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Лексикология современного немецкого языка 214 :: 215 :: 216 :: 217 :: 218 :: 219 :: Содержание 4.4. FESTE WORTKOMPLEXE DER KLASSE III - MODELLIERTE BILDUNGEN

Die modellierten Bildungen entstehen in der Sprache nach bestimmten strukturell-semantischen Modellen, die in der Rede situativ realisiert oder aktualisiert werden. Die modellierten Bildungen existieren als bestimmte syntaktische Gebilde mit einer typisierten Semantik, die auf der Ebene der Rede realisiert werden. Darum sind in diesen Bildungen die Konstituenten (teilweise oder ganz) lexikalisch frei auffüllbar, vgl. (ugs.) das Modell S + hin, S + her mit einer typisierten Bedeutung der Einräumung. Ihre situativen Realisierungen sind praktisch unbegrenzt: Bruder hin, Bruder her "wenn er auch mein Bruder ist", Freund hin, Freund her, Geld hin, Geld her, Vater hin, Vater her, Hobby hin, Hobby her.

Die funktional-stilistische Markiertheit des Modells (ugs.) ist kein Hindernis, dass es auch in der Presse und Publizistik im Dienste der Ironie, Satire verwendet wird z.B. Krise hin, Krise her.

Unter den modellierten Bildungen sind folgende Klassen zu unterscheiden:

1. Feste analytische Verbalverbindungen54.

2. Typisierte grammatisch-stilistische Konstruktionen55.

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(1) Feste analytische Verbalverbindungen. Die festen analytischen Verbalverbindungen sind nach dem Modell "Verb + abstraktes Substantiv" (meistens ein Verbalsubstantiv) gebildet. Die.typisierte Semantik dieser Verbindungen ist Ausdruck der verbalen Handlung. Der eigentliche Träger der Semantik ist in dieser Verbindung das Substantiv, das Verb dagegen erscheint "bedeutungsleer", es büßt seinen semantischen Eigenwert ein und behält nur noch seine syntaktische Funktion. Das Modell kann eine Variante haben, dann erscheint das Substantiv mit Präpositionen. Vgl.: Eile haben, in Eile sein für "eilen"; Sorge tragen für "sorgen"; einen Vorschlag bringen für "vorschlagen"; Anwendung finden für "angewendet werden"; in Schrecken setzen für "erschrecken."

Trotz der Tatsache, dass die festen analytischen Verbalverbindungen im Wortbestand als korrespondierende Glieder einfache Verben haben, wird ihre Austauschbarkeit oder völlige Synonymie heute, und ganz besonders nach den Arbeiten von K.-H.Daniels, W.Schmidt56, H.Eggers57, Rv.Polenz58, V.Schmidt59 u.a. sowie nach den oben zitierten unseren Germanisten entschieden abgelehnt. Eine eingehende Analyse der festen analytischen Verbalverbindungen ermöglichte die Überwindung einer einseitigen Bewertung der Funktionsverbgefüge seitens der normativen Stilistik mit ihrer dogmatischen Stilregel "Drücke Handlungen in Verben aus!"60

Auf Grund dieser Arbeiten wurde es möglich, die unterschiedliche Leistung der analytischen Verbal Verbindungen im Vergleich zu den mit ihnen korrespondierenden fmiten Verben aufzudecken und ihre zunehmende Produktivität als Entwicklungstendenz der Gegenwartssprache zu sehen.

Die sprachliche Leistung der analytischen Verbalverbindungen besteht darin, dass sie befähigt sind, Lücken im deutschen Verbalsystem zu schließen. Vgl. hierzu die Worte von Daniels: "Es ist das Hauptziel unserer Untersuchung nachzuweisen, dass nominale Umschreibungen im Deutschen in vielfacher Weise eintreten für die Mängel und Lücken unseres Verbalsystems, sei es das Fehlen von Verbalsuffixen, Aspektformantien und Kennzeichnung der Aktionsart, sei es ungenügender Ausbau des verbalen Wortschatzes und dergleichen"61.

Am bedeutendsten ist wohl die Leistung der analytischen Verbalverbindungen im Vergleich zu finiten Verben im Ausdruck der Aktionsart. Die Fähigkeit der deutschen Verben, rein verbal besondere Aktionsarten auszudrücken, ist begrenzt. Dagegen können mit Hilfe der analytischen Verbalverbindungen praktisch alle Aktionsarten ausgedrückt werden.

Während die finiten Verben in der Regel die durative Aktionsart haben, können die analytischen Verbalverbindungen mit den spezialisierten verbalen Komponenten setzen, stellen, legen, bringen, kommen, treten u.a. die ingressive bzw. resultative Aktionsart ausdrücken. Vgl.:

Durativum Ingressivum

kämpfen in den Kampf treten

streiken in den Streik treten

sich bewegen sich in Bewegung setzen

sich wehren sich zur Wehr setzen

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Kontinuative Verbalverbindungen sind nicht durch fmite Verben substituierbar. Vgl.:

Kontinuativum

in Unruhe halten beunruhigen

in Zersplitterung halten zersplittern

in Entwicklung bleiben sich entwickeln

in der Diskussion bleiben diskutieren, diskutiert werden

im Wachsen bleiben wachsen62

Diese sprachliche Leistung der analytischen Verbalverbindungen wurde von allen Linguisten, die sich damit befassten, hevorgehoben.Eine besondere Beachtung verdient außerdem noch ein Grund, der von H. Eggers angeführt wird, um die Anwendung der analytischen Verbalverbindungen zu erklären: "Das Verbum wird von unserer Sprache selbst ausgesprochen schlecht behandelt. Im Hauptsatz steht die finite Verbalform in aller Regel an der schwächstbetonten Stelle im Tonschatten der umgebenden nominalen Glieder. In einem Satz wie ,Das erfahre ich erst morgen' liegen die Haupttonstellen auf dem ersten und dem letzten Wort, und das unbetonte Verb entzieht sich der Aufmerksamkeit, besonders, wenn sich an das ,morgen' noch weitere Bestandteile der Aussage, etwa ein Nebensatz, anschließen. Dem trägt die Stilisierung ,das bringe ich erst morgen in Erfahrung' Rechnung. Hier ist das unbetonte Verb fast bedeutungslos geworden, aber sein ursprünglicher Inhalt steht jetzt substantiviert am Ende der ganzen Äußerung und haftet, als zuletzt Gesagtes, im Ohr, selbst wenn es nicht betont wird. Gerade wer seine Sprache bewusst gestaltet, wird daher nicht selten die Streckformen statt des einfachen Verbs wählen"63.

Noch eine bemerkenswerte Funktion der analytischen Verbalverbindungen wäre zu erwähnen, die davon zeugt, dass sie, neben den anderen Spracheinheiten systemhafte Beziehungen im Wortbestand eingehen. Es sind einzelne Fälle belegt, wo sie zur kommunikativen Deutlichkeit der finiten Verben beitragen und eine übermäßige Entwicklung der lexikalischen Polysemie neutralisieren (siehe 1.2.1.4.). Und das bedeutet, dass der Gebrauch von festen Verbalverbindungen nicht ausschließlich in den Bereich der Stilkunst gehört, sondern auch durch innersprachliche Gründe hervorgerufen und bedingt wird. Solche Beziehungen zwischen dem korrelativen oder korrespondierenden Paar finites Verb - feste analytische Verbalverbindung ist an der Entwicklung der semantischen Struktur des Verbs beschlagen zu sehen.

Das Bedeutungsgefüge des Verbs beschlagen sieht heute folgenderweise aus: 1. "Hufeisen anbringen": ein Pferd b.: das Pferd musste vom Schmied beschlagen werden; die Hufe eines Pferdes b. - 2. "an den Rahen festmachen": Segel b. (seem.). - 3. "mit Feuchtigkeit, einem Belag überziehen": das Glas, Metall, Fenster, der Spiegel beschlägt, beschlug: die Scheiben sind b.; die Wurst, Speise beschlägt leicht, schnell "beginnt zu schimmeln". - 4. "kenntnisreich": auf einem Gebiet, in Mathematik gut b. sein. - 5. "begatten": die Ricke ist b. worden (weidm.)64.

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Aus der semantischen Struktur von beschlagen ist nach H. Pauls "Deutschem Wörterbuch" eine Bedeutung des Verbs "mit Arrest belegen" durch die analytischen Verbalverbindungen mit Beschlag belegen, in Beschlag nehmen verdrängt worden; diese wurden zuerst als verbale Bedeutung in der Fachsprache der Jurisprudenz gebraucht und haben später auch eine nichtterminologische Bedeutung "jmdn. oder etw. beanspruchen" entwickelt. Noch im 19. und zu Beginn des 20. Jhs. ist das Verb in der juristischen Fachsprache im Gebrauch. H. Paul zitiert diesen Sprachgebrauch bei Arndt: wegen einiger bei mir gefundener und beschlagener Briefe (gesperrt gedruckt von I. C.)65.

Die Gründe, weshalb die synonymische analytische Verbindung die fachsprachliche verbale Bedeutung verdrängen konnte, dürften zweierlei sein: Wirkung der Tendenz nach der kommunikativen Deutlichkeit ("Deutlichkeitstrieb" der Wörter); das Verb war mehrdeutig und die Verbal Verbindung eindeutig. Der zweite Umstand, der diese Entwicklung unterstützte, ist die stilistische Markiertheit dieser analytischen Verbindung als terminologischer Verbindung der Rechtswissenschaft.

Noch eine unterschiedliche Charakteristik der korrespondierenden festen analytischen Verbalverbindungen und finiten Verben wäre zu erwähnen, die ideographische Unterschiedlichkeit, z.B.: Bericht erstatten ist mit berichten nicht austauschbar, weil Bericht erstatten ein offizielles und vor allem schriftliches Berichten voraussetzt. Darum ist, wenn mündlich Bericht erstattet wird, das Verb berichten vorzuziehen66. Dass berichten zur weniger offiziellen Kommunikation gehört, davon zeugen die typischen Verbindungen des Verbs: über ein Erlebnis, einen Vorgang, Vorfall b.; es ist mir berichtet worden, dass...; ... nun berichte erst einmal, was du erlebt, getrieben hast, wie es dir geht, wo du warst l...

Die analytischen Verbalverbindungen können ihre semantische Struktur erweitern, indem sie manchmal neben terminologischer auch nichtterminologische Bedeutung bzw. Anwendung entwickeln, vgl. oben (jur.) in Beschlag nehmen, mit Beschlag belegen "mit Arrest belegen" und die nichtterminologische Bedeutung "jmdn., etw. beanspruchen": "...sie schien ihn ganz in Beschlag zu nehmen mit der Atmosphäre dessen, was sie erzählte (H. Mann. Professor Unrat).

Dasselbe zeigt auch die feste analytische Verbalverbindung Klage führen, die terminologisch (jur.) gebraucht wird - "einen Rechtsanspruch vor Gericht geltend machen" und ein nichtterminologischer Gebrauch: es wurde immer wieder Klage darüber geführt, dass die Ausstellung nur wenig Interessefand - "über etw., jmdn. klagen".

(2) Typisierte grammatisch-stilistische Konstruktionen. Für die typisierten grammatisch-stilistischen Konstruktionen ist das Vorhandensein eines Strukturmodells und einer bestimmten typisierten Semantik charakteristisch, die bei der Realisierung in der Kommunikation je nach der lexikalischen Füllung variiert wird.

Die typisierten Konstruktionen sind in der deutschen Gegenwartssprache zahlreich und mannigfaltig. Nachstehend werden einige davon näher erläutert.

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1. Konstruktion "Substantiv+Präp. + (unbest. Art.) + Substantiv."

Die typisierte Semantik der Konstruktion ist eine wertende Charakteristik der Individuen, Lebewesen oder Dinge: eine Seele von Mensch "ein sehr gutmütiger Mensch"; ein Berg von einem Bullen; ein Betonklotz von Hotel; ein Ozean von einem Markt; der Fettklotz von Wirt; diese Kalkhöhle von Wohnung.

Beide substantivischen Konstituenten der Konstruktion sind situativ auffüllbar oder austauschbar. Die erste substantivische Konstituente ist charakterisierend, die zweite die zu charakterisierende. Die Substantive selbst, die als erste Konstituenten dienen - viele davon sind Hyperbeln oder Metaphern - bewirken eine stark wertende Charakteristik. Darum ist diese Konstruktion, wie die meisten dieser Art, stilistisch markiert. Ihre eigentliche Gebrauchssphäre ist die Umgangssprache, oft salopp. Die Leistungsfähigkeit der Konstruktion in der abwertenden Charakterisierung des Objekts ist besonders hoch, vgl. folgende Beispiele: Sieh dir das Foto an\ Dieses Bierfass von einem Kerl (E. Strittmatter. Öle Bienkopp); Was wird Hertchen sich einen alten Schrank von einem Mann aufbuckeln (Ebenda); Noch schöner fand Bullert das Wort Eklektismus. Eine Löwenzahnblüte von Wort\ (Ebenda); Dieser übereifrige Esel von einem Pförtner hat mir mit seiner Anmeldung das Überraschungsmoment gestohlen (B.Disken. Der halbe Tod).

2. Konstruktion "es ist(war) zum + substantivierter Infinitiv".

Die typisierte Semantik der Konstruktion ist eine höchst emotionale abwertende Charakteristik von Objekten, die dem Gebrauch der Konstruktion vorangehen: Handlungen, Personen, eine Situation und dgl.

Situativ auffüllbar ist nur eine Konstituente, u.z. der substantivierte Infinitiv: Es ist zum Davonlaufen\ Es ist zum Verrückt\verden\ Es ist zum Ku-geln\ Es ist zum Heulenl

Bezeichnend ist die Tatsache, dass die auffüllbare Konstituente der Konstruktion eine Zusammenrückung beliebiger Art sein kann, sogar ein Phra-seologismus: Es ist zum Aus-der-Wäsche-Springen\ Es ist zum Platzenl" (B. Neuhaus. 26 Bahnsteige). Die eigentliche Gebrauchssphäre der Konstruktion ist die saloppe Umgangssprache. Die Konstruktion hat eine Variante: "Substantiv + ist(war) zum + substantivierter Infinitiv", z.B. Die Luft ist zum Schneiden "verräuchert, verbraucht"; Mein Hemd war zum Auswringen, als ich die Dienststelle erreichte "nass" (G. Radtke. Die Tätowierten).

Die Variante gilt für den Fall, wenn das Substantiv in der Konstruktion das Subjekt der Aussage ist.

3. Konstruktion "Präposition+Substantiv + Verb gehen". Die situativ auffüllbare Konstituente ist das Substantiv bzw. Präposition. Es präzisiert die typisierte Semantik: Ausdruck der Tätigkeit des Handlungsträgers: in die Lehre gehen "Lehrling sein"; zum Theater gehen "Schauspieler werden"; zur, in die Schule gehen "Schüler sein"; auf die Universität gehen "Student sein"; zum Film gehen "Filmschauspieler werden"; zu Bett gehen "schlafen gehen", z.B. Sein Sohn will zum Theater gehen.

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4. Konstruktion: "Substantiv + ist + Substantiv"

"Adjektiv + ist + Adjektiv" "Partizip II + ist + Partizip II "Adverb + ist + Adverb".

Die Eigenart dieser Konstruktion besteht darin, dass die situativ auffüllbaren substantivischen u.a. Konstituenten identisch sind: Betrug ist Betrug; tot ist tot; sicher ist sicher; geschehen ist geschehen; verloren ist verloren; hin ist hin.

Aus der Struktur ergibt sich die typisierte Semantik der Konstruktion: die Feststellung, dass das Subjekt der Aussage eben so ist und nicht zu ändern, vgl. die Aktualisierung der Konstruktion: Befehl ist Befehl, Herr Hauptmann (W. Altendorf. Das Hauptquartier).

In unserer Germanistik sind diese Konstruktionen noch unter dem Terminus "festgeprägte Satzschemas" bekannt, wo gerade hervorgehoben wird, dass sie keine konkreten Sätze sind, sondern die strukturell-syntaktischen und kommunikativ-grammatischen Invarianten einer ganzen Reihe von Sätzen, die durch Veränderungen im lexikalischen Aspekt gebildet werden67.

Die eigentliche Gebrauchssphäre der Konstruktion ist die Umgangssprache, manchmal salopp, vgl. futsch ist futsch "es ist kaputt, nicht mehr zu gebrauchen".

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