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Stilistische Potenzen der Synonymie

Allgemeines über die Synonymie.Die Quellen und Regelungsfaktoren des synonymischen Gebrauchs. Die stilistischen Potenzen der Synonymie.Die kontextualen Synonyme.

Der Begriff „Synonymie" („Synonyme") ist in der sprach­wissenschaftlichen Literatur noch nicht befriedigend geklärt. Es entstehen dabei manche strittige Fragen, z.B. der alte Streit über die Existenz der sogenannten voll­ständigen Synonyme in der Sprache. Viele Sprachfor­scher vertreten die Meinung, daß es überhaupt keine voll­ständigen Synonyme gebe. Im Duden-Stilwörterbuch und besonders im Synonymwörterbuch wird anhand zahlreicher sprachlicher Beispiele gezeigt, daß sogar sehr ähnliche Wörter nicht in allen Fällen als Synonyme behandelt wer­den können [Der Große Duden, Stilwörterbuch; Der Große Duden, Synonymwörterbuch]: sie besitzen feine Bedeutungsunter­schiede, die bei isolierten Wörtern nicht auffällig sind, aber im Kontext deutlich hervortreten. Man braucht zum Be­weis nur eine entwickelte synonymische Reihe näher zu betrachten, z.B. die Abjektive ausgezeichnet hervorragend prächtig vollkommen usw. Isoliert ge­nommen, bedeuten sie alle den höchsten Grad einer Eigenschaft. Aber bei diesem gemeinsamen Bedeutungskern bringen die einzelnen Glieder der Reihe verschiedene semantische Varianten oder Schattierungen zum Ausdruck. Mit Recht schreiben W. Fleischer und G. Michel: „Die synonymische Beziehung besteht streng genommen nicht zwischen Wörtern, sondern zwischen... Bedeutungsvarian­ten. Man kann z.B. nicht ohne weiteres Zimmer oder Stube als Synonyme von Raum bezeichnen“ [W. Fleischer, G. Michel, S. 73] Eben das charakterisiert die angeführten Wörter: jedes Wort verkörpert eine andere Bedeutungsvariante, weswegen sie nicht in jedem Kontext einander ersetzen können: ein herrlicher Tag ist z.B. nicht dasselbe, was ein hervorragender Tag bedeutet; ein hervorragendes Ereignis kann nicht ein herrliches Ereignis heißen; eine ausgezeichnete Frau bedeutet auf keinen Fall eine prächtige Frau usw. Die Differenzen treten klar an den Tag, obwohl die gemeinsame seman'tische Grundlage aller Wörter — „hoher Grad der positiven Einschätzung"— dieselbe bleibt, sie konstituiert gerade die synonymische Reihe. „Die Bestandteile einer solchen Synonymreihe... haben einen gleichen außersprach-lishen Bezugspunkt", heißt es bei W. Fleischer und G. Michel [W. Fleischer, G. Michel, S. 74]. Ein anderes Beispiel solcher Art ist die synonymische Reihe von Substantiven Betrübnis Kummer SchmerzGram. D. Faulseit hält schon die Anordnung selbst für bedeutsam: jedes Wort drückt im Vergleich zum vorgestellten „immer stärkeres Leidempfin­den" aus [D. Faulseit, S. 17]. Betrübnis kann man nach seiner Mei­nung über eine nicht sehr bedeutungsvolle Angelegenheit empfinden. Kummer dagegen sitzt tiefer und hat ernstere Ursachen. Schmerz (als „seelischer Schmerz" verstanden) sitzt sehr tief, ihm liegt meistens ein erschütterndes Ereignis zugrunde. Gram bedeutet einen starken Kummer, der lange dauern und zur völligen seelischen Erschöpfung führen kann. Also, wie man sieht, geben die angeführten synonymischen Substantive ihren einheitlichen Bedeutungskern — „seelisches Leidempfinden" — in seinen ver­schiedenen semantischen Schattierungen wieder. Zahlreiche Beispiele der Bedeutungsunterschiede innerhalb der synonymischen Reihen liefert auch das Wörterbuch von H. Küpper [H. Küpper Wörterbuch der deutschen Umgangssprache]. Es handelt sich dabei um die Lexik der Umgangssprache. Ein Beispiel dazu kann die syno­nymische Reihe von Verben sein, die sich auf den gemein­samen Bedeutungskern „schimpfen" („j-n anschreien") be­ziehen: j-n heftig ansprechen, j-n anblasen, anhusten, anpfeifen, anschnauzen, anwettern. Diese Verben tragen verschiedene Bedeutungsschattierungen, jedes von ihnen konkretisiert die Art des Schimpfens, spezifiziert den allge­meinen Begriff, zerteilt den Bedeutungskern in mehrere semantische Möglichkeiten. Aus vielen Beispielen dieses Wörterbuchs ist einerseits die Tatsache ersichtlich, daß fast zu jedem Grundbegriff des Lebens neben den litera­tursprachlichen Wörtern noch umgangssprachliche Syno­nyme vorhanden sind. Die meisten von ihnen geben solche Varianten der betreffenden Bedeutung, die konkreter und anschaulicher sind als die Bedeutungen der literatur­sprachlichen Wörter. Andererseits überzeugen die Bei­spiele davon, daß auch in der Umgangssprache die syno­nymischen Wörter nicht ohne Differenzierung gebraucht ,werden können, weil sie unter sich semantisch spezifiziert sind. Das soll noch ein Beispiel aus dem Wörterbuch von Küpper veranschaulichen: zum literatursprachlichen Wort sehen existieren umgangssprachliche Synonyme gucken — „neutrales Blicken"; glotzen — „Blicken mit einfältigem Gesichtsausdruck"; gaffen — „neugieriges Zusehen"; schielen — „schräges Gucken" usw.

Auf der heutigen Entwicklungsstufe der deutschen Sprache vollzieht sich wie bekannt ein sehr aktiver Prozeß der Annäherung zwischen der Literatursprache (der Schriftsprache) und der Umgangssprache (der Sprechsprache). Als Folge dieses Prozesses dringen in die Literatursprache, hauptsächlich in die schöne Literatur und teilweise in die Presse und Publizistik, immer mehr Wörter aus der Um­gangssprache ein, die den Bereich der synonymischen Ausdrucksmöglichkeiten der Literatursprache erweitern. Für die Funktionalstile, die zur echten Sachprosa gehören, ist dieser Prozeß nicht charakteristisch, sie lassen solche Auflockerung nicht zu. Die Auflockerung besteht nicht nur in konkreteren Bedeutungen der umgangssprachlichen Synonyme, sondern auch in ihren stilistischen Schattierungen. Dieser Aspekt der Differenzierung innerhalb der Synonyme überhaupt ist genauso wichtig wie der Aspekt ihrer semantischen Differenzierung. Dies anerkennend, betrachten die Stilforscher die Erscheinung der Synonymie, ihre Rolle für die Wortwahl des Textes von zwei Seiten — von den Schattierungen der Bedeutung und den Schattierungen der Stilfärbung. Darin sieht z.B. D. Faulseit das Wesen der Synonyme: sie sind ,,verschiedene sprachliche Formulierungen eines einheit­lichen Grundgedankens", geben ihn aber „in verschiedenen Schattierungen der Bedeutung und der Stilfärbung" wider [D. Faulseit, S. 17—18]. Wenn man sich unter diesen beiden Gesichtspunkten den schon oben behandelten Beispielen noch einmal zuwendet, kann folgendes festgestellt werden: bei den Synonymen Leid Schmerz Kummer Gram Betrübnis bedeutet z.B. Gram neben einer anderen Bedeutungsschattierung noch eine gehobenere, gewähltere Stilfärbung im Vergleich zu Schmerz; Kummer ist dagegen umgangssprachlich gefärbt. Unter den Synonymen zum Begriff „schimpfen" („j-n anschreien") sind anschnauzen und anwettern Grobwörter, während anpfeifen, anhusten durch die Stilfärbung „salopp" gekennzeichnet sind. Andere Beispiele: fressen ist eine grobgefärbte Variante zum normalsprachlichen essen, saufen — salopp zu trinken, verrecken — grob zu sterben, sich vermählen — gehoben (gewählt-offiziell) zu heiraten usw. Eine reiche Quelle der Erweiterung des synonymischen Bereichs sind Fremdwörter. Sie erscheinen zunächst als zulässige Ersetzung entsprechender deutscher Wörter, z.B.: FaktumTatsache, Energie Tatkraft, Resümee Zusammenfassung, formieren bilden, Resultat Ergeb­nis, ignorieren außerachtlassen, dominieren vorherr­schen usw. Dann bestehen im sprachlichen Gebrauch solche Fremdwörter, die im Vergleich zu ihren deutschen Entsprechungen verschiedene inhaltliche und stilistische Nuancen besitzen, d.h. abwertend, gehoben, offiziell, iro­nisch usw. wirken können. Im Buch von K. Heller [41], das speziell dem Problem des Fremdwortes in der deutschen Gegenwartssprache gewidmet ist, werden Fremdwörter angeführt, die stets oder gelegentlich einen negativen sti­listischen Wert haben, z.B.: Aggressor, Gangster, Phili­ster, philisterhaft, denunzieren, Asphaltpresse, Visage u.a. Dagegen gehören andere Fremdwörter ausschließlich zur gehobenen Lexik, z.B.: Souper („Abendmahlzeit"), soupieren („zu Abend speisen"), Vestibül (Vorraum"), Audienz („Empfang"), debütieren, Debüt, Debütant und viele andere. Im Kontext können die Fremdwörter solche Schattierun­gen der Stilfärbung erhalten, die ihnen ungewöhnlich sind, aber vom Autor beabsichtigt werden. Das ist z.B. aus fol­genden Kontexten ersichtlich:

„Sie dirigierten, intrigierten, denunzierten aus Geldgier und Herrschsucht..." [K. Heller]; „...eine spezielle amerikanisch­bürgerliche Operette in moderner, ja modischer Machart." (Ebenda.)

Die Fremdwörter stehen manchmal neben den synonymischen deutschen Wörtern innerhalb der sogenannten synonymischen Wiederholung zum Zweck einer besonderen Verstärkung oder Nuancierung des betreffen­den Inhalts. Solche Art der synonymischen Wiederholung erscheint im Kontext „als expressive, affektisch betonte sprachliche Äußerung" [W. Fleischer, G. Michel, S. 75]; vgl. z.B.:

„Sofort waren die kraftvollen, energischen Leipziger wieder da." (Reportage über ein Fußballspiel.) „Die alte Dichtform, abgewandelt und modifiziert, ist zum neuen Leben erweckt worden." [K. Heller] Die Sprache erfindet in ihrem Entwicklungsgang noch spezielle Mittel, die zur Erweiterung ihrer synonymischen Ausdrucksmöglichkeiten dienen können. Eines dieser Mittel sind Streckformen (nominale Fügungen) — Äquivalente der einfachen Verben (inhaltlich, aber keinesfalls stilistisch äquivalent): einen Beschluß fassen beschließen; unter Beweis stellen beweisen; zur Durchführung bringen durchführen; Kontrolle ausüben kontrollieren; in Erwägung ziehen erwägen; in Wegfall kommen wegfallen u.a.

Die Streckformen als Synonyme gebräuchlicher Verben sind für den Alltagsstil nicht charakteristisch. Sie finden ihre Verwendung hauptsächlich in der Sachprosa, weil sie einerseits oft eine offiziell-gehobene Stilfärbung besitzen und andererseits der Verdeutlichung dienen. Die deutschen Stilforscher (G. Möller, D. Faulseit, E. Koelwel u.a.) sind der Meinung, daß nominale Fügungen solchen Typs wie unter Beweis stellen, zur Durchführung bringen usw. als schablonenhafte Ausdrücke empfunden werden. Die einfa eben Verben beweisen und durchführen als ihre Synonyme würden in den meisten Fällen genügen. Doch darf man diese Ansicht nicht verallgemeinern: ihr Gebrauch, wie der Gebrauch von Synonymen überhaupt, bezweckt bestimmte inhaltliche und besonders stilistische Wirkungen, es muß erwogen werden, wo und warum das einfache Verb oder die nominale Fügung (die Streckform) angemessener ist. Neben den drei besprochenen Bereicherungsmöglichkeiten der Synonymie existieren auch andere Wege ihrer ständi­gen Erweiterung. Aber die Differenzierung nach zwei Seiten — nach dem Inhalt (Semantik) und nach dem stilistischen Wert — hat ihre Geltung für alle Fälle. Solche differenzierte Ausnutzung der Synonymie spielt eine sehr große Rolle in der Textgestaltung. Die Bevorzugung dieser ober jener Ausdrucksvariante, ihre Auswahl aus dem synonymischen Bereich der Sprache liegt nicht nur am Geschmack des Verfassers (des Sprechers). Entscheidend sind gerade die inhaltliche Spezifik des Synonyms und seine stilistische Markierung. Es werden die Varianten der Bedeutung und der Stilfärbung bevorzugt, die dem Funktionalstil, dem Thema und der gesamten Stilatmos­phäre des Textes am besten entsprechen. Darin besteht die objektive Linie des synonymischen Gebrauchs. Seine subjektive Seite ist damit verbunden, daß der Verfasser (der Sprecher) bei der Auswahl der Synonyme von der Absicht geleitet wird, auch seine persönliche Einstellung, sein persönliches Verhalten zu dem, was (oder wen) er schildert, fühlbar oder ganz deutlich zu machen. Die synonymische Grundlage ist somit die Stütze der stilisti­schen Seite des Textes. Nicht zufällig meinen einige Stil­forscher, darunter auch G. Michel, daß man den Stil eines Schriftstellers und eines Textes nur auf dem Hintergrund der in ihm vorhandenen synonymischen Variabilität be­trachten und auswerten kann [G. Michel, S. 17]. Die Synonyme gehen als mannigfaltige Schattierungen in die Textbeschreibung ein, sie ermöglichen dadurch die Variierung der Gesichtspunkte, unter denen ein Sachver­halt vom Verfasser betrachtet wird. Das heißt: der Ver­fasser kann mit ihrer Hilfe verschiedene Seiten des Ge-genstandes und verschiedene Arten seines Verhaltens angeben und speziell betonen. E. Riesel und E. Schendels schreiben über die Ausdruckspotenzen der Synonymie folgendes: die bedachte Verwendung aller synonymischen Schattierungen hilft vor allem, den Ideengehalt klar, deutlich und überzeugend zu gestalten. Außerdem dient sie auch zum Ausdruck der persönlichen und oft der poli­tisch-ideologischen Einstellung des Autors [E. Riesel, E. Schendels, S. 55]. Zu einer besonderen stilistischen Leistung der Synonyme gehört es, daß durch ihre treffende Verwendung sogar eine Kontrastwirkung erzielt werden kann, was ihrem Wesen als sprachlicher Erscheinung eigentlich widerspricht:

„Man bringt ihn in einen Raum. Nicht in ein Zimmer, in einen Rauml" [W. Fleischer, G. Michel]

„Er lebt nicht mehr, er existiert nur noch.u [W. Fleischer, G. Michel]

Wie in jeder anderen Sprache, gibt es auch im Deutschen einen weit entwickelten Bereich der kontextualen Syno­nymie. Als kontextuale Synonyme können Wörter gelten, die nicht einmal thematisch verwandt sind: im Textzusammenhang werden sie auf denselben Gegenstand der Rede bezogen und beginnen auf solche Weise als Synonyme zu wirken. Es handelt sich also nur um die Synonymie der Verwendung. E. Riesel und E. Schendels sehen in der kontextualen Synonymie die „Austauschbar­keit lexikalischer Einheiten im Kontext" [E. Riesel, E. Schendels, S. 58]. Die stilistischen Funktionen der kontextualen Synonyme sind fast unbegrenzt: einmal dienen sie der Variation des Ausdrucks, bewahren ihn vor Eintönigkeit; zum ande­ren tragen sie zusätzliche Information, sei es eine objektive Feststellung, eine Präzisierung des Gesagten oder eine subjektive Bewertung (ein emotionales Verhalten usw.). Mit dieser letzten Leistung ist der Ausdruck einer bestimmten Stellungnahme, eines bestimmten persönlichen Verhaltens zum Gegenstand der Rede verbunden. Ein interessantes Beispiel soll das veranschaulichen:

„Vom Knick der Straße kommt plötzlich Gesang: ,...Die Straße frei den braunen Bataillionen!— Die Straße frei dem Sturmabteilungsmann!...' Sie singen nicht, sie brüllen" (Jan Petersen, Unsere Straße.) [D. Faulseit, G. Kühn]

Die verhaßten SA-Leute singen ihr Lied. Es wird verdeutlicht, wie wenig ihr Gesang — Brüllen — mit normalem Singen zu tun hat: er erinnert eher an eine gellende Provokation. Die Wahl des Verbs brüllen als kontextua-len Synonyms zu singen erfüllt hier zwei Aufgaben: inhaltlich unterstreicht sie den Charakter, die Art des Benehmens und Handelns; stilistisch macht sie die Position des Autors deutlich.

Die kontextualen Synonyme sind ein wesentliches Kennzeichen der schönen Literatur. Im offiziellen Stil und in der wissenschaftlichen Prosa können sie keine breite Verwendung finden, sie werden nur ab und zu zum Zweck der Präzisierung herangezogen, weil in diesen Stilen der Ersatz eines speziellen Begriffs oder einer speziellen Bezeichnung durch synonymische Begriffe und Bezeich­nungen nur in sehr beschränkten Grenzen zulässig ist.