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Intensivmedizin

466 B-5.5 · Antikoagulanzien

B-5.5 Antikoagulanzien

C. von Heymann

Heparin

Heparin wirkt über AT III und verstärkt dessen Wirkung um das 1000fache; HWZ 90 min unabhängig von der Dosis (im klinisch-therapeutischen Bereich).

High-dose-Heparinisierung

(Embolie, mechanischer Herzklappenersatz)

Dosierung

Initial Bolus: 5000–10 000 IE

Anschließend kontinuierlich 375–1500 IE/h nach PTT

Ziel-PTT: 50–70 s

AT III-Aktivität auf >70% substituieren

Bei Unterbrechung der Therapie (wegen Blutung oder Operation) evtl. Protamingabe: 1000 IE Protamin neutralisieren 1000 IE Heparin

Low-dose-Heparinisierung (Thromboseprophylaxe)

Dosierung

2- bis 3-mal/Tag 5000–7500 IE s.c.

250 IE/h i.v. (Steuerung mittels aPTT in der Regel nicht erforderlich)

Niedermolekulare Heparine

(»Low Molecular Weight Heparin«, MW)

MW: Hemmung von F Xa und F IIa im Verhältnis von 2–4 : 1 [15]. Die Hemmung von F Xa ist länger als die von F IIa

Indikation:

Thromboseprophylaxe vor und nach Operationen mit hohem Thrombosebzw. Lungenembolierisiko (Hüftund Knochenchirurgie)

Monitoring:

Die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) ist nicht zum Monitoring geeignet. Zur Therapiekontrolle eignen sich die selektive Anti-F XaAktivität und die Hep-Zeit

Therapie und Dosierung der LMWH richtet sich nach Indikation und Thromboserisiko. Bei Intensivstationspatienten ist von einem hohen Thromboserisiko (Immobilisierung, Katheter, Grunderkrankung) auszugehen:

Enoxaparin 40 mg (1–2-mal tgl.)

Dalteparin 2-mal 2500–5000 IE s.c. (je nach Blutungsrisiko)

Nadroparin 1–2-mal 100 IE/kgKG Tinzaparin 75 IE/kgKG 1-mal tgl. [16, 17]

Dosierung:

Je nach Indikation und Präparat unterschiedlich (1- bis 2-mal tgl.)

Für die perioperative Thromboseprophylaxe können verabreicht werden:

z. B. Enoxaparin (Clexane) 1–2-mal 40 mg s.c. tgl.

Dalteparin (Fragmin) 1–2-mal 2500 IE s.c. tgl.

Nadroparin (Fraxiparin) 1-mal 2850 IE s.c. tgl.

Aufgrund der längeren Halbwertszeit und der schlechteren Steuerbarkeit gegenüber dem unfraktionierten Heparin (UFH) ist beim Einsatz von LWMH in der Intensivmedizin v. a. bei Patienten mit Blutungsrisiko oder großen Wundflächen Vorsicht geboten.

LWMH kann nur partiell durch Protamin antagonisiert werden. Protaminchlorid antagonisiert überwiegend die Anti-IIa-Aktivität der LMWH, die Anti-Xa-Ak- tivität wird nur partiell inhibiert, sodass bei Überdosis oder LMWH-induzierter Blutung keine eindeutige Empfehlung für die Gabe von Protaminchlorid gegeben werden kann.

Fondaparinux (Arixtra)

Fondaparinux ist eine neue (Zulassung in Deutschland ist erfolgt) synthetisch hergestellte Sequenz aus 5 Sacchariden (Pentasaccharid), welche eine hoch selektive Anti-Faktor-Xa-Aktivität aufweist

Die HWZ beträgt 15–20 h, die Elimination erfolgt ausschließlich renal. Eine Niereninsuffizienz mit einer Kreatininclearance < 30 ml/min ist aus diesem Grunde eine absolute Kontraindikation

Die Gabe von Fondaparinux zur Prophylaxe tiefer Beinvenenthrombosen nach Hüftund Kniegelenksersatz erfolgt frühestens 6 h postoperativ und dann einmal täglich. Es ist aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos keine präoperative Gabe vorgesehen

Fondaparinux (Arixtra 2,5 mg einmal tgl.) s.c.

Aufgrund der erst kürzlichen Zulassung von Fondaparinux gibt es aus dem Bereich der operativen Intensivmedizin bislang wenig Erfahrungen mit dieser Substanz. Die lange Halbwertszeit der damit verbundenen eingeschränkten Steuerbarkeit und die renale Elimination lassen Fondaparinux für den

467 B-5.5

B-5 · Volumenund Blutkomponententherapie in der Intensivmedizin

Bereich der operativen Intensivmedizin nur eingeschränkt einsetzbar erscheinen [17].

Danaparoid (Orgaran)

Danaparoid ist eine Mischung aus niedermolekularen Glykosaminoglykanen und bewirkt AT-III-abhängig eine Hemmung von F IIa und F Xa (1 : 20). Die HWZ beträgt 24 h. Es wird zu 50% renal unverändert eliminiert, sodass sich bei Niereninsuffizienz die HWZ verlängert. Das Monitoring erfolgt über die Anti-Faktor-Xa-Aktivi- tät. Kein Routineverfahren. 10–20% Kreuzreaktivität mit HIT-II-Antikörpern.

Indikation

Als Alternative zu Heparin zur Prophylaxe und Therapie von Thrombosen

Dosierung (in Anti-Xa-Einheiten)

Thromboseprophylaxe:

? 90 kgKG: 2- bis 3-mal 750/Tag s.c.

>90 kgKG: 2- bis 3-mal 1250/Tag s.c.

Tiefe Beinvenenthrombose:

< 55 kgKG: 1250 Bolus

55–90 kgKG: 2500 Bolus

>90 kgKG: 3750 Bolus

Danach 400/h über 4 h i.v.

Danach 300/h über 4 h i.v.

danach 150–200/h i.v. als Erhaltungsdosis

Active-site-Thrombin-Inhibitoren

Die reversiblen Active-site-Thrombininhibitoren vom Typ des Melagatran weisen eine hohe Selektivität für freies und gebundenes Thrombin auf. Die Halbwertszeit des Melagatran, welches als Ximelagatran auch in einer oral verfügbaren Form vorliegt, beträgt ungefähr 2–2,5 h

Die antikoagulatorische Effektivität nach orthopädischen Eingriffen an Hüftund Kniegelenk ist den LMWH vom Typ des Enoxaparin gleichzusetzen, wenn nicht sogar überlegen, ebenso ist die Rate an Blutungskomplikationen vergleichbar hoch

Die Elimination findet überwiegend renal statt, deshalb ist bei niereninsuffizienten Patienten Vorsicht geboten. Zulassung in Deutschland zur Thromboseprophylaxe nach Hüftund Kniegelenksersatz seit 2004

Das Monitoring der Melagatrantherapie erfolgt mit der aPTT oder der Ecarin-Zeit

Da es unter Melagatran/Ximelagatran zu einer unklaren Transaminasenerhöhung gekommen ist, ist die Kontrolle dieser Parameter angezeigt

Dosierung

Melagatran: 3 mg 1–2-mal tgl. s.c.

Ximelagatran: 24 mg 2-mal tgl. p.o.

Hirudine

Siehe B-5.6.

Prostacyclin

Prostacyclin wirkt über eine Thrombozytenaggregationshemmung antikoagulatorisch. Es kann als Alternative für Heparin, v. a. bei Patienten mit einer Blutungsneigung als Antikoagulanz z. B. zur CVVH angewendet werden (s. unter ANV).

Dosierung

Iloprost (Ilomedin): 5–15 ng/kgKG/min zur Antikoagulation i.v. (CAVE: Hypotension)

Cumarinderivate

Im Anschluss an die Heparintherapie am Ende der akuten Krankheitsphase (z. B. nach thrombolytischer Therapie)

Reteplase

r-TPA

(rekombinanter Gewebeplasminogenaktivator)

Indikation:

Akuter MI, akute Embolie, akute Thrombosen

Dosierung:

Mit dem Gerinnungsdienst absprechen

Gleichzeitige Vollheparinisierung notwendig

Monitoring:

Die Heparintherapie sollte mit der aPTT oder der Hep-Zeit überwacht werden

Ziel:

Mit dem Gerinnungsdienst absprechen

Eine lokale Lyse sollte unter Einbeziehung der behandelnden Disziplinen und des jeweiligen interventionellen Dienstes (Angiographie) erwogen werden.

Neuere Thrombozytenaggregationshemmer

Thrombozytenaggregationshemmer werden zunehmend bei akuten Koronarsyndromen

Intensivmedizin

468 B-5.5 · Antikoagulanzien

auch im Zusammenhang mit interventionellen Katheteruntersuchungen eingesetzt

Wird ein Patient notfallmäßig oder mit dringlicher Indikation einer Bypassoperation zugeführt, ist mit einer erhöhten Blutungsinzidenz zu rechnen

Abciximab

Wirkung:

Hemmung des GP-IIb/IIIa-Rezeptoren (ca. 80%) und

Hemmung der ADP-induzierten Plättchenaggregation (< 20%)

Dosierung:

Bolusapplikation (0,25 mg/kgKG) und kontinuierliche Infusion (10 g/min) über 12 h

Plasmahalbwertszeit:

ca. 6–12 h

Nach 24 h noch 50% GP-IIb/IIIa-Rezeptor- bindung

Plättchenaggregation (ADP) normalisiert in 24–36 h

Nach EPIC-Studie [12]:

Signifikante Reduktion der gemeinsamen Endpunkte (Tod, nichttödlicher Myochardinfarkt, ungeplante chirurgische Revaskularisation etc.) um 35% in der Bolusund Infusionsgruppe vs. Plazebo

Relevante Blutungen in 10,6 vs. 3,3% (wahrscheinlich durch Einfluss einer hohen Heparindosierung 10 000–12 000 IE)

Eptifibatide

Wirkung:

Hochspezifischer GP-IIb/IIIa-Rezeptorblocker

Keine Blockade anderer Rezeptoren

Dosierung:

Bolus (135–180 g/kgKG) und Infusion (0,5–2,0 g/kgKG/min) über 20–24 h

Plasma-HWZ

ca. 2,5 h

Nach 4 h Wiederherstellung von

70% Plättchenaggregation Nach PURSUIT-Studie [13]:

Signifikanter Vorteil (14,2% vs. 15,7% hinsichtlich Tod und Myokardinfarkt innerhalb von 30 Tagen) für Eptifibatide vs. Placebo

Mehr transfusionspflichtige Blutungen in der Studiengruppe

Tirofiban

Wirkung:

Spezifischer GP IIb/IIIa-Rezeptorblocker

Keine Blockade anderer Rezeptoren

Plasma-HWZ:

1–2 h

Dosierung:

Bolus 0,4 g/kgKG und Infusion mit 0,1 g/kgKG/min für 12–48 h

Nach ca. 8 h ist die Plättchenaggregation normalisiert

Nach TARGET-Studie [14]:

Signifikante Reduktion akuter MI (5,4 vs. 6,9%, p=0,04) für Abciximab vs. Tirofiban

Kein Unterschied bezüglich Blutungsrate oder Transfusionshäufigkeit

Clopidogrel und Ticlopidin

ADP-Antagonisten (Clopridogrel: irreversible Bindung). ADP induziert die Thrombozytenaggregation und -adhäsion. Die Wirkdauer beträgt bis zu 7 Tage!

Therapie bei Blutungen unter den oben genannten Präparaten: Gabe von Aprotinin und Substitution von Thrombozytenkonzentraten.

Literatur

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469 B-5.6

B-5 · Volumenund Blutkomponententherapie in der Intensivmedizin

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13.The PURSUIT Triol Investigators (1998) Inhibition of platelet glycoprotein IIb/IIIa with eptifibatide in patients with acute coronary syndromes. New Engl J Med 339: 436–443

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15.Barthels M, van Depha M (2003) Das Gerinnungskompendium. Thieme, Stuttgart New York, S 246

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B-5.6 Heparininduzierte Thrombozytopenie

(HIT II)

O. Vargas Hein

Typ I

Nicht immunologisch: geringgradiger Abfall der Thrombozytenzahl

Therapie: keine

Typ II

Immunologisch: Abfall der Thrombozytenzahl um mehr als 50% des Ausgangwertes

Thrombembolien

Protrahiertes Auftreten nach 5–10 Tagen Heparintherapie bei Erstexposition

Bei wiederholter Exposition Manifestation innerhalb von Stunden möglich

Therapie

Heparin absetzen!

Alternativ Antikoagulation ist ein Muss!

Keine Thrombozytensubstitution (nur bei massiver Blutung)

CAVE

Heparin aus den Spülsystemen entfernen; keine heparinbeschichteten Katheter (PAK) und Heparin enthaltenden Gerinnungsfaktoren (PPSB, AT III) verwenden.

Intensivmedizin

470 B-5.6 · Heparininduzierte Thrombozytopenie

HIT-Diagnostik

Fallen die Thrombozyten unter 50% des Ausgangswertes ohne weiteren sicheren Grund (DIC, Sepsis, Thrombozytopenien anderer Genese) ab, sollte der Verdacht auf eine HIT gestellt werden

Laboruntersuchungen können die Diagnose einer HIT erhärten, allerdings schließt ein negatives Laborergebnis eine HIT nicht sicher aus, sodass auch bei Vorliegen negativer Labortests bei klinischem Verdacht eine alternative Antikoagulation durchgeführt werden muss

Falls mehrere Ursachen für einen Thrombozytenabfall vorliegen, können allerdings die Laboruntersuchungen hilfreich sein

Falls der dringende Verdacht auf eine HIT vorliegt, soll mit dem Absetzen des Heparins nicht bis zum Vorliegen der Testergebnisse gewartet werden

Bei Verdacht auf eine HIT wird Blut in das Thrombozytenlabor geschickt und ein HIPA-Test durchgeführt (HIPA-Test: »heparin induced platelet activation-test«). Beachte: niedrige Sensitivität!

Neben dem HIPA-Test gibt es noch einen ELISATest, um Antikörper gegen Heparin-Plättchenfak- tor-4-Komplex nachzuweisen. Hinsichtlich der Sensitivität > 95%; Spezifität unzureichend

Hirudin

Direkter Thrombininhibitor; HWZ 60–90 min

Bei Niereninsuffizienz verlängert sich die HWZ bis auf 100 h, weil Hirudin vollständig renal eliminiert wird

Indikation

Kontraindikation für Heparin (Allergie)

HIT II

Dosierung

Lepirudin (Refludan) intravenös:

Indikation: Ersatz einer High-dose- Heparinisierung

0,04 mg/kgKG als Bolus, weiter 0,01 mg/kgKG/h als Dauerinfusion je nach »ecarin clotting time« (ECT), PTT

Laborkontrollen:

ECT: Zielbereich: 80–100 s; erste Bestimmung 2 h nach Behandlungsbeginn, weiter 4-mal tgl.

PTT: 40–60 s

Wenn diese Werte erreicht sind, ist keine weitere Erhöhung der Hirudindosierung notwendig

Gleichzeitig 4-mal tägliche Kontrolle der PTT (< 60 s) TZ (>60 s). Werden diese Grenzwerte unterschritten bzw. überschritten, erfolgt keine weitere Erhöhung der Hirudindosierung; ggf. Reduktion

Bei Nierenfunktionseinschränkung Gabe von 10% der Dosis, zunächst nur als Bolus, ggf. kann nach ECT-/PTT-Kontrolle mit einer kontinuierlichen Applikation begonnen werden

Bei Patienten mit Gerinnungsstörungen muss wie oben angegeben auf die plasmatische Gerinnung geachtet werden, da die ECT nur die durch Hirudin induzierte Thrombinhemmung und nicht die gesamte Gerinnungssituation des Patienten wiederspiegelt

Antikoagulation bei kontinueirlicher Nierenersatztherapie (s. Kap. B-9.3)

Subkutan:

Indikation: Ersatz für eine Low-dose- Heparinisierung

2-mal 15 mg Desirudin (Revasc) s.c.

CAVE

Niereninsuffizienz! Kumulation

Die niedermolekularen Heparine und das Danaparoid (Orgaran) sind keine Alternative bei HIT II, da sie eine 90%- bzw. 10%-Kreuzreaktivität mit HIT-II-Antikörper aufweisen.

Literatur

Baglin TP (2001) Heparin induced thrombocytopenia thrombosis (HIT/T ) syndrome: diagnosis and treatment J Clin Pathol 54 (4): 272–274

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B-6

Respiratorisches System

B-6.1

Pathophysiologie

 

 

von Lungenfunktionsstörungen 472

B-6.2

Diagnostik von Lungenfunktionsstörungen 472

B-6.3

Therapie bei Lungenfunktionsstörungen 472

B-6.4

Besonderheiten bei neurochirurgischen

 

Patienten

475

 

 

B-6.5

Besonderheiten bei kardiochirurgischen

 

Patienten

475

 

 

B-6.6

Deeskalation/Weaning

476

B-6.7

Aspiration

477

 

 

B-6.8

Lungenembolie

477

 

B-6.9

Pneumothorax

480

 

B-6.10

Punktionstracheotomien

481

B-6.11

Anwendung von inhalativem NO

 

(Stickstoffmonoxid) 484

Intensivmedizin

472 B-6.3 · Therapie bei Lungenfunktionsstörungen

B-6.1 Pathophysiologie

von Lungenfunktionsstörungen

H. Wauer, M. Hensel, H. Kern,

W. J. Kox

Das Offenbleiben der Alveole und damit der Gasaustausch ist von einem funktionierenden Surfactantsystem abhängig. Fehlender oder nicht funktionsfähiger Surfactant führt zum Alveolarkollaps, dieser bei zusammenhängenden Arealen zur Atelektase, zu nachfolgend erhöhtem Shunt und verschlechterter arterieller Oxygenierung. Surfactantfunktionsstörungen können durch verminderte Produktion (Schädigung der Pneumozyten II durch Toxine, Infektion, Hypoxie, Stoffwechselstörungen), Inaktivierung (z. B. Proteine beim kardial bedingten Lungenödem) oder zu großen Verlust (hohe Zugvolumina, zu niedriger PEEP) entstehen.

Somit ist die Atelektasenentstehung die pathophysiologische Endstrecke vieler restriktiver postoperativer Störungen oder des frühen akuten Lungenversagens. Daher besteht das Behandlungsziel in der Eröffnung der Atelektasen, dem nachfolgenden Offenhalten der Lunge und der Verhinderung beatmungsassoziierter Folgeschäden (»ventilator induced lung injury«; VILI). Daneben richten sich die therapeutischen Bemühungen auf eine Kausaltherapie der zugrundeliegenden Störung mit Normalisierung des Surfactantsystems.

B-6.2 Diagnostik

von Lungenfunktionsstörungen

H. Wauer, M. Hensel, H. Kern,

W.J. Kox

Zuerst sollten die einfachen Dinge kontrolliert werden, danach erst invasive Diagnostik!

Klinik (schweißiger?, zyanotischer?, tachykarder?, hypertoner? Patient)

Auskultation (einseitige Ventilation durch einseitige Intubation, Sekretverlegung, Pneumothorax, Spastik, ohrnahe Rasselgeräusche bei Infiltration, Lungenödem)

Kontrolle einer ausreichenden Ventilation

(eingestellte Beatmungsparameter)

Blutgasanalyse, periphere Sauerstoffsättigung, Kapnometrie

Bildgebende Verfahren (Thoraxröntgenaufnahme a.p., Thoraxsonographie, Computertomogramm)

Bronchoskopie

Diagnostisch: Sekretgewinn zur Erregerdiagnostik

Therapeutisch: Beseitigung von zähem obstruierendem Schleim

Definition ALI/ARDS

Nach der amerikanisch-europäischen Konsensuskonferenz besteht ein akutes Lungenversagen (ALI) bei einem Oxygenierungsindex [Quotient aus arteriellem Sauerstoffpartialdruck (paO2) und inspiratorischer Sauerstofffraktion (FIO2)] < 300 Torr

Ein ARDS liegt bei einem Oxygenierungsindex < 200 Torr vor. Dazu gehören ein akuter Beginn, bilaterale Infiltrationen im Thoraxröntgenbild sowie der Ausschluss einer kardialen Genese.

Das Problem dieser Definitionen besteht darin, dass keine Angaben zu standardisierten Beatmungsbedingungen gemacht werden.

B-6.3

Therapie

 

bei Lungenfunktionsstörungen

 

 

H. Wauer, M. Hensel, H. Kern,

W. J. Kox

Step-by-step-Approach

1.Bei spontanatmenden Patienten Erhöhung des PEEP bzw. Beginn mit CPAP (Masken-CPAP bei extubierten Patienten), Geräteoder High-flow-CPAP

2.Intubation und assistierende Verfahren

(SIMV mit Druckunterstützung, BIPAP-SIMV etc.)

3.Kontrollierte (meist druckkontrollierte) Beatmung

4.Zusätzliche Maßnahmen: Lagerungstherapie (Bauchund Seitenlage), NOund Prostacyclininhalation, extrakorporale CO2-Elimination bzw. Oxygenierung

Auf jedem Therapieniveau sollte durch Rekrutierungsmanöver versucht werden, kollabierte Alveolen zu eröffnen (initial mit 40 cm H2O, höher nur nach Rückspra-

B-6 · Respiratorisches System

che mit Stationsbzw. Oberarzt). Das Offenhalten der Alveolen sollte durch ein adäquates PEEP-Niveau (bei Lungenfunktionsstörungen meist O 10 cm H2O) erfolgen. Die FIO2 ist so einzustellen, dass ein paO2 von 70–100 Torr resultiert bzw. die Sauerstoffsättigung zwischen 90 und 95% beträgt.

Adjuvante Therapie

1.Sekretolyse (Acetylcystein bei sehr zähem Schleim, Ambroxol in der Routine)

2.Antibiose (rechtzeitiger kalkulierter Einsatz bei Anhalt für Pneumonie)

3.Anfeuchtung (passive Befeuchter in der Routine, aktiv bei Sekretretention)

4.Inhalationstherapie (routinemäßig Ambroxolvernebelung)

5.Physiotherapie (regelmäßige Vibrationsmassagen)

Prinzipielle Behandlungsstrategie

1.Unterscheidung zwischen restriktiver und obstruktiver Funktionsstörung. Oft liegen Kombinationen vor! Bei Vorliegen einer Obstruktion auf ausreichende Exspirationszeit achten (Entstehen eines intrinsischen PEEP). Ein ausreichend hoher externer PEEP erniedrigt die Atemwegswiderstände

2.FIO2 nur so hoch, um einen paO2 zwischen 70 und 100 Torr bzw. eine SaO2 zwischen 90 und 95% zu erreichen. Bei sehr instabilen Patienten Sicherheitsbereich erwägen

3.Druckkontrollierte Beatmung mit Tidalvolumina von 6 ml/kg idealem Körpergewicht

4.Alveolarkollaps verhindern (keine Dekonnektion, Absaugen nur bei Sekretverlegung und dann nicht in Wedgeposition)

5.Hyperkapnie möglichst mit Atemfrequenzerhöhung vermeiden

6.Druckbegrenzung endinspiratorisch maximal 40 cm H2O

7.Sedierung so flach wie nötig, Relaxierung nur im Ausnahmefall, möglichst assistierende Verfahren einsetzen

8.Für ausreichend Sauerstoffträger sorgen (Angebot ggf. durch Transfusionen verbessern)

473 B-6.3

Monitoring

Minimalmonitoring beatmeter Patienten

Überwachung durch das Beatmungsgerät

(untere Grenze für Atemminutenvolumen und FIO2 sowie obere Grenze für den Beatmungsdruck)

Pulsoxymetrisch gemessene periphere Sauerstoffsättigung, Kapnometrie

Arterielle Blutgasanalyse bei jedem beatmeten Patienten mindestens 6-stündlich, bei stabilen Patienten minimal 12-stündlich

Erweitertes Monitoring

Pulmonaliskatheter beim Verdacht auf Herzinsuffizienz und Monitoring des pulmonalarteriellen Drucks

Praktisches Vorgehen

Basistherapie

Druckkontrollierte Beatmung im BIPAP-Modus, möglichst assistierenden Modus mit SIMV nutzen

PEEP O 5 cm H2O

Atemzugvolumen 6 ml/kg ideales KG

Atemfrequenz so, dass möglichst Normokapnie resultiert

Atemzeitverhältnis (I/E-Ratio) so, dass es inspiratorisch zum kompletten Druckausgleich kommt (Flowkurve erreicht endinspiratorisch Null)

Rekrutierungsmanöver

Rekrutierungsmanöver sollten nur beim frühen akuten Lungenversagen angewendet werden (innerhalb der ersten 72 h nach Auftreten)

Beim Verdacht auf Atelektasen kurzzeitige Beatmungsdruckerhöhung initial bis 40 cm H2O

(je nach Beatmungsgerät entweder durch Erhöhung des PEEP oder durch Erhöhung des inspiratorischen Spitzendruckes)

Gegebenenfalls wiederholen und steigern (Stationsarzt bzw. Oberarzt hinzuziehen)

Zum Offenhalten der Lunge PEEP vor Rekrutierung erhöhen (10–15 cm H2O)

Intensivmedizin

474 B-6.3 · Therapie bei Lungenfunktionsstörungen

Lagerungstherapie

Wenn eine Verbesserung durch Rekrutierung und PEEP-Erhöhung (Versagerquote 20–30%) allein nicht zu erreichen ist bzw. die kardiozirkulatorischen Auswirkungen zu groß sind: Lagerungstherapie durchführen (Seitenlage, 135 -Lagerung, 180 -Lagerung)

Zeitfenster: ca. 8 h

Seitenlagerung bei Atelektasen auf die gesunde Seite, bei Pneumonie auf die kranke Seite

Lagerung des Oberkörpers so, dass die Trachea abwärts geneigt ist, damit Sekret drainiert werden kann (Versagerquote ebenfalls 20–30%)

Bronchoskopie

Nur bei dringendem Verdacht auf Obstruktion bzw. radiologischem Nachweis des Verschlusses eines Lobus. Kleinere verschlossene Strukturen werden in der Regel durch die Entfernung obstruierenden Sekrets nicht effektiv geöffnet, wohl aber durch den Sog stärker kollabiert. Gefördertes Material der Erregerdiagnostik zuführen.

Physiotherapie

Alle Patienten erhalten 2- bis 3-mal täglich aktive oder passive Physiotherapie

Ausnahmen: Patienten mit offenem Thorax, Patienten am Operationstag oder in der postoperativen Aufwachphase, schwerst kreislaufinstabile Patienten

Aktiv:

Mitarbeit des Patienten, von Atemübungen (Triflo), Bewegungsübungen bis Mobilisation in den Sessel

Passiv:

Atemtherapie (Vibrationsmassage, Klopfmassagen, Setzen kutaner Reize, Inhalation), Bewegungstherapie und Lagerungstherapie durch die Physiotherapeuten

Inhalationen:

Unter Vernebelung von Ambroxol, 0,9% NaCl (jeweils 10 ml) 2-stündlich im Wechsel

Klimatisierung:

Der Atemluft (erwärmen und anfeuchten); kontinuierliche Anwendung von HME-Filtern

Absaugen:

So selten wie nötig, so schnell wie möglich. Bei Langzeitliegern verwenden wir geschlossene Absaugsysteme. Absaugen nur, wenn unbedingt nötig

(z. B. Schleim/Pus in der Trachea), nie in WedgePosition (Atelektasenentstehung)

Abklemmen der endotrachealen Luftbrücke (Tubus, Trachealkanüle) in Inspiration vor Dekonnektierung, z. B. bei Wechsel des Beatmungsgerätes; Rekrutierungsmanöver nach dem Wechsel

Medikamentöse Therapie

Bei pulmonaler Vorschädigung (chronische Bronchitis, berufliche Rauchund Staubexposition) prophylaktischer Einsatz von Ambroxol

(4-mal 60 mg) und Acetylcystein (2-mal 300 mg)

Bei zähem oder eitrigem Sekret kontinuierliche Gabe von Ambroxol (1–2 g pro Tag) und Steigerung der Acetylcysteindosis auf 4-mal 300 mg/Tag

NO-Gate erwägen

Bildgebende Diagnostik

Thoraxröntgenaufnahme bei Verschlechterung der Klinik (Oxygenierung, Auskultationsbefund, Atemmechanik, kardiovaskulärer Befund), im Verlauf zur Befundkontrolle insbesondere bei Verschlechterung oder eingeschränkter Lungenfunktion

CT: Indikation bei einem klinischen Befund, der sich mit einem Thoraxröntgenbild nicht erklären lässt oder unplausibel bleibt (oft: ventrale Pneumothoraces, nicht so oft: basodorsale Dystelektasen/Atelektasen)

Die Aussagekraft des thorakalen CT bezüglich intrapulmonaler Veränderungen (Atelektasen, Entzündungen, Tumoren) und intrapleuraler Raumforderungen (Luft, Flüssigkeit, Gewebe) ist der der Röntgenaufnahme des Thorax weit überlegen.

Dokumentation

Bei einem beatmeten Patienten sollte in jeder Schicht mindestens einmal eine Auskultation der Lungen vorgenommen werden. Ergeben sich neu aufgetretene Seitendifferenzen der Atemgeräusche oder der Lautstärke, so sollte eine Röntgenaufnahme veranlasst werden. Lässt sich aus der Aufnahme eine klinische Verschlechterung nicht erklären, besteht die Indikation zum thorakalen CT.

Die Notwendigkeit zur radiologischen Diagnostik sollte sich immer aus dem klinischen Befund ergeben, die Untersuchung nicht routinemäßig angesetzt werden (Summation der Strahlenbelastungen).

475 B-6.5

B-6 · Respiratorisches System

B-6.4

Besonderheiten

 

bei neurochirurgischen Patienten

 

 

H. Wauer, M. Hensel, H. Kern,

W. J. Kox

Grundsätzlich gefährdet jede respiratorische Insuffizienz, insbesondere bei erhöhtem intrakraniellem Druck (ICP), die Hirnfunktion. Jeder Patient sollte im sicheren normokapnischen und normoxischen Bereich (paCO2 35–40 mmHg, paO2 > 100 mmHg, SaO2 > 95%) ventiliert werden. Bei erhöhtem ICP kann eine moderate Hyperventilation (paCO2 30–35 mmHg) durchgeführt werden. Eine Kapnometrie und häufige Kontrollen der Blutgase sind unerlässlich (alveoloarterielle CO2-Diffe- renz beachten!).

Der endexspiratorische Beatmungsdruck sollte weniger als 35 mmHg betragen; druckkontrollierte Ventilation wählen. Der PEEP sollte 5–10 mmHg betragen. Das obere Druckniveau und die Beatmungsfrequenz müssen an die oben genannten Grenzwerte angepasst werden. Ein Tidalvolumen von 6 ml/kgKG sollte jedoch nicht unterschritten werden.

Bei Patienten mit schwerem Lungenversagen muss eine Risikoabwägung zwischen der Aggressivität der Beatmung zur Erlangung einer ausreichenden Oxygenierung und den daraus folgenden Druckerhöhungen und der Kreislaufinstabilität durchgeführt werden. Auch bei Patienten mit erhöhtem ICP ist die Bronchialtoilette unter ausreichender Sedierung, nur kurz und nur so oft wie nötig, durchzuführen.

Gleichermaßen muss bei Patienten mit erhöhtem ICP in der Weaning-Phase auf die Vermeidung von Druckanstiegen geachtet werden (Hustenreiz). Eine CPAPMaskenatmung sollte bei Patienten mit Verdacht auf Liquorfistel und bei transsphenoidalen Operationen nicht durchgeführt werden.

B-6.5

Besonderheiten

 

bei kardiochirurgischen Patienten

 

 

H. Wauer, M. Hensel, H. Kern,

W. J. Kox

Neben den mittlerweile etablierten Prinzipien einer modernen Beatmungstherapie, die gerade beim längerfristig respiratorisch insuffizienten Patienten einen lungenprotektiven Ansatz verfolgt und die in den vorhergehenden Abschnitten beschrieben worden sind, weist die Be-

atmung herzinsuffizienter und kardiochirurgischer Patienten aufgrund der engen physiologischen Interaktion der Zielorgane Lunge und Herz einige Besonderheiten auf:

Überdruckbeatmung verringert durch Verschiebung von Volumen aus intrathorakalen in extrathorakale Gefäße das Schlagund Herzminutenvolumen

Positive intrathorakale Drücke erhöhen den pulmonalvaskulären Widerstand und reduzieren die rechtsventrikuläre Ejektionsfraktion, was beim rechtsherzinsuffizienten Patienten klinische Relevanz erlangen kann, indem die venöse Stauung vor dem rechten Herzen zunimmt bei paralleler Abnahme des systemischen Herzzeitvolumens (unzureichende Füllung des linken Ventrikels)

In dieser Situation sollten die Einstellungen am Beatmungsgerät so gewählt werden, dass der intrathorakale Mitteldruck (oder der mittlere Beatmungsdruck) möglichst niedrig gewählt und der PEEP auf ein für die Oxygenierung ausreichendes Maß reduziert wird

Diese Patienten können möglicherweise davon profitieren, das Inspirations-zu-Exspirations-Verhältnis (I : E-Verhältnis) zugunsten der Exspiration zu verlängern (z. B. 1 : 3 oder 1 : 4), da bei Überdruckbeatmung die überwiegende Perfusion der Lunge während der Exspiration mit niedrigem intrathorakalem Druck erfolgt

Die Gewährleistung ausreichender Atemminutenvolumina zur Vermeidung einer respiratorischen Azidose mit nachfolgender pulmonaler Vasokonstriktion muss in dieser Situation durch die Erhöhung des inspiratorischen Druckniveaus zur Erlangung ausreichender Atemhubvolumina, die den vorbeschriebenen Prinzipien einer lungenprotektiven Beatmung zuwiderlaufen, erreicht werden.

Beatmung bei schwerer Rechtsherzinsuffizienz:

Niedrige intrathorakale Mitteldrücke anstreben!

PEEP reduzieren, soweit die Oxygenierung gewährleistet ist!

Verlängerung der Exspiration erwägen (z. B. I : E 1 : 3)!

Sicherstellung eines ausgeglichenen Säure- Basen-Haushaltes!