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Intensivmedizin

456 B-4.2 · Myokardinfarkt

(erhöhten) PVR kommt. Eine Kombinationstherapie von PDE-III-Hemmern mit 1-Agonisten ist pharmakologisch sinnvoll, da PDE-III-Hemmer den Abbau des durch adrenerge Stimulation produzierten cAMP verhindern und sich dadurch ein synergistischer Effekt ergibt. Der durch periphere Vasodilatation in seltenen Fällen hervorgerufene Blutdruckabfall ist durch adäquate Volumenzufuhr und ggf. Noradrenalintherapie zu behandeln. Eine ausgeprägte Thrombozytopenie als Nebenwirkung kann zur Beendigung der Therapie zwingen

Kalziumsensitizer – Typ Levosimendan:

Abhängig von der intrazellulären Ca2+-Konzentra-

tion unterstützen Kalziumsensitizer den Zustand des Ca2+-Troponin-Komplexes, wodurch die

Querbrückenbildung zwischen Aktin und Myosin ermöglicht wird. Hierdurch kommt es zur Kontraktionsverbesserung der Myokardzellen in der Systole, während die Relaxation in der Diastole nicht beeinträchtigt wird. Der myokardiale O2-Verbrauch wird hierbei nicht erhöht. An der Gefäßmuskulatur bewirken Kalziumsensitizer eine kaliumkanalinduzierte Relaxierung und damit Vasodilatation. Entsprechend diesem pharmakologischen Profil scheint Levosimendan besonders indiziert bei Herzinsuffizienzen ischämischer Genese, also infolge einer koronaren Erkrankung oder eines Plegie-traumas. Levosimendan:

»loading dose«: 20 g/kgKG über 15 min

Erhaltungsdosis: 0,05–0,2 g/kgKG/min über maximal 48 h

Nach dieser Applikation hält aufgrund pharmakologisch aktiver Metaboliten die Wirkung ca. 21 Tage an

Mechanische Unterstützungsverfahren

Ist die akute Herzinsuffizienz trotz Optimierung der konservativen Therapie therapierefraktär, muss die Indikation für ein mechanisches Unterstützungsverfahren geprüft werden.

Empfohlene Literatur

Braun JP, Dopfmer U, Kastrup M et al. (2004) Levosimendan, Klinische Indikationen einer neuen vasoaktiven Substanz. Anaesthesist 53 (2): 163–167

Follath F, Cleland JG, Just H et al. (2002) Efficacy and safety of intravenous levosimendan compared with dobutamine in severe low-output heart failure (the LIDO study): a randomised doubleblind trial. Lancet 9328: 196–202

Goenen M (1999) Herzinsuffizienz: Therapieschemata und vasoaktive. In: Zerkowski H-R, Baumann G (Hrsg) HerzAkut-Medizin. Steinkopff, Darmstadt, S 311–336

Holubarsch C, Konstantinides S, Just H (1999) Herzinsuffizienz – aus intensivmedizinischer Sicht. In: Zerkowski H-R, Baumann G (Hrsg) HerzAkut-Medizin. Steinkopff, Darmstadt, S 280–311

B-4.2 Myokardinfarkt

K. Stangl, M. Kastrup

Diagnose

1. ST-Hebung O 0,1 mV in mindestens 2 zusammenhängenden Extremitätenableitungen

2. Und/oder ST-Hebung O 0,2 mV in mindestens

2 Brustwandableitungen

3. Oder neu aufgetretener Linksschenkelblock und infarkttypische (nitrorefraktäre) Angina pectoris

4. CK, CK-MB (8–10% der Gesamt-CK > 100 U), ggf. Troponin erhöht

Differenzialdiagnose der verschiedenen Schockformen

Die Differenzialdiagnose der verschiedenen Schockformen zeigt die Tabelle.

Differenzialdiagnose der verschiedenen Schockformen

Parameter Hypovolä- mischer

Schock

RR Erniedrigt

 

 

 

 

 

HZV

 

 

Erniedrigt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Afterload Erhöht

bzw. Ge- fäßwiderstand SVR

Kardio-

Septischer

gener

Schock

Schock

 

Erniedrigt

Erniedrigt

Erniedrigt

Erhöht

 

(erniedrigt)

Erhöht

Erniedrigt

 

(erhöht)

Preload Erniedrigt

bzw. Wedgedruck

peripherer Vasokon-

Kreislauf striktion

 

 

 

 

 

ZVD

 

 

Erniedrigt

 

 

 

 

 

Erhöht

Erniedrigt

Vasokon-

Vaso-

striktion dilatation

Erhöht Erniedrigt

B-4 · Herz-Kreislauf-System

Erste Maßnahme

Sofortige Wiedereröffnung des infarktbezogenen Gefäßes anstreben.

Supportive Maßnahmen

Bettruhe

2–4 l O2/min über eine Nasensonde

Rücksprache mit dem Kardiologen

Nitroglycerin 10–20 g/min (CAVE: systolischen Blutdruck > 90 mmHg, diastolischen Blutdruck > 50 mmHg halten)

Morphin 5–10 mg i.v.; ggf. Diazepam 2,5–5 mg i.v.

Engmaschige Laborkontrollen: Herzenzyme, Gerinnung, EKG-Kontrollen

Aspisol 500 mg i.v. (wenn keine akute Blutung bzw. Vormedikation mit ASS)

Antiarrhythmische Therapie, falls erforderlich

Differenzierte Volumenund Katecholamintherapie

Optimierung des myokardischen Sauerstoffverbrauchs durch Betablockade (z. B. Metoprolol 5–20 mg i.v. repetitiv): Zielgrößen:

RRsyst < 120 mmHg, HF < 90/min

Thrombolyse

Unmittelbar postoperativ nur nach Rücksprache mit den operativen Disziplinen; frühzeitige Involvierung der Kardiologen zwecks Katheterintervention

Thrombolyse nur nach eindeutiger Indikation (s. oben: »Diagnose«)

Zeitpunkt nach Symptombeginn und Zeitgewinn entscheiden über Nutzen der Lyse

Bevorzugt ? 6 h nach Beginn der Symptomatik; nach Rücksprache ? 24 h nach Symptombeginn

Größter Nutzen durch Lyse: jüngere Patienten, kurze Symptomdauer, Vorderwandinfarkt bzw. große Infarkte (grobe Schätzung anhand der Summe

der ST-Streckenhebung)

Aufklärung über Nutzen/Risiken meist nur mündlich sinnvoll/möglich (aber mit Anwesenheit eines Zeugen) und nur soweit angemessen: schmerzgeplagter Patient, unter dem Einfluss von Sedativa/Analgetika

Patienten > 75 Jahre: strenge Indikationsstellung, da diese ein erhöhtes intrakranielles Blutungsrisiko aufweisen

Bei kardiogenem Schock primär interventionelle Therapie anstreben

457 B-4.2

Absolute Kontraindikationen

Hirnblutung, Schlaganfall, SHT, neurochirurgischer Eingriff vor ? 6 Monaten

Intrakranieller Tumor

Aortendissektion

Akute Pankreatitis

Gastrointestinale oder innere Blutungen innerhalb des letzten Monats

Bekannte hämorrhagische Diathese

Relative Kontraindikationen

Chirurgischer Eingriff, Trauma, Biopsie

Prolongierte traumatische Reanimation

TIA in den letzten 6 Monaten

Marcumartherapie

Kurzfristig nach Retinalaserung

Durchführung

1. Alteplase:

Sofort 15 mg Bolus i.v.; anschließend 50 mg/30 min i.v.; anschließend 35 mg/60 min i.v. +

Vollheparinisierung! Bolus 5000 IE; Infusion 1000 IE/h (aPTT: 1,5- bis 2,5fach verlängert)

2. Tenecteplase:

Körpergewichtsbezogene Dosierung: < 60 kgKG: 30 mg

O 60 bis < 70 kgKG: 35 mg

O 70 bis < 80 kgKG: 40 mg

O 80 bis < 90 kgKG: 45 mg

O 90 kgKG: 50 mg Tenecteplase i.v. +

Heparinisierung:

? 67 kgKG: 4000 IE i.v., dann 800 IE/h kontinuierlich

> 67 kgKG 5000 IE als Bolus und 1000 IE kontinuierlich

(aPTT: 1,5–2,0fach verlängert)

3. Reteplase:

Körpergewichtsunabhängige Dosierung: 2-mal 10 U in Abstand von 30 min

Heparinisierung: 5000 IE als Bolus i.v.; 1000 IE/h als kontinuierliche Infusion (aPTT: 1,5- bis 2,0fach verlängert)

4. Adjuvant: Heparin i.v. (Ziel-PTT: 1- bis 2fach verlängert); ASS 100 mg/Tag

»Rescue-PCI«:

Bei persistierender Angina pectoris oder STHebungen nach Thrombolyse (2–4 h nach Lyse)

Intensivmedizin

458 B-4.2 · Myokardinfarkt

Levosimendan

20 g/kgKG Belos anschließend oder 0,05–0,2 g/kgKG/min

+

Adrenalin 0,1–0,2 g/kgKG/min

Wenn weiter HF-Anstieg Enoximon/Levosimendan

+

Noradrenalin

Abb. B-11. Low-output-Syndrom

Primäre PCI

Möglichst binnen 60 min nach Auftreten der Symptomatik

Bei kardiogenem Schock ist die PCI der Fibrinolyse vorzuziehen

Bei Kontraindikationen gegen eine Lyse

Sofortige Information der Kardiologen (24-Stunden-Bereitschaftsdienst)

Relative Kontraindikationen

Kontrastmittelallergie

Vorgehen bei Vorhandensein eines PAK

PCWP < »best wedge«, CI > 2,5 Siehe erste Maßnahmen

PCWP > »best wedge«, CI > 2,5 Flüssigkeitsrestriktion, Furosemid, Nitro

PCWP < »best wedge«, CI < 2,5 Vorsichtige Volumengabe, ggf. NA

PCWP >»best wedge«, CI < 2,5 Dopamin/Dobutamin/Adrenalin/Enoximon/Levosi-

mendan ± IABP, ± Not-PCI; ± ACVB

Das Low-output-Syndrom zeigt Abb. B-11.

Literatur

Degeare VS, Dangas G, Stone GW, Grines CL (2001) Interventional procedures in acute myocardial infarction. Am Heart J 141 (1): 15– 24

Menon V, Berkowitz SD, Antman EM, Fuchs RM, Hochman JS (2001) New heparin dosing recommendations for patients with acute coronary syndromes. Am J Med 110 (8): 641–650 O’Rourke RA, Hochman JS, Cohen MC, Lucore CL, Popma JJ, Cannon P (2001) New approaches to diagnosis and management of unstable angina an non-st-segment elevation myocardial infarction. Arch Intern 161: 674–682

B-4 · Herz-Kreislauf-System

B-4.3 Intraaortale Ballonpumpe (IABP)

K.Stangl, M. Kastrup

Bei der IABP wird perkutan und meist transfemoral ein Ballon in die thorakale Aorta eingelegt

Dieser Ballon wird synchron zur Herzaktion in der Diastole mit Helium gefüllt und in der Systole entleert

Dadurch kommt es zum einen zu einer Verbesserung der Koronarperfusion während der Diastole und zum anderen zu einer akuten Nachlastsenkung bei der Deflation des Ballons in der Systole

Dieses Ziel wird durch die Gegenpulsation erreicht, indem die koronare und systemische Perfusion verbessert wird und das Preund Afterload reduziert wird

Indikationen

Medizinisch

Kardiogener Schock und drohender Schock

Drohende Ausweitung eines Myokardinfarktes

Instabile Angina pectoris

Unterstützung bei

Koronarangiographie

Koronarangioplastie

Thrombolyse

Hochrisikointerventionen

Überbrückung bis zur Herztransplantation oder bis zum Einsatz von LVAD (»left ventricular assist device«)

Unterstützung während eines Patiententransportes

Herzfehler: Klappenstenose (Aorten-, Mitralklappe), Mitralklappeninsuffizienz, Papillarmuskelabriss, Ventrikelseptumdefekt, LV-Aneurysma

(CAVE: bei Aorteninsuffizienz)

Chirurgisch

Prophylaktische Vorbereitung für die Herzchirurgie bei Hochrisikopatienten mit EF < 20%

Postoperative myokardiale Funktionsstörung

Überbrücken bis zum Einsatz des LVAD

Zur zusätzlichen Unterstützung des LVAD

Kontraindikationen

Absolut

Hämodynamisch bedeutende Insuffizienz der Aortenklappe

459 B-4.3

Aortenaneurysma oder Erkrankung der Aortenwand

Relativ

Krankheiten im Endstadium – jedoch als Überbrückung bis zur Transplantation

Arteriosklerose, v. a. PAVK

Abdominales Aortenaneurysma

Komplikationen

Extremitätenischämie durch Gefäßverschluss

Beschädigung der Aortenwand

Thrombose

Embolusbildung

Infektion

Blutungen oder Thrombozytopenie

Alle Komplikationen wie nach einer arteriellen Punktion der A. femoralis: z. B. AV-Fistel etc.

Ruptur oder Verfangen des Ballons

Gefäßruptur

Auswirkungen am Patienten durch die IABP

Diastolischer Druck wird erhöht

Enddiastolischer Druck wird erniedrigt

Systolischer Druck wird erniedrigt (kann auch manchmal erhöht sein)

Sauerstoffangebot für das Myokard wird erhöht

Schlagfrequenz wird erniedrigt

Schlagvolumen wird erhöht

Wedge (Preload) wird erniedrigt

Urinausscheidung wird erhöht

Anlage der Ballonpumpe

Ein perkutanes Vorgehen (A. femoralis) oder ein offenes chirurgisches Vorgehen (femoral, transthorakal, transaxillär) ist möglich

Auf der Intensivstation wird meist der perkutane Zugangsweg über die A. femoralis gewählt

CAVE

Vorher pAVK ausschließen!

Vorgehen unter streng sterilen Kautelen mit Kopfbedeckung, Mundschutz, sterilen Handschuhen und großflächiger Desinfektion und großflächiges Abdecken mit sterilen Tüchern (CAVE: lange Drähte)

Punktion der Arterie und Vorschieben des Drahtes in Seldinger-Technik

Intensivmedizin

460

B-4.5 · Akutbehandlung von Rhythmusstörungen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Timingfehler und ihre Auswirkungen bei der intraaortalen Ballonpumpe

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu früh

 

 

Zu spät

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Balloninflation

 

 

Vorzeitiger Aortenklappenschluss

 

 

Niedriger diastolischer Spitzendruck

 

 

 

 

Reduziertes Schlagvolumen,

 

 

Niedriger Perfusionsdruck in den Koronar-

 

 

 

 

d. h. niedrigeres HZV

 

 

arterien

 

 

 

 

Anstieg des Restvolumens im linken Ventrikel

 

 

Geringeres Sauerstoffangebot für das Myokard

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gefährdung des Patienten, unverzügliche

 

 

Keine Gefährdung des Patienten, jedoch keine

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Korrektur des Inflationszeitpunktes notwendig!

 

 

effektive Unterstützung!

 

Ballondeflation

 

 

Geringe Afterloadreduzierung

 

 

Arbeitsaufwand des linken Ventrikels steigt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Höherer enddiastolischer Druck

 

 

Herzminutenvolumen sinkt

 

 

 

 

Keine Gefährdung des Patienten, jedoch keine

 

 

Gefährdung des Patienten, unverzügliche

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

effektive Unterstützung!

 

 

Korrektur des Deflationszeitpunktes notwendig!

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach Entfernung der Nadel:

Stichinzision ca. 2 mm der Haut und Faszie

Dilatation der Einstichstelle mit Dilatator aus Set

Nach vollständigem Entlüften des Ballons und Spülung des Zentrallumens mit Kochsalzlösung Einführen des Ballons über den Seldinger-Draht unter Röntgenkontrolle oder unter gleichzeitiger Durchführung einer TEE

Optimale Lage: In der Aorta ca. 2 cm distal des Abganges der linken A. subclavia.

Anschließen des Druckaufnehmers an den

Katheter und Anschließen der Heliumleitung an den Ballon

Nach sorgfältiger Überprüfung der Einstellung und Wahl des richtigen Triggermodus Beginn der Therapie

Armstrong B, Zidar JP, Ohman EM (1995) The use of intraaortic balloon counterpulsation in acute myocardial infarction and high risk coronary angioplasty. J Interv Cardiol 8 (2): 185–191

Busch T, Sirbu H, Zenker D, Dalichau H (1997) Vascular complications related to intraaortic balloon counterpulsation: an analysis of ten years experience. Thorac Cardiovasc Surg 455 (2): 55–59 Georgeson S, Coombs AT, Eckman MH (1992) Prophylactic use of the intra-aortic balloon pump in high-risk cardiac patients undergoing noncardiac surgery: a decision analytic view. Am J Med 92 (6): 665–678

Ley SJ (1993) Myocardial depression after cardiac surgery: pharmacologic and mechanica l support. AACN Clin Issues Crit Care Nurs 4 (2): 293–308

Sangkachand P, Funk M, Sexton D L, Lacey KO (1997) Detecting vascular problems in patients with diabetes treated with an in- tra-aortic balloon pump. Diabetes Educ 23 (6): 656–663

Yuen JC (1991) Percutaneous intra-aortic balloon pump: emphasis on complications. South Med J 84 (8): 956–960

Timingfehler und ihre Auswirkungen

Timingfehler und ihre Auswirkungen bei der intraaortalen Ballonpumpe zeigt die Tabelle.

Literatur (IABP)

Allen RC, Schneider J, Longenecker L, Kosinski AS, Smith RB III, Lumsden AB (1993) Acute lower extremity ischemia after cardiac surgery. Am J Surg 166 (2): 124–129; discussion 129

B-4.4 Algorithmus der kardiopulmonalen Wiederbelebung

Siehe Kap. D-1.

B-4.5 Akutbehandlung

von Rhythmusstörungen

Siehe Kap. B-2.1 und D-2.4.

B-5

Volumenund Blutkomponententherapie in der Intensivmedizin

B-5.1

Allgemeine Bemerkungen zur Volumentherapie

462

B-5.2

Therapie mit Blut oder Blutbestandteilen 462

 

B-5.3

Gerinnungsfaktoren 464

 

B-5.4

Andere gerinnungsaktive Substanzen 465

 

B-5.5

Antikoagulanzien 466

 

B-5.6

Heparin induzierte Thrombozytopenie (HIT II)

469

Intensivmedizin

462 B-5.2 · Therapie mit Blut oder Blutbestandteilen

B-5.1 Allgemeine Bemerkungen

zur Volumentherapie

C. von Heymann

Ziel

Das Ziel der Volumentherapie in der Intensivmedizin ist es, das Herzzeitvolumen zu normalisieren und die Mikrozirkulation zu optimieren.

Therapieschema

Blutverlust bis 500 ml (ca. 10% des KG): Substitution mit Kristalloiden

Blutverlust bis 1000 ml (ca. 20% des KG): Substitution mit Kristalloiden und Kolloiden im Verhältnis von 2 : 1

Blutverluste > 1500 ml: differenzierte Substitution mit Kristalloiden, Kolloiden, Erythrozytenkonzentraten und Frischplasma (zur Substitution von Thrombozytenkonzentraten: s. Indikationen unten)

Therapiekontrolle

Die exakte Beurteilung des klinischen Zustandes des Patienten, der Kreislaufparameter, der Lungenund Nierenfunktion sowie die kontinuierliche Kontrolle der laborchemischen Parameter (inkl. Hb, Hkt, Säure-Basen-Haushalt, Laktat, ggf. Herzenzyme als Ischämiemarker, KOD bzw. Osmolarität) sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Volumenersatztherapie

Prinzipiell sollte die Volumenersatztherapie bei akuten Blutungen nicht vom Erreichen eines »kritischen« Laborwertes (Hb oder Hkt), sondern von der klinischen Stabilität des Kreislaufs (Qualität der Mikrozirkulation, Diurese, Katecholaminbedarf, Füllungsdrücke und Vitalparameter) geleitet werden.

Humanalbumin

Hinsichtlich der Behandlung mit Humanalbumin ist eine englische Metaanalyse zu dem Ergebnis gekommen, dass die Substitution von Humanalbumin bei Hypovolämie, Verbrennungen und Hypalbuminämie bei kritisch kranken erwachsenen Patienten keine Reduktion der Mortalität mit sich bringt, eher ist ein Trend in Richtung einer Mortalitätssteigerung zu sehen [1]. Aus diesem Grunde halten wir den Einsatz von Humanalbumin in der Intensivmedizin für nicht mehr gerechtfertigt.

Hydroxyäthylstärke

In der wissenschaftlichen Diskussion um den Volumenersatz beim kritisch kranken Patienten sind für die Anwendung von Hydroxyäthylstärke (HAES) mehrere unerwünschte Nebenwirkungen beschrieben worden: Der Einfluss von HAES auf das Gerinnungssystem ist v. a. für die hochmolekularen (450 000–470 000 D), hochsubstituierten (0,62–0,7) Lösungen beschrieben worden, wozu auch Störungen der thrombozytären Gerinnung zählen. Die neueren niedermolekularen (70 000–200 000 D) HAES-Lösungen mit niedrigem Substitutionsgrad (0,5) zeigen sich in dieser Hinsicht als weniger bedenklich, wobei auch für diese Lösungen eine Verlängerung der aPTT durch eine Abnahme des Faktor-VIII-von- Willebrand-Komplexes [2] gezeigt wurde, sodass wir insgesamt einen Einsatz dieser Lösungen beim Intensivpatienten gemäß den allgemein gültigen Dosierungsempfehlungen für vertretbar halten.

Für die hochdosierte Anwendung von HAES ist eine akute Verschlechterung der Nierenfunktion mit Auslösung eines akuten Nierenversagens beschrieben worden (sog. Hyperviskositätssyndrom). In diesem Zusammenhang ist unbedingt auf die ausreichende Flüssigkeitssubstitution neben der Gabe von HAES zu achten, welche ein Hyperviskositätssyndrom mit einer kritischen Zunahme des kolloidosmotischen Drucks und der nachfolgenden Abnahme der glomerulären Filtrationsrate verhindern kann [3].

Die mögliche Auslösung eines generalisierten Juckreizes halten wir bei Intensivstationspatienten für ein tolerierbares Risiko.

B-5.2 Therapie mit Blut

oder Blutbestandteilen

C. von Heymann

Neben der Therapie akuter Blutungen ist die Zielstellung der Substitution von Blutprodukten in der Intensivmedizin zum einen die Aufrechterhaltung einer ausreichenden Sauerstofftransportkapazität und zum anderen die Balance des plasmatischen und zellulären Gerinnungssystems zur Prävention akuter Blutungen.

Nach dem aktuell gültigen Transfusionsgesetz vom 1. Juli 1998 muss die Gabe von Blutprodukten im Narkoseprotokoll oder der Intensivstationskurve mit Eintrag der jeweiligen Konservenidentifikationsnummer dokumentiert werden. Der Bedside-Test des Empfän-

463 B-5.2

B-5 · Volumenund Blutkomponententherapie in der Intensivmedizin

gers muss vor jeder Transfusion erfolgen und mit Datum und Uhrzeit (Transfusionsprotokoll) dokumentiert werden [vgl. »Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)« aus dem Jahr 2000].

Wertvolle Hinweise zur Therapie mit Blutprodukten bieten auch die »Leitlinien zur Therapie der mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten« der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2003, die über die Homepage der Bundesärztekammer eingesehen werden können.

Transfusion von Erythrozytenkonzentraten

4.DIC: Bis heute gibt es keine gesicherte, auf Studien gestützte Empfehlung zum Einsatz von FFP bei DIC. Als indiziert gelten sie im Stadium des Verbrauchs

5.Faktor-V- und -XI-Mangel: Nicht als Gerinnungskonzentrate erhältlich. Notwendige Mindestaktivität zur Hämostase: Faktor V 10–15% und Faktor XI 20%

6.Lebererkrankungen: Nur bei durch Leberinsuffizienz bedingte manifeste Blutung

7.Notfallmäßige Antagonisierung von Vitamin-K- Antagonisten (CAVE: hohe Volumenbelastung)

8.Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura

Die Indikation zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten sollte nach klinischer und nicht nach laborchemischer Indikation gestellt werden; nach der wissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahre kann ein »kritischer Hb« von 10 g/dl ($ deziliter oder auch g%) nicht mehr aufrecht erhalten werden [4].

Indikationen zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten

Kardiopulmonal gesunder Patient, ohne weitere organbezogene Ischämie:

Hämoglobin (Hb) < 7 g/dl (Hämatokrit = 0,21)

Kardiopulmonal erkrankter Patient mit eingeschränkter O2-Transportkapazität: Hb < 9 g/dl (Hkt =0,27)

Bei schwerstkranken Patienten (APACHE II >20) ist Zielwert der Transfusionstherapie:

Hb = 9 g/dl (Hkt =0,27)

Transfusion von Fresh-Frozen-Plasma

Die Indikation von Fresh-Frozen-Plasma (FFP) sollte immer engmaschig durch Gerinnungskontrollen überwacht, aber in Notsituationen nicht auf diese gewartet werden. Die Angaben zu Punkt 1 »Massivtransfusionen« (s. unten) verstehen sich als Richtwerte, von denen im Einzelfall abgewichen werden kann.

Indikationen

1.Massivtransfusion:

Frühestens nach 4 EK

Dann im Verhältnis von 2 : 1 (EK:FFP)

Ab 10 EK im Verhältnis von 1 : 1

2.Verdünnungskoagulopathie: wie 1

3.Nachgewiesene plasmatische Gerinnungsstörung

Transfusion von Thrombozytenkonzentraten

Bei der Indikation zur Substitution von Thrombozyten ist neben der Grunderkrankung auch immer die klinische Situation des Patienten zu berücksichtigen. Unmittelbar postoperativ ist bei drohender Blutung die Thrombozytensubstitution indiziert bei einem Grenzwert von 50 000/ l; wenn im Verlauf der postoperativen Intensivbehandlung die Thrombozytenzahlen ohne Zeichen einer Blutungsneigung abfallen, ist frühestens ab 20 000 Thrombozyten/ l zu transfundieren (Ausnahme: Patienten mit heparininduzierter Thrombozytopenie Typ II, s. unten).

Prinzipiell ist bei der Transfusion von Thrombozytenkonzentraten Rhesus-Faktor-positiver Spender auf Rhesus-Faktor-negative Frauen im gebärfähigen Alter an eine Anti-D-Prophylaxe mit einem Anti-D-Immun- globulinpräparat zu denken.

Indikation zur Gabe von Thrombozyten

1.Durch mangelnde Synthese bedingte Thrombozytopenie, z. B. AML, Zytostatika, Bestrahlung

2.Thrombozytopathien durch Fehlbildung (»intrinsic defekt«)

3.Neonatale Thrombozytopenie bei idiopathisch thrombozytopenischer Purpura der Mutter

4.Thrombozytopenie bei Massivtransfusionen

5.Thrombozytopenie als Folge erhöhten Umsatzes (DIC, Sepsis, ITP)

6.Thrombozytopathie durch Plasmafaktoren (»extrinsic«), z. B. von-Willebrand-Jürgens-Syndrom

Blutungen bei Patienten nach Anschluss an eine Herz- Lungen-Maschine (HLM) stellen aufgrund der Thrombozytenfunktionsschädigung nach der HLM eine Ausnahme dar, sodass die Indikation zur Transfusion in diesem Fall von der Schwere der Blutung abhängt. So-

Intensivmedizin

464 B-5.3 · Gerinnungsfaktoren

fern vorhanden, sollte in diesem Falle ein Hämostaseologe konsultiert werden. Zum Monitoring kann ein Thrombozytenfunktionsscreening mit dem PFA-100 durchgeführt werden.

1.Bei ASS-induzierten Blutungen ist die intravenöse Gabe von DDAVP (Minirin) in einer Dosis von

0,3 g/kgKG über 30 min alle 12 h zu erwägen [5]. Nach DDAVP-Gabe ist ein vermehrtes Auftreten von Myokardinfarkten beobachtet worden [6], sodass das routinemäßige Monitoring von Herzenzymen und 12-Kanal-EKG-Aufzeichnungen angezeigt ist. Des Weiteren sollte aufgrund seiner thrombozytenstabilisierenden Wirkung unbedingt Aprotinin (500 000 KIE als Bolus über 15 min, dann

100 000 KIE/h) verabreicht werden.

Alternativ kann aufgrund der besseren Wirksamkeit bei postoperativen Blutungen in der Herzchirurgie auch eine hochdosierte Aprotinintherapie mit einem Bolus von 2 Mio. KIE und einer anschließenden kontinuierlichen Gabe von 500 000 KIE/h in Erwägung gezogen werden [7]. Die Substitution von Thrombozyten wird nach Therapieerfolg (bis zu 3 oder mehr Konzentrate) gesteuert

2.Bei durch Clopidogrel oder Abciximab induzierten Blutungen gibt es bislang keine Hinweise auf eine erfolgreiche Behandlung mit DDAVP. Im Tierversuch wurde eine blutungszeitverkürzende Wirkung von Aprotinin bei clopidogrelinduzierter Blutungsneigung beschrieben [8], sodass in diesem Fall Aprotinin gegeben werden kann (Dosis s. oben). Der klinischen Erfahrung nach besteht die erfolgreiche Therapie in der Gabe einer ausreichenden Zahl von Thrombozytenkonzentraten (3 oder mehr Thrombozytenkonzentrate)

B-5.3 Gerinnungsfaktoren

C. von Heymann

Die Indikation zur Substitution von Gerinnungsfaktoren sollte – wenn klinisch möglich – im Konsil mit dem zuständigen Hämostaseologen gestellt werden.

Faktor VIII

Bei der Hämophilie A sollte die Aktivität je nach Größe der zu erwartenden Operation bei 60–100% liegen

Gemäß der Halbwertszeit von 10–18 h werden Wiederholungsdosen in Abständen von 6–12 h erforderlich.

Ähnliches gilt auch für die viel seltenere Hämophilie B.

Benötigte Faktor-VIII-Menge: 1 IE/kgKG erhöht die Plasmaaktivität um 1–2%; 1 IE/kgKG F IX erhöht die Plasmaaktivität um 1%.

Bei Hämophilie-Patienten mit bekannten Hemmkörpern gegen Faktor VIII oder IX sollte in Absprache mit einem Hämophilie-erfahrenen Hämostaseologen eine Therapie mit rekombinantem F VII a (Novo Seven) versucht werden.

Dosis: 80–100 g/kg z. B. (nach Absprache mit Hämostaseologie); häufig sind Repetitionsdosen zur erfolgreichen Blutungsprophylaxe oder -therapie notwendig.

Faktor I (Fibrinogen)

Substitution als Faktorenkonzentrat bei Fibrinogen < 0,1 g/dl und Tag [9].

PPSB (Prothrombinkomplex)

Bei Blutungen Substitution nur, wenn mit alleiniger FFP-Gabe keine ausreichende Hämostase erreicht werden kann. Vor allem bei Verbrauchskoagulopathie muss eine vorherige Gabe von Antithrombin in äquivalenter Dosis bedacht werden, um überschießende Gerinnungsaktivierung zu vermeiden

Zum notfallmäßigen Ausgleich von Phenprocou- mon-induzierter (Vitamin-K-Antagonisten) Antikoagulation. Zur Substitution von Antithrombin vor Gabe von PPSB, wie sie in früheren Jahren empfohlen wurde [10], liegen keine kontrollierten Daten vor. Der Gehalt von aktivierten Gerinnungsfaktoren in den modernen Prothrombinkomplexpräparaten ist als sehr gering anzusehen, sodass eine generelle Empfehlung zur AT-Substitution nicht gegeben werden kann. Vielmehr sollte auch aus ökonomischen Gründen diese auf Risikopatienten (niedrige AT-Aktivität, prothrombotisches Grundleiden, DIC etc.) beschränkt werden.

Faktor XIII

Bei anhaltender Blutungsneigung trotz ausreichender Substitution von Frischplasmen können nach Bestimmung des FXIII-Spiegels (Mindestaktivität 70%) 1250–2500 IE gegeben werden

465 B-5.5

B-5 · Volumenund Blutkomponententherapie in der Intensivmedizin

AT III

Bei DIC sollte (auch wenn hierzu keine kontrollierten Daten vorliegen) eine Aktivität von >70% erzielt werden

Die KyberSept-Studie zur Behandlung der schweren Sepsis mit AT III hat keine Senkung der 28-Tage- Mortalität in der Intention-to-treat-Auswertung gezeigt. In der Subgruppe der Patienten, die kein Heparin zur Antikoagulation erhielten, hat sich ein signifikanter Überlebensvorteil für die mit AT III behandelten Patienten gezeigt [11]

Aufgrund der hiermit vorliegenden Daten halten wir es auch aufgrund der damit verbundenen Kosten für derzeit nicht gesichert und vertretbar, Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem Schock routinemäßig mit einer Hochdosis-AT III-Therapie zu behandeln

B-5.4 Andere gerinnungsaktive Substanzen

C. von Heymann

zytenstabilisierung und Reduktion der inflammatorischen Reaktion bei HLM. HWZ: 2 h

Indikation

Nachblutung nach HLM

Dosierung

500 000 KIE als Bolus über 15 min, low doseProtokoll, dann 100 000 KIE/h

oder

2 Mio. KIE als Bolus über 15 min, high doseProtokoll, dann 500 000 KIE/h

CAVE

Allergische Reaktion (v. a. bei wiederholter Gabe Hauttest).

Tranexamsäure

Hemmung von Plasminogen durch Kopplung der Lysinbindungsstellen

HWZ 80 min

Indikation

Desmopressin

Desmopressin mobilisiert Faktor VIII-C, v.-Willebrand-Faktor und t-PA

aus den Endothelzellen

Indikation

Milder Faktor-VIII-Mangel

Mildes von-Willebrand-Syndrom (außer Typ 2B und 3)

ASS-induzierte Thrombozytenfunktionsstörung (s. oben)

Dosierung

0,3 g/kgKG über 30 min alle 12 h

Zu beachten ist, dass zum einen nicht alle Patienten auf eine Therapie mit DDAVP ansprechen und zum anderen die Endothelspeicher von Faktor VIII:

c und vWF nach einigen Gaben entleert sind und somit keine weitere Freisetzung durch DDAVP zu erwarten ist

Aprotinin

Serinproteaseninhibitor. Wirkt antifibrinolytisch über eine Inhibition von Plasmin, einer Thrombo-

Bei Aprotininunverträglichkeit kann Tranexamsäure angewendet werden

Dosierung

0,5–1 g als Bolus initial, weiter mit 1–5 mg/kgKG/h, bei Niereninsuffizienz Dosisreduktion

Vitamin K1

Vollständige Wirkung nach oraler Gabe erst nach 12–24 h, deshalb bei bedrohlichen Blutungen oder Akutoperationen/Interventionen PPSB oder FFP.

Indikation

Vitamin-K-Mangel bei:

Parenteraler Ernährung

Malabsorption

Einnahme von oralen Antikoagulanzien und Cephalosporinen

Dosierung

10–20 mg Vitamin K1 i.v. als Kurzinfusion oder p.o.