![](/user_photo/2706_HbeT2.jpg)
[Wolfgang_J._Kox,_Claudia_D._Spies]_Check-up_Ans(BookFi.org)
.pdf![](/html/2706/146/html_Yk4wpFcUtZ.YZH8/htmlconvd-ljJbBC431x1.jpg)
B-3 · Zentrales Nervensystem
Opioide
Wirkungen
Ausgeprägte Analgesie
Euphorie und Toleranz
Bemerkungen
Atemdepression
Abhängigkeit
Gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit/ Erbrechen, paralytischer Ileus)
Dosierung
Fentanyl-Perfusor: 2 mg/40 ml = 50 g/ml, Dosis: 2–5 ml/h
Sufentanil-Perfusor: 500 g/50 ml = 10 g/ml, 0,15–0,7 g/kgKG/h
Für Kinder: 50 g/50 ml = 1 g/ml, Dosis: 1–2 (–5) ml/h
Remifentanil bei kurzfristigen schmerzhaften Eingriffen (z. B. Verbandswechsel, Tracheotomie etc.): Perfusor: 1 mg/50 ml NaCl 0,9% (1 ml = 20 g)
Dosis: 0,1–0,3 g/kgKG/min
Ketamin
Wirkungen
Ketamin wirkt in subanästhetischer Dosierung (0,25–0,5 mg/kgKG/h) ausschließlich analgetisch, eine höhere Dosierung (> 0,5–2 mg/kgKG/h) bewirkt Somnolenz bis dissoziative Anästhesie
Bemerkungen/Indikationen
Wegen der psychomimetischen Wirkungen der Substanz ist die Kombination mit einem Benzodiazepin sowie ggf. mit einem Vagolytikum zur Dämpfung der Salivation notwendig
Sympathikusstimulierende Wirkungen
ICP-steigernde Wirkung
Indikationen:
Analgosedierung des Asthmapatienten; Beatmung bei hypotensiver Kreislaufsituation nicht kardiogener Genese
Kontraindikationen:
Alle Erkrankungen/Verletzungen des ZNS, die mit einem erhöhten ICP einhergehen; kardiogener Schock/akuter Myokardinfarkt
425 B-3.1
Dosierung
Ketamin-Perfusor: 2,5 g/50 ml = 50 mg/ml; Dosis: 0,5–3 mg/kgKG/h Ketamin
Ketamin S: halbe Dosierung
Clonidin
Wirkungen
Sedierung
Analgesie
Senkung des Sympathikotonus
Unterdrückung des postoperativen Shiverings
Bemerkungen/Indikationen
Basissedierung bei hypertonen Intensivpatienten
Therapie sympathikoadrenerg-stimulierter und paradoxer Aufwachreaktionen
Prophylaxe und Therapie von Entzugssyndromen nach Langzeitanalgosedierung
Einsparung von anderen Sedativa und Analgetika
Einsatz beim postoperativen Shivering
Dosierung
Clonidin-Perfusor: 1,5 mg/50 ml NaCl 0,9% (0,03 mg/ml); Dosis: 1–5 ml/h (0,3–1,3 g/kg/h)
Zur Unterbrechung des postoperativen Shiverings sind 75–150 g Clonidin i.v. in der Lage, bei ca. 90% der Patienten das Kältezittern zu unterbinden
Nebenwirkungen
Bradykarde Herzrhythmusstörungen
Mundtrockenheit
Hemmung der gastrointestinalen Motilität, jedoch ohne Beeinträchtigung der Resorption
Kreislaufdepression
Frühzeitiger Einsatz von Clonidin zur Reduktion der notwendigen Sedativaund Analgetikadosierung, solange der Patient dies kardial (Verlängerung der Refraktärzeit des AV-Knoten-), hämodynamisch (Abfall des peripheren Widerstandes) und gastrointestinal (Hemmung der gastrointestinalen Motilität) toleriert!
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Intensivmedizin
426 B-3.1 · Analgosedierung und Entzugssyndrom
Neuroleptika
Cave
Verlängerung der QT-Zeit, EKG-Kontrolle insbesondere bei älteren und mit Antidepressiva behandelten Patienten
Butyrophenone (Haloperidol)
Haloperidol wird bei produktiv-psychotischen Symptomen eingesetzt
Dosierung: 2- bis 8-mal täglich Haloperidol [0,5–2,5 (Durchgangssyndrom) –20(–40) mg (Entzüge)] sehr langsam i.v. oder Dosis als Perfusor
Dosisreduktion bei älteren Patienten (z. B. 2–4-mal 0,5–1 mg)
Phenothiazine
Die sedierende, gering hypnotische und antiemetische Wirkung des Promethazins kann bevorzugt genutzt werden bei Patienten, die desorientiert und motorisch unruhig sind, ohne dass Vitalfunktionen beeinträchtigt werden
Dosierung: 3-mal 1 Drg. (25 mg) bzw. 5–10–50 mg bei Bedarf sehr langsam i.v.
Relaxierung in der Intensivmedizin
Sowohl die intermittierende als auch die kontinuierliche Relaxierung sind nur noch besonderen Indikationen vorbehalten.
Indikation
Der Einsatz von Muskelrelaxanzien bei Intoleranz der Beatmungstherapie trotz tiefer Sedierung bei Hypoxie ist kontrovers diskutiert, da eine Verbesserung der Lungenmechanik nicht zu erwarten ist
Bei drohender zerebraler Herniation
Tetanus, Tollwut, andere Muskelspasmen
Als Relaxanzien für einen kurzfristigen diagnostischen oder therapeutischen Eingriff sollten Substanzen auf einen kürzest möglichen Zeitpunkt begrenzt eingesetzt werden, die organunabhängig metabolisiert werden (z. B. Cisatracurium)
Steuerung
Patienten, die Muskelrelaxanzien erhalten, sollten sowohl klinisch im Hinblick auf die Sedierungstiefe und den Relaxationsgrad als auch mittels Nervenstimulation
(TOF-Blockade von 2/4 Reaktionen ausreichend) in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.
Dosierung
Pancuronium: initial 0,07–0,1 mg/kgKG, Nachtitration nach Muskelrelaxometrie 0,015 mg/kgKG
Cis-Atracurium bei Leberund Nierenfunktionsstörungen; Perfusor: 50 mg/50 ml NaCl 0,9%
(1 mg/ml);
Dosis: 0,1–0,15 mg/kgKG
bei repetitiven Gaben ist ein neuromuskuläres Monitoring obligat
Besonderheiten
Patienten, deren Behandlung den Einsatz von Muskelrelaxanzien erforderlich macht, bedürfen einer besonders intensiven Pflege, um Lagerungsschäden und Augenläsionen zu verhindern, und physiotherapeutischer Maßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Sekretretentionen, sowie einer Thromboseprophylaxe.
Regionalverfahren in der Intensivmedizin
Den Algorithmus zur Anwendung regionaler Analgesieverfahren zeigt Abb. B-7. Generelle Indikationen oder Kontraindikationen sind im Rahmen der Intensivmedizin nur schwer definierbar. Die Anwendung von regionalen Analgesieverfahren erfordert hier eine kritische und individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung für jeden einzelnen Patienten und deren tägliche Überprüfung.
Indikationen im intensivmedizinischen Behandlungskonzept [24]
Erzielung einer suffizienten Schmerztherapie mit positiver Beeinflussung des Outcomes ohne signifikante zentrale Opioidnebenwirkungen, insbesondere bei regional begrenzten Schmerzproblemen
Nutzung zur kontinuierlichen Schmerztherapie mit Erweiterungsmöglichkeit bei rezidivierend erforderlichen lokalen operativen Eingriffen oder schmerzhaften Manipulationen wie Verbandswechseln oder physiotherapeutischen Maßnahmen
Ermöglichung der Reduktion der systemischen Therapie mit Benzodiazepinen und Opioiden, die Atmung, Immunsystem und Darmmotilität negativ beeinträchtigen können
Erzielung einer Sympathikusblockade
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427 B-3.1
B-3 · Zentrales Nervensystem
Keine Durchführung eines regionalen Analgesieverfahrens – Optimierung der systemischen Analgesie und Sedierung
Abb. B-7. Diagnostik und Therapie bei der Subarachnoidalblutung
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Intensivmedizin
428 B-3.1 · Analgosedierung und Entzugssyndrom
Absolute Kontraindikationen für die Durchführung von rückenmarknahen Analgesieverfahren bei intensivstationären Patienten [24]
Sepsis bei positiver Blutkultur
Schocksymptomatik mit hochdosierter oder progredienter Katecholamintherapie
Infektionen oder frische Blutungen im ZNS-Bereich
spezifische neurologische Erkrankungen ohne vorherige Dokumentation
Erhöhter Hirndruck
Hochgradige Aortenoder Mitralstenose
Klinisch relevante Gerinnungsstörung oder Antikoagulation, Antithrombosetherapie (Beachtung der DGAI-Empfehlungen 2003 [25])
Lokale Infektionen im geplanten Anlagebereich des Katheters
fehlende Einwilligung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters (eine präoperative Ablehnung gilt auch noch postoperativ!)
Durchgangssyndrom und Entzugsdelir auf der Intensivstation
Relevanz
Entzugssyndrome nach Langzeitsedierung werden bei mehr als 60% der Patienten berichtet [1, 21]. Bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit treten Entzugssymptome unterschiedlichen Schweregrads bei nahezu allen Patienten auf [15]. Ursächlich werden Transmitterimbalancen exzitatorischer und inhibitorischer Rezeptorsysteme bei zu schnellem Absetzen von Analgosedativa bzw. bei akutem Entzug von Alkohol oder Drogen angenommen [15, 21].
Diagnose
Entzugssyndrome lassen sich nach dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen definieren [15]. Die Diagnose ist immer eine Ausschlussdiagnose, d. h. bei dem Patienten müssen andere Enzephalopathien abgeklärt werden, die u. a. durch Hypoxie, Fieber, metabolische Entgleisungen, Schmerzen und fokale neurologische Defizite auftreten können. Bei den Entzugssymptomen werden vegetative und psychotischproduktive Symptome sowie Bewusstseinsstörungen unterschieden. Für die Einteilung des Schweregrads sollten Entzugsscores verwendet werden, um die Indikation zur Behandlung rechtzeitig zu bestimmen und eine eventuelle Therapie adäquat zu steuern [15].
Unbehandelt birgt der Entzugsstress lebensbedrohliche Gefahren durch ein erhebliches Selbstgefährdungspotenzial (Manipulation am Tubus oder an Kathetern durch den Patienten), eine verlängerte Beatmungsdauer (mangelnde Kooperation), Immunsuppression und erhöhte Infektionsinzidenz, Rhythmusstörungen und stressbedingte myokardiale Ischämien, gastrointestinalen Reflux (enterale Ernährung u. U. unmöglich) und Ulkusblutungen. Nierenersatzverfahren lassen sich aufgrund der motorischen Unruhe der Patienten oft nicht effizient steuern [13].
Entzugssymptomatik nach Langzeitsedierung
Benzodiazepine
Agitation, Tachykardie, Hypertension, Tachypnoe, gastrointestinaler Reflux, Fieber, Schwitzen, visuelle Halluzinationen, Delir, Krampfanfälle (abhängig von der kumulativen Dosis – z. B. Midazolam
> 60 mg/kgKG – und nicht von der Infusionsdauer) [5, 6, 19, 20, 21]
Propofol
Verwirrtheit, Tremor, Halluzinationen, Muskelzittern, tonisch-klonische Krampfanfälle (abhängig von der Dosis und der Infusionsdauer) [2, 4, 9, 21]
Opioide
Gähnen, Rhinorrhö, Piloerektion, Schwitzen, Tränen, Mydriasis, Hitzeund Kältewallungen, Unruhe, Erbrechen, Tremor, Angst, Muskelzucken, abdominelle Krämpfe (abhängig von der Dosis und Infusionsdauer) [1, 10, 21]
Scores
Der Medikamentenentzug kann durch ein langsames Ausschleichen der Langzeitanalgosedativa oder durch adjuvante Therapie in seinem Schweregrad reduziert werden. Bei der Behandlung des Alkoholoder Drogenentzugs richtet sich die medikamentöse Therapie nach dem Schweregrad. Um diesen festzustellen, ist ein Monitoring der Entzugssymptome erforderlich. Bei Alkohol- und Opiatentzug haben sich validierte Skalen etabliert [7, 15].
Für den Alkoholentzug wird der »Revised Clinical Institute of Withdrawal Assessment for Alcohol Scale« (CIWA-Ar) in psychiatrischen Einrichtungen standardisiert verwendet [15, 19]. Bei Opiatentzug wird die ob-
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B-3 · Zentrales Nervensystem
jektive (»Objective Opiate Withdrawal Scale« = OOWS) und subjektive Opiatentzugsskala (»Subjective Opiate Withdrawal Scale« = SOWS) angewendet [7]. Meist ist in der Intensivmedizin aufgrund von Intubation oder mangelnder Kooperationsmöglichkeit des Patienten allerdings nur die OOWS anwendbar.
Um den Schweregrad des Entzugs nach Analgosedierung zu monitoren, hat sich bei Kindern der FinneganScore etabliert, bei Erwachsenen ist der Delirium Detection Score validiert [21, 22].
Therapie
Anhand von Entzugsskalen, die den Schweregrad des Entzugs erfassen, sollte täglich eine individuelle Festlegung der Reduktion von Analgosedativa erfolgen.
Bei Kindern wird bei einer Dauer der Analgosedierung von 5–7 Tagen um 10–15% alle 6–8 h, bei einer Dauer der Analgosedierung von mehr als 10–14 Tagen um 10–15% täglich die Dosis der Analgosedativa reduziert [21]. Bei Erwachsenen wird eine initiale Reduktion der Analgosedativa um 25% und im Anschluss eine tägliche Reduktion um 10% als sicher erachtet [3, 16]. Bei jeder Entzugsbehandlung ist zu beachten, dass die zirkadiane Rhythmik verändert sein kann, sodass das gesamte Tagesprofil, insbesondere die Nachtstunden für die Steuerung der Entzugsbehandlung Berücksichtigung finden sollten, um nicht protrahierte Verläufe durch aggravierende nächtliche Entzüge zu induzieren [15].
Um atemdepressive Medikamente schneller ausschleichen zu können, d. h. die Beatmungsdauer reduzieren zu können und für den Patienten den Stress beim Abtrainieren vom Beatmungsgerät zu reduzieren, hat sich in den letzten Jahren zunehmend etabliert, möglich auftretende stressinduzierte Symptome präventiv zu behandeln. Dabei kommen zur Blockade der Stressachse2-Agonisten (Clonidin) zunehmend zum Einsatz [13].
Ausschleichen einer Langzeitsedierung
1.Monitoring von Entzugssymptomen
2.Individuelle tägliche Festlegung der Reduktion von Analgosedativa
3.Symptomorientierte Entzugsbehandlung
4.Zur symptomorientierten Therapie bieten sich an bei
–Agitation: Benzodiazepine, Propofol
–Sympathischer Hyperaktivität: 2-Agonisten (Clonidin)
429 B-3.1
– Halluzinationen/Durchgangssyndrom:
Neuroleptika (Haloperidol)
Siehe Abb. B-8.
Alkoholmissbrauch und Alkoholentzug
Erhöhte Prävalenz von Alkoholmissbrauch bei folgenden Diagnosen
Trauma
Tumor des Bronchialund oberen Gastrointestinaltraktes
Pankreatitis
Leberzirrhose
Dilatative toxische Kardiomyopathie
Epilepsie
Polyneuropathie
Postoperative Morbidität
Alkoholkranke Patienten haben nach einem chirurgischen Eingriff ein 2- bis 5fach erhöhtes Risiko einer postoperativen Morbidität und Letalität im Vergleich zu Nichtalkoholikern [18]. Die häufigsten Komplikationen sind Infektionen, kardiopulmonale Insuffizienzen, Nachblutungen und eine erhöhte Anzahl von chirurgischen Zweiteingriffen. Die intensivund gesamtstationäre Behandlungsphase ist verlängert [18].
Alkoholentzugssyndrom
Ohne prophylaktische Behandlung können alkoholkranke Patienten bei plötzlicher Reduktion des Alkoholkonsums ein Alkoholentzugssyndrom entwickeln.
Bei alkoholabhängigen Patienten treten in der Regel 6–48 h nach dem letzten Alkoholkonsum Entzugssymptome auf. Diese umfassen vegetative und produktiv-psy- chotische Symptome sowie Bewusstseinsstörungen [15]. Die autonome Hyperaktivität beruht auf einer Enthemmung der sympathischen Aktivität des Locus coeruleus. Die Symptome sind Tremor, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen, Angst und Agitation. Epileptische Anfälle lassen sich durch Aktivierung des glutaminergen und Inhibition des GABAergen Systems erklären. Die Veränderungen im cholinergen System können kognitive Störungen, Bewusstseinsstörungen und Verwirrung hervorrufen, während die Veränderungen im dopaminergen System psychotische Symptome wie akustische und visuelle Halluzinationen bewirken. Für Patienten im Entzug ist eine depressive und ängstliche Grundstimmung typisch.
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Intensivmedizin
430 B-3.1 · Analgosedierung und Entzugssyndrom
GABAerges System: Benzodiazepine,
GHB, Propofol
Glutamaterges System: Mg, Ketamin
Abb. B-8. Neurotransmitterimbalancen
Pfeile vor Transmittern: Frühphase eines Entzugs (erste Stunden); Pfeile nach Transmittern: Spätphase eines Entzuges (3.–5. Tag);
CRF »corticotropin-releasing« Hormon (aus [11])
In der Intensivmedizin kann die Differenzialdiagnose schwierig sein, da viele Patienten intubiert und beatmet sind. Zentral wirksame Medikamente verschleiern die Diagnose zusätzlich. Andere allgemeine Komplikationen wie Blutungen, metabolische Störungen, Infektionen, Hypoxie, Schmerzen oder fokal neurologische Störungen müssen ausgeschlossen oder behandelt sein, bevor die Ausschlussdiagnose eines Alkoholentzugssyndroms gestellt werden darf [15].
Merkspruch für die Differenzialdiagnose des Alkoholentzugssyndroms
I watch death.
I »infections« (Infektionen)
W »withdrawal« (Entzug)
A»acute metabolic« (akut metabolisch)
TTrauma
C »CNS pathology« (ZNS-Pathologie)
H»hypoxia« (Hypoxie)
D »deficiencies« (Mangelerscheinungen) E »endocrinopathies« (Endokrinopathien)
A»acute vascular« (akut vaskulär)
T »toxins/drugs« (Toxine/Drogen)
H»heavy metals« (Schwermetalle)
CIWA-Ar (= »Clinical Institute Withdrawal Assessment for Alcohol Scale«); Score
zur Klassifikation eines Alkoholentzugssyndroms
1.Übelkeit/Erbrechen
2.Tremor
3.Schwitzen
4.Ängstlichkeit
5.Agitation
6.Taktile Halluzinationen
7.Akutische Halluzinationen
8.Visuelle Halluzinationen
9.Kopfschmerzen
10.Orientierung
Bewertung
Die Fragen 1–9 werden mit 0–7 Punkten je nach Schwere der Symptomatik bewertet. Die Frage 10 mit 0–4 Punkten. Ab einer Punktzahl von O10 sollte eine Pharmakotherapie erfolgen. Ab einer Punktzahl von O20 muss eine Aufnahme auf die Intensivstation erfolgen. Die maximal erreichbare Punktzahl ist 67 [19].
Therapie des Alkoholentzugssyndroms
Nach Festlegung der Diagnose und des Schweregrads des Alkoholentzugssyndroms und sicherem Ausschluss anderer in Frage kommender Differenzialdiagnosen
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B-3 · Zentrales Nervensystem
muss eine medikamentöse Therapie des Alkoholentzugssyndroms erfolgen. Die Schwere des Entzugs wird mittels CIWA-Ar-Score ermittelt. Beträgt der CIWA-Ar- Score > 20, ist der Patient zur Weiterbehandlung und zur engmaschigen Überwachung auf die Intensivstation zu verlegen.
Der Zustand des Patienten und der Verlauf sind während der Therapie stündlich mittels CIWA-Ar-Score zu dokumentieren, ebenfalls müssen die Vitalzeichen und Laborparameter engmaschig überwacht werden (Herzfrequenz, Blutdruck, Temperatur, Natrium, Kalium, Magnesium, Blutzucker, arterielle Blutgasanalyse vor der Gabe von Glukoseinfusionen, Leukozyten, Hämoglobin, Hämatokrit). Thiaminapplikation (initial 250–1000 mg i.v., dann 100–250 mg/Tag i.v.) ist auf Intensivstationen dringend empfohlen, um eine WernickeEnzephalopathie zu vermeiden.
Wie in der evidenzbasierten Medizin belegt, sollte man auch bei chirurgischen Intensivpatienten bei der Behandlung des Alkoholentzugssyndroms mit Benzodiazepinen beginnen. -Blocker, Clonidin und Neuroleptika sind als adjuvante Therapeutika zu verstehen und bei mehr als der Hälfte der chirurgischen Intensivpatienten erforderlich, sie sind aber nicht als Monotherapie zu empfehlen. Carbamazepin ist aufgrund der enteralen Applikation wegen des häufigen Reflux oft nicht einsetzbar.
Ein CIWA-Ar-Score von < 10 sollte bei der Therapie angestrebt werden. Liegt der CIWA-Ar-Score zwischen 10 und 20, sollte eine symptombezogene Therapie mit Benzodiazepinen begonnen werden. 10–40 mg Diazepam werden fraktioniert verabreicht. Dies kann jede Stunde wiederholt werden, bis der CIWA-Ar-Score auf < 10 fällt. Alternativ können Lorazepam, Chlordiazepoxid oder andere GABAerg wirksame Medikamente eingesetzt werden. Um zusätzliche vegetative Symptome zu kontrollieren, können Clonidin oder -Blocker verwendet werden.
Zu beachten ist, dass Clonidin durch seinen 2-ago- nistischen Effekt zu Bradykardie, Bradyarrhythmie bzw. Hypotension führen kann. Haloperidol kann zur Behandlung von Halluzinationen und psychotischer Symptomatik eingesetzt werden. Eine Kombination von Haloperidol und Clonidin kann zum Auftreten von Torsade-de-pointes-Arrhythmien und Krampfanfällen führen. Daher sollten vorher Benzodiazepine gegeben werden [13, 15].
431 B-3.1
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Intensivmedizin
432 B-3.2 · Zerebrale Ischämie
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B-3.2 Zerebrale Ischämie
S. Marz
Einteilung und Definition nach Lokalisation und Morphologie
Makroangiopathien
Territorialinfarkte
Diese entstehen durch embolischen oder lokal thrombotischen Verschluss von großen Hirnoberflächenarterien.
Hämodynamische Infarkte
Diese entstehen durch signifikanten Abfall des Perfusionsdrucks und damit Verlust des Druckgefälles in der Gefäßperipherie durch hochgradige, hämodynamisch wirksame Stenosen bzw. Verschlüsse extraoder intrakranieller großer Arterien.
Man unterscheidet zwischen Endstromund Grenzzoneninfarkten.
Mikroangiopathien
Lakunäre Infarkte
Diese entstehen durch isolierte oder multiple Thrombosierung kleiner, das Hirngewebe penetrierender Arterien und sind in der Regel Ausdruck einer Systemerkrankung (Bluthochdruck!).
Ursachen
Arterielle Hypertonie (häufigste Ursache)
Intrakardiale Thromben bei Vorhofflimmern, Herzwandaneurysmen
Herzklappenerkrankungen, v. a. akute Endokarditis
Zustand nach Operationen am offenen Herzen mit extrakorporaler Zirkulation
Karotisstenosen
Paradoxe Embolien
Heparininduzierte Thrombozytopenie
Symptomatik
Territorialinfarkt – Paresen bzw. Ausfälle der betroffenen Versorgungsgebiete
Das Mediasyndrom mit armbetonter Hemiparese, Hemihypästhesie und Dysarthrie bzw. Aphasie ist die häufigste klinische Manifestation eines Schlaganfalls.
Hämodynamische Infarkte:
Kontralaterale Lähmung, oft fluktuierende Symptomatik (evtl. Abhängigkeit vom Blutdruck)
Hirnstamminfarkt:
Frühe Bewusstlosigkeit, Störungen der Okulound Pupillomotorik, Sehstörungen, bei bilateralem Infarkt Tetraparese und Ausfall der kaudalen Hirnnerven: vitale Bedrohung
Kleinhirninfarkt:
Bewusstseinseinschränkung, Erbrechen, Doppelbilder durch Abduzenslähmung; kann bei ausgedehntem Befund v. a. in der Frühphase zu lebensbedrohlicher Schwellung mit Kompression des Ventrikelsystems und druckbedingten Hirnstammfunktionsstörungen führen
Die Symptomatik macht sich beim Intensivpatienten im Gegensatz zur Notfallmedizin oft
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B-3 · Zentrales Nervensystem
erst in den Aufwachphasen bemerkbar, sodass der Zeitpunkt des akuten Ereignisses in den meisten Fällen nicht bekannt ist.
Differenzialdiagnose
Zerebrale Blutung (kann klinisch nicht sicher ausgeschlossen werden!)
Sinusvenenthrombose
Diagnostik
Genaue klinische Untersuchung (Seitendifferenzen?, Reflexstatus?)
Neurologisch-konsiliarische Untersuchung
Nach Rücksprache mit dem Neurologen zerebrales CT, ggf. MRT (bei unauffälligem CT-Befund evtl. Kontrolle in 2–3 Tagen, da sich frische Infarktareale erst im weiteren Verlauf demarkieren)
Therapie
Eine Lysetherapie kommt aufgrund meist nicht möglicher zeitlicher Zuordnung des Akutereignisses in der Regel nicht in Frage.
Blutdruckeinstellung:
Aufrechterhaltung eines adäquaten arteriellen Mitteldruckes von > 70 mmHg, ggf. Volumengabe oder Einsatz von Katecholaminen (hierbei müssen z. B. kardiale Vorerkrankungen bzw. vorausgegangene Operationen mit in Betracht gezogen werden!) Eine Blutdrucksenkung sollte nur bei systolischen Werten > 220 mmHg und nicht unterhalb eines systolischen Druckes von 160 mmHg erfolgen
Oberkörperhochlagerung von 30
Normothermie (?37 C)
Normoglykämie
Normovolämie (Vermeidung einer Exsikkose, ggf. leichte Hypervolämie zur Verbesserung der Mikrozirkulation und Senkung der Blutviskosität)
Gewährleistung einer ausreichenden Oxygenierung (paO2 >100 mmHg) und Normokapnie. Hyperkapnie ist zu vermeiden; der Nutzen einer Hyperventilation ist nicht belegt, wenn, dann nur als Akutmaßnahme bei Hirndruckzeichen nicht länger als 30 min; ansonsten sollte der paCO2 im unteren Normbereich, d. h. zwischen 35 und 40 mmHg gehalten werden
Antikoagulation (erfolgt in der Regel als kontinuierliche Heparinisierung mit einer Ziel-PTT zwischen 50 und 60 s). CAVE: Sekundäre Einblutung!
433 B-3.3
Komplikation – Hirndrucksteigerung mit Einklemmungsgefahr
Konservative Therapie
Hyperventilation (nur als Akutmaßnahme über maximal 30 min!)
Osmotherapie mit Mannitol 20% (4-mal 125 ml)
Tris-Puffer (initialer Bolus von 1 mmol/kgKG, dann 0,25 mmol/kgKG über 7 h)
Barbituratnarkose
Chirurgische Therapie
Chirurgische Dekompressionsbehandlung
Literatur
Hamann GF (1997) Acute cerebral infarction: pathophysiology and modern treatment concepts. Radiologe 37/11: 843–852
Poeck K, Hacke W (2001) Neurologie, 11. überarbeitete Auflage. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 185–237
Schranz C, Bonmann E (2002) Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls. Intensivmedizin 39: 161–170
Treib J, Grauer MT et al. (2000) Treatment of stroke on an intensive stroke unit: a novel concept. Intensive Care Med 26: 1598–1611
B-3.3 Subarachnoidalblutung
O. Vargas Hein
Klinik
Leitsymptome einer akuten Subarachnoidalblutung (SAB) sind akut einsetzende Kopfund Nackenschmerzen bei 85–95% der Patienten
Eine akute Bewusstseinsstörung tritt bei 50% der Patienten auf
Nackensteife, Übelkeit, Erbrechen, Atemstörungen sind häufig, können aber auch erst nach Stunden auftreten. Fokale neurologische Defizite sprechen für ein zusätzliches intrazerebrales Hämatom oder einen Vasospasmus
Ursachen
Zu 80% Blutungen aus einem sackförmigen Aneurysma
Lokalisation
–40% Ramus communicans anterior
–30% A. carotis interna
–20% A. cerebri media
–10% A. vertebralis und A. basilaris
–Zu 5% Blutungen aus arteriovenösen Fehlbildungen
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Intensivmedizin
434 B-3.3 · Subarachnoidalblutung
Selten Schädel-Hirn-Trauma, Dissektionen intrakranieller Arterien, mykotische Aneurysmen, Kokainabusus, Gerinnungsstörungen
Bei 15–20% der Patienten ist keine Blutungsquelle auffindbar
Einteilungen
Die Einteilung nach Hunt u. Hess orientiert sich an den zum Zeitpunkt der Untersuchung vorliegenden Symptomen. Da der initiale Bewusstseinsgrad und das Vorhandensein fokaler Ausfälle die wichtigsten prognostischen Kriterien sind, orientiert sich die neuere Klassifikation der World Federation of Neurological Symptoms (WFNS) an diesen Symptomen. Die Tabelle zeigt die Einteilung nach Hunt u. Hess.
Bildgebende Diagnostik
Eine CCT am 1. Tag weist eine Sensitivität von 95% auf
Eine MRT hat in der Akutphase keinen Vorteil gegenüber der CCT, kann jedoch Tage zurückliegende Blutungen durch den Hämosideringehalt mit höherer Sensitivität aufzeigen
Bei unauffälliger CCT, aber klinischem Verdacht auf eine SAB sollte eine Lumbalpunktion zum direkten Blutnachweis oder zum Nachweis einer Xanthochromie (Nachweis einer SAB 2 h bis 2 Wochen nach Ereignis) erfolgen
Sofern es der Zustand zulässt, wird jeder Patient mit einer SAB zur Bestimmung der Lokalisation und Operationsplanung angiographiert
Inzidenz
6–8 von 10 000 Personen erleiden eine SAB
Frauen sind häufiger betroffen als Männer (1,5 : 1). Der Altersgipfel liegt im 5.–6. Lebensjahrzehnt
Lineare Risikofaktoren sind arterielle Hypertonie, Nikotin und Alkohol. Subarachnoidalblutungen machen etwa 10% der Schlaganfälle und mehr als 30% aller Hirnblutungen aus
Prognose
Entscheidend ist der Grad der initialen Bewusstseinsstörung, die Menge des subarachnoidalen Blutes und die Lokalisation des Aneurysmas
Aneurysmen im hinteren Hirnversorgungsgebiet und Blutungen >15 cm3 haben eine schlechte
Prognose. Die Letalität beträgt insgesamt innerhalb des ersten Monats über 40% und steigt von 13% bei initial wachen Patienten auf 75% bei initial komatösen Patienten an
Komplikationen
Bei einer erneuten Blutung eines nicht geklippten Aneurysmas beträgt die Letalität 50%, wobei die Nachblutungsgefahr innerhalb der ersten 24 h am höchsten ist
Ein Hydrozephalus kann sich in 15–20% bei Verschluss des Aquädukts, der Austrittsstellen des
4. Ventrikels oder als Hydrocephalus aresorptivus bei Verklebungen der Pacchioni-Granulationen ausbilden. Die höchste Wahrscheinlichkeit für einen Hydrozephalus besteht in den ersten Stunden und
Einteilung der Subarachnoidalblutungen
WFNS
I |
II |
III |
IV |
V |
GCS |
Fokale Zeichen |
Einteilung nach Hunt u. Hess |
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|
|
Grad |
Kriterien |
15 |
Nein |
I |
Asymptomatisch oder leichte Kopfschmerzen |
|
|
|
und leichte Nackenschmerzen |
14–13 |
Nein |
II |
Mäßiger bis schwerer Kopfschmerz, Nackensteife, keine |
|
|
|
neurologischen Ausfälle außer Hirnnervenparesen |
14–13 |
Ja |
III |
Somnolenz, Verwirrtheit oder leichtes fokal- |
|
|
|
neurologisches Defizit |
12–7 |
Ja/Nein |
IV |
Sopor, mäßige bis schwere Hemiparese, vegeta- |
|
|
|
tive Störungen, evtl. frühe Dezerebrationszeichen |
6–3 |
Ja/Nein |
V |
Koma, Dezerebrationszeichen |