laktitol), schwer resorbierbare Antibiotika: Neomycin 3-mal 2 g/Tag, dann 1- bis 2-mal 2 g/Tag/p.o. oder p.MS.,
CAVE: Otound Nephrotoxizität
Parenterale Ernährung: Reduktion der Aminosäurezufuhr auf 20 g/Tag für 2–3 Tage, dann Steigerung um 10 g/Tag bis 1 g/kgKG/Tag erreicht wird, Infusion verzweigtkettiger Aminosäuren führte zur Verbesserung des klinischen Krankheitsbildes, ausreichende Kalorienzufuhr durch hochprozentige Glukoselösung
Gerinnungssubstitution: Ziel: Quick-Wert > 40%, Thrombozyten > 50 000/ l
Aszitestherapie
Senkung des Hirndrucks bei zerebralem Ödem
(v. a. Stadium III und IV), Oberkörperhochlagerung, hirndrucksenkende Therapie mit Mannitol, wenn Hirndruck > 20 mmHg
Flumazenil zur Beeinflussung einer GABA-Benzo- diazepin-Interaktion
Plasmapherese
Lebertransplantation bei terminaler Leberinsuffizienz, v. a. bei akuter hepatischer Enzephalopathie einzig gesicherte therapeutische Maßnahme mit Senkung der Letalität von > 80% auf < 30%
CAVE
Bei hepatischer Enzephalopathie Grad 3–4 sollte aufgrund des zerebralen Ödems mit frühzeitiger kontrollierter Beatmung und einer Analgosedierung begonnen werden, ggf. Hirndruckmonitoring und hirndrucksenkende Therapie bei akutem Hirndruck.
Intensivmedizin
450 B-3.7 · Enzephalopathie
Prognose
Abhängig von der zugrundeliegenden Lebererkrankung, häufig reversible zerebrale Dysfunktion
Überlebensrate:
–Bei Hepatitis A 40%, B 23%, C 10%, Intoxikation 10%
–Komastadium I–II 60%, III–IV < 20%
–Bei Lebertransplantation, v. a. bei akuter hepatischer Enzephalopathie, ca. 70%
Renale/urämische Enzephalopathie
Erkrankungen des ZNS, die infolge eines unbehandelten Nierenversagens oder trotz adäquater Dialysetherapie auftreten.
Akutes Nierenversagen
Prärenal: 70–80% durch Hypovolämie, Herz-Kreis- lauf-Insuffizienz, Schock
Renal: Ischämie, Toxizität, Nephritiden, Präeklampsie
Postrenal: Verschluss der ableitenden Harnwege
Dekompensiertes chronisches Nierenversagen
Diabetische Nephropathie 35%
Hypertoniebedingte Nierenschädigung 25%
Chronische Glomerulonephritis 10%
Interstitielle Nephritis 5%
Analgetikanephropathie 1%
Elektrolytstörungen, hyperkalzämische Enzephalopathie
Selten
Maligne Tumoren mit und ohne Metastasierung
Plasmozytom, Sarkoidose, primärer Hyperparathyreoidismus
Vitamin-D-Intoxikation
Natriumund Wasserretention mit Ödemen bis zum Lungenund Hirnödem, Halsvenenstauung, häufig Hypertonie, Gerinnungsstörungen
Perikarditis und Pleuritis, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen
Diagnostik
Initial: Ursachenforschung bei Diagnostik einer akuten Oligurie/Anurie
Anamnese und körperliche Untersuchung: Ödeme, Dehydratation, Auskultation
Adomensonographie: Ausschluss Obstruktion, Nierenstauung, Steine, Morphologie
Labor: Elektrolyte, Blutbild, Kreatinin, Harnstoff, Myoglobin, Kreatininkinase
Urin: Elektrolyte, Osmolalität, Protein, Myoglobin, Urinsediment, Mikrobiologie
EKG: HRST, Hyperkaliämie, ERBS
Thoraxröntgenaufnahme: »fluid lung«
Echokardiographie
Therapie
Therapie der Grunderkrankung
Hämodialyse, Hämofiltration
Bei Krampfanfällen zusätzlich: Lorazepam 0,1 g/ kgKG i.v. (2 mg/min) bis maximal 10 mg, Diazepam 10–20 mg i.v., Clonazepam 1–2 mg i.v., zur Anfallsprophylaxe: Diphenylhydantoin, Carbamazepin, Valproinsäure, CAVE: Phenobarbital – renale Elimination
Korrektur des Volumenund Elektrolythaushalts
Gegebenenfalls Erhalt bzw. Erhöhung der Restausscheidung durch Dopaminperfusor, Diuretikagaben
NTX
Prognose und Letalität
25–80% bei ANV abhängig von der Grunderkrankung, häufigste Todesursache: Sepsis.
Symptome
Veränderte Atemmuster mit Hyperpnoe, Hyperreflexie, Myoklonie und Tremor
Myoklonien, Asterixis, Ataxie, Hyperreflexie, Tonussteigerung
Generalisierte tonisch-klonische Anfälle heute nur noch selten infolge der Dialyse
Urämischer Foetor, Pruritus
Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie
Hirnfunktionsstörungen bedingt durch chronischen Sauerstoffmangel infolge hypoxischer oder ischämischer Bedingungen, insbesondere bei folgenden Grunderkrankungen: Anämie, pulmonale Erkrankungen (COPD), Herzvitien, Hypoventilation, kardiovaskuläre Erkrankungen, Hypound Hypertension, Hypoperfusion des ZNS, Apoplex, Sinusvenenthrombose.
B-3 · Zentrales Nervensystem
Symptome
Die Symptome werden bestimmt von der Hypoxie/ Ischämie der betroffenen Hirnregion
Zunächst Allgemeinsymptome mit initialer Desorientierung und Schläfrigkeit bis zum Koma, bei stärkerer Ausprägung auch neurologische Herdsymptome als Folge von Demyelinisierung oder Nekrosen
Unterschiedlich ausgeprägte Atemstörungen möglich
Multifokale Myoklonien, Hemiund Monoplegien, Tonussteigerung der Muskulatur, Rigor
Lance-Adams-Syndrom: Hypoxische Hirnschädigung mit Hirnstammund Kleinhirnbeteiligung, Auftreten nach schwerer, hypoxischer Hirnschädigung, mehrere Tage dauerndes Koma, generalisierte zerebrale Anfälle mit Myoklonien
Diagnostik
Neurologischer Status
Bildgebende Diagnostik:
–cCT: Ausschluss intrazerebraler Blutungen, Ischämiezeichen meistens 4–6 h nach Symptombeginn erkennbar (Hypodensität)
–MRT: bessere Lokalisierbarkeit eines Infarkts, z. B. bei infratentoriellen Läsionen
–Doppler-/Duplexsonographie: Stenosenachweis der extraund intrakraniellen Arterien
–Arterielle DAS: bei Verdacht auf Basiliaristhrombose, Sinusvenenthrombose
EKG: AA bei VHF, Herzinfarkt
Labor: BB, Gerinnung, CRP, ggf. weiterführende Gerinnungsdiagnostik, Vaskulitisparameter
Therapie
Monitoring des Patienten: engmaschige Überwachung der Bewusstseinslage, Atmung, Blutdruckkontrolle
Kontrolle des Flüssigkeitsund Volumenhaushalts
Oberkörperhochlagerung 30
Vollheparinisierung und engmaschige Gerinnungskontrollen nach Ausschluss einer Blutung (cCT), relative Kontraindikationen: hämorrhagische Infarzierung, großer raumfordernder Infarkt
Gegebenenfalls Hirndruckmonitoring und -therapie
Gegebenenfalls Thrombolyse, Hämodilution
Gegebenenfalls Revaskularisierung
451 B-3.7
Prognose und Letalität
Bei raumforderndem Mediainfarkt: Letalität unbehandelt > 80%
Bei Überleben der Hypoxie/Anoxie sind in ausgeprägten Fällen bei Mittelhirnläsionen schwerste Defektsyndrome zu erwarten
Wernicke Enzephalopathie
(s. auch Kap. B.3-1 Entzugssyndrom)
Vitamin-B1-Mangelerkrankung
Symptome
Akut auftretende Augenmuskelund Blicklähmungen: Doppelbilder, Nystagmus, Pupillenstörungen
Vegatative Dysregulation mit Hypothermie und Hypotension
Epileptische Anfälle, evtl. zusätzlich Korsakow-Syn- drom mit Gedächtnisstörungen
Therapie
Bereits bei Diagnose eines Alkoholmissbrauchs: Prophylaktische und auch therapeutische Applikation von Thiamin, initial 250–1000 mg i.v., dann 100–250 mg/Tag i.v.
Literatur
Bleck TP, Smith MC, Pierre-Louis SJC et al. (1993) Neurologic complications of critical medical illnesses. Crit Care Med 21: 98–103 Bolton CF, Young GB, Zochodne DW (1993) The neurological complications of sepsis. Ann Neurol 33: 94–100
Sprung CL, Peduzzi PN, Shatney CH et al. and The veterans administration systemic sepsis cooperative study group (1990) Impact of encephalopathy on mortality in the sepsis syndrome. Crit Care Med 18: 801–806
Eggers V, Schilling A, Kox WJ, Spies C (2003) Septische Enzephalopathie – Differenzialdiagnose und therapeutische Einflussmöglichkeiten. Anaesthesist 52: 294–303
American Psychiatric Association (1994) Diagnostic and statistical manual of mental disorders, 4th edn. Washington DC
Young GB, Bolton CF, Archibald YM et al. (1992) The electroencephalogram in sepsis-associated encephalopathy. J Clin Neurophysiol 9: 145–152
Eidelman LA, Putterman D, Putterman C, Sprung CL (1996) The spectrum of septic encephalopathy. JAMA 275: 470–473
B-4
Herz-Kreislauf-System
B-4.1 |
Therapie der akuten Herzinsuffizienz 454 |
|
B-4.2 |
Myokardinfarkt |
456 |
B-4.3 |
Intraaortale Ballonpumpe (IABP) 459 |
|
B-4.4 |
Algorithmus der kardiopulmonalen |
|
|
Wiederbelebung |
460 |
B-4.5 |
Akutbehandlung von Rhythmusstörungen 460 |
Intensivmedizin
454 B-4.1 · Therapie der akuten Herzinsuffizienz
B-4.1 Therapie der akuten Herzinsuffizienz
K. Stangl, H. Kern
Definition
Akutes systolisches und/oder diastolisches Herzversagen. Das Herz ist nicht mehr in der Lage, den Sauerstoffbedarf des Körpers zu decken, mit unzureichender kapillärer Perfusion, Gewebehypoxie und konsekutivem Anstieg an anaeroben Stoffwechselprodukten und Aktivierung von Mediatorsystemen.
Ursachen
Herzrhythmusstörungen
Hypoxie
Ausfall kontraktiler Areale (z. B. Infarkt)
Primäre Myokarderkrankungen
Sekundär im Rahmen von Infektionserkrankungen, SIRS und Sepsis (»cardiodepressive factors«)
Überdosierung kardiodepressiver Medikamente
Therapie
Allgemeine Maßnahmen: Sauerstoffangebot optimieren durch
–Erhöhung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration
–Optimierung des Hämoglobingehaltes
–Sedierung und maschinelle Beatmung und damit zusätzliche Senkung des Sauerstoffverbrauches durch Reduzierung der Atemarbeit
Säure-Basen-Haushalt normalisieren
Elektrolytstörungen korrigieren (hochnormales Serumkalium anstreben: 5–5,5 mval/l)
Absetzen/beschleunigte Elimination kardiodepressiver Medikamente
Spezifische kardiovaskuläre Therapie durch Beeinflussung der Determinanten der myokardialen Funktion: Preload, Afterload, Kontraktilität, Herzfrequenz
Mögliche Störungen
Preload zu hoch oder zu niedrig
Afterload zu hoch oder zu niedrig
Kontraktilität zu niedrig
Herzfrequenz zu hoch oder zu niedrig
Kombination von Störungen mehrerer Determinanten
Beeinflussung der Vorlast
Zu niedrige Füllungsdrücke (ZVD, PCWP) anheben durch Volumengabe. Vorsichtige Volumenzufuhr (vgl. »volume challenge«) unter Beachtung der hämodynamischen Auswirkungen
Bei deutlichem Anstieg der Füllungsdrücke ohne adäquaten Effekt auf das Herzzeitvolumen (Frank- Starling-Mechanismus) oder Systemblutdruck Volumenzufuhr beenden, da die Füllungsdrücke den Punkt der optimalen Vordehnung überschreiten können und es dadurch dann zu einer Abnahme der Querbrückenverbindungen der kontraktilen Proteine mit konsekutiver Kontraktilitätsabnahme kommt
Bei hohem Füllungsdruck Vasodilatatortherapie (z. B. Nitroprussidnatrium 0,1–4 g/kgKG/min; unerreicht in der vasodilatatorischen Wirkung und im Rahmen der Intensivmedizin wegen der sehr kurzen Halbwertszeit sehr gut steuerbar)
Beeinflussung der Nachlast
Bei hohem Strömungswiderstand arterielle Vasodilatation (Nitroprussid 0,2–1 g/kgKG/min) anstreben, wodurch es zu einer Verringerung der Auswurfimpedanz, einer Erhöhung der Ejektionsfraktion und einem Anstieg des Herzzeitvolumens kommt bei gleichzeitiger Verminderung des myokardialen Sauerstoffverbrauches
Nitroglyzerin ist bei niedrigen Füllungsdrücken zur Beeinflussung eines hohen peripheren Widerstandes kontraindiziert, da es bei niedriger Dosierung venös wirkt und zu einer Senkung des Preload mit konsekutivem Abfall des HZV in dieser Situation führt
Eine adäquate Therapie stellt in dieser Konstellation der »volume challenge« dar
Beeinflussung der Herzfrequenz
Unzureichender »cardiac output« durch bradykarde Rhythmusstörungen, wie Bradyarrhythmie bei Vorhofflimmern, höhergradige AV-Blockierungen, sind am effektivsten durch passagere Schrittmacherstimulation zu behandeln, wenn Versuche mit po- sitiv-chronotropen und dromotropen Medikamenten (Atropin, Orciprenalin) keinen Erfolg zeigen
Schwieriger ist die Therapie tachykarder Herzrhythmusstörungen. Ist die akute Herzinsuffizienz tachykardiebedingt, muss die Senkung der Herzfrequenz angestrebt werden: -Blocker bei Sinusta-
455 B-4.1
B-4 · Herz-Kreislauf-System
chykardie; Amiodaron und Ajmalin bei Kammertachykardien. Hocheffizient sind die elektrische Kardioversion oder Defibrillation in der weiteren therapeutischen Eskalation
Bei einer kritischen Hauptstammstenose, einer Aortenoder Mitralklappenstenose und insbesondere bei hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie (HOCM) ist die Senkung der Herzfrequenz, z. B. mittels -Blockertherapie, von herausragender therapeutischer Bedeutung
Eine postoperativ zunehmende Tachykardie kann neben Volumenmangel auch durch die Kompensation eines abnehmenden linksoder rechtsventrikulären Schlagvolumenindex hervorgerufen werden. In diesem Fall kann durch eine inotrope Therapie der Schlagvolumenindex wieder angehoben werden und im Einzelfall damit die kompensatorische Tachykardie gesenkt werden
Positiv-inotrope Medikamente
Voraussetzung für den Erfolg einer positiv-inotropen Therapie der akuten Herzinsuffizienz sind:
Funktionelle Reserve des versagenden Myokards
Stimulierbarkeit der funktionellen Reserve
Aufrechterhaltung der verbesserten Myokardfunktion
Das hämodynamische Wirkungsprofil der Katecholamine wird durch die Rezeptorwirkung am Myokard und den peripheren Gefäßen bestimmt:
1 |
Vasokonstriktion (mäßig positiv-inotrop) |
2 |
Präsynaptische Hemmung der NA-Freisetzung |
|
(Vasodilatation) |
1 |
Positiv-inotrop und chronotrop, Verkürzung |
|
der AV-Überleitung |
2 |
Vasodilatation, Bronchodilatation, positiv |
|
inotrop |
DA1 |
Vasodilatation (renal, mesenterial, zerebral) |
DA2 |
Hemmung der NAund Prolaktinfreisetzung, |
|
Emesis |
Von besonderer Bedeutung ist, dass die (chronische) neurohumorale Gegenregulation bei Herzinsuffizienz über eine ständige Erhöhung der Plasmakatecholaminkonzentration zu einer Downregulation der 1-Rezep- toren führt.
Adrenalin:
Wirkt in niedriger Dosierung (0,04–0,1 g/kgKG/ min) im Wesentlichen auf 1- und 2-Rezeptoren.
Höhere Dosierungen führen zu einer -Stimulation mit einer Zunahme der linksventrikulären Füllung und verminderter Organperfusion
Dobutamin:
Wirkt vorwiegend auf kardiale 1-Rezeptoren und damit positiv-inotrop und positiv-chronotrop
Dopamin:
Verbessert den renalen Blutfluss in einer Dosierung von 2–3 g/kgKG/min. Eine Steigerung der Dosis führt zuerst zu einer -Rezeptoraktivierung, in einer Dosis > 8 g/kgKG/min erfolgt dann eine vorwiegende Vasokonstriktion über -Rezeptoren. Als Dauertherapie in der sog. Nierendosis nicht mehr indiziert
Dopexamin:
Stimuliert neben 2- auch DA1- und DA2-Rezep- toren. Neben einer geringen positiv-inotropen Wirkung kommt es zu einem Frequenzanstieg mit peripherer Vasodilatation und Abnahme des linksventrikulären Füllungsdrucks. Die renale und mesenteriale Perfusion wird gesteigert. Aufgrund der initial hohen Nebenwirkungsrate führten neuere Studien zur Anpassung einer »Nierendosis« von 0,5 g/kgKG/min
Noradrenalin:
Führt über -Stimulation zu einer starken peripheren Vasokonstriktion mit einer nur mäßigen positiv-inotropen Wirkung
Phosphodiesterase-(PDE-)III-Hemmer:
Durch Hemmung der PDE-III kommt es zu einem
intrazellulären cAMP-Anstieg mit konsekutivem Ca2+-Anstieg. Es kommt zur myokardialen Kon-
traktilitätssteigerung und einer verbesserten Lusitropie. Enoximon bewirkt zusätzlich eine periphere Vasodilatation durch Wirkung am cGMP-Rezeptor der glatten Muskulatur des Gefäßsystems (auch Amrinon)
–Dosis Enoximon:
»Loading dose«: 0,5–0,75 mg/kgKG über 5 min; Erhaltungsdosis: 5–10 g/kgKG/min
HWZ: 8 h. CAVE: Dosisreduktion auf 1/10 bei Nierenersatztherapie
–Milrinon:
»Loading dose«: 0,05 mg/kgKG über 5 min;
Erhaltungsdosis: 0,5–1,0 g/kgKG/min; Vorteil: kürzere HWZ
Besonders günstig scheinen PDE-III-Hemmer beim Rechtsherzversagen zu sein, da es neben der HZVSteigerung auch zu einer signifikanten Senkung des