
- •Siegfreid Krahl Josef Kurz Kleines Wörterbuch der Stilkunde
- •Veb Bibliographisches Institut Leipzig 1973
- •Vorwort
- •11 ________________________________ __ Anapher
- •13________________________________ Antiklimax
- •15________________________ _______ Ars bene dicend
- •17______________________ _______Ausklammerung
- •Aussage ________________________ _______18
- •19________________________ _______Aussagenfolge
- •Ausstoßung ________________________ _______20
- •21 ___________________ Begriffliche Synonyme
- •23________________________ _______Berichten
- •25________________________ __Bildkontamination
- •27__________________ _______ Charakterisieren
- •29 ______ _______ Darstellungsarten
- •31______ _______ Denkstilistik
- •33 ______ _______ Direkte Rede
- •35 ______ _______ Disposition
- •37 ______ _______ Dynamik
- •41 ___ _______ Epitheton
- •43 _ _______ Erlebte Beflexion
- •45 _ _______ Erzählen
- •47 _ _______ Exkurs
- •49 _______ Fertigstücke
- •53_______ Gleichklang
- •55_ Grammatische Einsparung
- •57 Historisches Präsens
- •59 Immutatio syntactica
- •Impertekt der Rede 60
- •61 Ironie
- •Isokolon 62
- •63 Klammerung
- •65 Konkretisierung
- •67 Kreuzstellung
- •69 Llterarischer Stil
- •71 Metapher
- •73 Mündlicher Stil
- •73 Nominalstil
- •77 Parenthese
- •79 Personifizierung
- •81 Präteritalanziehung
- •83 Quaestio
- •85 Redegestaltung
- •87 Redekennzeichnunggwort
- •89 Redigierung
- •91 Reflexionskennzeichnungswort
- •93 Rhetorik
- •95 Rückgriff
- •97 Satzname
- •99 Satzunterbrechung
- •101 Schriftlicher Stil
- •103 Sprache
- •105 Sprachrhythmus
- •107 Statik
- •109 Stil
- •111 Stilfärbung
- •113 Stilistik
- •115 Stilistisch
- •117 Stilistische Ausklammerung
- •119 Stilprinzipien
- •121 Suprasyntaktische Mittel
- •123 Synekdoche
- •125 Syntaktische Synonyme
- •127 Tempuswahl
- •129 Text
- •131 Titel
- •133 Variierte Wiederholung
- •Veranschaulichende Merkmalsfolge 134
- •135 Vorreiter
- •Vulgarismus 136
- •137 Wörtlichnehmen
- •139 Zitat
- •141 Zwillingsformel
13________________________________ Antiklimax
Anschaulichkeit: besondere Eigenschaft der Erkenntnisver-mittlung. Sie setzt Beziehungen zu Bekanntem voraus, indem Bestandteile des neu Vermittelten aus bereits Bekanntem her-leitbar sind oder Analogien zu bereits Bekanntem aufweisen oder indem in. den neuen Vermittlungszusammenhang Bekanntes übernommen wird. Sprachlich-stilistisch äußert sich Anschau-lichkeit sehr oft in ↑ Gegenständlichkeit und Metaphorik (↑ Me-tapher).
Anschlußstellung: durch die Gedankenabfolge im Text bedingte Stellung eines Satzgliedes am Anfang eines Satzes; sie kann von der als ↑ Normalfolge geltenden Stellung abweichen: Der Begriff Analyse diente ursprünglich zur Kennzeichnung einer geometrichen Beweismethode. In diesem Sinn wvrd er von Euklid verwendet. Die Anschlußstellung kann überspielt werden, indem ein nicht logisch erwartetes Glied aus Gründen des Nachdrucks in ↑ stilistische Anfangstellung gerückt wird.
Anspielung, Allusion: Methode, sich zur intellektuellen und emotionellen Unterstützung einer Aussage andeutungsweise, nur halb ausgesprochen auf etwas Bekanntes zu beziehen, das eine Analogie, einen Aufschluß enthält. Besonders häufig sind Anspielungen auf Personen, Ereignisse, Lebensweisen, Aus-sprüche, literarische Zeugnisse, Sprichwörter, Redewendungen. Der Umfang einer Anspielung reicht vom Einzelwort bis zu ganzen Satzfügungen, ist jedoch durch den Andeutungscharakter relativ begrenzt. Die besondere Wirkung der Anspielung besteht darin, daß das Publikum selbst etwas beizutragen hat, um ihren vollen Sinn zu erschließen. Gesteigerte Wirkung tritt durch überraschende Beziehungen ein. Voraussetzung ist, daß die Anspielung vom Publikum verstanden werden kann: Uhren aller Länder, vereinigt euch! (Kisch). Im Künstlerisch-Literarischen kann die Anspielung andeutender Vorbereitung einer späteren Handlungs- oder Gedankenentfaltung dienen. — Die im Andeutungscharakter der Anspielung enthaltene Möglichkeit absichtlicher Unschärfe und Verschwommenheit der Aussage wird in demagogischer Absicht ausgenützt.
Antiklimax f: Aufzählung in fallender Linie bei Voraussetzung einer bestimmten Betrachtungsrichtung. Bei Annahme einer
Antithese___________________________ _______14
anderen Betrachtungsrichtung ergibt sich eine ↑ Klimax, die Aufzählung in steigender Linie. Der Satz Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven z. B. ist eine Antiklimax bei Betrachtung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse; er ist eine Klimax, wenn man die zahlenmäßige Stärke dieser Gesellschaftsschichten betrachtet.
Antithese f: Ordnungsprinzip der gedanklichen Reihung, das zwei, mitunter auch mehr gegensätzliche Aussageeinheiten, die auf gleicher logiscner Ebene liegen, gegenüberstellt. Die Antithese erzeugt Klarheit der Gedankenführung und ↑ Aussage. Ihre vielgestaltigen Erscheinungen reichen von der knappen antithetischen ↑ Zwillingsformel (nah und fern) bis zur kompositorischen Gegenüberstellung ganzer Textabschnitte. Im Kommunistischen Manifest z. B. ist das erste Kapitel in größeren und kleineren Antithesen adäquat zur thematischen Antithese Bourgeois und Proletarier komponiert. Der gegensätzliche Begriffsinhalt der Antithese wird — abgesehen vom größeren Kontext – entweder von dieser allein (Unterdrücker und Unterdrückte) oder zusätzlich durch ↑ Akkumulation und ↑ Synonymie ausgedrückt: Sie führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der ...
Die Leichtigkeit, mit der im Kontext polare Paare geschaffen werden können, begünstigt der Mißbrauch antithetischer Ordnung. Wird die Übereinstimmung mit dem Leben vernachlässigt, so verselbständigt sich die Form und verführt zu formalen Spielereien oder zu Denkfehlern (z. B falsches während oder jedoch statt und) oder sogar zu undialektischer, simplifizierender Schwarz-Weiß-Darstellung. Falsche Antithesen sind aber vor allem eine Hauptmethode aller Demagogie, häufig in der Form, daß Begriffe verschiedener logischer Ebenen als falsche Alternative antithetisch gereiht werden: Demokratie statt Diktatur des Proletariats. Hier bilden der Oberbegriff Demokratie und der Unterbegriff Diktatur des Proletariats eine falsche Antithese, wobei hinzukommt, daß der Unterbegriff Diktatur des Proletariats historisch die höchste Ausprägung des Oberbegriffs Demokratie ist. Auch Scheinbeweise werden mit Vorliebe auf falschen Antithesen aufgebaut: Du kannst Gott lieben oder ihn hassen. Was du auch tust, du erkennst ihn an.