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Лексикология современного немецкого языка 220 :: 221 :: 222 :: 223 :: 224 :: 225 :: Содержание 4.6. KOMMUNIKATIV-PRAGMATISCHE POTENZEN FESTER WORTKOMPLEXE

Unter kommunikativ-pragmatischen Potenzen fester Wortkomplexe wird ihre potentielle Leistung verstanden, in der Kommunikation einen bestimmten illokutionären Effekt beim Hörer / Leser zu erzielen68.

Illokutionär bedeutet hier vor allem, dass der Hörer / Leser die Intention (Absicht) des Sprechers erkennt, wodurch die Perlokution ermöglicht wird. Der operationale Ausbau der Illokution setzt voraus, dass die sprachlichen Zeichen in dieser Sprachhandlung wirkungsvoll genutzt, d.h. pragmatisch ausgewertet werden.

Die pragmatische Leistung fester Wortkomplexe ist je nach der Klasse dieser sprachlichen Zeichen und je nach Textsorten zu bestimmen.

4.6.1. FUNKTIONAL-KOMMUNIKATIVE LEISTUNG DER KLASSE I - PHRASEOLOGISMEN

Die kommunikativ-pragmatischen Potenzen der Phraseologismen resultieren aus ihrer strukturell-semantischen Eigenständigkeit, die sie als besondere Spracheinheiten im nominativen Inventar der Sprache kennzeichnet. Dazu gehören:

(1) die Semantik, in der die konnotative Komponente kategorialbildend ist;

(2) die semantische Eigenschaft vieler Phraseologismen, die oben als denotative Komplexität bezeichnet wurde;

(3) die weite Bedeutung vieler Phraseologismen, die sich situativ im Text konkretisieren lässt;

(4) die potentielle Variabilität bzw. Austauschbarkeit des Konstituentenbestandes im Phraseologismus als Mittel der pragmatischen Einwirkung;

(5) die potentielle Wandelbarkeit anderer Art, wie Kürzung oder Erweiterung des Phraseologismus als Mittel der pragmatischen Einwirkung.

Bei der Untersuchung der funktional-kommunikativen Leistung phraseologischer Wortfügungen ist primär zu bestimmen, für welche Textsorten diese Spracheinheiten zahlenmäßig und pragmatisch kennzeichnend sind.

Für Phraseologismen kommen hierbei in Frage Texte innerhalb einiger Funktionalstile der deutschen Schriftsprache - die der schönen Literatur, Publizistik und bestimmter Genres der Presse und die Texte der gesprochenen Sprache. Die Phraseologismen in der gesprochenen Sprache sind wohl ein Bereich künftiger Forschung, denn gegenwärtig ist dieser Aspekt am wenigsten untersucht.

Dagegen sind die Texte der anderen oben bezeichneten Funktionalstile besser erforscht, vor allem die der Publizistik und Presse sowie die Texte der schönen Literatur. Phraseologische Wortfügungen sind in den Werken der schönen Literatur neben Lexemen ein unentbehrliches Baumaterial der Texte. Aber ihre Frequenz ist verschieden. Sie sind durch viele Faktoren deter-

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miniert, nicht zuletzt durch den Individualstil des Autors, und auch durch den Ideengehalt des Werkes.

In den Werken einiger bekannter Schriftsteller der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, die unter dem bezeichneten Aspekt untersucht wurden, ergibt die Zahl der Phraseologismen gegenüber der der Lexeme folgendes Verhältnis:

Lion Feuchtwanger - l: 25 Willi Bredel-1:50 Hans Fallada - l: 166 Bertolt Brecht - l: 200

Nicht alle Subklassen der Phraseologie sind quantitativ sowie nach ihrer textbildenden Bedeutsamkeit gleich. Vor allem wären hier diejenigen Klassen zu nennen, die bei der Ausformung des Inhaltsplans der Texte als erstrangig zu bestimmen sind.

In dieser Hinsicht sind in erster Linie die phraseologischen Einheiten zu nennen, deren zahlenmäßige Überlegenheit in den Werken solcher Autoren der Gegenwartsliteratur festgestellt wurden, wie Willi Bredel, Herbert Jobst, Fritz Erpenbeck, Max Frisch, Max Walter Schulz, Werner Steinberg, Erik Neutsch u.a.

Unter den phraseologischen Einheiten sind wiederum bestimmte Arten von besonderer Wichtigkeit - die verbalen phraseologischen Einheiten, und unter den anderen Einheiten - die Paarformeln.

Die zentrale Stellung der phraseologischen Einheiten in den Texten der schönen Literatur geht aus ihren Funktionen hervor, die sie hier erfüllen. Sie werden in der Autoren- und Figurensprache der Romane gebraucht. Neben zahlreichen anderen sprachlichen Mitteln werden sie genutzt zu Charakteri-stika sowohl der handelnden Personen als auch zur Schilderung der wichtigsten, das Leitmotiv der Werke bestimmenden Handlungen und Situationen. Viele der phraseologischen Einheiten sind in der charakterisierenden Funktion rekurrent. So sind z.B. im Roman W. Steinbergs "Pferdewechsel" 65 Phraseologismen zwecks einprägsamer Charakteristik wiederholt genutzt. Besonders oft kommt der Phraseologismus/шг/ш. den schwarzen Peter zuschieben vor, auch in der derivativen Form der schwarze Peter "Schuld", "Verantwortung". Vgl.:

..., sie hasst ihn, den schwarzen Peter (S. 210).

..., dann muss man nicht A & n schwarzen Peter haben (S.213).

Das war das erste Mal, dass der schwarze Peter aufgetaucht war (S. 213).

..., denn der schwarze Peter begann von jenem Tag an zu wandern (S. 213).

Jetzt weiß ich, das ist dieser verdammte schwarze Peter, den sie mir zugeschoben habenl (S. 218)

...und auf keinen Fall würde der schwarze Peter, den sie ihm heute alle zuschieben w o 111 e n, in seiner Hand bleiben, nein \ (S. 228) (Gesperrt gedruckt in allen Beispielen von - I.C.)

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Oder die immer wiederkehrenden Phraseologismen goldene Hände haben zur positiven Charakteristik und zwei linke Hände haben zur negativen Charakteristik der handelnden Personen. Darüber hinaus eine besonders wirksame Auswertung der beiden in einem Satz zur betont negativen Charakteristik:

"Der einzige Schatten, ein lichter Schatten nur, aber doch ein Schatten in ihrem Leben, war das Wesen des Sohnes Thomas, ganz unterschiedlich von dem ihres Mannes; der hatte keine goldenen Hände, der hatte zwei linke Hände, wie Peter Legion erst mit freundlichem Spott, später mit ärgerlicher Ungeduld feststellte." (S. 48)

Zu den textbildenden Funktionen der phraseologischen Einheiten in den Texten der schönen Literatur gehören alle bekannten Typen der okkasionellen Modifikation im Konstituentenbestand. An erster Stelle hinsichtlich der Produktivität steht hierbei die Austauschbarkeit von lexikalischen Konstituenten.

Zahlreich sind situative Bildungen, wo das austauschbare Lexem in der Semantik in gewisser Weise konkretisierend wirkt. Die modifizierten Phraseologismen erhalten somit eine etwas andere bildliche Motiviertheit und stehen zur Basiseinheit im Verhältnis der Synonymie.

Dies lässt sich illustrieren an der situativen Bildung sein Schäfchen weidete im trocknen (H.Jobst. Der Glücksucher, S. 58) gegenüber den kodifizierten Formen sein Schäfchen im trocknen haben oder sein Schäfchen ins trockene bringen "sich wirtschaftlich sichern; großen Gewinn einheimsen". Oder: sich in Schweigen hineinkauern gegenüber der kodifizierten Form sich in Schweigen hüllen.

Textbezogene austauschbare Lexeme sind dagegen in den Texten der schönen Literatur bedeutend seltener als in den sozialkritischen Texten der Presse.

Textbezogene austauschbare Konstituenten der Phraseologismen bilden ein charakteristisches Merkmal der Darstellungsart in solchen Genres der Presse wie Feuilleton, Glosse, Skizze, Pamphlet u.a. Das Wesen solcher Realisierung der Phraseologismen besteht darin, dass die jeweilige austauschbare Konstituente in ihrer eigentlichen Bedeutung verwendet wird und nur aus dem gegebenen Text zu verstehen ist, z.B. Ich bin ja nicht auf den Knopf gefallen gegenüber "nicht auf den Kopf gefallen sein" in einem Text, wo es sich um teure modische Knöpfe handelt (Eulenspiegel, 6 / 1978, S. 10).

Einer großen Frequenz erfreuen sich textgebundene Modifikationen, die in der Erweiterung bzw. Präzisierung der Konstituenten bestehen. Die Erweiterung kann in Form einer Zusammensetzung erfolgen, wo die erste Komponente der Zusammensetzung eben situativ- oder textgebunden ist. Eine solche Erweiterung kann bei verbalen und nominalen phraseologischen Einheiten entstehen. Folgende Belege aus den Texten der schönen Literatur illustrieren diese Art:

Seit ihm dieser Kollege von der Gewerkschaft den Erfinderfloh ins Ohr gesetzt hat, zerknobelt er sein letztes bisschen Grips (H. Jobst, Der

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Glücksucher, S. 187). Vgl.jmdm. einen Floh ins Ohr setzen, ugs. "injmdm. einen unerfüllbaren Wunsch wecken". Aber: Sie sind ein alter Schachthase (ebenda, S. 29). Vgl. ein alter Hase, ugs. "ein durch viele Erfahrungen (lebens)klug gewordener Mann".

Die Erweiterung kann in Form eines Attributs erfolgen, wie z.B.:

Ist es da nicht viel einfacher, es mit einem neuen Besen zu tun zu haben, für den der Parteisekretär dann der alte erfahrene Hase ist (W. Steinberg. Pferdewechsel, S. 437).

...dass Leps dazu schwieg, beunruhigte ihn, ... wollte der Sekretär nicht ein kleines, sondern ein großes Fass aufmachen! (ebenda, S. 377). Vgl. ein Fass aufmachen ugs. "Streit anfangen"69.

Er sah sie an, die eingesessenen Hinzes und Kunzes (H. Sakowski. Daniel Druskat, S. 141). Vgl. Hinz undKunz ugs. "jedermann".

Diese Erweiterung erscheint allerdings mit einer anderen Modifikation kombiniert, was in solchen Texten ziemlich oft geschieht.

Die quantitative Analyse der phraseologischen Einheiten vom Typ der Paarformeln hat ergeben, dass sie in den Texten der schönen Literatur nach verbalen Phraseologismen die zweitgrößte Gruppe bilden.

In den Texten analytischer Genres der Zeitung wie "Leitartikel", "Kommentar" sowie in den sozialkritischen Texten und in der Publizistik sind die Paarformeln ebenfalls sehr zahlreich. Die funktionale Charakteristik der Paarformeln in den Texten der schönen Literatur und der Presse wurde in der älteren und jüngeren Forschung allgemein als verstärkend bezeichnet. Diese allgemeine Charakteristik ist aber im Weiteren zu präzisieren, denn sowohl der Bestand der Paarformeln, d.h. ihre Arten, als auch ihre funktionalen Leistungen weisen in verschiedenen Textsorten zusätzliche Merkmale auf.

Zu den textbildenden Leistungen der Paarformeln in den verschiedenen Genres der Presse und in den Texten der schönen Literatur gehört die Ausnutzung der Modellierbarkeit. Neben kodifizierten Zwillingsformeln werden situative Paarformeln gebildet. Darunter sind zahlreiche textpragmatische Einmalbildungen zu nennen, die nur für die gegebenen Texte relevant sind: Mit Lutz und Lüge, Charm und Chic aus Warschau.

Zum Unterschied von den rein situativen Bildungen sind einige Arten der modellierten Paarformeln in den analytischen Genres der Presse keine Okkasionalismen. Sie sind für eine bestimmte Entwicklungsperiode der Gesellschaft feste Wortkomplexe der Sprache, die als notwendige Elemente zur Struktur dieser Texte gehören. Das sind Paarformeln, die in binären Strukturen (den traditionellen Zwillingsformeln nachgebildet) aktuelle Losungen, Schlagworte des gesellschaftlich-politischen Lebens wiedergeben. Vgl. die typischen Beispiele, die aus den Leitartikeln der Zeitungen der ehemaligen DDR stammen:

Pflichten und Rechte; Leitung und Organisation; Wissenschaft und Praxis; Planung und Leitung; Freundschaft und Zusammenarbeit.

Wie die traditionellen Zwillingsformeln sind die modellierten Paarformeln vor allem substantivisch, aber auch adjektivisch, adverbial und verbal.

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Die Konstituenten dieser Paarformeln befinden sich in den meisten Fällen im Verhältnis der Ergänzung, der Präzisierung oder Synonymie. Vgl. Ideen und Vorschläge; Einheit und Geschlossenheit; Tiefe und Vielfalt; Wissen und Können; Maschinen und Geräte; Analysen und Vorschläge; Freude und Stolz; fest und widerruflich; interessant und rege; blühen und gedeihen; entwickeln und stärken.

Die Konstituenten der Paarformeln können auch zueinander im Verhältnis der Gegensätzlichkeit oder Antonymie stehen:

Plus und Minus; Wissenschaft und Praxis; Stabilität und Dynamik; Gedanken und Taten; materiell und geistig; geben und nehmen; lehrend und lernend.

Diese modellierten Paarformeln sind Standardausdrücke, aber ihre Semantik wird durch binäre Aneinanderfügung präzisierender sinnverwandter, synonymischer, antonymischer Lexeme einprägsam ausgeformt. Im Rahmen solcher Textsorten wie "Leitartikel" oder "Kommentar" sind sie rekurrente Strukturelemente.

Beachtenswert ist die Produktivität der Paarformeln als Überschriften in den sozialkritischen Texten der Presse. Hier werden aber bei okkasionellen Nachbildungen der traditionellen Zwillingsformeln vor allem der Stabreim und der Endreim ausgewertet: Mit Lutz und Lüge, Kreuz- und Querschüsse, In Hülle und Fülle.

Die Änderung in der funktionalen Leistung festgeprägter Sätze vom Typ Sprichwort ist für Texte bestimmter Genres der Presse und Publizistik kennzeichnend. In den sozialkritischen Textsorten der Presse sind die Sprichwörter außerordentlich produktiv, und im Gegensatz zum allgemeinen Sprachgebrauch, wo ihre Popularität zurückgeht, ein heute beliebtes Mittel von Humor und Satire.

Für die Auswertung der festgeprägten Sätze in diesen Texten ist typisch, dass sie primär als Überschriften bzw. Titel für solche sozialkritischen Texte gebraucht werden.

Die festgeprägten Sätze können in dieser Eigenschaft zusätzlichen Modifikationen unterliegen, unter denen einige besonders populär sind.

Dazu gehört in erster Linie die Kürzung bekannter Sprichwörter und Satzredensarten. Vgl. die Überschrift eines kritischen Textes "Die Axt im Haus" (Eulenspiegel, 2 / 1978, S. 4) gegenüber dem bekannten Sprichwort die Axt im Haus erspart den Zimmermann. Die Kürzung diesen Typs ist auch in der russischen Sprache in einer ähnlichen Funktion sehr bekannt, vgl. "ложка дёгтя" (Вечерняя Москва, 60 /1977, С.2) gegenüber ложка дегтя в бочке меда.

Die Kürzung kann auch umgekehrt die Anfangsworte eines festgeprägten Satzes betreffen, z.B. im Titel "...ist ehrenvoll und bringt Gewinn" (Eulenspiegel, 47 / 1977, S. 3) gegenüber dem bekannten Zitat aus Goethes "Faust" - Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren, ist ehrenvoll und ist Gewinn. Vgl. auch ein ähnliches Beispiel aus der russischen Presse "Подсчитали - прослезились (Вечерняя Москва, 88 / 1977, С. 3) gegenüber Пировали - веселились, подсчитали - прослезились.

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Die rein äußerliche Beschreibung der Modifikationen, die an den festgeprägten Sätzen und im Besonderen an den Sprichwörtern vorgenommen werden, kann jedoch die textpragmatischen Potenzen dieser Spracheinheiten nicht real erschließen. Ihre funktionale Leistung in den bezeichneten sozialkritischen Texten der Presse kann nur im Rahmen der textlinguistischen Analyse erkannt werden. Erst die Betrachtung der Zusammengehörigkeit von Überschrift und Text gibt Aufschluss über ihre spezifische Auswertung und pragmatische Leistung.

Zum Unterschied vom Gebrauch der Sprichwörter in der Umgangssprache, wo sie mit ihren verallgemeinerten Lebensregeln in Bezug auf ähnliche Situationen verwendet werden, stehen die Überschriften der analytischen Texte zum Textinhalt in einem anderen Verhältnis. Das kann an den oben zitierten Texten illustriert werden. Das Sprichwort die Axt im Haus erspart den Zimmermann wird in der Lexikographie folgenderweise erläutert: "jemand, der geschickt ist im Umgang mit Handwerkzeug, braucht für vieles nicht die Hilfe eines Fachmanns".

Der satirische Text "Die Axt im Haus" behandelt aber etwas anderes, nämlich die Misstände in Werkzeugläden, Schwierigkeiten, die es beim Beschaffen von Werkzeugen gibt. Der einzige Berührungspunkt zwischen Texttitel und Textinhalt ist folglich die Konstituente Axt in ihrer lexikalischen Bedeutung als eine Art Werkzeug. Der Effekt liegt in der doppelten Aktualisierung. Daraus geht hervor:

Der Textinhalt korreliert nicht mit der jeweiligen Lebensregel des Sprichworts, sondern mit der lexikalischen Bedeutung einer Konstituente, die mit der Hauptidee des Textes thematisch verbunden ist. Darauf basiert dieses Verfahren beim Funktionieren der Sprichwörter, das zum Ausdruck von Humor, Spott und Satire benutzt wird und eine neue textpragmatische Funktion der Sprichwörter in den sozialkritischen Texten der Presse ermöglicht. Hinsichtlich textpragmatischer Modifikationen sind Sprichwörter in der bezeichneten Textsorte nach verbalen Phraseologismen die zweitproduktivste Gruppe.

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